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Normale Version: Aha-Theorie oder langsamer gärtnerischer Übergang
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Der Begriff "Neolithische Revolution" suggeriert eine plötzliche Erkenntnis und einen daraus folgenden umfassenden Wandel der Lebensgewohnheiten. An dieser Schnittstelle beginnt die Jungsteinzeit, auch in diesem Forum.
Für Nahost, ausstrahlend nach Europa definierte man ein "neolithisches Paket", bestehend aus geschliffenen Steinwerkzeugen, Ackerbau und Viehzucht, Seßhaftem Wohnen und Keramik. Im Zentrum Nahost wurden diese 4 Merkmale nicht unbedingt gleichzeitig entwickelt. In Europa aber meist als Komplettpaket mitgebracht oder übernommen.
In anderen Weltgegenden als Europa kann der Übergang zum Ackerbau viel langsamer und wenig revolutionär erfolgt sein.
Im sumpfigen Hochland von Kuk in Neuguinea findet man Reste von Tarogärten, die min. 7000 Jahre alt sind, wahrscheinlich sogar 10000 Jahre, also ungefähr zeitgleich mit Nahost. Um den Wasserhaushalt zu regulieren, wurden Entwässerungskanäle angelegt und Zäune zum Schutz vor Wildtieren. http://de.wikipedia.org/wiki/Historische...ft_von_Kuk

Taro und andere tropische Pflanzen gehörten wahrscheinlich neben Meeresfrüchten und Jagdwild zum Speiseplan seit Jahrzehntausenden. In tropischen Breiten kann es ja die eiszeitbedingte Verengung auf Grosswild nicht gegeben haben. Wenn man bestimmte Pflanzen bevorzugt, fördert man durch gärtnerische Maßnahmen ihren Wuchs und wird darin durch Erfahrung immer erfolgreicher.

Deshalb frage ich mich, wo die sogenannte Ahatheorie, also die plötzliche Erkenntnis von Jägern und Sammlern, dass sich Pflanzen kultivieren lassen, überhaupt stattgefunden hat.
(01.07.2012 12:48)Renegat schrieb: [ -> ]Der Begriff "Neolithische Revolution" suggeriert eine plötzliche Erkenntnis und einen daraus folgenden umfassenden Wandel der Lebensgewohnheiten. An dieser Schnittstelle beginnt die Jungsteinzeit, auch in diesem Forum.
Eben weil der Begriff der Revolution unterstellen könnte, dass es ein plötzliches, rapides Ereignis war, welches zu diesem Wandel der Lebensgewohnheiten geführt hat, wird in der modernen Wissenschaft auch vermehrt von einem evolutionären Vorgang gesprochen.
Wenn man jedoch die gesamte Steinzeit heranzieht, welche man mit weit mehr als 2 Mio. Jahren ansetzten muss, dann ist der Zeitraum von 5-10 Tausend Jahren, in dem der neolithische Wandel stattgefunden hat, natürlich sehr kurz. Von daher wäre der Begriff der Revolution wieder sinnvoll.
Es kommt immer auf die Betrachtungsweise und den Standpunkt an.
Zitat:Deshalb frage ich mich, wo die sogenannte Ahatheorie, also die plötzliche Erkenntnis von Jägern und Sammlern, dass sich Pflanzen kultivieren lassen, überhaupt stattgefunden hat.
Wie meinst du das jetzt?
Es gibt weltweit verschiedene geographische Ursprungszentren, die z.T. auch zeitlich unterschiedlich anzusetzen sind, in denen begonnen wurde verschiedene Tiere und Pflanzen zu domestizieren oder bestimmte Pflanzen zu kultivieren.

Den AHA-Effekt gab es nach meinem Dafürhalten nicht nur einmal. Zumal ich denke, dass ihm eine lange Zeit vorraus ging, in der mehr oder weniger zufällig "experimentiert" wurde. Manchmal mit Erfolg.
In der Zeit, welche wir jetzt als neolithische Revolution/Evolution bezeichnen, haben sich diese "Erfolge" gehäuft und konzentriert, und es konnte begonnen werden die ganze Sache etwas systematischer anzugehen. Was passieren kann, wenn Menschen systematisch vorgehen, kennen wir zur Genüge. Im Positiven wie im Negativen.

