Gruß in die Runde!
Zu Beginn des zweiten Forumtreffens möchte ich hier Platz schaffen, um Herrscher zu portraitieren, die vor 1500 und in sehr jungen Jahren auf den Thron kamen.
Obwohl damit eigentlich schon Menschen zumindest unter 18 gemeint sind, kann man das Thema auch auf etwas ältere ausdehnen. Auch junge Kronprinzen sind ein interessantes Thema.
Ich meinerseits werde beginnen mit jungen Kaisern des römischen Weltreiches. Dabei werde ich mich nicht auf eine Epoche oder ein bestimmtes Alter festlegen, sondern grundsätzlich auf diejenigen eingehen, die bei Thronbesteigung noch nicht sehr reif waren. Anschließend werde ich das Bild mit Einzelportraits von Kindkaisern etc. ergänzen.
Aber natürlich seid auch ihr aufgerufen, in Antike und Mittelalter junge Herrscher aufzustöbern, zu posten oder noch besser in einem kleinen Artikel zu erklären.
VG
Der Maxdorfer
Oh, weia,
das sieht nach sehr viel Arbeit aus, wenn man es wagt, hier was zu posten...
Aber kleine Frage am Rande- meinst du jugendliche Herrscher "aktiv", also d.h. Herrscher, die in sehr jungen Jahren den Thron bestiegen und auch schon zumindest teilweise regierten oder eben doch die Thronerben, für die regiert wurde?
Ich hätte zum Beispiel eine schottische Königin "im Angebot". (Nein, natürlich nicht Maria Stuart. Die war zwar erst 6 Tage alt, als sie den Thron erbte, aber das war nach 1500, wenn auch nur knapp....

) Problem bei meiner kleinen Königin war, daß sie Schottland nie erreichte...
(07.11.2012 21:32)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Zu Beginn des zweiten Forumtreffens möchte ich hier Platz schaffen, um Herrscher zu portraitieren, die vor 1500 und in sehr jungen Jahren auf den Thron kamen.
Lieber Max,
bitte nicht zu weit und zu schnell vorpreschen oder irgendwelche Grenzen ziehen.
Nach dem Beitrag von Bunbury, weißt du sicher was gemeint ist.
Du bist zwar einer der Initatoren des zweiten neuen "Lebendigen Forums", aber Mäßigung ist eine Zier.
LG
(07.11.2012 22:03)Bunbury schrieb: [ -> ]Problem bei meiner kleinen Königin war, daß sie Schottland nie erreichte...
Könnte fast als Rätsel durchgehen.

Nun, ich habe sie schon mal in Erwägung gezogen, aber wie soll man über jemanden, der im Alter von sieben Jahren bei einem Sturm ertrank noch irgendwelche Tipps geben?
Aber machen wir es nicht so spannend, ich meine Margareth "The Maid of Norway", die norwegische Prinzessin, die schottischen Thron erbte und auf dem Weg in ihr schottisches Königreich in einen Sturm geriet und ertrank...
Elizabeth de Burgh scheidet leider aus, da sie Schottland sah.
Bunbury, meinst du vielleicht Johanna von England (1210–1238)?
Es könnte auch Johanna von England (1321–1362) in Frage kommen.
Natürlich auch noch einige andere.
Sorry, dass ich auch hier wieder als Rätsler mein Unwesen treibe.
Edit: Oh, jetzt hat ich's schon geschrieben, ohne deine Antwort gelesen zu haben.
Du meinst sicher dieses junge Fräulein:
http://de.wikipedia.org/wiki/Margarete_%28Schottland%29
Oh, da waren wir wohl zeitgleich.
Nein, siehe oben, ich habe meinen Beitrag noch bearbeitet (und mich zuerst im Alter von Margaret vertan.... peinlich...)
Johann I. der Posthume (französisch Jean Ier le Postume) war während seines kurzen Lebens vom 15. bis 19. November 1316 König von Frankreich und Navarra. Er war der einzige Sohn des bereits am 5. Juni 1316 verstorbenen Königs Ludwig X. (1289–1316) und dessen zweiter Gemahlin Klementine von Anjou (1293–1328), einer Schwester des ungarischen Königs Karl Robert (1288–1342).
Nach dem Tod von Ludwig X. übernahm dessen jüngerer Bruder Philipp die Regentschaft für das noch ungeborene Kind. Ludwig hinterließ zwar auch eine Tochter Johanna (1311–1349), aber aufgrund eines Skandals, der letztendlich mit der Erdrosselung der Königin Margarete von Burgund (1292–1315) endete, wurde die Vaterschaft Ludwigs von seinen Brüdern Philipp und Karl nicht anerkannt. Somit blieb die damals fünfjährige Johanna von der Thronfolge ausgeschlossen.
Nach der französischen Thronfolgeregelung („Der König ist tot, es lebe der König“) war Johann I. als ältester Sohn zum Zeitpunkt seiner Geburt am 15. November 1316 bereits König. Die Anerkennung seines Königtums war nicht an irgendwelche Krönungszeremonien gebunden. Doch der Kindkönig verstarb nach seiner Taufe am 19. November 1316 und der bisherige Regent folgte ihm als Philipp V., König von Frankreich und Navarra.
Als einer seiner ersten Amtshandlungen ließ Philipp das Salische Erbrecht im Januar 1317 bestätigen. Nach diesem Recht waren Frauen generell von der Erbfolge in Frankreich ausgeschlossen. Philipp V. beabsichtigte damit, sich gegen die Ansprüche seiner Nichte Johanna abzusichern. Nachdem Philipp V. († 1322) und sein Bruder und Nachfolger Karl IV. († 1328) keine Söhne hinterließen und somit die Hauptlinie der Kapetinger (im Mannsstamm) ausstarb, setzte deren beider Cousin Philipp VI. aufgrund der „Lex Salica“ seine Ansprüche auf die Thronfolge durch. Er war der erste König aus der neuen Dynastie Valois. Der Streit um die Erbfolge zwischen den französischen Valois und den englischen Plantagenet, die ihren Anspruch über Isabella „der Wölfin von Frankreich“ (1292–1358), einer Schwester der drei Könige Ludwig X., Philipp V. und Karl IV. und Mutter des englischen Königs Edward III., herleiteten, führte schließlich 1337 zum Hundertjährigen Krieg.
Ludwigs X. Tochter Johanna konnte 1328 ihr Erbe, das Königreich Navarra, übernehmen, da Philipp VI. (1293–1350) keine Ansprüche darauf hatte. Sie herrschte als Johanna II. bis zu ihrem Tod. Verheiratet war sie mit Philipp von Evreux (1301–1343), einem Enkel des französischen Königs Philipp III. (1245–1285).
Während der Herrschaft von Johann II. (* 1319, reg. 1350–1364) tauchte ein Mann auf, der behauptete, Johann I. zu sein. Er konnte ein paar Anhänger überzeugen, ihr Aufstand wurde jedoch niedergeworfen.
Der französische Autor Maurice Druon behandelte einen Teil dieser Ereignisse in seiner Romantrilogie „Die unseligen Könige“
Vorgeburtliche Kind-Könige und andere Auswüchse von Erbfolgeregelungen müssen doch oft völlig ungeeignete Herrscher auf den Thron gehievt haben.
Trotzdem gab es phasenweise in vielen Weltgegenden diese strikte Nachfolge nach Geburt. Der Wunsch nach einem friedlichen Herrscherwechsel scheint also größer gewesen zu sein als die Angst vor einer Fehlbesetzung. Oder war das gar nicht schlimm, wenn der Kindkönig sich als ungeeignet erwies, weil man sich darauf verlassen konnte, dass sich schon ein vernünftiger Regent durchsetzen würde.
Dann hätte man den Regenten doch offiziell installieren können. Beim Übergang von der Merowingern zu den Karolinger erfolgte das im nachhinein.
Die Römer lösten das Dilemma hin und wieder durch die Adoption von geeigneten Kandidaten.
Wenn Maxdorfer von der römischen Kaisern erzählt, wird der Schritt dahin evtl. klarer.
Du vergißt, daß man verbreitet daran glaubte, daß es Menschen gab, die aufgrund ihrer Herkunft viel besser dazu geeigent waren, ein Volk zu beherrschen als andere. Daß das ganze relativer Humbug ist, hat sich ja erst später herausgestellt.
Soweit ich weiß (wenn man mehreren mittelalterlichen Romanen glauben darf), war man damals tatsächlich der Meinung, daß der Adel allein aufgrund seines Blutes begabter und besser war- und die königliche Familie zum herrschen geboren.
Kombiniere das mit der recht patriarchalischen Vorstellung, daß Mann sein Erbe unbedingt an seinen Sohn weitergeben muss- und heraus kommt die Zementierung einer Herrscherdynastie...
(08.11.2012 11:16)Bunbury schrieb: [ -> ]Du vergißt, daß man verbreitet daran glaubte, daß es Menschen gab, die aufgrund ihrer Herkunft viel besser dazu geeigent waren, ein Volk zu beherrschen als andere. Daß das ganze relativer Humbug ist, hat sich ja erst später herausgestellt.
Vergessen habe ich die Herleitung der Herrschaft von überragenden Blutlinien nicht, ich habe sie absichtlich nicht erwähnt, weil ich nicht sicher bin, ob diese Ahnenmythologie nicht aus dem Grund erzählt wurde, weil man stabile Herrscherhäuser installieren wollte, um Kriege beim Tod des Herrschers zu vermeiden. Der alte Herrscher selbst wird ein großes Interesse gehabt haben, seinen Nachlaß geregelt zu übergeben und sein Andenken zu sichern.
Das geht ja schon bei den alten Griechen los, mit ihren Heldenahnen und Halbgöttern. Vielleicht sogar noch früher, kann man evtl. die Ahnenverehrung mit einbeziehen?
(08.11.2012 11:16)Bunbury schrieb: [ -> ]Kombiniere das mit der recht patriarchalischen Vorstellung, daß Mann sein Erbe unbedingt an seinen Sohn weitergeben muss- und heraus kommt die Zementierung einer Herrscherdynastie...
Das ist mir ein bißchen zu einfach, es gibt etliche, matrilokale/-lineare Kulturen, die ihren Landbesitz in der weiblichen Linie vererben.
OT Die Diskussion, wie sich die Erbfolge entwickelte, führt bei den jugendlichen Herrschern evtl. zu weit. Es ist mir nur beim Lesen von Sansavoirs Beitrag über Johann I. der Posthume eingefallen.
Bei Interesse können wir daraus ein eigenes Thema machen.
Sagen wir es mal so, über die patriarchalischen und matrilinearen Aspekte können wir durchaus anderweitig diskutieren, das führt in der Tat zu weit weg.
Ansonsten ist es aber eine im dem Zusammenhang mit dem Threadthema durchaus eine berechtigte Frage, warum man kindliche Herrscher akzeptierte.
Vielleicht gehört für die kindlichen Herrscher dann auch noch unbedingt dazu, vor welchem Hintergrund sie die Thronfolge antraten.
Meine norwegische Prinzessin und schottische Königin sollte die Stabilität im Land sichern und einen Krieg der Clans verhindern....
Ich werde noch ein bisschen brauchen, aber ich werde auch schauen wen ich in der einen oder anderen Gegend der Welt so finde und darüber ein Posting bringen.
(07.11.2012 22:03)Bunbury schrieb: [ -> ]Oh, weia, das sieht nach sehr viel Arbeit aus, wenn man es wagt, hier was zu posten...
Aber kleine Frage am Rande- meinst du jugendliche Herrscher "aktiv", also d.h. Herrscher, die in sehr jungen Jahren den Thron bestiegen und auch schon zumindest teilweise regierten oder eben doch die Thronerben, für die regiert wurde?
Ich hätte zum Beispiel eine schottische Königin "im Angebot". (Nein, natürlich nicht Maria Stuart. Die war zwar erst 6 Tage alt, als sie den Thron erbte, aber das war nach 1500, wenn auch nur knapp....
) Problem bei meiner kleinen Königin war, daß sie Schottland nie erreichte...
Es ist deine Entscheidung, wie viel du postest.
Zwei Zeilen sind auch eine Bereicherung, wenn du schreibst, dass "Margareth "The Maid of Norway" eine norwegische Prinzessin [war], die schottischen Thron erbte und auf dem Weg in ihr schottisches Königreich in einen Sturm geriet und ertrank..."
Wenn der Artikel länger wird wie der von Sansavoir - auch gut.
Und ich meine sowohl selber regierende als auch solche, die regiert wurden. Von ersteren dürfte es eh nicht allzu viele gegeben haben.
(07.11.2012 22:47)Butterfly schrieb: [ -> ] (07.11.2012 21:32)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Zu Beginn des zweiten Forumtreffens möchte ich hier Platz schaffen, um Herrscher zu portraitieren, die vor 1500 und in sehr jungen Jahren auf den Thron kamen.
Lieber Max,
bitte nicht zu weit und zu schnell vorpreschen oder irgendwelche Grenzen ziehen.
Nach dem Beitrag von Bunbury, weißt du sicher was gemeint ist.
Du bist zwar einer der Initatoren des zweiten neuen "Lebendigen Forums", aber Mäßigung ist eine Zier.
LG


Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was du meinst.
Möglichkeit 1: Ich habe zu früh einen Thread eröffnet (zu schnell vorpreschen).
Das finde ich nicht, denn das Lebendige Forum läuft nun einige Zeit und ich habe auch schon einen Artikel, den ich hier posten möchte.
Möglichkeit 2: Es wird viel Arbeit, in den Thread etwas zu schreiben (dein Verweis auf Bunbury).
Auch dem nicht ist so, wie ich auch schon Bunbury geantwortet habe. Es gab ja auch im ersten "Lebendigen Forum" Threads, die nur für Recherchebeiträge gedacht waren, und wenn keiner Lust hat, eine Kurzbeschreibung in zwei Zeilen zu machen, kann auch dieser hier einer werden.
Möglichkeit 3: Das Thema ist zu weit gefast (zu weit vorpreschen).
Ich habe den Titel dieses Threads im Vorbereitungs-Unterforum gepostet. Die einzige Kritik in diese Richtung kam von WDPG, ich habe sie zur Kenntnis genommen, mir Gedanken gemacht und sie letztendlich verworfen. Es macht ja nichts, wenn es nicht so viele Threads gibt.
Möglichkeit 4: Das Thema ist zu eng gefasst (zu enge Grenzen gezogen).
Als Thread-Ersteller darf ich doch wohl noch grob skizzieren, welche Beiträge ich in diesem Thread für passend halte und welche nicht. Einfach jugendliche Herrscher, ob sie selber regierten oder nicht, aber auch Herrscher, die durch ihre Jugend als Kronprinz stark geprägt wurden.
Und im Übrigen bin ich mir bewusst, dass Mäßigung eine Zier ist, weshalb ich auch
a) nicht gleich zu Beginn des Lebendigen Forums eine ganze Reihe von Themen für mich reserviert habe und
b) momentan mich auf Themen beschränke, zu denen ich etwas Ahnung habe.
Ich kann in den meisten Fällen verstehen, warum du momentan eine Neigung hast, meine Beiträge von oben her (da als Admin) zu kritisieren, in diesem Falle ist es mir aber unklar.
VG
Der Maxdorfer
(08.11.2012 11:16)Bunbury schrieb: [ -> ]Du vergißt, daß man verbreitet daran glaubte, daß es Menschen gab, die aufgrund ihrer Herkunft viel besser dazu geeigent waren, ein Volk zu beherrschen als andere. Daß das ganze relativer Humbug ist, hat sich ja erst später herausgestellt.
Soweit ich weiß (wenn man mehreren mittelalterlichen Romanen glauben darf), war man damals tatsächlich der Meinung, daß der Adel allein aufgrund seines Blutes begabter und besser war- und die königliche Familie zum herrschen geboren.
Das war in der Tat einer der wichtigen Faktoren, und auch einer der Gründe für die Über Jahrtausende verbreitete Inzucht im Adel, die dann teilweise das genaue Gegenteil bewirkte.
Spontan fallen mir die Merowinger ein, von denen geglaubt wurde, dass sich in ihren langen Haaren das von Gott gegebene "Königsheil" befand, dass sie zu Herrschen befähigte. Deswegen kamen als Regenten oft auch nur die Mutter des minderjährigen Herrschers in Betracht, während die Karolinger als Hausmeier eher einen "de facto"-Einfluss ausübten.
Als der letzte Merowinger Childerich III. ins Kloster gesteckt wurde, wurden ihm dann ja auch die Haare abgeschnitten.
(08.11.2012 10:39)Renegat schrieb: [ -> ]Vorgeburtliche Kind-Könige und andere Auswüchse von Erbfolgeregelungen müssen doch oft völlig ungeeignete Herrscher auf den Thron gehievt haben.
Trotzdem gab es phasenweise in vielen Weltgegenden diese strikte Nachfolge nach Geburt. Der Wunsch nach einem friedlichen Herrscherwechsel scheint also größer gewesen zu sein als die Angst vor einer Fehlbesetzung. Oder war das gar nicht schlimm, wenn der Kindkönig sich als ungeeignet erwies, weil man sich darauf verlassen konnte, dass sich schon ein vernünftiger Regent durchsetzen würde.
Dann hätte man den Regenten doch offiziell installieren können. Beim Übergang von der Merowingern zu den Karolinger erfolgte das im nachhinein.
Die Römer lösten das Dilemma hin und wieder durch die Adoption von geeigneten Kandidaten.
Wenn Maxdorfer von der römischen Kaisern erzählt, wird der Schritt dahin evtl. klarer.
Du sprichst interessante Punkte an. Vielleicht schreibt unsere Bunbury einen Artikel zu der Problematik der "kleinen Prinzen" und den für sie vorgesehenen Regenten Richard III.
Ich denke auch, der Wunsch nach einem friedlichen Herrscherwechsel scheint größer gewesen zu sein, als etwa die Angst vor einer Fehlbesetzung, vor Bruderkämpfen oder vor Erbteilungen. Die Brudermorde unter den Osmanen des 15. und 16. Jahrhundert waren ja auch keine Alternative zur Thronfolgeregelung.
