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Normale Version: Rekrutierung in Gefangenenlagern
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Noch im 18. Jahrhundert war es gang und gebe, dass Kriegsgefangene gleich wieder in den eigenen Rock gesteckt wurden. Bekannt ist, wie Friedrich der Große mit der sächsischen Armee verfuhr, die prompt größtenteils desertierte.

Ebenfalls bekannt ist, dass viele ehemalige SS- und Wehrmachtsangehörige bei der Fremdenlegion landeten. Aber ich erinnere mich an einen Opa, mit dem ich nach einer Mandel-OP vor Jahrzehnten mal zusammenlag. Der erzählte viele Döntjes aus dem Krieg, er wurde schon auf Sizilien geschnappt. Deshalb war er später im Lager ein sogenannter "Ober-POW". Und da kam doch tatsächlich die polnische Heimatarmee, also die von England unterstützten Kreise, ins Camp und rekrutierte unter den Leuten aus Ostpreussen und Oberschlesien. Zitat des Opas: Ein paar Doofe finden sich immer...

Gibt es bekannte ähnliche Fälle, ich meine jetzt nicht die Fremdenlegion.
Hmmm
1647 war die Stadt Tübingen und das Schloss Hohentübingen von bayerischen Truppen besetzt.
Sie wurden von der franz. Armee belagert.
Schließlich wurde auf freien Abzug "accordiert" mit der Einschränkung dass alle die zuvor bei den Franzosen oder Schweden gedient hätten, in die franz. Armee eingegliedert würden.

Es waren fast die Hälfte.
Ein Freund meines Vaters, gebürtiger Elsässer, bekam im September 1939 den franz. Stellungsbefehl. Zugestellt von der Deutschen Reichspost!
Den er großzügig ignorierte.

Im Juni 1945 verhaftet, Festungshaft!
Der Sohn zdZ 17 wurde umgehend zum franz. Militär eingezogen.

In der franz. Besatzungszone keineswegs Einzelfälle. das franz. und das deutsche Staatsbürgerrecht waren damals konträr. So war so mancher Deutsche für die Franzosen ein Franzose und umgekehrt.
Das triffft Deine Frage auch nicht so ganz:

Die USA haben 1941-1945 Deutsche und Italienische Staatsangehörige (bei den Japanern habe ich keine Kenntnisse) umstandslos eingezogen.
Sie konnten lediglich verlangen, dass sie nicht gegen ihre Landsleute eingesetzt wurden.
(30.07.2022 19:02)Suebe schrieb: [ -> ]Das triffft Deine Frage auch nicht so ganz:

Die USA haben 1941-1945 Deutsche und Italienische Staatsangehörige (bei den Japanern habe ich keine Kenntnisse) umstandslos eingezogen.
Sie konnten lediglich verlangen, dass sie nicht gegen ihre Landsleute eingesetzt wurden.

Jetzt musst du, glaube ich, zwischen Staatsangehörigkeit und ethnischer Herkunft unterscheiden. Kann mir nicht vorstellen, dass man mit deutschem Pass bei der Army landete, eher im Internierungslager. Deutsch- oder Italo-Amerikaner gab (und gibt) es dagegen millionenfach, also Briefmarke auf die Stirn, ab in die Bekleidungs- und Waffenkammer und dann nach Europa...
Mit 6 Monaten Aufenthalt in den USA wurde bereits das "Recht" und die Pflicht zum Wehrdienst erworben.
In etwas neuerer Zeit sind welche in Korea und Vietnam gelandet, die da eigentlich nicht hin wollten.
(auch mein Neffe ist gerade noch so dran vorbeigeschrammt, Ende des Engagements der USA in Vietnam)
Zu den Italienern WKII habe ich Nachweise, zu den Deutschen folgt nach, wenn wieder gefunden....
Etwas vorab aus Wiki
"Alle männlichen Einwohner zwischen 18 und 25 Jahren mussten sich bei der Wehrerfassungsbehörde registrieren („Selective Service System“), auch Ausländer. Zu Kriegszeiten durften einberufene Ausländer zwar den Dienst verweigern, verloren dadurch aber die Möglichkeit einer Einbürgerung auf Lebenszeit"
Die russische Rekrutierung bei befreiten russischen und auch polnischen Kriegsgefangenen dürfte bekannt sein.

Außerdem sind mir Hinweise bekannt, dass auch deutsche zu den "Seydlitz-Truppen" rekrutiert wurden, die zumindest an der Oder und danach in deutschen Uniformen auch zu Kampfeinsätzen verwendet wurden.
Quelle: le Tessier "Durchbruch an der Oder"
(02.08.2022 17:04)Suebe schrieb: [ -> ]Die russische Rekrutierung bei befreiten russischen und auch polnischen Kriegsgefangenen dürfte bekannt sein.

Außerdem sind mir Hinweise bekannt, dass auch deutsche zu den "Seydlitz-Truppen" rekrutiert wurden, die zumindest an der Oder und danach in deutschen Uniformen auch zu Kampfeinsätzen verwendet wurden.
Quelle: le Tessier "Durchbruch an der Oder"

Die "Seydlitz-Truppen" waren im Grunde ein Riesen-Fake, auf den die deutsche Führung sogar hereinfiel.
Ich habe mir heute nacht nochmals den Tessier reingezogen.
Der bezieht sich ja weitgehend auf Augenzeugenberichte.
Mindestens 20 Berichte über "Seydlitz-Truppen" sind drin. Mehrere über Kampfeinsätze.
Die Masse allerdings so zB "Kradfahrer in Wehrmachtsuniform" der deutschen Truppen zuruft: "Befehl von General Weidling, 9. Jägerdivision sammelt in xxxx (weit westlich Berlin)
Hitler soll die Absicht gehabt haben Weidling dafür zu erschießen. Weidling, nachdem er dies erfuhr, ist wutentbrannt zu Hitler um sich zu rechtfertigen. Dass nichts daran war.
Hitler hat dies akzeptiert und Weidling dann gleich zum Komandanten von Berlin ernannt.

Alles Tessier folgend.
Da ist wohl auch Tessier auf einen Mythos hereingefallen...
https://de.rbth.com/geschichte/80066-sey...-deutschen
(08.08.2022 23:15)Arkona schrieb: [ -> ]Da ist wohl auch Tessier auf einen Mythos hereingefallen...
https://de.rbth.com/geschichte/80066-sey...-deutschen

Eigentlich hieß es auch nicht Truppen, sondern einzelne Offiziere oder Soldaten waren es gewesen.
Meinst du vielleicht die Dienstgruppen?
Insbesondere in der Britischen Zone wurden die bei der Kapitulation noch kpl. Wehrmachtsverbände "zusammengehalten" da die Briten von einem "umgehenden" neuen Krieg gegen Stalin ausgingen, für den deutsche Truppen Verwendung finden sollten.
Etwas später gab es in allen 3 westl. Besatzungszonen "Dienstgruppen" deren Verwendung in "neuen" deutschen Streitkräften unter unterschiedlichen Vorzeichen angedacht war.
Was zB in der Marine über die Minensuchverbände dann auch teilweise geschah.
Die "Dienstgruppen" wurden von den West-Alliierten nicht zuletzt deshalb eingerichtet, um den offensichtlichen Bruch der Genfer-Konvention zu bemänteln.
Regelung darin:
Bei Kriegsende können die dann noch in Freiheit befindlichen Soldaten ohne weiter behelligt zu werden, nach Hause gehen.
Zur Umgehung wurde der Begriff der "entwaffneten feindlichen Truppen" erfunden.
Daraus haben sich dann die "Alliierten Dienstgruppen" entwickelt.
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