Die Menschen waren damals genau so intelligent und neugierig wie unsereins. Es war dann nur eine Frage der Zeit bis es gelungen war von den Ernten der angebauten Pflanzen und den gehaltenen Tieren zu leben.
(01.07.2012 12:48)Renegat schrieb: [ -> ]Deshalb frage ich mich, wo die sogenannte Ahatheorie, also die plötzliche Erkenntnis von Jägern und Sammlern, dass sich Pflanzen kultivieren lassen, überhaupt stattgefunden hat.

Der Begriff "Aha-Theorie" ist mir nicht bekannt.

Die Kultivierung von Pflanzen und die Erkenntnis, dass man aus Samen neue Pflanzen ziehen kann, hat sich unabhängig voneinander an verschiedenen Stellen der Welt entwickelt: sei es im vorderasiatischen Zagrosgebirge, in China oder in Südamerika. Die frühesten vorderasiatischen Funde von gezüchtetem Emmer, Einkorn und Weizen datieren aus dem 8. Jahrtausend v. Chr.

Von dort aus breitete sich der Ackerbau nur langsam nach Kleinasien und Europa einerseits und Ägypten und Nordafrika andererseits aus. Mitteleuropa erreichte der Ackerbau z.B. erst 5500 v. Chr., also rund 2000 Jahre nach den frühesten Pflanzenzüchtungen in Vorderasien.

Auf welche Weise diese Entdeckung erfolgt ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Irgend jemand (vermutlich eine Frau, da sammeln vorzugswwise von Frauen ausgeübt wurde) muss jedoch beobachtet haben, dass an den Stellen, wo Samenkörner der Wildgräser hinfielen, neue Pflanzen wuchsen. Von da war es nur noch ein kleiner Schritt, bis man Körner absichtlich in den Boden legte, und den Kornertrag später erntete.
Hallo Wallenstein,

da mir eben der Versuch einer Antwort mit Mehrfachzitaten im Orkus verschwunden ist, versuche ich es noch mal in kurz und schlicht.
Wir sind uns weitgehend einig, dass der Übergang zum Ackerbau nach neueren Untersuchungen wahrscheinlich evolutionärer verlief und der Begriff Revolution gebraucht wird, um bildlich zu machen, dass sich die Lebensumstände komplett geändert haben. Wie plötzlich ist natürlich relativ.
Und genau darum geht es mir. Ich denke, dass war nicht überall gleich und es kommt auf die domestizierten Pflanzen und die vorherige Lebensweise an. Im eiszeitlichen Norden lebten die Menschen als umherziehende Jäger von Fleisch, es gab ja nicht viel anderes. In Nahost entstand klimabedingt ein Zeitfenster für Gräsersteppen, das den Übergang förderte.
Mir geht es in diesem Thema um die anderen Zentren, deshalb Kuk in Neuguinea im Eingangsbeitrag. In den Tropen wurden Wurzel- und Baumfrüchte domestiziert, der Übergang könnte dort sehr viel langfristiger erfolgt sein, weil diese Pflanzen schon viel länger gegessen wurden.

Hallo Dietrich
Den Begriff Ahatheorie habe ich vor kurzem gelesen und fand ihn ganz griffig, um den Unterschied zu verdeutlichen, um den es mir in dem Thema geht. Du bezieht dich in deinem Beitrag in erster Linie auf die Entwicklung in Nahost, von dort hat Europa sein neolithisches Paket samt Pflanzen übernommen.
Dort wurden hauptsächlich Gräser und Leguminosen domestiziert, Pflanzen mit großen Samen, die man essen kann. Und diese Samen kann man auch wieder aussäen und auslesen, der erste Schritt zur Züchtung, was die Menschen früh entdeckt haben werden. Dafür könnte man den Begriff Ahatheorie verwenden.
Den Überresten sieht ein Archäobiologe bei Getreide an, ob die Körner bereits domestiziert waren und zwar an Halmhaftung und Größe. Das ist bei den tropischen Gartenprodukten anders und darum geht es mir.
(02.07.2012 21:55)Renegat schrieb: [ -> ]l
Hallo Dietrich
Den Begriff Ahatheorie habe ich vor kurzem gelesen und fand ihn ganz griffig, um den Unterschied zu verdeutlichen, um den es mir in dem Thema geht. Du bezieht dich in deinem Beitrag in erster Linie auf die Entwicklung in Nahost, von dort hat Europa sein neolithisches Paket samt Pflanzen übernommen.
Dort wurden hauptsächlich Gräser und Leguminosen domestiziert, Pflanzen mit großen Samen, die man essen kann. Und diese Samen kann man auch wieder aussäen und auslesen, der erste Schritt zur Züchtung, was die Menschen früh entdeckt haben werden. Dafür könnte man den Begriff Ahatheorie verwenden.
Den Überresten sieht ein Archäobiologe bei Getreide an, ob die Körner bereits domestiziert waren und zwar an Halmhaftung und Größe. Das ist bei den tropischen Gartenprodukten anders und darum geht es mir.