In monarchischen Systemen setzten sich nur zwei Thronfolgeprinzipien durch. Das sind das Prinzip der Primogenitur, nachdem nur der älteste Sohn oder die älteste Tochter dem Vater oder der Mutter folgen kann und das Senioriatsprinzip, in dem nur der älteste männliche Verwandte seinem Vorgänger folgt. Das erste Prinzip setzte sich in sämtlichen europäischen Erbmonarchien durch, das zweite Prinzip wird zum Beispiel bei den Königen von Saudi-Arabien praktiziert.
Die Sekundogenitur (also die Erbfolge des Zweitgeborenen) setzte sich für Nebenländer der Erbmonarchien durch, die dadurch eine scheinbare Unabhängigkeit erhielten, tatsächlich aber in Abhängigkeit des Hauptlandes bzw. der Hauptlinie blieben. Bspl. sind z.B. Habsburg-Toskana, Bourbon-Parma oder Bourbon-Neapel.
Als Ultimogenitiur bezeichnet man die Erbfolge zugunsten des Letztgeborenen. Diese Erbregelung fand oft bei Bauern Anwendung.
(08.11.2012 11:16)Bunbury schrieb: [ -> ]Du vergißt, daß man verbreitet daran glaubte, daß es Menschen gab, die aufgrund ihrer Herkunft viel besser dazu geeigent waren, ein Volk zu beherrschen als andere. Daß das ganze relativer Humbug ist, hat sich ja erst später herausgestellt.
Soweit ich weiß (wenn man mehreren mittelalterlichen Romanen glauben darf), war man damals tatsächlich der Meinung, daß der Adel allein aufgrund seines Blutes begabter und besser war- und die königliche Familie zum herrschen geboren.
(08.11.2012 18:27)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Das war in der Tat einer der wichtigen Faktoren, und auch einer der Gründe für die Über Jahrtausende verbreitete Inzucht im Adel, die dann teilweise das genaue Gegenteil bewirkte. 
Spontan fallen mir die Merowinger ein, von denen geglaubt wurde, dass sich in ihren langen Haaren das von Gott gegebene "Königsheil" befand, dass sie zu Herrschen befähigte. Deswegen kamen als Regenten oft auch nur die Mutter des minderjährigen Herrschers in Betracht, während die Karolinger als Hausmeier eher einen "de facto"-Einfluss ausübten.
Als der letzte Merowinger Childerich III. ins Kloster gesteckt wurde, wurden ihm dann ja auch die Haare abgeschnitten.
(08.11.2012 10:39)Renegat schrieb: [ -> ]Dann hätte man den Regenten doch offiziell installieren können. Beim Übergang von der Merowingern zu den Karolinger erfolgte das im nachhinein.
OT: Lagert es aus, wenn das zu weit führt, kann ich nur wiederholen. Für mich ist eine Aufzählung von Kindkönigen nicht interessant, wenn der Hintergrund so diffus ist.
Die Thronfolgeregeln, die Sansavoir aufgezählt hat, erinnern stark an das Erbrecht von Grund und Boden, wahrscheinlich kommen sie daher. Sansavoirs Ausführungen beziehen sich auf das Mittelalter, als das Christentum als geistige/religiöse Führung schon etabliert war.
Könnte dieses Königsheil der Merowinger ein Nachhall einer sakralen Herrscherfunktion gewesen sein? Die weltliche Macht lag schon länger in den Händen der karolingischen Hausmeier und irgendwann im 7./8. Jhd. haben sie die Herrschaft offiziell für sich reklamiert und vom Papst erhalten. Da muß der Königsheilgedanke vergessen gewesen sein.
Andererseits erfolgte im HRR die Bestimmung des Kaisers durch Wahl, wenn auch innerhalb der besitzenden Adelsklasse nach komplizierten Regeln.
Muß man nicht deshalb zwischen Besitz und Macht unterscheiden?
Die Big Man, die irgendwo am Übergang zwischen Dorfältesten und Stammesführer stehen, mußten sich Gefolgschaft noch durch Geschenke, Ausrichtung von Feiern erkaufen. Das fiel ihnen natürlich leichter, wenn sie mehr besaßen als die anderen.
Alles in allem erscheint mir das spätmittelalterliche/frühneuzeitliche Adelsherrschaftssystem eine chaotische Mischung von ganz verschiedenen Prinzipien zu sein.
Die Kindkaiser sind nur ein Ausdruck für die Unlogik des Systems.
Dass es sich so lange gehalten hat und in einigen Ländern noch heute hält bzw nach Besitzstandswechsel sogar neu entsteht (Nordkorea, Syrien) kann ich nur schwer nachvollziehen.
(09.11.2012 12:45)Renegat schrieb: [ -> ]Die Thronfolgeregeln, die Sansavoir aufgezählt hat, erinnern stark an das Erbrecht von Grund und Boden, wahrscheinlich kommen sie daher.
Ja, das ist richtig.
(09.11.2012 12:45)Renegat schrieb: [ -> ]Andererseits erfolgte im HRR die Bestimmung des Kaisers durch Wahl, wenn auch innerhalb der besitzenden Adelsklasse nach komplizierten Regeln.
Muß man nicht deshalb zwischen Besitz und Macht unterscheiden?
Um es noch komplizierter zu machen. Besitz führt zu Macht und Macht führt wiederum zu Besitz. Und natürlich braucht man ein Netzwerk, das durch familiäre Bande gesichtert wird. Nicht zu vergessen sind die Privilegien, die eng mit Besitz und Macht verbunden sind.
Die von mir oben beschriebenen Nachfolge bzw. Thronfolgereglungen bezogen sich auf Erbmonarchien. Neben der Erbmonarchie gibt es die Wahlmonarchie, wie z.B. bei den Kaisern des HRR. Mit Hilfe der Wahlmonarchie sichern sich Oligarchien ihre Macht. Neben der Kaiserwahl gehören die Dogenwahl in Venedig oder die Papstwahl in Rom zu den Wahlmonarchien.
(09.11.2012 12:45)Renegat schrieb: [ -> ]Die Big Man, die irgendwo am Übergang zwischen Dorfältesten und Stammesführer stehen, mußten sich Gefolgschaft noch durch Geschenke, Ausrichtung von Feiern erkaufen. Das fiel ihnen natürlich leichter, wenn sie mehr besaßen als die anderen.
Das stimmt. Die Vorfahren der mittelalterlichen Aristokratie erlangten so ihre gesellschaftliche Stellung. Dies zwang die militärischen Stammesführer bzw. Kriegsfürsten schließlich zu Beutezügen, Teile der Beute wurden an die Gefolgschaft verteilt. Während der Völkerwanderung stieg die Bedeutung der Kriegsfürsten, ihre Nachfahren bilden den Hochadel des Mittelalters. Die Bedeutung der Friedensfürsten bzw. Richter ging zurück.
Bei den Magyaren des 9./10. Jahrhundert hatten z.B. die Arpaden (Kriegsfürst) und die Gyula (Friedensfürst) anfänglich den gleichen Rang. Mitte des 10. Jh. hatte der Gyula nur eine zweitranginge Bedeutung.
(09.11.2012 12:45)Renegat schrieb: [ -> ]Alles in allem erscheint mir das spätmittelalterliche/frühneuzeitliche Adelsherrschaftssystem eine chaotische Mischung von ganz verschiedenen Prinzipien zu sein.
Die Kindkaiser sind nur ein Ausdruck für die Unlogik des Systems.
Dass es sich so lange gehalten hat und in einigen Ländern noch heute hält bzw nach Besitzstandswechsel sogar neu entsteht (Nordkorea, Syrien) kann ich nur schwer nachvollziehen.
Es ist richtig, es gab Erbfolgeregelungen nach unterschiedlichen Prinzipien. Für uns heute erscheinen sie chaotisch, die damalige adlige Gesellschaft wusste aber genau Bescheid. Unklare oder zweideutige Regelungen wurden gnadenlos ausgenutzt. Erbfolgeregelungen mussten geschaffen werden, um Machtkämpfe zu verhindern. Der Lehnsherr war z.B. verpflichtet, die Nachfolge eines minderjährigen Vasallen zu sichern. So schützte z.B. der französische König den minderjährigen Herzog der Normandie Wilhelm den Bastard (später der Eroberer genannt) oder Papst Innocenz III. schützte die Ansprüche Friedrichs II. auf das Königreich Sizilien. Aber es gibt genügend Beispiele, in denen minderjährige Herrscher regelrecht ausgeplündert wurden und dann mit Beginn ihrer Volljährigkeit begannen, ihr Erbe zurückzufordern bzw. dies auch taten. Die Geschichte der schottischen Könige namens James ist dafür exemplarisch.
Wilhelm der Eroberer, vor der Eroberung Englands
Wilhelm der Bastard genannt (* 1028 in Falaise (Normandie; † 9. September 1087 im Kloster Saint-Gervais bei Rouen) war seit 1035 als Wilhelm II., Herzog der Normandie und seit 1066 als Wilhelm I. König von England. Der nachfolgende Artikel behandelt nur die Minderjährigkeit und die ersten selbständigen politischen Entscheidungen Wilhelms als Herzog der Normandie.
Wilhelm war ein Angehöriger der ursprünglich aus Skandinavien stammenden Dynastie der Rolloniden, die seit 911 als Grafen bzw. Herzöge die Normandie – also das Land der Normannen – als Vasallen des französischen König regierten. Von 1028 bis 1035 herrschte in der Normandie Wilhelms Vater, Herzog
Robert I. (1002/10–1035), von seinen Feinden auch
„der Teufel“, von seinen Anhängern jedoch
„der Prächtige“ genannt. Robert pflegte eine mehrjährige Beziehung zu der nicht standesgemäßen
Herleve aus Falaise (1003–1050), die eine Tochter des Gerbers Fulbert und dessen Frau Doda war. Aus dieser Beziehung, es könnte sogar eine Friedelehe(?) gewesen sein, stammten der 1028 geborene Wilhelm und seine Schwester Adelaide (1030–1082). Da Robert bereits mit der dänischen Prinzessin Edith verheiratet war, initiierte er die Vermählung seiner Geliebten Herleve mit seinem Gefolgsmann und Freund Herluin von Conteville. Aus dieser Ehe entstammten
Robert (1031–1090), später Graf von Mortain und
Odo (1032–1097), später Bischof von Bayeux. Beide Halbbrüder bewährten sich später als Wilhelms zuverlässigste Gefolgsleute.
Im Jahr 1034 entschloss sich Robert, eine Pilgerfahrt nach Jerusalem zu unternehmen. Dies war politisch unklug, da Robert keinen legitimen Nachfolger hatte. Aber ihn plagte das schlechte Gewissen über seine Lebensführung, so dass er sich erhoffte, nach einer Kreuzfahrt die Absolution für seine Taten zu erhalten. Inwieweit er von kirchlichen Amtsträgern manipuliert worden ist, lässt sich heute nicht mehr beweisen. Es ist aber denkbar, dass ihm seine außereheliche Beziehung zu Herleve, seine mögliche Rolle am Tod seines Bruders und Vorgängers
Richard III. (1001–1027) oder das Abschieben von dessen Sohn Nicolas in das Kloster Fécamp vorgeworfen wurde. Robert unternahm jedenfalls die Kreuzfahrt, doch verstarb er im Juli 1035 während der Rückreise in Nicäa im Byzantinischen Reich. Ungewöhnlich waren solche Pilgerreisen des Hochadels im 11. Jahrhundert nicht. So zog 1002 Fulk Nerra, der schreckliche Graf von Anjou nach Jerusalem, um für seine Verbrechen zu büßen. Diese Reise unternahm er in den folgenden Jahren noch zweimal. Für 1008 ist eine Pilgerreise von Geoffrey von Bretagne belegt.
Bevor Robert sich auf seine Pilgerfahrt begab, verpflichtete er jedoch die normannischen Feudalherren, seinen unehelichen Sohn Wilhelm als seinen legitimen Nachfolger anzuerkennen. Sie schworen Wilhelm Lehnstreue und Gehorsam. Außerdem bestimmte Robert einen Vormundschaftsrat, der während seiner Abwesenheit für den minderjährigen Wilhelm regieren sollte. Leiter des Vormundschaftsrates war Robert (967/74–1037), Erzbischof von Rouen, Graf von Evreux und Roberts I. Onkel bzw. Wilhelms Großonkel, der sich bereits seit 1030/31 als wichtige politische Stütze des jungen Herzogs bewährt hatte. Weitere Mitglieder waren Alain III., Graf der Bretagne (997–1040), Gilbert de Brionne, ein Verwandter des jungen Herzogs, der Haushofmeister Osborne sowie Wilhelms Erzieher Turchetil, der den lateinischen Titel „paedagogus“ trug. Ebenso gelang es Robert seinen Lehnsherrn, König Heinrich I. von Frankreich von den Nachfolgeregelungen zu überzeugen. Vermutlich gab er seine Zustimmung, nachdem Wilhelm an den königlichen Hof gereist war, um ihm den geforderten Lehnseid zu leisten.
Robert von Rouen führte die Regentschaft bis zu seinem Tod im Jahr 1037. Er war nun der mächtigste Mann in der Normandie, der seinen Großneffen durchaus hätte beseitigen können. Er tat es aber nicht. Nach seinem Tod rückte
Alain III. von Bretagne, der mütterlicherseits von den Rolloniden abstammte, in das Amt des Regenten. Er starb 1040, wahrscheinlich wurde er vergiftet. Danach übernahm
Gilbert de Brionne das Amt, der aber bereits nach einigen Monaten erschlagen wurde. Ebenso wurden noch in den Jahren 1040 und 1041 die noch verbliebenen Mitglieder des Regentschaftsrates, wie der „paedagogus“
Turchetil oder der Haushofmeister
Osborne ermordet. Wilhelms Hof ähnelte einem Schlachthaus, die Normandie verfiel in Anarchie.
Für Wilhelms persönliche Sicherheit war Walter, ein Bruder seiner Mutter, zuständig. Er übte de facto die Funktion eines Leibwächters aus, der nie von Wilhelms Seite wich und sogar im gleichen Raum wie der junge Herzog schlief. Seiner Tatkraft ist es zu verdanken, dass der junge Herzog einen Mordanschlag in Vaudreuil, bei dem auch der Haushofmeister Osborne starb, überlebte.
Dass Wilhelm überhaupt die Unruhen in den 1040-er Jahren überlebte, verdankte er vor allem dem französischen König
Heinrich I., der als Lehnsherr die Vormundschaftsrechte seines inzwischen schutzlosen Vasallen übernahm. Der König übte nun unmittelbare Rechte auf die Normandie aus, die er aber nicht nach dem Ende der Minderjährigkeit Wilhelms zurück erstatten wollte.
Seit 1049 bemühte sich Wilhelm um eine Heirat mit
Mathilde (1031–1083), der Tochter des Grafen von Flandern. Aufgrund der nahen Verwandtschaft – beide waren Cousin/Cousine 5. Grades – untersagte Papst Leo IX. auf dem Konzil von Reims die Ehe. Wilhelm widersetzte sich jedoch dem Verbot und ehelichte im Jahr 1051 Mathilde. Das Bündnis zwischen der Normandie und Flandern erschien dem französischen König zu mächtig, so dass er sein früheres Mündel fallen ließ und sich mit dem Grafen von Blois und der Champagne, dem Grafen von Anjou und den rebellierenden normannischen Baronen verband. Die Gegnerschaft blieb bis zum Tod des französischen Königs († 1060) bestehen, dem sein minderjähriger Sohn Philipp I. als König folgte. Doch zu diesem Zeitpunkt war Wilhelms Machtposition in der Normandie gesichert.
Literatur
* David C. Douglas,
Wilhelm der Eroberer. Herzog der Normandie – König von England, Verlag Georg D. W. Callwey, München 1980, ISBN 3-7667-0513-X
* Gustav Faber,
Die Normannen. Piraten, Entdecker, Staatengründer, Lizenzausgabe für Gondrom GmbH & Co. KG, Bindlach 1991, ISBN 3-8112-0870-5
*
Wilhelm der Eroberer (Wikipedia)
Kinder- und Jugendkaiser des römischen Reiches, Teil I.
Im dynastischen System der frühen Kaiserzeit (zirka 1. Jahrhundert nach Christus) kam es immer wieder vor, dass der Sohn oder ein jüngerer Verwandter eines regierenden Herrschers de facto unbestrittener Kronprinz war und vielleicht sogar offiziell zum Mitkaiser erkoren wurde. Der Grund ist klar: Im römischen Reich galt die eigene Familie viel, und besonders die Oberschicht führte ihre Wurzeln auf möglichst bekannte und geschätzte Helden, wohlmöglich sogar auf Götter zurück. Dementsprechend wollten die meisten Kaiser auch ihrer Familie die Macht erhalten und eine Herrscherdynastie gründen oder fortführen. Dazu war es ein grundlegender erster Schritt, die Nachfolge auf einen Familienangehörigen zu übertragen, wenn man schon keinen Sohn hatte. Offiziell gab es nämlich gar kein Erbkaisertum. Der Imperator musste sich in der Regel der Unterstützung der Armee, des Senates und des Volkes von Rom versichern, dann war er anerkannt. Deswegen war man gezwungen, schon zu Lebzeiten den Thron für seine Familie zu sichern. Das Optimale war natürlich immer ein direkter (männlicher) Nachkomme, doch wenn dies aus irgendeinem Grund nicht gegeben war, tat es auch eine Adoption eines relativ nahen Verwandten. Aber im Gegensatz zu späteren Zeiten waren die Verhältnisse noch ziemlich ruhig. Ein vom verstorbenen Kaiser Adoptierter wurde meistens ohne Probleme akzeptiert.
