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Normale Version: Übernamen von Herrscher/innen und Persönlichkeiten
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OT:
Ich habe eine Einladung für 15.1.2020 ins Hauptstaatsarchiv nach Stgt
ein Referat über eine Urkunde Ludwig des Frommen aus 814
die gefälscht ist, aber trotzdem Echt! die älteste Urkunde im HStA in Stgt.

TT: Ludwig der Fromme?
trägt der den Beinamen zu Recht?
Er hat zumindest eine kirchenfreundliche Politik betrieben. Daher der Beiname.
Dass sein Beiname der "Fromme" blieb, könnte auch damit zusammenhängen, dass er nie heilig gesprochen wurde.

Im heutigen Österreich gibt es da einen ähnlichen Fall, den Babenberger Leopold, in der Zählung meistens mit Ordnungszahl III. Der Markgraf von Österreich wurde um 1470 aus "politischen" Gründen heilig gesprochen. Die Heiligsprechung war ein Wunsch der Habsburger, welche die Babenberger in den Herzogtümern Österreich und Steier(mark) beerbten und daraufhin auch zu ihren Vorfahren machten. Durch diese Heiligsprechung, die Kaiser Friedrich III. mit dem damaligen Papst Paul II. aushandelte, erhielten sie endlich ihren "Familienheiligen".

Zuvor war dieser Leopold (mit seiner Ehefrau Agnes, der allerdings die Erhebung zur Heiligen oder wenigstens zur Seligen durch den Heiligen Stuhl verwehrt blieb) bereits im Volk als Heiliger verehrt worden, und als Beiname findet sich für ihn Leopold der Fromme, was gewöhnlich auf seine Gründung dreier Klöster zurückgeführt wird. Nach der Heiligsprechung war er nicht mehr der "Fromme", sondern der "Heilige".

Ich vermute, dass die Lage bei Ludwig dem Frommen ähnlich sein dürfte, nur mit dem Unterschied, dass er nie offiziell heilig gesprochen wurde und daher der Fromme blieb.
Dass er nie offiziell heilig gesprochen wurde, könnte damit zusammenhängen, dass er zu jenem Zeitpunkt, als der Heilige Stuhl diese Heilig-, Selig- und Ehrwürdig-Sprechungen zu seiner Angelegenheit erklärte, um 1200, und dabei auch festlegte, wer von den bisherigen "Heiligen" ohne dieses Verfahren, seine Heiligkeit behalten durfte, es keine Interessenten mehr gab, die Interesse an einer Heiligsprechung seiner Person gehabt hätten.

Was die Urkunde betrifft, dürfte es sich um eine Urkunde handeln, die als verfälscht gilt, aber nicht als gefälscht. Gefälscht meint eine Fälschung. Eine Verfälschung bedeutet, dass zumindest Teile der Urkunde als "echt" gelten, nur als Ganzes ist die Urkunde nicht "echt".
Zitat Teresa:
Zitat:Was die Urkunde betrifft, dürfte es sich um eine Urkunde handeln, die als verfälscht gilt, aber nicht als gefälscht. Gefälscht meint eine Fälschung. Eine Verfälschung bedeutet, dass zumindest Teile der Urkunde als "echt" gelten, nur als Ganzes ist die Urkunde nicht "echt".

Leider habe ich keine Zeit um zu dem Vortrag zu gehen, unter der Woche immer ein Problem bei mir.
Gelesen habe ich schon mal was, von jener Urkunde die gefälscht ist, aber trotzdem echt.....Huh

aber was?????

Ich hoffe man bekommt vom WGAV hinterher noch Infos zu dem Referat.
Für den Großvater des Frommen Ludwig wurde in der Schule folgende Eselsbrücke angeboten:

Pippin der Kurze war klein, aber Karls des Grossen Vater.

Was bietet die Historik da an Erklärungen?
Pippin hat doch eh eine solche Bedeutung, oder ist das später so
Ich habe ihn ursprünglich als Pippin den Kurzen kennen gelernt und war daher überzeugt, dass er nicht besonders groß war. Heute sind Übernamen verpönt (zumindest in den meisten Fällen), bei Pippin ist höchstens Pippin der Jüngere noch erlaubt. Allerdings waren es gerade diese Übernamen, die es mir nicht erleichtert hat, mir die historischen Akteure zu merken, sondern die gewöhnlich auch die Identifizierung erleichterten. Denn bei einer Zählung habe ich schon oft, bemerkt, dass die Ordnungszahlen nicht zulässig sind.
Sehe ich auch so.
Im frühen Mittelalter, im Hochmittelalter, selbst noch im Spätmittelalter wird doch die Familienzugehörigkeit über die "Leitnamen" ermittelt.
Wer soll denn da bei den ganzen "Pippiniden" den Überblick behalten, ohne Übername. Karolinger heißen die ja noch nicht sooolangeLightbulb

Auch lokal, und hochmittelalterlich, bei den württ. Ulrich und Eberhard hat selbst Uhland nicht immer den Überblick gehabt.