Deine ursprüngliche Frage lautete so:

Renegat schrieb:Deshalb frage ich mich, wo die sogenannte Ahatheorie, also die plötzliche Erkenntnis von Jägern und Sammlern, dass sich Pflanzen kultivieren lassen, überhaupt stattgefunden hat.

Zum einen gab es diese Erkenntnis an mehreren Stellen in der Welt - Vorderasien, China, Südamerika - zum anderen ist der Erkenntnisgedanke immer plötzlich, die Realisierung allerdings nicht.
Eine andere Variante könnte man bei den ostamerikanischen Kulturen erkennen.
Die Bewohner der amerikanischen Ostens domestizierten robuste Wildpflanzen wie die Sonnenblume und vielleicht auch Kürbisse. http://www.pflanzenforschung.de/journal/...amerikaner

Die vorherrschende Meinung, dass es in Altamerika nur zwei Domestikationszentren gab, ist nicht ganz unstrittig. Zumindest die Sonnenblume könnte auch nördlich vom Zentrum Mexiko domestiziert worden sein.
Von der Hopewellkultur wird inzwischen vermutet, dass sie zwar Jäger und Sammler waren aber auch an geeigneten Standorten Pflanzen wie die Sonnenblume anbauten, auch um eine Reserve für Notlagen zu haben, da die Kerne sich gut zur Vorratshaltung eignen. Diese Form der Landwirtschaft könnte eine Anpassung an spezielle Umweltbedingungen gewesen sein. Da wo Landwirtschaft möglich war, wurde sie betrieben, andere Bereiche des Streifgebiets wurden großräumig bejagt.
Könnte sein, dass eine solche kombinierte Nahrungsbeschaffung langfristig leichter stabil zu halten war.
http://de.wikipedia.org/wiki/Hopewell-Kultur
Ihr Lieben,
es wird ein langsamer gärtnerischer Übergang gewesen sein. Zuerst wurden Wildgräßer verarbeitet weil die zu erjagenden Tiere immer weniger wurden. Danach wurde angefangen die Wildgräser selbst anzupflanzen. Das alles passierte im Gebiet des Fruchtbaren Halbmondes.Wink
(13.07.2012 11:54)dieter schrieb: [ -> ]Ihr Lieben,
es wird ein langsamer gärtnerischer Übergang gewesen sein. Zuerst wurden Wildgräßer verarbeitet weil die zu erjagenden Tiere immer weniger wurden. Danach wurde angefangen die Wildgräser selbst anzupflanzen. Das alles passierte im Gebiet des Fruchtbaren Halbmondes.Wink

Interessant. Woher weißt du das so genau?

Fakt ist: Es gab verschiedene Domestikationszentren. Auf der Insel Neuguinea ist Landwirtschaft bis heute mehr Gartenkultur. Das hängt aber auch von der Art der Nutzpflanzen ab, z.B. ob man einfach pflügen und säen kann wie beim Getreide oder jede Pflanze einzeln mit dem Grabstock setzen muss wie bei den meisten tropischen Nutzpfanzen.
(01.07.2012 12:48)Renegat schrieb: [ -> ]Der Begriff "Neolithische Revolution" suggeriert eine plötzliche Erkenntnis und einen daraus folgenden umfassenden Wandel der Lebensgewohnheiten. An dieser Schnittstelle beginnt die Jungsteinzeit, auch in diesem Forum.