Ein Prinz lebte mit seinen Brüdern und Schwestern irgendwo in einem Palast. Seine Eltern sah er zwar täglich, doch bei weitem nicht häufig. Die Hauptfiguren in seinem Leben waren Bedienstete, beispielsweise griechische Sklaven oder Freigelassene. Als Kleinkind hatte er eine Amme (nutrix), später einen Erzieher (nutritor). Im weiteren Verlaufe der Jugendjahre kamen Lehrer hinzu, die für das nötige Grundwissen sorgten. Insgesamt waren die Prinzen aber im elterlichen Palast auf dem Palatin eher Nebensache. Sie galten als lästig, zeitraubend und störend, und nur wenn sie schon etwas älter und artig waren, durften sie beim abendlichen Bankett neben Mamas und Papas Liege hocken. Und überhaupt waren sie auch nicht besonders häufig. Es wurde zwar viel adoptiert, aber leibliche und auch noch legitime Kinder hatte ein Kaiser selten. Kinder von der Ehefrau gab es nicht zu oft, schließlich wollte man ja die Kaiserin nicht allzu sehr belasten. Illegitime Kinder wurden wiederum nicht anerkannt, schon allein, weil auch die Gesellschaft dies nie getan hätte. Deswegen lebten die dann irgendwo bei ihrer Mutter. Außerdem waren viele Kaiser schon in einem zu reifen Alter, um minderjährige Söhne zu haben, ihre Nachkommen hatten sich schon etwas abgenabelt und waren nicht mehr auf Eltern angewiesen.
Wenn junge Männer Kaiser wurden, waren es oft solche wie Caligula oder Nero: Ersterer kam an die Macht, weil es sonst keine männlichen Überlebenden der Dynastie gab, die in Frage kamen, letzterer, weil seine Mutter ihren zweiten Ehemann dazu überredete, ihn zu adoptieren, und er nach dessen Tod sich gegen seinen Halbbruder durchsetzen konnte. Hatten Kaiser leibliche Söhne, kamen sie oft durch unglückliche Umstände oder bei irgendwelchen Machtkämpfen ums Leben. Angehörige der kaiserlichen Familie, ob sie nun auf den Thron kamen oder nicht und auch wenn sie nicht direkt Söhne ihres Vorgängers waren, hatten aber allermeistens ein ausgeprägtes Machtbewusstsein, das dann in Richtung Herrschsucht gehen konnte. Von frühester Jugend an waren sie ranghöher als alles, was sie umgab, was keine gute Voraussetzung für die Bildung einer freundlichen und nahbaren Persönlichkeit ist. Bei dem Herrschaftsantritt konnte sich solch ein Charakter durchaus in Tyrannei wandeln, derartige Auswüchse bei Caligula, Nero, Commodus, Domitian oder Caracalla wurden schon viel diskutiert.
Quasi alle Kaiser, die im heutigen Bewusstsein und bei den antiken Schriftstellern negativ dargestellt wurden (was nicht alles falsch sein kann), waren Verwandte von Vorgängern kamen jung an die Macht. Caligula war 25, Nero 17, Domitian 30 und Elegabal 16. Commodus stand kurz vor seinem 19. Geburtstag, Caracalla vor seinem 23. Sie alle waren zumindest gegenüber Senatoren oder anderen Menschen unfreundlich bis unverschämt. Es wird sicher nicht wenig mit ihrem geringen Alter zu tun haben. Eine positive Ausnahme ist Kaiser Titus (79-81), der sich zu Beginn seiner Regierungszeit radikal zum Guten wandelte. Er umgab sich mit fähigen Beratern und änderte sein ausschweifendes Leben. Aber er war auch schon 30, als sein Vater an die Macht kam. Umso besser ging es Rom auch in der Zeit der Adoptivkaiser, als ein alternder Herrscher einen auch schon reifen Nachfolger – der nicht aus der eigenen Familie stammte – auswählte und dann an Sohnes statt annahm. Nach dieser Periode, die grob mit dem 2. Jahrhundert nach Christus übereinstimmt, kam wieder ein Herrscher an die Macht – Septimius Severus (193-211), dem es gelang, eine Dynastie zu gründen. Seine Söhne Geta und Caracalla zerstritten sich nach seinem Tode auch prompt, bis Geta von seinem Bruder ermordet wurde.
Kinder- und Jugendkaiser des römischen Reiches, Teil II.
Das dritte Jahrhundert bedeutete für Rom eine tiefe Krise, von der es sich nie wieder ganz erholen sollte. Das Kaiseramt verlor auf lange Sicht gesehen immer mehr an Macht an verschiedene andere Institutionen, Gruppen und Personen. Das Heer spielte eine immer größere Rolle bei der Legitimation des Kaisers und bestimmte nicht selten seinen Herrscher. In Provinzen wurden Usurpatoren ausgerufen, die, wenn andere Regionen des Reiches sie unterstützten, legitimiert wurden. Mächtige Männer und Frauen bei Hof beeinflussten die Herrscher. Für diese war es teilweise auch gar nicht schlecht, wenn ein Kind auf dem Thron saß. Es war leicht zu manipulieren und konnte wegen seiner Unmündigkeit auch noch keine eigenen Entscheidungen treffen.
Zuerst zeigte sich dies in der späten severischen Dynastie. In der waren die afrikanischstämmigen Männer mehr oder weniger von ihren machtbewussten syrischen Frauen abhängig. Als dann zwei Generationen (Septimius Severus und Caracalla) innerhalb von 6 Jahren starben, übernahmen sie – nach einem kurzen Intermezzo der Herrschaft des Offiziers Macrinus – die Kontrolle über das römische Weltreich. Sie erhoben den vierzehnjährigen Avitus auf den Thron, der sich nach dem syrischen Sonnengott Heliogobalos oder latinisiert Elegabal nannte. Das Heer war einverstanden, und der Senat musste auf das Heer hören. Doch der junge Kaiser trieb es sehr bunt und verbrachte sein Leben nicht still im Palast, sondern mit Orgien, sexuellen Ausschweifungen und religiösen Affronts. Elegabals Großmutter Julia Maesa, die Schwägerin des Severus und ihre Tochter, Elegabals Mutter Julia Soaemias hatten die faktische Regierungsgewalt inne. Doch nach einer vierjährigen Regierungszeit ermordeten die Soldaten den Kaiser und seine Mutter. Severus Alexander, dessen Cousin 2. Grades hatte schon in den letzten Regierungsjahren einen Teil der Macht erhalten und wurde nun Alleinherrscher. Doch er war auch erst 14 Jahre alt und wurde ebenso wie sein Vorgänger von der gemeinsamen Großmutter Julia Maesa und seiner Mutter Julia Mamaea beherrscht. Er war eigentlich recht beliebt, bis er und seine Mutter im zwölften Regierungsjahr den Soldaten einen Feldzug nach Germanien verweigerten. Da wurde er ermordet.
Die syrischen Frauen verloren die Macht im Staate, die auf die Soldaten überging. Diese erhoben in schneller Abfolge ihren jeweiligen Favoriten auf den Thron. Manche dieser Kaiser wollten Dynastien mit ihren Söhnen gründen, wurden aber nach kurzer Zeit wieder umgebracht. Dies trug zusammen mit der sehr unsicheren und verschwommenen Quellenlage dazu bei, dass wir uns heute nur sehr schwer ein Bild von den Kaisern machen können. Noch ungenauer sind verständlicher Weise auch die Informationen zu den Prinzen, manches weiß man nur von Münzen, die ein Kaiser im Namen seines Sohnes prägen ließ. Eine Episode dieser Zeit ist die Herrschaft Gordians III., die von 238 bis 244 währte. Der Kaiser Maximinus Thrax war infolge einer Rebellion in Afrika umgekommen. Die Usurpatoren Gordian I. und Gordian II. wurden von Senat, Volk und vielen Legionen nach der schweren Zeit unter Maximinus dankend akzeptiert. Doch der Statthalter der Nachbarprovinz von Afrika, Numidiens, war ein alter Anhänger des Maximinus und brachte Gordian II. um, worauf sich Gordian I. das Leben nahm. In Rom übernahmen zwei Senatoren, Balbinus und Pupienus die Macht, die sich aber schon bald zerstritten. Das Volk zwang den Senat dazu, Gordian III., den Enkel Gordians I. und Neffen Gordians II. anzuerkennen. Der erst dreizehnjährige hatte keine machtvolle Mutter, die ihn in seinen Entscheidungen beherrschte. Die Regierung übernahmen Prätorianerpräfekten, deren letzter, Philippus Arabs, ihm nachfolgte, als er nach sechsjähriger Regentschaft verstarb. Diese war geprägt gewesen von den Problemen der damaligen Zeit, der Verteidigung der Grenzen und der Ausschaltung von Usurpatoren.
Kinder- und Jugendkaiser des römischen Reiches, Teil III.
Der letzte der „Soldatenkaiser“ dieser Zeit war Diokletian (284-305), der das Reich grundlegend reformierte und ein völlig neues Regierungssystem schuf: Die Tetrarchie (Viererherrschaft). Dabei regierte im Osten und im Westen des Imperiums je ein Kaiser, der wiederum einen Unterkaiser ernannte. Wenn dieser nach 20 Jahren abdankte, rückte der dieser nach und ernannte einen neuen Unterkaiser. Die Kinderherrschaft war damit prinzipiell verhindert, und es kamen auch erst wieder jüngere Männer an die Macht, als das System nur ein Jahr nach der Abdankung seines Begründers unterzugehen begann. Konstantin I. (306-337) begründete die Konstantinische Dynastie, in der nach ihm seine drei Söhne gleichzeitig regierten (neuerliche Reichsteilung), bis einer nach dem anderen starb. Nun begann der letzte Akt im Drama des römischen Reiches.
Das Heer erhob Valens (364-378) zum Kaiser, dieser regierte die östlichen Provinzen. Als Herrscher über den Westen ernannte er seinen Bruder Valentinian I. (364-375). Nach dem Tod dieser beiden kamen ihre Söhne auf den jeweiligen Thron. In Westrom der vierjährige Valentinian II. (375-392), dem aufgrund seiner Jugend der immerhin sechzehnjährigen Gratian (375-383), sein Halbbruder, an die Seite gestellt wurde. Valentinian II. war grundsätzlich als Kaiser mündig, wurde aber natürlich beeinflusst und beraten. Neben seiner Mutter Regina und dem Bruder Gratian waren dies außer dem jeweiligen Kaiser des östlichen Reichsteils der Bischof Ambrosius und der Franke Bauto. Der Grund für dieses Kinderkaisertum war, dass die Bedeutung des dynastischen Denkens für die römischen Kaiser seit den Severern zwar gesunken, in jüngerer Zeit aber wieder gestiegen war. So kam es, dass im letzten Jahrhundert des römischen Reiches nicht mehr erfahrene oder zumindest erwachsene und reife Heerführer, sondern immer öfter Jugendliche oder kleine Kinder auf den Thron kamen.
Nach Valentinians II. Tod übernahm Theodosius I., der Nachfolger des Valens im Osten, auch den Westteil und war damit der letzte Herrscher, der das gesamte römische Reich regierte. Doch schon 395 starb auch er und teilte sein Herrschaftsgebiet unter seine beiden Söhne Arcadius (395-408), der von Konstantinopel aus den Osten reagierte, und Honorius (395-423), der die Residenzen des Westens bezog. Arcadius, der ältere, war knapp 18 Jahre alt, stand aber trotzdem unter dem beherrschenden Einfluss des Rufinus; Honorius war 11. Sein wichtigster Berater war Stilchio, der aber später auch abgewechselt wurde. Auch als erwachsener Mann wurde Honorius nie ganz erwachsen, und wenn er auch nicht in der Welt aus Schwelgen im Reichtum und Exzessen lebte wie einige vor ihm, so nahm er doch die Lage nie wirklich ernst. Sein Lieblingshahn „Roma“ bedeutete ihm mehr als die gleichnamige Stadt, die seinen Launen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Als man ihm nach der furchtbaren Plünderung Roms die Schreckensnachricht vom Untergang des „ewigen Rom“ meldete, war er sichtlich erstaunt – er habe Roma doch erst am Morgen höchstpersönlich gefüttert.
Beide Brüder hinterließen nach ihrem (relativ frühen) Tod wieder minderjährige Erben. Honorius Nachfolger war (nach einem Intermezzo durch den Usurpator Johannes, 423-425) Valentinian III., der im Alter von 6 Jahren den Thron bestieg – beim Tod seines Onkels Honorius war er sogar erst 4 gewesen. Neben seiner Mutter Galla Placidia führten der Heermeister Felix und der Herrscher des römischen Afrika Bonifatius die Regierungsgeschäfte. 433 konnte der Heermeister Aetius seine Konkurrenten ausschalten und regierte fortan das Reich. Valentinian III. lebte hinter Palastmauern und mischte sich nur selten in die Politik ein, auch wenn er nicht gänzlich desinteressiert war. Arcadius Sohn und Nachfolger im Ostreich war Theodosius II., der mit sieben Jahren an die Herrschaft kam. Seine Mutter war bereits vier Jahre vorher an einer Fehlgeburt gestorben, sodass der Junge quasi ohne Familie dastand – außer vier Schwestern. Einige Quellen berichten, der Vater habe dem Perserkönig aufgetragen, seinen Sohn zu beschützen. Dieser habe auch tatsächlich einen Vormund nach Konstantinopel entsandt und jedem, der den Kindkaiser bedroht, den Krieg angekündigt. Ob das stimmt, ist fraglich. Belegt ist aber: Es gab mehrere Machtrivalitäten zwischen der Ehefrau und den Schwestern des Theodosius. Dieser selbst interessierte sich zeitlebens nicht sonderlich für die Politik, eher – was ein typisch byzantinischer Wesenszug werden sollte – für philosophische und religiöse Fragen. Nichts desto trotz gab er ein berühmtes Gesetzbuch heraus, den Codex Theodosianus.
Allgemein verbinden die Quellen mit dem Begriff eines Kindkaisers das Bild eines versteckt und eingemummt hinter Palastmauern lebenden und völlig weltfremden Herrschers, „der – politisch ohnmächtig und den Regierten entfremdet – ein Opfer der Günstlings-, Eunuchen- und Weiberregiments sei“ („Kinderkaiser“, Sp. 466 f. in: Der neue Pauly, Bd. 6). In wie weit das stimmt, ist fraglich, denn die Schriftsteller waren Römer, die in einer patriarchalischen, barbarenfeindlichen Welt lebten. Es ist aber zweifellos richtig, dass das Kindkaisertum die Persönlichkeitsbildung des Herrschers massiv beeinträchtigt hat und somit vielleicht verheerende Folgen für die römische Geschichte hatte.
Einzelbiographien zu Kindkaisern werde ich, wie eingangs erwähnt, vielleicht im Laufe der Zeit schreiben und einstellen.
Abriss vom Leben der minderjährigen und jugendlichen französischen Königen des Mittelalters
Teil 1
Dieser Artikel behandelt minderjährige und jugendliche Herrscher aus den Dynastien der Kapetinger und der Valois. Es werden die Regentschaften für minderjährige Könige und die ersten Schritte der bereits volljährigen Herrscher untersucht. Dabei handelt es sich um acht (von insgesamt einundzwanzig) Königen, die zwischen 987 und 1498 geherrscht haben. Die Geschichte um Johann I. (*/† 1316) wurde schon in einem früheren Artikel beschrieben und wurde in diesem Artikel nicht berücksichtigt.
Nach dem Zerfall des wiedervereinigten Karolingerreiches im Jahr 887 wechselte im Westfrankreich das Königtum zwischen den rivalisierenden Dynastien der Karolingern und den Robertinern, den späteren Kapetingern. Nach dem Tod des karolingischen Königs Ludwig V. im Jahr 987 entschlossen sich die westfränkischen Magnaten statt des karolingischen Thronanwärters Karl (von Niederlothringen) dessen Konkurrenten Hugo Capet (941–996), Herzog von Franzien, zum neuen König zu krönen. Um die Erbfolge endgültig für seine Familie zu sichern, ließ Hugo noch im Dezember 987 seinen 15-jährigen Sohn Robert II. zum Mitkönig krönen. Daraus ergaben sich für die Zukunft die Optionen, einerseits den Thronfolger noch zu Lebzeiten des alten Königs zu salben und zu krönen, andererseits das Alter für die Volljährigkeit eines Königs von 21 auf 15 Jahre herabzusetzen. Beides waren Maßnahmen, die auf politische Erfahrungen der Jahre von 888 bis 987 begründet waren und die einen reibungslosen Herrscherwechsel, möglichst ohne lange Regentschaften für einen Minderjährigen, garantieren sollten.
1. Korrekte Regentschaften
Eine Herrschaft eines Minderjährigen stellte immer eine Gefahr für den Staat dar. Umso wichtiger war es, einen fähigen Regenten einzusetzen, der einerseits die Interessen des minderjährigen Königs durchsetzte, andererseits loyal genug war, ihm beim Erreichen der Volljährigkeit die Herrschaft zu überlassen und sich danach entweder auf beratende Funktionen zu begrenzen oder sich zurückzuziehen. Dies geschah während der Jahre von 987 bis 1498 nur zweimal.
1.1 Ludwig IX. (* 1214, König von 1226 bis 1270)
Ludwig IX. war der älteste Sohn von Ludwig VIII. (* 1187, König von 1223 bis 1226) und dessen Frau Blanche (Blanca) von Kastilien (1188–1252), die eine Enkelin der Eleonore von Aquitanien war. Trotz des frühen, unerwarteten Todes von Ludwig VIII. am 8. November 1226 gestaltete sich die Nachfolgeregelung problemlos, bereits drei Wochen später wurde Ludwig IX. zum König gekrönt. Grundlage dafür waren die von Ludwig VIII. vorsorglich in seinem Testament festgelegten Verfügungen, die er seiner Frau Blanche noch erläutern konnte. Ludwig IX. erhielt am Tage seiner Krönung auch seine Schwertleite, so dass er als volljährige Person der adligen Gesellschaft galt.
