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Normale Version: Generalstreik im November 1948
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In Deutschland gab es seit 1933 einen einzigen Generalstreik.
Das heißt, in einem Teil Deutschlands, der sg. Bizone.
In der franz. Besatzungszone war der Streik von den Besatzungsmächten verboten worden.

Vorausgegangen waren am 28. Okt. 1948 die "Stuttgarter Tumulte" Straßenbahnen wurden gestoppt, Schaufensterscheiben eingeschlagen.
10.000de sollen Beteiligt gewesen sein.
Die Stuttgarter städtische Polizei wurde mit dem Aufruhr nicht fertig, die US Militärpolizei wurde gerufen und kam mit Panzerwagen und Bajonetten, aber insbesondere mit Tränengas.
Was im Netz dazu zu finden ist, nutzt als Quellen überwiegend die SBZ-Presse von damals, ist mit Vorsicht zu genießen.

Auslöser der Tumulte war die Währungsreform und die Liberalisierung der Preise bei gleichzeitigem Beibehalten des Lohnstopps.

Der vom DGB seit 26. Okt. geplante Generalstreik gegen "Währungsreform und Preiswucher" in der Bizone durfte deshalb nur unter größeren Auflagen stattfinden.
Aber er durfte stattfinden - am 12. November 1948
und hatte Erfolg.
9,25 Millionen von damals 11,7 Millionen Beschäftigten der Bizone waren in den Ausstand getreten. Die Franzosen hatten, wie geschrieben den Streik verboten.

In der genannten SBZ+DDR-apologetischen Literatur wird der 26.10.48 mit dem 17.6.53 verglichen.
US-Panzer gegen Demonstranten - stimmt schon.
ABER der nachfolgende Generalstreik wurde genehmigt, und den Streikenden ist weder etwas geschehen, noch war der Streik erfolglos.
Der Lohnstopp wurde umgehend aufgehoben.

Jedenfalls ein fast unbekanntes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte das man hier diskutieren könnte.
Sehr interessanter Artikel. Dieser Generalstreik war mir bisher nicht bekannt. Man liest halt über diese Zeit hauptsächlich nur über die Währungsreform, die Rosinenbomber und die Verabschiedung des Grundgesetzes. Gibt es zu diesem Generalstreik überlieferte Äußerungen von Adenauer, Erhard oder anderen Politikern? Und hast Du Kenntnisse, wie die US-amerikanische und britische Öffentlichkeit diesen Generalstreik werteten?
Und: Du schreibst am 12. November 1948 fand der Streik statt, müsste dann nicht dieser Tag mit dem 17. Juni 1953 verglichen werden?
(17.12.2019 19:12)Sansavoir schrieb: [ -> ]Sehr interessanter Artikel. Dieser Generalstreik war mir bisher nicht bekannt. Man liest halt über diese Zeit hauptsächlich nur über die Währungsreform, die Rosinenbomber und die Verabschiedung des Grundgesetzes. Gibt es zu diesem Generalstreik überlieferte Äußerungen von Adenauer, Erhard oder anderen Politikern? Und hast Du Kenntnisse, wie die US-amerikanische und britische Öffentlichkeit diesen Generalstreik werteten?
Und: Du schreibst am 12. November 1948 fand der Streik statt, müsste dann nicht dieser Tag mit dem 17. Juni 1953 verglichen werden?


Der Generalstreik am 12. November war angemeldet, genehmigt (von den Alliierten), organisiert vom DGB und dessen Teilgewerkschaften, er lief in geordneten Bahnen ab.
Das heißt, die Franzosen haben nichts genehmigt. Deshlab nur in der Bizone nicht in Trizonesien.

Die "Stuttgarter Tumulte" waren eine von mehreren Protestkundgebungen die dem Generalstreik zuvor gingen. Aber die einzige mit Tumulten. 50.000 sollen teilgenommen haben. Und der Einsatz der Ami-MP mit "Straßen-Panzer-Wagen". Von daher wird aus Kreisen der "Antifa" der Vergleich zum 17. Juni gezogen.