Eine Revolution ist nicht ein plötzlicher Vorgang: Eine Revolution bereitet sich vor - über Jahre oder Jahrzehnte, in früheren Zeiten über Jahrhunderte und Jahrtausende - entläd sich dann eines Tages in irgend einer Weise und braucht, um ihre volle Wirkung zu entfalten, wiederum eine längere Zeit. Zum Beispiel die Revolution 1848/49: sie bereitete sich im - sogar nach diesem Fakt benannten - Vormärz vor, sie entlud sich in relativ (Betonung auf RELATIV) kurzer Zeit und wirkte dann noch ein paar Monate. Bei der neolithischen Revolution ist das ein bisschen vielschichtiger, aber ich denke, relativ ähnlich. Über lange Zeit sammelten sich die Erkenntnisse der Menschen, biss sie dann eines Tages "zum Ausbruch kamen". Das kann ja gar nicht anders sein, denn eines Tages muss ja das erste Mal Ackerbau betrieben worden sein. Es muss einen ersten Tag gegeben haben.

Nun kann man natürlich sagen - die neolithische Revolution umfasst ja, zumindest im nahen Osten, das erwähnte "neolithische Paket", also gleich vier bis fünf Neuerungen. Aber ich bin der Meinung, dass diese Dinge, geschliffenes Steinwerkzeug, Ackerbau + Viehzucht, sesshaftes Wohnen und Keramik ungefähr zur gleichen Zeit auftraten. Natürlich nicht am selben Tag, aber in vergleichsweise kurzem Zeitraum, gemessen an dieser Zeit, in der die geschichtlichen Entwicklungen noch viel langsamer verliefen als heute oder auch in der Antike oder im Mittelalter. Es handelt sich hier um Jahrhunderte Entwicklung, die aber in der noch viel länger andauernden Steinzeit schon eine relativ schnelle Entwicklung bedeuten.
Und genau zu einem Zeitpunkt bricht eine Revolution ja sowieso nicht aus: 1848/49 starteten die Revolutionen in Paris, in Wien, in Berlin auch nicht genau zum gleichen Zeitpunkt. So wird es auch bei der neolithischen Revolution gewesen sein, bloß wie eben gesagt in viel größerem Maßstab.
Wie lange es gedauert hat, bis dieser RELATIV schnell verlaufende Erkenntnisprozess umgesetzt wurde, und ob er überhaupt umgesetzt wurde, ist eine Frage, die alle Revolutionen gemein haben. Manche Revolutionen brauchten Jahre, bis sie wirksam wurden, andere wirkten schneller, andere überhaupt nicht, da sie sofort wieder rückgängig gemacht wurden.

(01.07.2012 12:48)Renegat schrieb: [ -> ]Deshalb frage ich mich, wo die sogenannte Ahatheorie, also die plötzliche Erkenntnis von Jägern und Sammlern, dass sich Pflanzen kultivieren lassen, überhaupt stattgefunden hat.

Der Prozess der neolithischen Revolution hat an verschiedenen Orten der Welt in relativ schneller Zeit (siehe erster Teil meines Beitrags), aber gut möglich zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattgefunden. Die Gegenden waren ja relativ isoliert, teilweise sogar bis in die Neuzeit. In Amerika, in Ostasien, auf der indischen Halbinsel oder im Fruchtbaren Halbmond wurden besagte Entdeckungen in unterschiedlichen Epochen gemacht.
Die von Historikern so genannte "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" zeigt sich darin, dass an manchen Stellen der Erde die Menschen auf einer Entwicklungsstufe sind, die wir vor Jahrtausenden durchlebt haben. Dieses Prinzip der Geschichte muss man auch auf die neolithische Revolution anwenden. Während sie in einer Gegend der Welt vor zehntausend Jahren stattfand, brauchte es in anderen Regionen dreitausend Jahre länger oder noch mehr.
Man sollte in diesem Zusammenhang sowieso von mehreren neolithischen Revolutionen sprechen.
Mensch, ist das schön, wenn man Zeit hat, lange Beiträge zu schreiben...