Das Testament Ludwigs VIII. bestimmte Blanche von Kastilien zur Regentin. Sie versprach im Gegenzug ihrem sterbenden Mann, die Regentschaft für Ludwig IX. und die Schutzaufsicht für ihn, seine fünf Geschwister und das noch posthum geborene Kind (Karl von Anjou 1227–1285) zu übernehmen. Diese und weitere kluge Maßnahmen verhinderten die Regentschaft bzw. den politischen Einfluss von Ludwigs VIII. Halbbruder Philippe Hurepel († 1234), der als nächster männlicher Verwandter Ansprüche auf die Regentschaft gehabt hätte, den Ludwig VIII. jedoch als politisch unzuverlässig einschätzte. Inwieweit Ludwig tatsächlich so vorausplanend gedacht hatte oder Blanche diese Vorausplanung nur geschickt propagierte, um ihre eigene Stellung zu behaupten, ist strittig.
Fakt ist, die Regelung, die Königinmutter als Regentin und Vormund einzusetzen, garantierte den Verbleib der Macht bei den alten Herrschaftsträgern des Königtums. Trotzdem versuchten ehrgeizige Grafen, wie Theobald IV. von der Champagne, Hugo Lusignan, Graf von La Marche oder Pierre Mauclerc, Graf der Bretagne, die alle vom englischen König Heinrich III. unterstützt wurden, gegen die Königinmutter zu opponieren. Blanche von Kastilien gelang es jedoch, durch geschickte Verträge die französischen Magnaten zu bändigen. Des Weiteren konnte sie die bereits unter Ludwig VIII. ausgehandelten Apanagen für ihre jüngeren Söhne sichern. So konnten diese mit dem Erreichen der Volljährigkeit ihre Herrschaften in Artois (1237), Poitou (1241) und Anjou (1246) antreten.
Ein genaues Datum über den Rückzug Blanches aus der Politik lässt sich nicht ermitteln, da ihr Ausscheiden in kleinen Schritten geschah. Fest steht, dass sie maßgeblichen Anteil an der Friedenpolitik Ludwigs IX., an dessen Aussöhnung mit Raimund VII., Graf von Toulouse und am Waffenstillstand mit England (1243) hatte. So ist es ihr zu verdanken, dass die erste Phase von Ludwigs Königtum friedlich blieb. Während der Abwesenheit Ludwigs aufgrund des 6. Kreuzzugs von 1248 bis 1254 führte Blanche erneut die Regentschaft. Nach dem Tod ihres Sohnes Robert von Artois (1216–1250) begann sie allerdings die Regierungsgeschäfte ihrem vom Kreuzzug heimgekehrten Sohn Karl von Anjou (1227–1285) zu überlassen.
1.2 Karl VIII. (* 1470, König von 1483 bis 1498)
Karl VIII. war der einzig überlebende Sohn von Ludwig XI. (* 1423, König von 1461 bis 1483) und dessen Ehefrau Charlotte von Savoyen († 1483). Er war der letzte, unmittelbar auf dem Vater folgende Herrscher der Hauptlinie der Valois und ist heute vor allem durch seinen 1494 begonnenen Italienfeldzug, der die bis 1559 andauernden Italienischen Kriege einleitete, in Erinnerung geblieben.
Ludwig XI. erlitt im März 1481 einen schweren Schlaganfall, so dass es voraussehbar war, dass Karl seinem Vater noch als Minderjähriger folgen wird. Belegt ist, dass der alte, kranke, aber immer noch gefürchtete König im September 1482 seinem zwölfjährigen Sohn die Prinzipien des Regierens zu erklären versuchte. Karl musste geloben, diese Ratschläge, die im Oktober 1482 von einem königlichen Rat gebilligt wurden, zu befolgen. Nach einem erneuten Schlaganfall am 25. August 1483 übergab schließlich Ludwig seinem Sohn das königliche Siegel, ehe er ein paar Tage später starb. Ein Versuch Ludwigs, sich mit seinen stärksten außenpolitischen Gegner, dem Regenten von Burgund, Erzherzog Maximilian (1459–1519), auszusöhnen, gelang nicht. Zwar unterschrieben Maximilian und Ludwig im Dezember 1482 einen Friedensvertrag, in dem u.a. festgelegt wurde, dass Karl sich mit Maximilians zweijähriger Tochter Margarethe (1480–1530) verloben wird. Allerdings war dies bereits die zweite Verlobung für den zwölfjährigen Karl. Die Verlobung mit Elisabeth (1466–1503), der Tochter Eduards IV. von England wurde aufgelöst. Interessant ist auch, dass Ludwig XI. bereits vor und vor allem noch im Jahr 1477 versuchte, seinen Sohn Karl mit der um dreizehn Jahre älteren Maria von Burgund (1457–1482), Erbin seines politischen Konkurrenten Karl des Kühnen (1433–1477), zu verloben und nun keine Skrupel hatte, die Tochter der inzwischen Verstorbenen mit seinem Sohn zu verloben.
Eine kluge Entscheidung Ludwigs XI. war, die Regentschaft de facto seiner Tochter Anne (1461–1522) und deren Ehemann Pierre de Beaujeu (1437–1503) zu übergeben. Pierre de Beaujeu war ein jüngerer Bruder des Herzogs von Bourbon, der sich in Ludwigs letzten Lebensjahren als verlässliche Stütze des Königs bewährte. Rechtlich war die Regentschaft der Beaujeus nicht gesichert, aber sie verfügten auf Anordnung Ludwigs über die Person des Königs. Diese willkürliche Festlegung führte zur Opposition von Karls zweiten, von der Macht verdrängten Schwager Ludwig von Orleans (1462–1515), der mit Karls Schwester Johanna (1464–1505) verheiratet war. Ludwig war ein Angehöriger der Valois-Orleans und nach Karl der nächste Anwärter auf den Thron. 1498 folgte er ihn auch als Ludwig XII., doch dies war 1483 nicht voraussehbar.
Um die Legitimität ihrer Regentschaft abzusichern, riefen die Beaujeus für Januar 1484 eine Generalständeversammlung ein. Sie waren klug genug, einen neuen Wahlmodus zu gestatten, der dazu führte, dass Vertreter des dritten Standes zur dominierenden Gruppe wurde. Diese Vertreter des dritten Standes unterstützten die Beaujeus, da sie einerseits an einer Kontinuität des Königtums interessiert waren, andererseits nicht an einer Stärkung diverser Adelsgruppen interessiert waren. Indem die Beaujeus zusätzlich den Steuerumfang für die Jahre 1484 und 1485 stark reduzierten, sicherten sie sich die Loyalität der Vertreter des dritten Standes. Nachdem Karl VIII. im Juni 1484 in Reims zum König gekrönt wurde, bemühte er sich mit dem inzwischen gefangen gesetzten Ludwig sich zu versöhnen. Er gestattete ihm sogar die Leitung des königlichen Rates. Trotz dieser Eigenmächtigkeit des jungen Königs blieben Ludwig und sein Anhang machtlos. Die Beaujeus behaupteten ihre Machtstellung.
1485 versuchte Ludwig von Orleans erfolglos die Generalstände einzuberufen, mit dem Ziel, Karl aus der Aufsicht der Beaujeus zu befreien. Danach versuchte er mit Hilfe von Maximilian von Burgund, dem späteren Kaiser Maximilian I. und Franz II., dem Herzog der Bretagne militärisch gegen die Regenten vorzugehen. Dieser „unsinnige Krieg“ („guerre folle“) endete am 28. Juli 1488 mit dem Sieg der Königlichen bei Saint-Aubin-du-Cormier. Ludwig von Orleans geriet in Gefangenschaft, aus der erst 1491 entlassen wurde.
Eine Folge des Sieges der königlichen Armee war, dass die Bretagne ihre Unabhängigkeit verlor. Im Vertrag von Verger vom 21. August 1488 musste der bretonische Herzog einer Vermählung seiner Erbtochter Anne (1477–1514) mit dem französischen König zustimmen, womit die Inbesitznahme der bis dato selbständigen Bretagne durch Frankreich möglich wurde. Allerdings erschwerten sich die Bedingungen, nachdem wenig später Franz II. verstarb und ihm seine elfjährige Tochter Anne folgte. Dieses recht resolute Mädchen widersetzte sich, unterstützt von den bretonischen Ständen und ihren Räten, den oben genannten Vertrag. Anfang 1489 kam es erneut zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Bretagne und Frankreich. Deshalb entschloss sich die junge Herzogin, sich mit Maximilian zu verbünden. Im Dezember 1490 kam es zur Eheschließung zwischen Anne und Maximilian, die dieser durch einen Bevollmächtigten in Rennes schließen ließ.
Diese Heirat betrachteten die Franzosen als Affront. Sie begannen die Bretagne anzugreifen und deren Hauptstadt Rennes zu belagern. Maximilian unterstützte die Bretonen nicht, die schließlich am 15. November 1491 den, von den Franzosen vorgelegten, Friedensvertrag zustimmten. Anne willigte nun in eine Heirat mit Karl ein. Damit war das „bretonische Problem“ für Frankreich, trotz komplizierter Erbschaftsregelungen, gelöst. Anne wurde im Fall ihrer Witwenschaft nur eine erneute Ehe mit dem nachfolgenden Träger der Krone gestattet. Dies geschah dann auch 1499 mit ihrer Eheschließung mit Ludwig XII.
Am 6. Dezember 1491 heirateten Anne und Karl. Die Regentschaft der Beaujeus endete damit offiziell. Während die Lösung Karls von Margarethe relativ fair verlief, beide mochten sich und Margarethe kehrte erst 1493 nach Flandern zurück, führte die Scheidung zwischen Anne und Maximilian zu langjährigen Rechtsstreiten. Kirchenrechtlich fand Karl VIII. in Papst Alexander VI. einen Verbündeten, der wegen eigenen weltlichen Machtansprüchen bereit war, Karls bzw. Annes vorherige Ehen zu annullieren. Maximilians Umfeld verbreitete daraufhin die Mär, dass Anne von bewaffneten, französischen Soldaten zur Ehe mit Karl gezwungen wurde. Dieser angebliche „französische Brautraub“ vergiftete schließlich die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich.
Seit seiner Eheschließung regierte Karl VIII. selbständig. Als eine seiner ersten Maßnahmen ließ er den immer noch inhaftierten Ludwig von Orleans frei, der sich in Zukunft als Stütze des Königs erweisen sollte. Die Ehe mit Anne verlief glücklich, sie war seine wichtigste Beraterin. Allerdings warfen das Sterben ihrer vier Kinder und das damit verbundene Ausbleiben eines Thronfolgers einen Schatten auf ihre Ehe.
Anne und Pierre de Beaujeu beeinflussten seit 1491 Karl VIII. nicht mehr. Zentraler Punkt ihres Lebens wurde das Sichern des Erbes ihrer einziger Tochter Suzanne von Bourbon-Beaujeu (1491–1521), die 1505 mit Karl (1490–1527), dem späteren Connétabel von Bourbon, verheiratet wurde.
Literatur
* Ehlers / Müller / Schneidmüller (Herausgeber), Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888–1498, Verlag C.H. Beck München, 1996, ISBN 3-406-40446-4
- Ende des 1. Teils -
Abriss vom Leben der minderjährigen und jugendlichen französischen Königen des Mittelalters
Teil 2
2. Verhängnisvolle Regentschaften
Unter verhängnisvolle Regentschaften verstehe ich Regierungen, die wider den Interessen des Königtums als Institution regiert haben. Dies geschah im Zeitraum zwischen 987 und 1498 dreimal.
2.1 Philipp I. (* 1052, König von 1060 bis 1108)
Philipp I. wurde als ältester Sohn von Heinrich I. (*1009/10, König von 1031 bis 1060) und dessen dritter Frau Anna von Kiew (* um 1030; † 1075/89), einer Tochter des Großfürsten Jaroslaw von Kiew, geboren. Er wurde 1059 zum Mitkönig seines Vaters gewählt und geweiht. Ein Jahr später folgte er seinem Vater als jüngster französischer König des Mittelalters. Die Regentschaft wurde noch vom alten König auf Balduin V. von Flandern (1012–1067), der mit Adele (1009/14–1079), einer Schwester Heinrichs bzw. Tante Philipps verheiratet war, übertragen. Ihm zur Seite wurde die Mutter des jungen Königs gestellt, die aufgrund ihrer zweiten Ehe mit Rudolf IV., Graf von Valois noch im Jahr 1061 aus der Regentschaft ausscheiden musste. Tatsächliche Macht übte der französische König (oder der ihm vertretende Regent) nur in dem Gebiet von Paris bis Orleans, der so genannten Krondomäne, und den sie umfassenden Ring kirchlicher Provinzen der Erzbischöfe von Reims und Sens aus. In der älteren deutschen Literatur werden diese Stammländer der Kapetinger als Franzien bezeichnet, das wiederum fast identisch mit der heutigen Region Ile de France ist. Das heißt, etwa zwei Drittel des ehemaligen westfränkischen Reiches wurden von faktisch unanhängigen Herzögen oder Grafen beherrscht. So ist es nicht weiter erstaunlich, dass zu Philipps Krönung in Reims nur Herzog Wilhelm VIII. von Aquitanien persönlich erschien. Einige der Magnaten entsandten Vertreter, die meisten, so auch Wilhelm von der Normandie, ignorierten das Ereignis und blieben den Krönungszeremonien fern.
Balduin V. von Flandern beherrschte eines der damals größten Fürstentümer. Er war einerseits für das so genannte „Kronflandern“ Lehensmann des französischen Königs, andererseits für „Reichsflandern“ Lehensmann des Kaisers bzw. des deutschen Königs. Durch geschicktes Lavieren zwischen den beiden Mächten erreichte der Graf von Flandern eine de facto Unabhängigkeit. Zusätzlich wurde diese Stellung durch Balduins Heiratspolitik gesichert. So war er selbst Schwager des französischen Königs Heinrich I. und Schwiegervater von Wilhelm, Herzog der Normandie. Während seiner Tätigkeit als Regent für den minderjährigen Philipp war Balduin V., Graf von Flandern, begünstigt durch die zeitgleiche Minderjährigkeit des deutschen Königs Heinrich IV., einer der mächtigsten Männer Westeuropas.
Balduin V. schaltete zuerst die ihm beigeordnete Königinmutter als Regentin aus. Anna von Kiew galt wegen ihrer bereits im Jahr 1061 geschlossene Ehe mit Rudolf IV. von Valois als potentielle Rivalin um die Macht. Ihre neue Ehe war für Philipp und Balduin nicht ungefährlich, denn die Gebiete des Grafen von Valois grenzten im Westen und Norden an Gebieten der Krone. Außerdem bestand die Gefahr, dass Rudolf die Verbindung zwischen Flandern und dem Kronland abschnitt oder zumindest kontrollierte. Dass Rudolf ein zu allen entschlossener, vor nichts zurück schreckender Politiker war, beweist, dass er, um eine Ehe mit Anna führen zu können, seine damalige Ehefrau verstoßen hatte und nachdem dies geschah, trotz Exkommunikation durch den Papst bis zu seinem Tod im Jahr 1074 ein unberechenbarer und gefährlicher Gegner des jungen Königs blieb.
Das schwerwiegendste Ereignis während Philipps Minderjährigkeit war jedoch die Eroberung Englands durch seinen Vasallen Wilhelm von der Normandie im Jahr 1066. Warum Balduin dies nicht zu verhindern versuchte, ist noch nicht eindeutig geklärt, vor allem weil dieser erhebliche Machtzuwachs der Normannen auch seinen eigenen Einfluss einschränkte. Eine Meinung dazu ist, dass der Realpolitiker Balduin seine Grenzen erkannte und so auch zulassen musste, dass viele seiner flämischen Vasallen sich den Normannen nach England anschlossen. Möglich ist auch, dass die päpstliche Unterstützung für Wilhelm den Grafen von Flandern abhielt, die Interessen seines Mündels zu vertreten. Fest steht, dass die Auseinandersetzungen mit dem Normannenherzog und dessen Erben zu einem zentralen Punkt in der Politik der französischen Könige wurde. Das Vasallentum der englischen Könige für französische Herrschaften sorgte für die nächsten Jahrhunderte für genügend Konfliktpotential zwischen Frankreich und England, das erst mit dem Ende des Hundertjährigen Krieges (1453) bzw. mit der Rückgabe von Calais (1559) beigelegt wurde.
Nach dem Tod Balduins übernahm Philipp 1067 selbst die Regierung. Eine Auseinandersetzung mit dem Herzog der Normandie wagte der Fünfzehnjährige noch nicht. 1068 gelang es ihm, erfolgreich in den Erbfolgestreitigkeiten im Anjou einzugreifen. So unterstützte Philipp den Anwärter Fulko „den Griesgram“ gegen dessen Kontrahenten, den seit 1060 herrschenden Gottfried „den Bärtigen“ . Die Hilfe war nicht uneigennützig, Fulko musste nach seinem Sieg Philipp Gebiete, wie das Gatinais, überlassen. Interessant ist auch, dass der Sieg Fulkos nicht nur auf die Unterstützung des Königs, sondern auch auf die Hilfe von Papst Alexander II. und der gegen Gottfried opponierenden Adligen begründet war.
Des Weiteren agierte Philipp im flandrischen Thronfolgestreit, der 1070 nach dem Tod Balduins VI. ausbrach. Hier kämpften Balduins minderjähriger Sohn Arnulf der Unglückliche (1055–1071) und dessen Onkel Robert der Friese (1033–1093) um die Macht. In dieser für ihren Sohn prekären Situation war Arnulfs Mutter Richilde von Hennegau († 1087) sogar bereit, den Truchsess Wilhelms des Eroberers, William FitzOsbern (1020–1071) zu heiraten, der im Übrigen ein Sohn des im Jahr 1040 ermordeten Haushofmeisters Osborn war. Zusätzlich wandte sich Richilde an den französischen König, dem sie für seine zu leistende Hilfe die Abtei Corbie in der Picardie versprach. Daraufhin entschloss sich Philipp, der Partei Arnulfs zu helfen. In der entscheidenden Schlacht von Cassel bei Dünkirchen am 22. Februar 1071 besiegte Robert der Friese die Verbündeten, der jugendliche Arnulf und sein Stiefvater William FitzOsborn fielen, Richilde geriet in Gefangenschaft und Philipp flüchtete mit seinen Truppen vom Schlachtfeld. Robert der Friese und Philipp schlossen daraufhin Frieden, wobei Philipp im Besitz des reichen Klosters Corbie belassen wurde. Um das neue Bündnis zu festigen, heiratete Philipp schließlich Roberts Stieftochter Bertha von Holland (1055–1093/94). Richilde konnte dagegen ihre Herrschaft für ihren zweiten Sohn Balduin II. (1056–1098) in der Grafschaft Hennegau mit Hilfe Wilhelms des Eroberers sichern.