Hinterher soll Clay den Stuttgarter-Gewerkschafts-Sekretär persönlich zur Brust genommen haben.

OT: Dies alles war mir bis vor kurzem ebenfalls völlig unbekannt. Blush
mögliche Entschuldigung, ich lebe in der damals franz. Zone, und die durften ja nicht mitmachen....

hier eine vertrauenswürdige Site
https://www.des-volkes-stimme.de/kampf-d...er-teil-2/
Hier noch eine weitere Site zur Vorgeschichte des Generalstreiks.
Das "Wunder" Währungsreform kam demnach auch langsamer bei den Menschen an, wie heute gerne kolportiert.

https://www.des-volkes-stimme.de/kampf-d...-mannheim/
aus wiki:
Zitat:Konrad Adenauer, Vorsitzender der CDU, forderte kurze Zeit nach dem Streik Ludwig Erhard in einem Telegramm auf, mit allen „zur Verfügung stehenden Mitteln gegen unbegründete Preissteigerungen“ vorzugehen und die „Angleichung zurückgebliebener Löhne und Bezüge an das Preisniveau zu beschleunigen“.[8] Die Auswirkungen der Währungsreform inklusive der Bennungen des Generalstreiks sind, wenn auch in einer sehr abgeschwächten Formulierung, auch auf der Internetpräsenz der Deutschen Bundesbank zu finden

maw das Streikziel wurde sehr wohl erreicht.

Von Erhard gibt es ebenfalls ein, allerdings einige Jahre später, ein Statement.
"Es wäre darauf angekommen, wer die besseren Nerven behalten hätte, und das wäre er gewesen."
Die Gewerkschaften hatten ja außer höheren Löhnen eine Wiedereinführung der Preiskontrollen gefordert, die Erhard mit der Währungsreform abgeschafft hatte, und diese Forderung wurde nicht erfüllt.

Per Saldo, die beiden Maßnahmen,
Nichtwiedereinführung der Preiskontrollen,
und
Wegfall des Lohnstopps
haben die Situation völlig entschärft, und letztlich zum Erfolg der Währungsreform geführt.

Also, Streikziel erreicht, wenn auch nicht alle Forderungen erfüllt wurden
(18.12.2019 13:16)Suebe schrieb: [ -> ]Per Saldo, die beiden Maßnahmen,
Nichtwiedereinführung der Preiskontrollen,
und
Wegfall des Lohnstopps
haben die Situation völlig entschärft, und letztlich zum Erfolg der Währungsreform geführt.

Also, Streikziel erreicht, wenn auch nicht alle Forderungen erfüllt wurden

Das ist aber ordnungspolitisch richtig, freie Marktwirtschaft heisst eben, dass sowohl Preise als auch Löhne steigen können. Der richtige Weg ins Wirtschaftswunder.

Ansonsten - interessantes Thema, auch noch nie davon gehört.
(18.12.2019 22:46)Marek1964 schrieb: [ -> ]
(18.12.2019 13:16)Suebe schrieb: [ -> ]Per Saldo, die beiden Maßnahmen,
Nichtwiedereinführung der Preiskontrollen,
und
Wegfall des Lohnstopps
haben die Situation völlig entschärft, und letztlich zum Erfolg der Währungsreform geführt.

Also, Streikziel erreicht, wenn auch nicht alle Forderungen erfüllt wurden

Das ist aber ordnungspolitisch richtig, freie Marktwirtschaft heisst eben, dass sowohl Preise als auch Löhne steigen können. Der richtige Weg ins Wirtschaftswunder.

Ansonsten - interessantes Thema, auch noch nie davon gehört.



Der Generalstreik hat in der Historik der Nachkriegszeit noch die eine oder andere Spur hinterlassen.

Die Stuttgarter Tumulte sind aber offensichtlich außerhalb der Regional-Geschichte völlig vergessen.
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