Was nichts dran ändert, dass die Nachfrage nach dem Grund für den Übername recht interessant ist.
Nicht nur der Übername ist interessant, sondern auch die Leitnamen. Die Grundlagen des späteren Aufstieg der späteren Karolinger wurden um 612/614 geschaffen. In diesem Zeitraum konnte der merowingische König Chlothar II. von Neustrien die burgundische Herrscherin Brunichildis (Brunhilde) besiegen und die Einheit des Frankenreichs wieder herstellen. Chlothar konnte diese Einheit nur mit Hilfe des austrasischen Adels erreichen, von dem ein großer Teil zu ihm überlief. Zu diesen Adligen gehören auch Pippin der Ältere, dessen Grundbesitz im späteren Brabant lag und Arnulf, Bischof von Metz, die beide zu den Stammvätern der späteren Karolinger zählen. Diese beiden Männer müssen ein politisches Bündnis geschlossen haben. Dies lässt sich zumindest aus der Ehe von Arnulfs Sohn Ansegisel mit Pippins Tochter Begga schließen.

Pippin der Ältere war seit etwa 624/625 austrischer Hausmeier. Seine Macht dürfte aber noch nicht mit der der späteren Hausmeier, z.B. Pippin den Mittleren oder Karl Martell vergleichbar sein. Das lag sicher auch daran, dass Chlotar II. und sein Sohn Dagobert I. durchaus starke Herrscher waren. Arnulf und Pippin waren Berater Dagoberts, möglicherweise herrschten sie als Triumvirat über das Frankenreich.
639/640 starben Dagobert, Pippin und Arnulf. Dagobert hatte als Erben nur seinen minderjährigen ehelichen Sohn Chlodwig II. und seinen ebenfalls nur minderjährigen unehelichen Sohn Sigibert III.

Der Adel des Reiches setzte die Reichsteilung durch. Über Neustrien und Burgund wurde Chlodwig II. König und Sigibert III. wurde König von Austrien. Grund für die Teilung soll die Bevormundung des neustrischen und burgundischen Adels durch den austrischen Adel gewesen sein. Dies würde bedeuten, dass es Pippin den Älteren und Arnulf von Metz gelungen sein muss, eine vorherrschende Stellung im Frankenreich erlangt zu haben.

Faktischer Herrscher von Austrien wurde Pippins Sohn Grimoald, der nach dem Tod von Sigibert III. im Jahr 656 und dem Tod von Chlodwig II. 657 den ersten Versuch eines Pippiniden unternahm, die formale und tatsächliche Macht im Frankenreich zu übernehmen. Dies Versuch scheiterte und Grimoald wurde hingerichtet. Interessant ist, dass es Grimoald gelungen ist, die Adoption seines Sohnes durch den Merowingerkönig Sigibert III. zu erreichen. Dieser Childebert der Adoptierte herrschte auch über Austrien, wahrscheinlich bis um 662. Man könnte sagen, er war der erste König aus der Dynastie der Pippiniden bzw. der späteren Karolinger. Dass dies nicht so gesehen wird, liegt sicher daran, dass er von einem Merowinger adoptiert wurde und somit dieser Dynastie zugeordnet wurde.

Mit dem Tod Grimoalds bzw. Childeberts starben die Pippiniden in männlicher Linie aus. Alle späteren Karolinger sind Nachkommen von Pippins Schwester Begga und ihrem Mann Ansegisel aus dem Geschlecht der Arnulfinger. Deren Sohn war Pippin der Mittlere, der seinen Vornamen von seinem Großvater mütterlicherseits erhielt. Dass es ihm gelang, im Jahr 687 Hausmeier und somit faktischer Herrscher des Frankenreichs zu werden, zeigt, dass Ansegisel und Begga nach dem Sturz Grimoalds ihre Stellung im Frankenreich halten konnten. Dies ist bestimmt auf die wirtschaftliche Macht der Pippiniden begründet, deren Haupterben Begga und Ansegisel waren. Vielleicht ist das ein Grund, dass der Name Pippin bei den ursprünglichen Arnulfinger häufiger vorkam, als Arnulf.
Ein weiterer Grund könnte gewesen sein, dass unter den Nachkommen von Karl dem Großen eben nicht sein Sohn Pippin oder andere Nachfahren mit Namen Pippin die bedeutende Figur unter den Erben war. Karls Erbe, wenn gleich in Bezug auf seine Fähigkeiten umstritten, war Ludwig der Fromme. Für die Dynastie waren dann zwei seiner Enkel entscheidend: Karl der Kahle und Ludwig der Deutsche. Ihre Namen sind dann bis ins 15. Jahrhundert die Herrschername und selbst nachdem es im 15. Jahrhundert allmählich bunter wurde, was die Namensgebungen von Herrschern betraf, haben sich die beiden bis ins 20. Jahrhundert gehalten.
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