Nach dem Ableben des zweiten Gatten († 1074) seiner Mutter Anna von Kiew gelang es Philipp das westliche oder französische Vexin zu erwerben. Rudolfs Sohn Simon entsagte 1077 seiner Herrschaft, damit zerfiel das von seinem Vater aufgebaute Herrschaftsgebiet. Philipp gelang es daraufhin das gesamte, also auch das normannische Vexin einzunehmen. Dies und die 1079 erfolgte Entsetzung der von Normannen belagerten, bretonischen Festung Dol waren die größten militärischen Niederlagen Wilhelms des Eroberers. Philipp erkannte jedoch die Grenzen seiner militärischen Mittel und verzichtete deswegen bis zum Tod Wilhelms († 1087) auf weitere militärische Auseinandersetzungen mit ihm. Stattdessen gelang es ihm, dessen Familie mit diplomatischen Mitteln zu entzweien und Wilhelms ältesten Sohn Robert Kurzhose (1054–1134) auf seine Seite zu ziehen.
Philipp konnte bereits in jungen seine Stellung als König festigen. Seine weitere Herrschaft war jedoch mit vielfältigen Kämpfen verbunden, so auch gegen die Päpste Gregor VII., Urban II. oder Paschalis II. Erschwerend dazu kamen persönliche Verfehlungen Philipps, so der Verstoß seiner Ehefrau Bertha im Jahr 1092 und der darauf folgende Raub der Bertrada, die damals mit dem Grafen von Anjou verheiratet war. Dieses Verhalten brachte ihm die Exkommunikation durch den Papst ein. In vielen Dingen ähnelte das Leben Philipps dem seines Zeitgenossen Kaiser Heinrich IV., die sich gegenseitig als Leidensbrüder betrachteten.
Zusammenfassend stelle ich fest, dass Philipps Herrschaft eine Krise des französischen Königtums darstellte, die zum Teil mit den Ereignissen während seiner Minderjährigkeit, zum anderen Teil aber auch durch eigene politische Fehler begründet war. Ähnlich wie bei Heinrich IV. (1050–1106) war Philipps Herrschaft geprägt von den Auseinandersetzungen mit dem wieder erstarkten Papsttum, von der Reformbewegung der Kirche (Cluny) und vom Ersten Kreuzzug.
Literatur
* Ehlers / Müller / Schneidmüller (Herausgeber), Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888–1498, Verlag C.H. Beck München, 1996, ISBN 3-406-40446-4
* Joachim Ehlers, Die Kapetinger, Urban-Taschenbücher Band 471, W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Berlin Köln, 2000, ISBN 3-17-014233-X
- Ende des 2. Teiles -
(20.11.2012 20:55)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Der Kaiser Maximinus Thrax war infolge einer Rebellion in Afrika umgekommen. Die Usurpatoren Gordian I. und Gordian II. wurden von Senat, Volk und vielen Legionen nach der schweren Zeit unter Maximinus dankend akzeptiert....
Wobei ich persönlich finde das Maximinus Thrax zu negativ dargestellt wird (nicht von dir sondern allgemien), er dürfte gar nicht so ein unfähiger oder gar grausamer Kaiser gewesen sein.
Aber es wurden (wie man bei Maximinus Thrax Nachfolgern sieht) eben die Zeiten schwerer und er hatte anscheinend nur das Heer als Machtbasis, in Senat usw. war er wohl sehr unbeliebt.
(20.11.2012 20:55)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Das Volk zwang den Senat dazu, Gordian III., den Enkel Gordians I. und Neffen Gordians II. anzuerkennen. Der erst dreizehnjährige hatte keine machtvolle Mutter, die ihn in seinen Entscheidungen beherrschte. Die Regierung übernahmen Prätorianerpräfekten, deren letzter, Philippus Arabs, ihm nachfolgte, als er nach sechsjähriger Regentschaft verstarb. Diese war geprägt gewesen von den Problemen der damaligen Zeit, der Verteidigung der Grenzen und der Ausschaltung von Usurpatoren. [/size]
Ein Mann der in der Regierungszeit von Gordian III eine große Rolle spielte, die wahre Macht hatte und sich als sehr fähig erwies war Prätorianerprefekt Timesitheus. Diesem gelang es en einen oder anderen Usurpator auszuschalten, die Grenze zumindest für eine Zeit lang stabil zu halten und innenpolitisch zu schauen, das die Institutionen hinter dem Kaiser standen. Die Probleme der Zeit wirklich lösen konnte auch er nicht (das konnte so aber wohl niemand). Er starb auf einem Feldzug gegen die Sassaniden. Sein Nachfolger als Prätorianerprefäkt war der von Maxdorfer beschriebene Philippus Arabs, der schließlich auch dem minderjährigen Kaiser Gordian nachfolgte.
Das neben dem Volk auch die Prätorianergarde dafür sorgte das Gordian III auf den Thron kam, könnte ich mir gut vorstellen.
Finde die Geschichte von Timesitheus auch deshalb interessant, weil sie ein Beispiel dafür ist, das es in dieser Zeit in Rom sehr wohl Männer gab, die fähig waren. Nur die Probleme die Rom hatte konnten auch diese nicht lösen.
(21.11.2012 21:34)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Honorius war 11. Sein wichtigster Berater war Stilchio, der aber später auch abgewechselt wurde. Auch als erwachsener Mann wurde Honorius nie ganz erwachsen, und wenn er auch nicht in der Welt aus Schwelgen im Reichtum und Exzessen lebte wie einige vor ihm, so nahm er doch die Lage nie wirklich ernst. Sein Lieblingshahn „Roma“ bedeutete ihm mehr als die gleichnamige Stadt, die seinen Launen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Als man ihm nach der furchtbaren Plünderung Roms die Schreckensnachricht vom Untergang des „ewigen Rom“ meldete, war er sichtlich erstaunt – er habe Roma doch erst am Morgen höchstpersönlich gefüttert.
Das mit seinem Huhn kenne ich zwar, aber es erscheint mir wie ein übertriebener Vergleich, der zeigt wie wenig sich Honorius um Rom kümmerte. Das er sein Leben lang unter dem Einfluss von Beratern stammt, stimmt. Stilicho war ein sehr fähiger Berater, Honorius war aber leider so dumm ihn ermorden zu lassen. Diejenigen die jetzt kamen waren alles andere als fähig, hatten auch den Fall Roms 410 zu verantworten. Erst Constantius III war wieder ein fähiger Berater und Mitkaiser. Teilweise wundert es mich das Honorius nicht irgendwann einmal gestürtzt wurde-es war wohl sein großer Vorteil das er der als legitim angesehenen Herrscherdynastie angehörte.
(21.11.2012 21:34)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Valentinian III. lebte hinter Palastmauern und mischte sich nur selten in die Politik ein, auch wenn er nicht gänzlich desinteressiert war.
Vielleicht wäre es besser gewesen, er wäre vollkommen desinteressiert an Politik gewesen. Einer seiner seltenen Eingriffe in diese war es unter den Einfluss falscher Berater Flavius Aethius zu ermorden. Dieser war ihm verständlicherweise zu mächtig geworden. Doch schon bald nach dessen Ende wurde dann Valentinian III als Rache für Aethius ermordet. Das Reich begann nun endgültig im Chaos zu versinken.
(21.11.2012 21:34)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Einzelbiographien zu Kindkaisern werde ich, wie eingangs erwähnt, vielleicht im Laufe der Zeit schreiben und einstellen.
Ups das lese ich erst jetzt, ich hoffe dir das mit meinen Ergänzungen nicht verdorben zu haben.
(01.12.2012 13:16)WDPG schrieb: [ -> ]Wobei ich persönlich finde das Maximinus Thrax zu negativ dargestellt wird (nicht von dir sondern allgemien), er dürfte gar nicht so ein unfähiger oder gar grausamer Kaiser gewesen sein. Aber es wurden (wie man bei Maximinus Thrax Nachfolgern sieht) eben die Zeiten schwerer und er hatte anscheinend nur das Heer als Machtbasis, in Senat usw. war er wohl sehr unbeliebt.
In der Zeit hatte man ein echtes Problem, wenn die Soldaten einen zum Kaiser ausriefen.
(01.12.2012 14:32)WDPG schrieb: [ -> ] (21.11.2012 21:34)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Einzelbiographien zu Kindkaisern werde ich, wie eingangs erwähnt, vielleicht im Laufe der Zeit schreiben und einstellen.
Ups das lese ich erst jetzt, ich hoffe dir das mit meinen Ergänzungen nicht verdorben zu haben.
Nein nein, ich muss eh noch schauen, wie ich das zeitlich mache.
Abriss vom Leben der minderjährigen und jugendlichen französischen Königen des Mittelalters
Teil 3
2. Verhängnisvolle Regentschaften
2.2 Karl VI. (* 1368, König von 1380 bis 1422) und Karl VII. (* 1403, König von 1422 bis 1461)
Die Regierungszeit Karls VI. stellt in ihrer Gesamtheit eine der größten Staatskrisen Frankreichs dar. Karl VI. war der älteste Sohn von Karl V. (* 1338, König von 1364 bis 1380) und dessen Ehefrau Johanna von Bourbon (1338–1378). Aufgrund einer psychischen Erkrankung konnte Karl VI., den die ältere deutsche Literatur auch „den Wahnsinnigen“ nennt, nur in den Jahren von 1388 bis 1392 selbstständig regieren. Der Ausfall des Königs führte dazu, dass sich rivalisierende Adelsblöcke bildeten, die sich heftig bekämpften. Höhepunkt war der zwischen 1410 und 1413 stattfindende Bürgerkrieg zwischen den „Bourguignons“ und den „Armagnacs“ . In der Schlacht von Azincourt 1415 unterlag ein französisches Ritterheer englischen Bogenschützen. Dies führte dazu, dass in den Folgejahren Frankreich von englischen oder dessen verbündeten burgundischen Truppen beherrscht wurde. Nur der frühe Tod des englischen Königs Heinrich V. (1387–1422) verhinderte die Ersetzung der Dynastie Valois durch das Haus Lancaster.
Ein sehr interessanter Punkt ist, dass um 1400 unbeliebte und unfähige Könige wie der englische König Richard II. (1367–1400) oder der deutsche König Wenzel (1361–1419) einfach abgesetzt wurden und durch einen fähigeren Kandidaten ersetzt wurden. In Frankreich stand dagegen die Absetzung des Königs nie auf der Tagesordnung. Dies lag einerseits daran, dass Karl während seiner vier tatsächlichen Herrschaftsjahre sehr beliebt war. Andererseits propagierten viele Gelehrte und Dichter die Unantastbarkeit des gesalbten Königs. Damit wurde die Institution des Königtums propagierend gefördert und gefestigt. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Person des Königs trotz seiner Regierungsunfähigkeit und trotz der bis dahin größten Staatskrise Frankreichs in der Bevölkerung akzeptiert war.
2.2.1 Die Minderjährigkeit Karls VI.
Karl VI. wurde 1380 als Zwölfjähriger zum König gekrönt. Er hatte das Pech gehabt, dass es seinem seit 1378 verwitweten Vater Karl V. nicht gelungen war, einen fähigen und loyalen Regenten zu finden. Die Frage der Regentschaft war ungeklärt geblieben. Dies führte dazu, dass Karls Onkel die Macht an sich rissen. Dies waren die Brüder seines Vaters - Ludwig I. von Anjou (1339–1384), Johann von Berry (1340–1416) und Philipp von Burgund (1342–1404) - sowie der Bruder seiner Mutter – Ludwig II. von Bourbon (1337–1410). Noch bevor der junge König gekrönt wurde, beraubte ihn Ludwig von Anjou, um seine Anwartschaft auf das Erbe der Königin Johanna I. von Neapel (1326–1382) zu finanzieren. Nicht weniger skrupellos waren die anderen Herzöge, so dass das Erbe des umsichtig wirtschaftenden Karls V. bereits nach zwei Jahren aufgebraucht war. Unsinnige Maßnahmen der Herzöge, wie drastische Steuersenkungen, denen wiederum noch drastischerer Steuererhebungen folgten, führten zu zuerst lokal begrenzten Aufständen von Kaufleuten und Handwerkern, die sich schließlich über das ganze Land ausbreiteten. Schließlich sahen die Angehörigen der Pariser Stadtarmut ihre Chance für Raub, Plünderung und Mord.
Dies führte schließlich dazu, dass die Regenten im Januar 1383 begannen, das Land mit äußerst brutalen Mitteln zu befrieden. Steuerrecht und Gewalt der Krone waren wieder durchgesetzt. Gleichzeitig gelang es Herzog Philipp von Burgund und seinen Schwiegervater Ludwig von Flandern einen Aufstand der flandrischen Städte Gent und Brügge blutig zu unterdrücken. 1384 konnte Philipp unangefochten sein flandrisches Erbe übernehmen. Damit entstand ein für den König gefährlicher Machtblock im Osten Frankreichs. Der Herzog von Berry konnte dagegen als Gouverneur des Languedocs einen vom Grafen von Foix unterstützten Partisanenkrieg nicht erfolgreich beenden.
Seit 1385 setzte sich Philipp von Burgund als dominierende Persönlichkeit des Regentschaftsrates durch. In der Folgezeit wurden die königliche und burgundische Politik abgestimmt. Dies geschah nicht zum Nachteil der Krone, da zu dieser Zeit noch eine Interessenidentität zwischen König und Herzog bestand. Am 12. April 1385 heiratete der burgundische Erbe Johann (1371–1419) - später Johann Ohnefurcht genannt - die Wittelsbacherin Margarethe von Bayern-Straubing-Holland und seine jüngere Schwester Margarethe (1374–1441) ehelichte Herzog Wilhelm von Bayern-Straubing-Holland (1365–1417). Gemäß dieser burgundischen Politik vermählte sich Karl nur wenige Wochen nach der Doppelhochzeit von Cambrai mit Elisabeth von Bayern-Ingolstadt (1372–1435), die in der Geschichte unter dem Namen Isabeau de Bavière bekannt und (nicht ganz zu Unrecht) verleumdet wurde. Fairerweise muss man Isabeau zugestehen, dass sie weder auf die politische Aufgabe einer Regentin, noch auf den Umgang mit einem wahrscheinlich an Schizophrenie leidenden Ehemann vorbereitet wurde. Ungünstige Eigenschaften, wie ihre Leichtlebigkeit und Verschwendungssucht oder das Fehlen einer eigenen Meinung runden das negative Image der Königin ab.
Am 3. November 1388 verkündete der inzwischen zwanzigjährige König den Beginn seiner selbständigen Regierung. Der aus seinen Onkels bestehende Regentschaftsrat wurde aufgelöst. Als Berater dienten ihm so genannte „Marmousets“ , dies waren Leute aus dem niederen Adel oder dem Bürgertum, die dem König geeignet erschienen, bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Damit folgte er dem Regierungsstil seines Vaters. Diese Marmousets, der Begriff galt ursprünglich als Schimpfname, waren die Vorläufer des späteren französischen Robenadels. Karl VI. konnte als eigenständiger König politische Erfolge, wie die Aussöhnung mit dem Grafen von Foix verzeichnen. Außerdem fungierte er sehr sorgsam für sein Mündel Karl von Tarent (1380–1404), dem jüngsten Sohn seines Onkels Ludwig I. von Anjou.
2.2.2 Der regierungsunfähige König
Dieser Abschnitt behandelt die Regierungsunfähigkeit Karls VI. aufgrund seiner psychischen Krankheit. Komplexe Themen wie der Bürgerkrieg zwischen Anhängern des Hauses Burgund und des Grafen von Armagnac sowie das Fortsetzen des Hundertjährigen Krieges seit 1415 werden nur kurz dargestellt.
Erstmals trat Karls Erkrankung am 5. August 1392 auf, als Karl völlig unerwartet seine Umgebung bedrohte und seinen Bruder Ludwig von Orleans erdolchen wollte. Insgesamt musste der König 43 Schübe seiner Krankheit erdulden. Karl litt wahrscheinlich an einer mit Verfolgungswahn verbundene Schizophrenie. Perioden der Klarheit wechselten mit aggressiven oder depressiven Phasen, wobei Karl in den ersten Jahren das Ausmaß seiner Krankheit erfasste. Die aggressiven und depressiven Phasen gingen mit völligen Realitäts- und Identitätsverlust einher, der König wurde von Todesvorstellungen gepeinigt und war nicht mehr gewillt, Nahrung aufzunehmen und Körperpflege zu betreiben. Von 1415 bis zu seinem Tod im Jahr 1422 dämmerte der König nur noch dahin. Ihm zur Seite wurde die robuste und aufopferungsvolle Odette de Chamdivers gestellt, die einerseits die gesteigerten sexuellen Bedürfnisse des Königs zu befriedigen hatte (!), andererseits für dessen Pflege und Versorgung verantwortlich war. Diese „petite reine“ (kleine Königin) war über viele Jahre die einzige Person, die Zugang zum König während dessen aggressiven und depressiven Phasen fand. Sie gebar ihm auch seine einzige uneheliche Tochter.