Anbei noch ein Link zu einem Aufsatz zum Thema:
http://www.urgeschichte.uni-tuebingen.de...6_mail.pdf
(13.07.2012 12:33)Arkona schrieb: [ -> ]
(13.07.2012 11:54)dieter schrieb: [ -> ]Ihr Lieben,
es wird ein langsamer gärtnerischer Übergang gewesen sein. Zuerst wurden Wildgräßer verarbeitet weil die zu erjagenden Tiere immer weniger wurden. Danach wurde angefangen die Wildgräser selbst anzupflanzen. Das alles passierte im Gebiet des Fruchtbaren Halbmondes.Wink
Interessant. Woher weißt du das so genau?
Fakt ist: Es gab verschiedene Domestikationszentren. Auf der Insel Neuguinea ist Landwirtschaft bis heute mehr Gartenkultur. Das hängt aber auch von der Art der Nutzpflanzen ab, z.B. ob man einfach pflügen und säen kann wie beim Getreide oder jede Pflanze einzeln mit dem Grabstock setzen muss wie bei den meisten tropischen Nutzpfanzen.
Lieber Arkona,
ich weiß überhaupt nichts, aber es bietet sich doch das Zufallsprinzip an, wie wären sie sonst auf die Idee gekommen, diese Gräßer anzubauen?Huh
(01.07.2012 12:48)Renegat schrieb: [ -> ]Der Begriff "Neolithische Revolution" suggeriert eine plötzliche Erkenntnis und einen daraus folgenden umfassenden Wandel der Lebensgewohnheiten. An dieser Schnittstelle beginnt die Jungsteinzeit, auch in diesem Forum.

(13.07.2012 13:33)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Eine Revolution ist nicht ein plötzlicher Vorgang: Eine Revolution bereitet sich vor - über Jahre oder Jahrzehnte, in früheren Zeiten über Jahrhunderte und Jahrtausende - entläd sich dann eines Tages in irgend einer Weise und braucht, um ihre volle Wirkung zu entfalten, wiederum eine längere Zeit. Zum Beispiel die Revolution 1848/49: sie bereitete sich im - sogar nach diesem Fakt benannten - Vormärz vor, sie entlud sich in relativ (Betonung auf RELATIV) kurzer Zeit und wirkte dann noch ein paar Monate. Bei der neolithischen Revolution ist das ein bisschen vielschichtiger, aber ich denke, relativ ähnlich. Über lange Zeit sammelten sich die Erkenntnisse der Menschen, biss sie dann eines Tages "zum Ausbruch kamen". Das kann ja gar nicht anders sein, denn eines Tages muss ja das erste Mal Ackerbau betrieben worden sein. Es muss einen ersten Tag gegeben haben.

Nein, beim Übergang von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise muss es keinen ersten Tag gegeben haben.
Aber schön, dass wenigstens du erkannt hast, worum es mir in diesem Thema ging.
Als der Begriff von Gordon Childe in der 30ern eingeführt wurde, ging es auch um die gesellschaftspolitische Analogie zur industriellen Revolution und die relativ plötzliche Veränderung der Lebensumstände der Menschen in den Industrieländern. http://de.wikipedia.org/wiki/Vere_Gordon_Childe

(13.07.2012 13:33)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Nun kann man natürlich sagen - die neolithische Revolution umfasst ja, zumindest im nahen Osten, das erwähnte "neolithische Paket", also gleich vier bis fünf Neuerungen. Aber ich bin der Meinung, dass diese Dinge, geschliffenes Steinwerkzeug, Ackerbau + Viehzucht, sesshaftes Wohnen und Keramik ungefähr zur gleichen Zeit auftraten.
Ich wollte mit diesem Thema ein bißchen weg vom Nahen Osten und den Blick auf andere Zentren lenken, deshalb verlinkte ich Kuk und Nordamerika. In anderen Weltgegenden verlief der Übergang wahrscheinlich anders, aufgrund der Art der domestizierten Pflanzen, des fehlenden Nacheiszeitklimawandels und weiterer Gründe.
Diese anderen Entwicklungen würde ich gern diskutieren, inwieweit sie andere Kulturmodelle nach sich zogen, von denen wir vielleicht etwas lernen können.
Einfach ist gärtnerische Landwirtschaft nämlich keineswegs, im Gegenteil, sie erfordert oft mehr Handarbeit, ist dafür aber auf kleineren Flächen möglich. In Kuk wurden seit Jahrtausenden umzäunte Beete angelegt, die durch Gräben entwässert und kontinuierlich gepflegt wurden.