Die Aufgaben einer Regentin übernahm Isabeau de Bavière. Ihr zur Seite wurde ein Regentschaftsrat gestellt, dem sowohl Karls Onkels Philipp von Burgund und Johann von Berry als auch Karls Bruder Ludwig von Orleans (1372–1407) angehörten. Ein schwer zu lösendes Problem der Regenten war der Umgang mit dem König während seiner klaren Perioden. Ludwig von Orleans überredete schließlich die Königin dazu, bei ihrem Ehemann zu bleiben, um ihn gezielt von seinen politischen Aufgaben als König abzuhalten. So lebte während seiner lichten Momente der König als Privatier mit seiner Frau zusammen, während Ludwig die Regierungsgeschäfte führte. Die Folge des trauten Beieinander war, dass die Königin sieben ihrer insgesamt zwölf Kinder zwischen 1392 und 1407 gebar, darunter die beiden Dauphins Ludwig (1396–1415) und Johann (1398–1417), die spätere englische Königin und Stammmutter der Tudors Katharina (1401–1437) und den späteren König Karl VII. (1403–1461).
Da Ludwig von Orleans, seine Frau Valentina Visconti (1368–1408), ihre vier gemeinsamen Kinder, darunter Karl (Charles) von Orleans (1394–1465), der zwischen 1415 und 1440 als Gefangener im Londoner Tower lebte und Ludwigs unehelicher Sohn Johann (Jean), Graf von Dunois (1402–1468) oft mit der Königsfamilie zusammenlebten, nährte dies viele Gerüchte. Eins der vielen Gerüchte besagte, dass die Italienerin Valentina Visconti den König verhext hätte, ein anderes Gerücht behauptete, dass Ludwig von Orleans der Vater von Isabeaus jüngeren Kindern wäre. Außerdem beschrieben die Quellen Isabeau als schlechte Mutter, die die Versorgung und Erziehung ihrer Kinder ihrer Schwägerin überließ, während sie sich nur ihren Vergnügungen widmete.
Die von Ludwig von Orleans betriebene Isolation des Königs wurde besonders vom Burgunder Herzog Philipp und seinem Sohn Johann Ohnefurcht beargwöhnt. Zu einem offenen Ausbruch der Feindseligkeiten kam es jedoch erst nach dem Tod des alten Herzogs von Burgund, vor allem nachdem Ludwig begann, mehrere Herrschaften aufzukaufen. Er erwarb sich damit Rechte auf das Herzogtum Luxemburg, womit er den Burgundern versagte oder zumindest erschwerte, ihre oberen (Herzogtum und Freigrafschaft Burgund u.a.) und niederen Lande (de facto das heutige Belgien und die Niederlande) zu vereinigen. Die seit ca. 1402 erfolgte alleinige Kontrolle der königlichen Finanzen durch Ludwig von Orleans führte ebenfalls zum Verdruss der Burgunder, denen sich schließlich unzufriedene Pariser Bürgerstände, wie z.B. die sehr einflussreiche Zunft der Metzger anschlossen.
Am 23. November 1407 ließ Johann Ohnefurcht seinen verhassten Rivalen Ludwig von Orleans in Paris umbringen. Da Johann seinen Gegner (nicht zu Unrecht) beschuldigte, gemeinsam mit der Königin die Staatskasse geplündert zu haben, ließ er dem Leichnam die rechte Hand abhacken. Dies war bis dahin in Frankreich unüblich, es wird angenommen, dass Johann diesen türkischen Brauch während seiner Teilnahme am Kreuzzug gegen die Türken von 1396 kennen gelernt hatte.
Die Ermordung Ludwigs von Orleans führte zu einer wesentlichen Änderung der politischen Ausrichtung. Die politisch isolierte Isabeau verband sich kurz entschlossen mit ihrem bisherigen Gegner, der damit begann, politische Gegner aus den Reihen der Marmousets zu beseitigen. So wurde u. a. der Finanzfachmann Jean Montaigu öffentlich hingerichtet. Die Machtergreifung Johanns von Burgund führte zum Wechsel der adligen Bündnisse. Im Süden formierte sich das Bündnis zwischen Anhängern des Hauses Orleans, an deren Spitze formal der minderjährige Sohn Ludwig - Karl von Orleans (1394–1465) - tatsächlich aber dessen Schwiegervater Bernard VII., Graf von Armagnac (1360–1418) stand, der auch Schwiegersohn des Herzogs von Berry war. Da der Graf von Armagnac sich zuerst als militärischer, ab 1410 – nachdem die Friedensbemühungen des Herzogs von Berry gescheitert waren - auch als politischer Führer dieser Gruppierung behauptete, nennt man diese nach ihm „Armagnacs“ . Diese Gruppierung führte von 1410 bis 1413 den Bürgerkrieg gegen die Fraktion der Burgunder, seit 1415 kämpfte sie gegen Engländer und Burgunder, denen sie 1418 unterlagen.
Herzog Johann Ohnefurcht kontrollierte das Leben von Isabeau und Karl VI., den er der Pariser Bevölkerung öfters zeigte. Da das Volk Anteilnahme am Schicksal und der Krankheit des Königs nahm, wurde Karl bis ca. 1415 relativ häufig der Öffentlichkeit präsentiert. So rief Karl VI. 1413 aus Geldnot die Generalstände ein, die dann der Herzog von Burgund in seinem Interesse manipulierte. Seit 1415 verschlechterte sich die Gesundheit des Königs und seine drei jüngeren Söhne traten mehr in den politischen Vordergrund, worüber ich im nächsten Abschnitt schreiben werde.
Literatur
* Ehlers / Müller / Schneidmüller (Herausgeber), Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888–1498, Verlag C.H. Beck München, 1996, ISBN 3-406-40446-4
* Jean Markale; Isabeau de Bavière. Die Wittelsbacherin auf Frankreichs Thron, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München, Ungekürzte Ausgabe, August 1997, ISBN 3-423-30633-5
Ende des 3. Teils
Vielleicht glaubten die damals auch schon an die Genetik zur Begründung der Erbfolge durch den Sohn des verstorbenen Herrschers.
(19.01.2013 13:48)Harald1 schrieb: [ -> ]Vielleicht glaubten die damals auch schon an die Genetik zur Begründung der Erbfolge durch den Sohn des verstorbenen Herrschers.
Siehe "Königsheil" im Mittelalter.
Lies mal die Beiträge ab Beitrag 9 in diesem Thread

Ptolemaios V. Epiphanes Eucharistos war von 205 bis 180 Pharao Ägyptens und der fünfte Ptolemäer (alle Jahreszahlen im Artikel meinen die Jahre vor Christus).
Ptolemaios wurde am 6. Oktober 210 als Sohn des Pharaos Ptolemaios IV. Philopator I. geboren (da manche Beinamen bei den Ptolemäern mehrfach verwendet wurden, werden die Namen mit zwei Ordnungszahlen angegeben – die erste bezieht sich auf den Namen Ptolemaios, die zweite auf den Beinamen – hier Philopator). Bereits drei Tage nach seiner Geburt, am 9. Oktober wurde er zum Mitregenten seines Vaters ernannt, der damit seine Nachfolge sichern wollte.
Unter der Regierung Ptolemaios IV. ging die Blütezeit des ägyptischen Reiches der Ptolemäer zu Ende. Die Fassade der Vorherrschaft im Osten des Mittelmeeres konnte Philopator I. aufrecht erhalten, doch die faktische Macht war verschwunden. Durch kostspielige Kriege – die nicht immer siegreich endeten – und Aufstände (Rebellionen in Nordägypten, „Pharaonenstaat von Theben“) wurde auch die wirtschaftliche Lage bedeutend verschlechtert. Gleichwohl nahm Ägypten immer noch eine bedeutende Rolle allein im Handel ein, denn so mancher Kaufmann zog die Seeroute über Alexandria und das Rote Meer nach Indien der unsicheren Seidenstraße vor.
Dies war die Situation, als der kulturliebende, aber sonst nicht sonderlich fähige Ptolemaios IV. in den Sommermonaten des Jahres 205 starb. Für den nicht ganz fünfjährigen Sohn hätte nach dem Wunsch des Verstorbenen sicherlich seine Witwe und Schwester Arsinoë III. die Regentschaft führen sollen. Doch dies missfiel den zwei mächtigsten Männern des Ptolemäerreiches, Sosibios und Agathokles, die schon unter dem untätigen eben verstorbenen Vorgänger die Fäden gesponnen hatten. Sie ließen Arsinoë kurzerhand ermorden. Es gibt aber auch Berichte, nach denen Ptolemaios IV. seine Schwestergemahlin noch zu Lebzeiten selbst umgebracht habe und dies lange Zeit verheimlicht worden sei (er war völlig seiner Mätresse Agathokleia ergeben gewesen und interessierte sich nicht für Arsinoë) oder aber dass diese bei einem durch Brandstiftung entstandenen Feuer ums Leben gekommen sei. Doch diese Überlieferungen werden von den Historikern meist abgelehnt, vermutlich wurden sie von den Verschwörern in die Welt gesetzt.
Sosibios, ein ehemaliger Sportler, und Agathokles, der in seiner Jugend Mundschenk und Geliebter Ptolemaios IV. gewesen sein soll, übernahmen jetzt die Machtpositionen. Sie besorgten zwei Urnen mit der angeblichen Asche der Toten. In denen soll sich aber dem griechischen Schriftsteller Polybios zufolge nur etwas Gewürz befunden haben. Außerdem fälschten die beiden ein Testament des toten Ptolemäers, laut dem sie die Vormünder Ptolemaios V. sein sollten und mit dem sie sich der Staatsgewalt bemächtigen konnten. Mit diesen Utensilien beriefen sie die Palastwache, die Leibgarde und die Offiziere der Armee zusammen und verkündeten einen natürlichen Tod des Herrscherpaares. Anschließend wurde dem kleinen Kind das Diadem aufs Haupt gesetzt und es zum König ernannt.
Die Versorgung des Kindes übernahm die ehemalige Mätresse Agathokleia (die die Schwester des Agathokles war) und deren Mutter Oinanthe. Doch im Laufe der Zeit kam die Wahrheit über die Testamentsfälschung ans Licht und verärgerte das Volk in Alexandria. Während Sosibios schon sehr schnell (anscheinend eines natürlichen Todes) starb, führte Agathokles noch eine ganze Weile die Regierungsgeschäfte. Potentielle Rivalen seiner Person schickte er mit diplomatischen Aufträgen auf möglichst weite Reisen. Er versuchte damit, seine Stellung zu sichern, gleichzeitig sollten die Fortgeschickten gegen Eroberungen der Nachbarländer protestieren, die die in Ausnutzung der Regierungskrise in Ägypten und auf dessen Kosten Feldzüge durchführten. Aber großen Erfolg hatten die nach Makedonien und zu den Seleukiden geschickten Männer nicht. Im Gegenteil, in einem Geheimvertrag kamen Makedonen und Seleukiden überein, die Außenbesitzungen der Ptolemäer unter sich aufzuteilen.
Auch machte Agathokles sich sehr schnell unbeliebt. Unter Tlepolemos, dem Strategen von Pelusion, bildete sich eine starke Opposition gegen seine Herrschaft heraus. Bei den nun folgenden Machtkämpfen, deren exakter Ablauf nicht weiter bekannt ist, spielten die makedonischen Soldaten, die die Palastwache bildeten, eine bedeutende Rolle, da von ihrer Gunst ein großer Teil politischen Erfolges abhing. Im Herbst 203 schließlich gelang es, Agathokles zu stürzen. Vom aufgebrachten Mob verfolgt, floh er mit seiner Familie ins Stadion, wo er schließlich erschlagen wurde. Mit ihm und mit Sosibios starben zwei Paradebeispiele für den Typus des intelligenten, aber kaltblütigen, hinterlistigen und intriganten Machtmenschen der hellenistischen Zeit. Oinanthe, die in einen Tempel geflohen war, wurde dort herausgezerrt, nackt auf ein Pferd gesetzt und im Stadion auf brutalste Weise abgeschlachtet. Der Sensationslust des Volkes kam solch ein Ereignis gerade recht.
In den Wochen der Ermordung des Agathokles kehrte auch Philammon (der Mörder Arsinoës) in die Hauptstadt Ägyptens zurück. Einige Frauen, die früher Freundinnen der umgebrachten Königin gewesen waren, töteten ihn und seine Familie.
Der sechsjährige Ptolemaios stand nun ganz allein dar, was vor allem der Tatsache geschuldet war, dass um ihre Macht besorgte Vorgänger fast alle Familienmitglieder abgeschlachtet hatten. Tlepolemos setzte sich nun an die Staatsspitze und führte die Regierungsgeschäfte ab da an. Der Sohn des Sosibios, Sosibios der Jüngere, durfte anfangs noch an der Macht teilhaben (warum, weiß ich nicht), wurde schließlich aber abgesetzt. Doch auch Tlepolemos war kein sonderlich beliebter Mann, und auch er hatte bald eine Menge Feinde. 201 wurde auch er entmachtet und Aristomenes, ein ehemaliger Anhänger des Agathokles, setzte sich an seine Stelle. Was aus dem abgesetzten Regierungschef wurde, ist unbekannt.
Im den frühen Sommermonaten 202 eröffnete der Seleukide Antiochos III. den fünften Syrischen Krieg und konnte weite Teile Palästinas und Syriens (unter anderem Damaskus) erobern. Ptolemaios, der Stadthalter in Palästina, war von den Machtkämpfen in Alexandria verunsichert und wechselte aus diesem Grund "sicherheitshalber" auf die seleukidische Seite, auf der er auch seine Machtposition behielt. Der ägyptische Feldherr Skopas konnte in einem Gegenschlag fast alle verlorenen Gebiete zurückerobern, musste aber einige Monate später, als ein endgültiger Erfolg ausblieb und die Offiziere Antiochos’ weitere Offensiven starteten, kapitulieren und zog sich zurück. Skopas sollte nun Ägypten selber gegen ein Eindringen der seleukidischen Armee verteidigen. Doch diese plante noch gar keine Invasion, da erst das neu eroberte Gebiet gesichert werden musste. Bedeutende Umbrüche fanden im Zuge des Herrscherwechsels in Palästina und Syrien nicht statt, selbst der Statthalter blieb der gleiche.
Das Königreich Makedonien konnte ebenfalls einige ptolemäische Gebiete im östlichen Mittelmeerraum erobern. Doch die Beschwerde einiger gleichsam eroberter griechischer Städte vor dem römischen Senat lösten den Zweiten Makedonischen Krieg aus, in dessen Folge die meisten der Gebiete wieder an Ägypten zurückkehrten. Aber auch auf die ptolemäische Seite stellten sich die römischen Gesandten nicht endgültig, was wiederum den Seleukiden die Möglichkeit gab, ägyptische Besitzungen in Kleinasien zu erobern. Man sieht also, dass die außenpolitische Lage Ägyptens nicht gerade die beste war.
Und so empfand man auch in Alexandria diese lähmende Situation. Man drängte nach einem wirklichen Herrscher. Es gab zwar keinen besonderen Grund, warum Ptolemaios V. es besser machen sollte als seine Regenten, aber in ihm hatte er eine prestigeträchtige Identifikationsfigur mit bedeutenden Vorfahren, auf den man alle Hoffnungen setzte. Am 3. Dezember 197 wurde Ptolemaios V. deshalb dreizehnjährig offiziell zum Pharao gekrönt. Polykrates von Argos, ein begnadeter und erfolgreicher Offizier, der 203 bis 197 Stratege von Zypern gewesen war, richtete die Anakleteria aus. Darunter verstand man religiös-offizielle Feierlichkeiten, mit denen Ptolemaios für mündig erklärt wurde. Schließlich krönte der Hohepriester des Ptah in Memphis ‚Ptolemaios V. Epiphanes’ am 26. März 196 zum Pharao Ägyptens. Polykrates, ein Sohn des populären Ringkämpfers Mnasiadas, machte in den Folgejahren eine glänzende Karriere am ägyptischen Hof in Alexandria durch.
197 endete auch der Fünfte Syrische Krieg durch einen Friedensschluss mit Antiochos III., dessen Tochter Kleopatra Ptolemaios V. daraufhin heiratete. 196 wurde das Dekret von Memphis verabschiedet, das den Text des Steins von Rosette bildet ([url=
http://de.wikipedia.org/wiki/Stein_von_R...t]Auszüge in Wikipedia[/url]). Vorerst stand Ptolemaios V. noch im Einfluss des Aristomenes, der aber schnell in Ungnade fiel und 192 gezwungen wurde, Gift zu nehmen. An seine Stelle trat Polykrates, dem es gelang, Oberägypten dem Ptolemäerreich wieder einzuverleiben. Wirklich selbstständige Entscheidungen zu treffen, schaffte Ptolemaios V. jedoch bis zu seinem Tod im Jahre 180 nicht.
Der Beiname Epiphanes bedeutet (nach Wikipedia) „der Gott der aufgegangen/erschienen ist, dessen Güte schön ist“, während der Name „Eucharistos“ „der Dankbare“ bedeutet.
(19.01.2013 19:51)Maxdorfer schrieb: [ -> ] (19.01.2013 13:48)Harald1 schrieb: [ -> ]Vielleicht glaubten die damals auch schon an die Genetik zur Begründung der Erbfolge durch den Sohn des verstorbenen Herrschers.
Siehe "Königsheil" im Mittelalter.
Lies mal die Beiträge ab Beitrag 9 in diesem Thread 
Vielleicht verstehst du Spaß wenn du mal älter bist.
(11.01.2013 03:30)Sansavoir schrieb: [ -> ]...
Ein sehr interessanter Punkt ist, dass um 1400 unbeliebte und unfähige Könige wie der englische König Richard II. (1367–1400) oder der deutsche König Wenzel (1361–1419) einfach abgesetzt wurden und durch einen fähigeren Kandidaten ersetzt wurden. In Frankreich stand dagegen die Absetzung des Königs nie auf der Tagesordnung. Dies lag einerseits daran, dass Karl während seiner vier tatsächlichen Herrschaftsjahre sehr beliebt war. Andererseits propagierten viele Gelehrte und Dichter die Unantastbarkeit des gesalbten Königs. Damit wurde die Institution des Königtums propagierend gefördert und gefestigt. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Person des Königs trotz seiner Regierungsunfähigkeit und trotz der bis dahin größten Staatskrise Frankreichs in der Bevölkerung akzeptiert war.
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Nur eine kleine Überlegung dazu:
Ohne jetzt einmal darauf einzugehen, wie unbeliebt bzw. unfähig die beiden Könige Richard II. und Wenzel tatsächlich waren, finde ich aber in beiden Fällen sehr signifikante Unterschiede, wobei auch der Sonderfall des HRR als Wahlkönigtum zu berücksichtigen ist. (Anders als Richard II. war Wenzel nicht nur König des HRR, sondern auch als Wenzel IV. König von Böhmen und gehörte als solcher auch zu den Kurfürsten.) Sowohl Richard II., als auch Wenzel (IV.) gehören übrigens zu jenen Herrschern, die relativ jung an die Macht kamen.
Ob Henry IV. und sein Sohn Henry V. wirklich bessere oder fähigere Könige waren, sei dahin gestellt, Fakt ist, dass sich die beiden ersten "Lancaster"-Könige als "rechtmäßige" Nachfolger von Richard II. durchgesetzt haben. (Und der Umstand, dass ihnen später eine genealogisch freilich etwas fragwürdige "Ahnherrenfunktion" für die Tudor-Dynastie zugestanden wurde, dürfte auch für ihre letztlich positive Wahrnehmung bei späteren Generationen den Ausschlag gegeben haben.)
Im Unterschied zu Henry IV. konnte sich Ruprecht von der Pfalz (obwohl er vermutlich tatsächlich fähiger war) als Nachfolger von Wenzel nur in bestimmten Teilen des HRR durchsetzen. (Von späteren Generationen wurde er auch nur als Gegenkönig wahrgenommen.) Sein Versuch, mit einem Italienfeldzug zur Kaiserwürde zu gelangen, womit er wohl den Kampf gegen Wenzel eindeutig für sich hätte entscheiden können, scheiterte im Wesentlichen daran, dass der damalige Stadtherr von Mailand, den Wenzel (sehr zum Unwillen der Reichsfürsten) zum Herzog von Mailand erhoben hatte, sich diesem gegenüber loyal verhielt.
Wenzel hat seine Absetzung jedenfalls erst nach dem Tod Ruprechts selbst anerkannt, und seine Kurstimme (als König von Böhmen) sollte bei den beiden Wahlen, durch die zunächst sein Cousin Jobst von Mähren und nach dessen überraschenden Tod sein Halbbruder Sigmund (dem die neuere Forschung eine negative Rolle im Zusammenhang mit dem Sturz Wenzels als König des HRR unterstellt) König des HRR wurden, noch wichtig werden.
Als König von Böhmen konnte sich Wenzel IV. übrigens bis zu seinem Tod letztlich behaupten. Mag er tatsächlich gänzlich unfähig oder vielleicht doch nicht so unfähig gewesen sein, zeigt das zumindest, dass er in Böhmen eine relativ starke Position gehabt muss oder im Vergleich mit anderen Konkurrenten doch noch als die bessere Alternative gesehen wurde.
Sansavoir hat´s weiter oben schon mal ganz kurz angedeutet (und sich dann selber widersprochen *grins*): In Frankreich stand die Absetzung eines Königs sehr wohl widerholt auf der Tagesordnung - und zwar m.w. vor allem in der Frühezeit Frenkreichs, als der Machtkampf zwischen frühen Kapetingern/Robertinern und späten Karolingern in voller Entfaltung stand.
Als (in meinen Augen besonders aussagekräftiges) Beispiel:
Noch während der Herrschaft des ersten Robertiners auf dem westfränkisch/französischen Thron, König Odo (888-898), wurde 893 der 13-jährige Karolinger Karl III. ("der Einfältige") von den Rorgoniden (also den Söhnen des Grafen Gauzlin von Maine, welcher z.B. nach dem Tod Lothars II. gegen den Welfen Hugo Abbas ostfränkische Karolinger auf dem westfränkischen Thron sehen wollte), diversen mächtigen Adligen, die von den Karolingern abstammten, und von Erzbischof Fulco von Reims zum Gegenkönig gewählt. Karl III. blieb weiterhin Spielball mächtiger Adelsparteien, er verlor (und gewann) seinen Thron sage und schreibe dreimal - wohl keinem andereren mittelalterlichen Herrscher ist das so oft gelungen (bzw. widerfahren...

Benedikt IX. (vorher Theophylakt III. von Tusculum) (um 1012 / 1021 - um 1055, Grottaferrata) war zwischen 1032 und 1048 gleich dreimal Papst. Eine interessante Parallele zu Karl III..
Übrigens dürfte der "Kinderpapst" auch (mit Einschränkung, tatsächliches Geburtsjahr ist unbekannt) in die Kategorie "jugendlicher" Herrscher fallen.
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Ansonsten fällt mir auf Anhieb noch der ungarische König Matthias Corvinus ein, der allerdings nach seiner Wahl (nach Theuer eine relativ fragwürdige, da angeblich unter Einsatz von Gewalt) relativ rasch selbst die Herrschaft übernommen hat und seine "Vormünder" los geworden.
(11.07.2016 11:38)Teresa C. schrieb: [ -> ]Ansonsten fällt mir auf Anhieb noch der ungarische König Matthias Corvinus ein, der allerdings nach seiner Wahl (nach Theuer eine relativ fragwürdige, da angeblich unter Einsatz von Gewalt) relativ rasch selbst die Herrschaft übernommen hat und seine "Vormünder" los geworden.
Matthias Corvinus blieb ja nichts anderes übrig. Da ging es um "Alles oder Nichts". Nach der Hinrichtung seines älteren Bruders Laszlo Hunyadi musste Matthias handeln, besonders nachdem König Ladislaus Postumus Ende 1457 als Siebzehnjähriger verstorben war.
Ladislaus Posthumus musste sich ebenfalls gegen Verwandte wie Friedrich III. oder die Cilli-Familie behaupten. Nach dem Tod von Hermann von Cilli, dem Erzieher von Ladislaus Postumus, und von Janos Hunyadi, dem Reichsverweser, im Jahr 1456 bestand in Ungarn ein Machtvakuum, das vom minderjährigen König Ladislaus Posthumus genutzt wurde, selbst die Macht in Ungarn und Böhmen zu übernehmen. Der vierundzwanzigjährige Laszlo Hunyadi wurde deswegen als Oberhaupt der Hunyadi-Familie bzw. -"Partei" hingerichtet. Aus diesem Grund wurde Matthias Hunyadi als ca. Vierzehnjähriger Oberhaupt der Hunyadi-Familie.
Nach dem Tod von Ladislaus Postumus musste Matthias schnell handeln. Wichtigster Verbündeter war Georg Podiebrad, der bisherige Statthalter in Böhmen, der sich zum ersten und einzigen utraquistischen König von Böhmen proklamierte. Damit scheiterte vorerst die Habsburger Politik, erst 1526 konnte sie wieder in Böhmen und Ungarn herrschen.
Eine interessante Frage ist deshalb auch, warum 1457/58 die Jagiellonen sich nicht in den Machtkämpfen in Böhmen und Ungarn einmischten. Ein Grund könnte sicher sein, dass Kasimir IV. zu dieser Zeit der einzige Erwachsene dieser Dynastie war und deshalb wohl in Personalunion über Polen-Litauen, Ungarn und Böhmen hätte herrschen müssen, was wohl nicht gewollt oder nicht durchsetzbar war. 1471 war das anders, da konnte sich der fünfzehnjährige Vladislav als neuer König von Böhmen durchsetzen und 1490 folgte er schließlich Matthias in Ungarn.
(12.07.2016 04:55)Sansavoir schrieb: [ -> ]Ladislaus Posthumus musste sich ebenfalls gegen Verwandte wie Friedrich III. oder die Cilli-Familie behaupten. Nach dem Tod von Hermann von Cilli, dem Erzieher von Ladislaus Postumus, und von Janos Hunyadi, dem Reichsverweser, im Jahr 1456 bestand in Ungarn ein Machtvakuum, das vom minderjährigen König Ladislaus Posthumus genutzt wurde, selbst die Macht in Ungarn und Böhmen zu übernehmen. Der vierundzwanzigjährige Laszlo Hunyadi wurde deswegen als Oberhaupt der Hunyadi-Familie bzw. -"Partei" hingerichtet. Aus diesem Grund wurde Matthias Hunyadi als ca. Vierzehnjähriger Oberhaupt der Hunyadi-Familie.
Zunächst eine kleine Korrektur, du dürftest Graf Ulrich II. von Cilli wohl mit seinem Großvater Hermann verwechselt haben.
Ob sich Ladislaus Postumus wirklich gegen den Grafen von Cilli durchsetzen musste, wäre außerdem zu diskutieren. (Bei der negativen Einstufung der Grafen von Cilli und vorallem des Grafen Ulrich kommt noch die Frage hinzu, wie zuverlässig die zeitgenössischen Quellen tatsächlich sind und inwieweit hier ein Friedrich III. und ein Matthias Corvinus (bzw. deren Umfeld) die geschichtliche Deutung vorgegeben haben.)
Eine weitere Schwierigkeit im Fall von Ladislaus Postumus war, dass es gleich um drei Länderkomplexe (das ungarische Königreich, das böhmische Königreich, das Herzogtum Österreich ob und unter der Enns) mit unterschiedlicher Rechtslager ging. (Es ist sicher kein Zufall, dass sein König Albrecht II. (als Herzog von Österreich: Albrecht V.) kurz vor seinem Tod drei verschiedene Testamente diktiert hat, je eines für das damalige Königreich Ungarn, für das damalige Königreich Böhmen und für seinen Teil an den Ländern der Herzöge von Österreich.)
Da Ladislaus letztlich zu jenem Zeitpunkt starb, als er versuchte, selbst die Herrschaft zu übernehmen, kann natürlich nur darüber spekuliert werden, wie es mit ihm und seinen Herrschaftspositionen weitergegangen wäre, wenn er länger gelebt hätte.
In seinen österreichischen Gebieten war seine Herrschaft selbst zu dem Zeitpunkt nie wirklich gefährdet, allerdings hatte er (bzw. seine "Vormünder") seit Jahren immer wieder Auseinandersetzungen mit Kaiser Friedrich III. wegen gewisser Burgen, und hinzu kam nun auch der Kampf um das Erbe der Grafen von Cilli. (Hätte er sich als ihr nächster Blutsverwandter wirklich nur mit ihren "ungarischen" Besitzungen begnügt?)
Wie sich der Machtkampf in Ungarn mit den Hunyadys weiterentwickelt hätte, ist offen, doch lässt das Verhalten von Erszebet Szilagy (Witwe von Janos Hunyady) und ihrem Bruder vermuten, dass dieser Konflikt Ladislaus P. sicher noch länger beschäftigt hätte.
Dass es zwischen ihm und Georg von Podiebrad im Königreich Böhmen in der Folge ebenfalls zum Konflikt gekommen wäre, würde ich nicht ausschließen, vorallem wenn Ladislaus in der Folge versucht hätte, den Reichsverweser aus seiner Machtposition zu verdrängen, um selbst die Herrschaft zu übernehmen. (Dass Georg von Podiebrad sich nach dem Tod des Ladislaus als dessen Nachfolger relativ konfliktlos durchsetzten konnte, lässt darauf schließen, dass er zu dieser Zeit im Königreich Böhmen eine sehr starke Machtposition gehabt hatte, die er sich wohl als Reichsverweser aufbauen konnte.)
Dass Ladislaus Postumus immerhin den Tod von Ulrich von Cilli überlebt hat und Belgrad (Machtbereich der Hunyadys) letztlich wieder verlassen könnte, lässt allerdings die Vermutung zu, dass er sich zumindest auf das (politische) "Überleben" verstanden hat.
Sein Tod dürfte ihm jedenfalls ein "gutes" Image beschafft haben.
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(12.07.2016 04:55)Sansavoir schrieb: [ -> ]Nach dem Tod von Ladislaus Postumus musste Matthias schnell handeln. Wichtigster Verbündeter war Georg Podiebrad, der bisherige Statthalter in Böhmen, der sich zum ersten und einzigen utraquistischen König von Böhmen proklamierte. Damit scheiterte vorerst die Habsburger Politik, erst 1526 konnte sie wieder in Böhmen und Ungarn herrschen.
Als Gefangener befand sich Matthias erst einmal in einer Position, in der er nach dem Tod von Ladislaus Postumus gar nicht selbst handlungsfähig war. Für mich ist daher auch keineswegs so klar, ob sich ein Georg von Podiebrad (sein späterer Schwiegervater) mit ihm so rasch verbündet hätte, wenn er nicht als ungarischer König zu Ladislaus' Nachfolger gemacht worden wäre.
Hinter seiner Wahl von Matthias Corvinus steckten jedenfalls in erster Linie seine Mutter und sein Onkel, vermutlich noch andere Anhänger. Inwieweit diese Wahl tatsächlich "demokratisch" zustande gekommen ist, ist nach der Quellen- und Literaturlage unklar. (Zumindest Franz Theuer, Der Raub der Stephanskrone, 1994, vertritt die Ansicht, dass sein Onkel durch den Einsatz von Truppen die mit der Wahl betreuten ungarischen Adeligen dazu gezwungen haben soll, seinen Neffen zum König zu wählen, weil er auf diese Weise selbst die Macht übernehmen wollte.)
Fakt ist jedenfalls, dass Matthias Corvinus relativ rasch die Herrschaftsausübung selbst übernahm und sich in der Folge als ungarischer König de facto behauptete und schließlich auch offiziell anerkannt wurde. (Wie aber z. B. der Vertrag von Ödenburg / Wiener Neustadt zeigt, war er auch gezwungen, für seine Anerkennung Kompromisse einzugehen.)
Inwieweit seine Rolle als "Heldenkönig" tatsächlich zutrifft (oder war sie doch erst eine nationale "Erfindung" des 19. Jahrhunderts), bleibt offen, ebenso seine doch eher positive Beurteilung.
Da Matthias Corvinus Ladislaus Postumus letztlich "beerbt" hat, stellt sich die Frage, ob die Tötungen von Ulrich von Cilli und Ladislaus Hunyady nicht in Wirklichkeit bereits Teil eines Machtkampfes der Familie Hunyady waren, um die ungarische Krone selbst zu übernehmen? Worauf aber hätten die Hunyadys (nach offizieller Geschichtsschreibung ist die Familie erst mit dem Großvater von Matthias Corvinus nachgewiesen, der wiederum ein unbedeutender Adeliger aus dem damaligen Fürstentum Wallachei war) einen Thronanspruch begründen können?
Gab es im 15. Jahrhundert noch einige Aspekte von (rechtmäßiger) Herrschaft (in damaligen Osteuropa) oder vielleicht sogar im damaligen Europa, die von der Forschung bisher übersehen wurden und bei Matthias Corvinus (und auch Georg von Podiebrad) zum Tragen gekommen sind?
(12.07.2016 04:55)Sansavoir schrieb: [ -> ]Eine interessante Frage ist deshalb auch, warum 1457/58 die Jagiellonen sich nicht in den Machtkämpfen in Böhmen und Ungarn einmischten. Ein Grund könnte sicher sein, dass Kasimir IV. zu dieser Zeit der einzige Erwachsene dieser Dynastie war und deshalb wohl in Personalunion über Polen-Litauen, Ungarn und Böhmen hätte herrschen müssen, was wohl nicht gewollt oder nicht durchsetzbar war. 1471 war das anders, da konnte sich der fünfzehnjährige Vladislav als neuer König von Böhmen durchsetzen und 1490 folgte er schließlich Matthias in Ungarn.
Die Frage stellt sich auch deswegen, da Kasimir IV. mögliche Ansprüche auf die ungarische Krone ausgebaut haben dürfte, als er 1454 Elisabeth von Österreich (1437-1505), eine der beiden älteren Schwestern von Ladislaus Postumus, heiratete. (Die andere Schwester Anna von Österreich (1432-1462) war seit 1446 Herzog Wilhelm III. von Sachsen verheiratet. Aus der Ehe gab es keine Nachkommen.)
Während in den Ländern der Herzöge von Österreich (wie auch bei anderen Dynastien des HRRs) das Erbrecht strikt patriarchalisch geregelt war (hätte es keinen Ladislaus Postumus gegeben bzw. hätte Elisabeth von Luxemburg 1440 eine Tochter zur Welt gebracht, wäre bereits 1440 das Herzogtum Österreich ob und unter der Enns der leopoldinischen Linie der Habsburger zugefallen), waren im ungarischen Königreich und im böhmischen Königreich (und auch im polnischen Königreich) Frauen erbberechtigt (bzw. ihre Ehemänner / Kinder), zumindest hatte es diesbezüglich im 14. und 15. Jahrhundert genug Präzedenzfälle gegeben.
Nach Wikipedia soll Kasimir sich als Kandidat für die Nachfolge von Ladislaus als böhmischer König schon 1457 ins Spiel gebracht haben. Vielleicht dürfte sein Anspruch aber dadurch eine Schwächung erfahren haben, als Wilhelm III. von Sachsen zu dieser Zeit als Ehemann der älteren Schwester seiner Frau doch den besseren Anspruch hatte. (Überraschend ist auch, dass Friedrich III., so scheint es jedenfalls, selbst keine Ansprüche auf Böhmen erhob, sondern Georg von Podiebrad nach seiner Wahl zum König relativ rasch anerkannte. Eine Wahl zum ungarischen König, zu der es in der Folge auch kam, hat er jedenfalls nicht abgelehnt, auch wenn es diesbezüglich 1463 zu einer Einigung mit Matthias Corvinus gekommen ist.)
Ein anderer Grund könnte vielleicht gewesen sein, dass das Königreich Polen-Litauen vielleicht zu diesem Zeitpunkt in andere Konflikte verwickelt war, denen Kasimir Priorität eingeräumt haben könnte.
Auf Wikipedia findet sich z. B. ein Hinweis auf den "Dreizehnjährigen Krieg" (1453-1466) zwischen dem Preußischen Bund und dem Deutschen Orden, in den das Königreich Polen-Litauen verwickelt war. Er endete mit dem "Zweiten Frieden von Thorn" zugunsten des Bundes, worauf der Deutsche Orden einen Teil seines damaligen Herrschaftsgebietes an Polen-Litauen abtreten musste. Diese Auseinandersetzung könnte vielleicht ein Grund dafür gewesen, dass sich Kasimir nicht besonders um die böhmische und die ungarische Krone bemüht hat.
Ich denke, dass Du den richtigen Ansatz gefunden hast und der "Dreizehnjährige Krieg" tatsächlich der Grund war, warum sich Kasimir IV. 1457/58 aus den Ereignissen in Böhmen und Ungarn heraushielt.
Eine andere Frage: Was mag der Grund gewesen sein, dass die Familie Hunyadi so schnell aufstieg.
Warum gibt es unterschiedliche Angaben zum Geburtsjahr von Johann Hunyadi (1387 und 1407, weniger 1409). Gab es zwei Söhne namens Johann und man weiß nicht, wer von den beiden der spätere Reichsverweser war. Und welche Rolle spielt Sigismund von Luxemburg? War er (nur) ein Pate? Welche Gründe gab es, den unbedeutenden Adligen Vojk Corbu zu fördern?
Die Hunyadi waren vermutlich rumänischer Herkunft. Das erste nachweisbare Mitglied der Familie führte den Namen Serbe, auch Serb, Serban oder Sorb geannt, liess sich in Hunyad in Siebenbürgen nieder, welches der Familie auch den Namen gab. Serbes Sohn Vojk, auch Voyk oder Vaijk, rumänisch Voicu, ungarisch Vajk, nahm den Name Lázló an. Er wurde 1409 geadelt und mit der Burg Hunedoara belehnt, welche zum Stammsitz der Familie wurde. Wieso er geadelt wurde, ist mir nicht bekannt - gerüchteweise soll es sich bei ihm um einen ausserehelichen Sohn von Sigismund gehandelt haben.
Der Aufstieg des Hauses dürfte in der Person von Johann, dem Sohn von Vojk, selbst zu suchen sein. Dieser hatte als Condottiere (ähnlich wie die Sforza von Mailand, die auch als Condottieri in den Adelsstand aufgestiegen waren) Karriere gemacht und die Osmanen in verschiedenen Schlachten besiegt (Smederevo, Hermannstadt, Donauklamm, Snaim), allerdings unterlag er ihnen bei Warna und auf dem Amselfeld (Kosovo). Aufgrund seiner militärischen Erfolge erhielt er zahlreiche Lehen, er war Statthalter von Belgrad, Woiwode von Transsylvanien (Siebenbürgen), Ban von Szörény, Graf von Temes, Graf von Csanád, Csongrád, Székelyföld, Arad, Bihar, Szatmár, Kraszna, Bereg, Szabolcs, Közép-Szolnok, Máramaros und Ugocsa.
Johann hatte tatsächlich einen Bruder, der ebenfalls Johann (János) hiess, Ban von Szörény war und bereits 1442 verstarb. Ansonsten ist von diesem Bruder wenig bekannt, wie auch von den übrigen Geschwister Johanns. So hatte er eine Schwester Maria, welche mit dem Ban der Walachei, Manzilla Argyesi, und eine Schwester, Klara, die mit einem Pongrácz von Dengeleg verheiratet war. Zwei weitere Schwestern sind namentlich unbekannt geblieben, die eine war mit einem János Székely von Kövend / János Székely von Szentgyörgy verheiratet, die andere hatte den Fürsten Petru II von Moldawien geheiratet (und damit ins hochadlige Geschlecht der Mushati eingeheiratet). Daneben hatte Johann noch einen Bruder, Vojk, von dem allerdings kaum etwas bekannt ist.
In dem Unterhaltungsroman "Das dunkle Herz der Welt" verwendet die Autorin Liliana Le Hingrat übrigens das Motiv, dass Janos Hunyadys Vater in Wirklichkeit König / Kaiser Sigmund war. Ihr Janos Hunyady erfährt davon durch König Jagiello und ist letztlich selbst davon überzeugt, was sie dramaturgisch geschickt als eine Motivation für sein Handeln nützt. Die Frage, ob Sigmund tatsächlich der Vater ist oder Janos das nur glaubt, lässt die Autorin allerdings in ihrem Roman unbeantwortet. Das Verhalten von Sigmund im Roman selbst ist undurchsichtig, jedenfalls verweigert er Janos die Anerkennung, versucht allerdings immer wieder diesen mit Aussicht darauf für seine Pläne zu manipulieren.
Im Nachwort hat die Autorin allerdings erklärt, dass es offensichtlich in Rumänien durchaus Versionen gibt, die Janos Hunyady zu einem unehelichen Sohn eines früheren ungarischen Herrschers machen.
Die Abstammung von einem früheren ungarischen König wäre natürlich eine einleuchtende Erklärung für den doch relativ ungewöhnlichen Aufstieg von Matthias Corvinus. Andererseits wären Familie Hunyady nicht die erste "Aufsteigerfamilie" gewesen, die sich so eine Art Legitimation zu verschaffen versuchte oder diese von späteren Anhängern erhielt.
Da haben wir z. B. die norwegischen Könige Sverre Sigurdsson (um 1151-1202) und Håkon IV. Håkonsson (1204-1263). (Zumindest König Sverre dürfte nach dem Stand der neueren Forschung keineswegs ein unehelicher Sohn von König Sigurd Munn gewesen sein.) In dem 1864 uraufgeführten Drama "Die Kronprätendenten" / "Kongs-Emnerne" von Hendrik Ibsen finde ich es recht interessant, dass Ibsen die Frage, ob Hakon tatsächlich der Sohn von Håkon Sverreson ist, letztlich trotz der bestandenen Feuerprobe seiner Mutter offen gelassen hat. Entscheidend ist im Stück, dass Håkon davon selbst überzeugt ist.
Der Aufstieg von Francesco Sforza (1401-1466) zum Herzog von Mailand zeigt zumindest, was im 15. Jahrhundert unter bestimmten Voraussetzungen möglich war. Offensichtlich gab es damals zumindest zwei wichtige Möglichkeiten zum Aufstieg, eine kirchliche Laufbahn oder eben eine Karriere als erfolgreicher Heerführer, wobei Francesco Sforza sicher der erfolgreichste Condottiere in dieser Hinsicht war. Von Vorteil war für ihn neben seinen militärischen Erfolgen, dass Filippo Maria Visconti keine legitimen Nachkommen hinterließ, sodass sich für Sforza als Ehemann von dessen natürlicher Tochter Bianca Maria nach dem Tod seines Schwiegervaters eine Möglichkeit ergab, sich als Nachfolger einzubringen, was ihm letztlich auch erfolgreich gelang. Allerdings war das ungarische Königreich ein wesentlich größeres und komplexeres Gebiet als das Herzogtum Mailand.
Aguyar - herzlichen Dank für Deine ausführliche Beschreibung der Familienverhältnisse bei Janos Hunyady, über die ich selbst nichts gewusst habe.
Das erinnert mich ein wenig an die Grafen von Cilli, die zwar erst 1435 zu Reichsgrafen erhoben wurden (womit der spätere Kaiser Friedrich III. absolut nicht einverstanden war), aber zumindest außerhalb des HRRs bereits vor der Heirat von König Sigmund von Ungarn mit Barbara von Cilli eine recht einflussreiche Familie gewesen sein dürften, wie z. B. Beziehung zum polnischen Könighaus im 13. Jahrhundert zeigen. (Dass die Grafen von Cilli gewöhnlich als reine Aufsteigerfamilie von Sigmunds Gnaden dargestellt werden, könnte damit zusammenhängen, dass für die deutschsprachigen Historiker die "europäische" Geschichte des Mittelalters gewöhnlich vor den "Grenzen" des HRRs endet.)
Mit Blick auf die Grafen von Cilli stellt sich für mich schon die Frage, ob vielleicht der Aufstieg der Hunyadys ähnliche Voraussetzungen hatte, zudem über die Lage im damaligen Rumänien eigentlich wenig bekannt ist.
Daneben könnte vielleicht die Karriere des Georg von Podiebrad einige Hinweise geben. Immerhin zeigt sein Werdegang gewisse Parallelen zu Janos Hunyady, wenn gleich ihm die Überlieferungen charakterlich ein ganz anderes Charakterprofil hat.
Erstmal vielen Dank für Eure Auskünfte. Ich denke, dass der Aufstieg vieler Familien im 15. Jh. doch mit Förderung durch Kaiser Sigismund zusammenhängt. Die Förderung von ihm nahestehenden Menschen war für Sigismund eine Notwendigkeit, da die Luxemburger Dynastie ihm spätestens seit 1411 kein (fähiges) Personal bereit stellte. Nutznießer dieser Personalpolitik war z.B. der Habsburger Albrecht V., der als Nachfolger aufgebaut wurde und schließlich als Schwiegersohn zum engen Familienkreis Sigismunds gehörte. 1437/38 vollzog sich der Dynastiewechsel relativ problemlos, erst der frühe Tod des nunmehrigen Königs Albrecht II. im Jahr 1439 war eine politische Zäsur. Sigismunds Freunde und Kampfgefährten profitierten ebenso von dieser Politik, so Friedrich VI., Burggraf von Nürnberg und Markgraf von Ansbach und Kulmbach, der 1415 zum Kurfürsten von Brandenburg aufstieg oder Friedrich der Streitbare, der 1423 zum Kurfürsten von Sachsen aufstieg.
Der Aufstieg der Grafen von Cilli ist sicher Sigismunds zweiter Ehe mit Barbara von Cilli geschuldet. Umgedreht brauchte Sigismund auch Verbündete, in diesem Fall wechselten wohl die in Kärnten, Slowenien und Ungarn begüterten Grafen vom Lager der (leopoldinischen Linie der) Habsburger ins Lager der Luxemburger.
Ähnlich verhielt es sich mit deren Konkurrenten, die Hunyadis. Offensichtlich hat es zwei Brüder namens Johann (Janos) gegeben, daher die stark abweichenden Geburtsjahre. Der Ältere ist dann wohl 1387 geboren und starb 1442 als Ban von Szöreny (das wusste ich bisher nicht) und der Jüngere, also der Reichsverweser wurde 1407/09 geboren und verstarb 1456. Ob nun einer von beiden der Sohn von Sigismund war, kann nur Spekulation bleiben.
Ein weiteres Herrschaftsinstrument Sigismunds, seine Interessen auf den Balkan bzw. gegen die Türken zu verteidigen, war z.B. der Drachenorden. Vlad II. Dracul, zeitweise Woiwode der Walachei, erhielt seinen Beinamen aufgrund seiner Mitgliedschaft im Drachenorden. Während der Reichstage von 1430 und 1431 soll er zur Leibgarde Sigismunds gehört haben. Sollte Vlad tatsächlich seine Ehefrau nach Nürnberg geholt haben, ist es durchaus möglich, dass sein zweiter Sohn Vlad III. Draculea (Vlad Tepes) in Nürnberg geboren wurde.
Zwar nicht mehr ganz so jugendlich, doch diese schillernde Gestalt ist beeindruckend.
Agathokles von Syrakus
Ab 316 v. Chr. herrschte er als König und wahrer Tyrann in Syrakus. Ein Aufstieg begann als Offizier; doch bald wandte er sich der Politik zu. Er war ein Anhänger der Demokratie. Nach seiner Wahl als Feldherr gewann er nach einem Staatsstreich, den er angezettelt hatte, die Macht. Die Demokratie blieb vorerst, doch somit war seine Tyrannerei noch offensichtlicher.
Sein Amtstitel war "Feldherr des Friedens" und somit hatte er uneingeschränkt die Rechtsgrundlage für die Tyrannenherrschaft.
Als Feldherr zog er mit seinen Truppen nach Karthago, doch dieser Krieg gegen die Karthager zog sich lange Zeit dahin und war aus sehr verlustreich. Der Grund gegen die Karthager Krieg zu führen, war dass die aus Syrakus geflohenen Oligarchen in eine bedrohliche Lage geraten waren. Daher sah sich ihr Anführer Deinokrates gezwungen, Karthago um Hilfe zu bitten. Erst jetzt erkannten die Karthager das Ausmaß der Gefahr; sie stellten Hamilkar, den bedeutesten Staatsmann Karthagos und Vater von Hannibal, wegen seiner Versäumnisse unter Anklage und begannen den Krieg.
Agathokles brachte fast den ganzen griechischen Teil Siziliens und Teile Kalabriens in seine Gewalt. Nach dem Friedensschluss mit den Karthagern nahm er den Königstitel an. Seinem Ziel der Herrschaft über die ganze Magna Graecia kam er zeitweilig nahe, doch scheiterte sein Versuch einer Gründung der Dynastie durch Zwist in seiner Familie. Der Rat der Sechshundert waren seine erbitterten Gegner, und es dauerte rd. 3 Jahre, um diese Feinde auszuschalten. Dabei entwickelte sich seinen Hass auf die nichtgriechische Sikeler, die Nord und Ost Siziliens bewohnten.
Seine Tyrannerei kam besonders zum Ausdruck, das er 316/315 v. Chr. es wagte, führende Obligarchen zu beschuldigen, sie hätten einen Anschlag gegen ihn geplant. Kurzerhand lies er sie festnehmen, auch Gegner wurden umgehend getötet.
Es begann ein allgemeines Gemetzel in der Stadt. Die Trompeter bliesen zum Kampf auf. Viele von den Vornehmen und ihre Parteigänger fielen zum Opfer. Ihre Häuser wurden geplündert. Angeblich wurden mehr als 4000 Menschen erschlagen. Mehr als 6000 sollen aus der Stadt entkommen sein, obwohl die Tore verriegelt wurden. Wie ihnen das gelang, ist bis heute ungeklärt. Es heißt, das sie großteils nach Agrigent flohen. Der Nachteil aber war, das sie nun einen Verlust ihres Besitzes waren und somit waren sie in finanzieller Hinsicht der künftigen feindlichen Aktivitäten beraubt.
Nachdem rief Agathokles eine Volksversammlung ein, wo er den Rücktritt von seinem Amt bekannt gab, seine Anhänger forderten aber, er solle die Staatsleitung übernehmen. Er lenkte ein und erklärte, wieder ein Feldherr zu werden, fügte aber gleichzeitig hinzu, nur als alleiniger Feldherr mit unbeschränkter Vollmacht zu sein und Schuldenerlass und Landesverteilung in Aussicht stellte.
Dem wurde vom Volk zugestimmt.
Noch hinzuzufügen ist, das er mehrere Kriege durchgeführt hatte. Letztendlich besiegte er die Obligarchen.
Nach Friedensschluss gelang es Agathokles alle verfügbaren Kräfte für den Kampf gegen die Anhänger der Oligarchie einzusetzen.
Die letzte Entscheidungsschlacht fand bei Torgion, einem nicht identifizierten Ort in Zentralsizilien statt. Agathokles soll nur noch über knapp 5000 Fußsoldaten und etwa 800 Reiter verfügt haben, während sein oligarchischer Gegenspieler Deinokrates haushoch überlegen war. Deinokrates verfügte 25.000 Infanteristen und 3000 Mann Kavallerie. Agathokles siegte trotzdem, da ein Teil der feindlichen Streitmacht während der Schlacht zu ihm übergelaufen war. Angeblich ordnete er nach seinem Sieg die Ermordung von Tausenden von Gefangenen an. Deinokrates hingegen wurde nicht nur verschont, sondern Agathokles versöhnte sich sogar mit ihm und machte ihn zu einem seiner Unterfeldherren. In der Folgezeit konnte Agathokles ganz Sizilien mit Ausnahme des karthagischen Westens und der Stadt Agrigent unterwerfen. Von da an bis zu seinem Tod blieb seine Herrschaft in Sizilien unangefochten.
Nach diesen Ereignissen ließ er sich 305 oder 304 (?) zum König krönen nach Vorbild der Diadochen. Er richtete keinen Königshof mit Hofämtern ein und trug auch kein Diadem als Zeichen der Königswürde, sondern nur einen Kranz. Somit verzichtete er auf wesentliche Elemente der monarchischen Selbstdarstellung.
Ob Agathokles einer Krankheit zum Opfer fiel oder, wie die ihm feindliche Tradition überliefert, auf Veranlassung des Archagathos vergiftet wurde, ist nicht geklärt; aber bald darauf wurde Archagathos ermordet.
Nach dem Tod des Königs konfiszierten die Syrakuser sein Vermögen und beseitigten seine Statuen; die von ihm unterworfenen Städte machten sich unabhängig.
(14.08.2016 08:54)Sansavoir schrieb: [ -> ]Ähnlich verhielt es sich mit deren Konkurrenten, die Hunyadis. Offensichtlich hat es zwei Brüder namens Johann (Janos) gegeben, daher die stark abweichenden Geburtsjahre. Der Ältere ist dann wohl 1387 geboren und starb 1442 als Ban von Szöreny (das wusste ich bisher nicht) und der Jüngere, also der Reichsverweser wurde 1407/09 geboren und verstarb 1456. Ob nun einer von beiden der Sohn von Sigismund war, kann nur Spekulation bleiben.
Die Spekulation über die Vaterschaft von Sigismund bezieht sich allerdings nicht auf Johann sondern auf dessen Vater Vojk (der passendweise auch von Sigismund geadelt wurde).
Für die Genealogie mittelalterlicher Adelsgeschlechter ist folgende Seite recht hilfreich, insbesondere auch deshalb, weil oft zeitgenössische Quellen vermerkt sind. Die Hunyadi findest Du ebenfalls hier.
http://fmg.ac/Projects/MedLands/HUNGARY....c396819741