(13.07.2012 13:33)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Natürlich nicht am selben Tag, aber in vergleichsweise kurzem Zeitraum, gemessen an dieser Zeit, in der die geschichtlichen Entwicklungen noch viel langsamer verliefen als heute oder auch in der Antike oder im Mittelalter. Es handelt sich hier um Jahrhunderte Entwicklung, die aber in der noch viel länger andauernden Steinzeit schon eine relativ schnelle Entwicklung bedeuten.
Und genau zu einem Zeitpunkt bricht eine Revolution ja sowieso nicht aus: 1848/49 starteten die Revolutionen in Paris, in Wien, in Berlin auch nicht genau zum gleichen Zeitpunkt. So wird es auch bei der neolithischen Revolution gewesen sein, bloß wie eben gesagt in viel größerem Maßstab.
Wie lange es gedauert hat, bis dieser RELATIV schnell verlaufende Erkenntnisprozess umgesetzt wurde, und ob er überhaupt umgesetzt wurde, ist eine Frage, die alle Revolutionen gemein haben. Manche Revolutionen brauchten Jahre, bis sie wirksam wurden, andere wirkten schneller, andere überhaupt nicht, da sie sofort wieder rückgängig gemacht wurden.

Jetzt bin ich im Zwiespalt, wir können natürlich über den Verlauf von Revolutionen allgemein diskutieren, durchaus spannendes Thema, paßt aber doch besser in die Neuzeit, oder?

(01.07.2012 12:48)Renegat schrieb: [ -> ]Deshalb frage ich mich, wo die sogenannte Ahatheorie, also die plötzliche Erkenntnis von Jägern und Sammlern, dass sich Pflanzen kultivieren lassen, überhaupt stattgefunden hat.

(13.07.2012 13:33)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Der Prozess der neolithischen Revolution hat an verschiedenen Orten der Welt in relativ schneller Zeit (siehe erster Teil meines Beitrags), aber gut möglich zu unterschiedlichen Zeitpunkten stattgefunden. Die Gegenden waren ja relativ isoliert, teilweise sogar bis in die Neuzeit. In Amerika, in Ostasien, auf der indischen Halbinsel oder im Fruchtbaren Halbmond wurden besagte Entdeckungen in unterschiedlichen Epochen gemacht.
Die von Historikern so genannte "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" zeigt sich darin, dass an manchen Stellen der Erde die Menschen auf einer Entwicklungsstufe sind, die wir vor Jahrtausenden durchlebt haben. Dieses Prinzip der Geschichte muss man auch auf die neolithische Revolution anwenden. Während sie in einer Gegend der Welt vor zehntausend Jahren stattfand, brauchte es in anderen Regionen dreitausend Jahre länger oder noch mehr.
Man sollte in diesem Zusammenhang sowieso von mehreren neolithischen Revolutionen sprechen.

Über die relative Schnelligkeit möchte ich gern diskutieren. Am nordamerikanischen Beispiel sieht man, das der Übergang gar nicht immer vollständig erfolgt sein muß.
Wir sind etwas zu sehr auf unsere Landwirtschaft fixiert, wenn wir von neolithischer Revolution sprechen.
Auch dein guter, verlinkter Aufsatz, Maxdorfer handelt i.W. von Nahost und Getreide.
(14.07.2012 10:46)Renegat schrieb: [ -> ]Nein, beim Übergang von der aneignenden zur produzierenden Wirtschaftsweise muss es keinen ersten Tag gegeben haben.
Das nicht, das ist das Fortwirken der Revolution. Aber der Ausbruch der Revolution geschieht an einem Tag, und auch die Viehzucht wurde an einem Tag zum ersten Mal gemacht. Natürlich hat sie sich nicht noch an dem Tag in der ganzen Gegend verbreitet, aber das tut eine Revolution doch auch nicht sofort.
(14.07.2012 10:46)Renegat schrieb: [ -> ]Ich wollte mit diesem Thema ein bißchen weg vom Nahen Osten und den Blick auf andere Zentren lenken, deshalb verlinkte ich Kuk und Nordamerika. In anderen Weltgegenden verlief der Übergang wahrscheinlich anders, aufgrund der Art der domestizierten Pflanzen, des fehlenden Nacheiszeitklimawandels und weiterer Gründe.
Diese anderen Entwicklungen würde ich gern diskutieren, inwieweit sie andere Kulturmodelle nach sich zogen, von denen wir vielleicht etwas lernen können.
Ich vermute, dass auch in anderen Gegenden die besagten "neolitihischen Teilrevolutionen" ungefähr zur gleichen Zeit stattfanden.
(14.07.2012 10:46)Renegat schrieb: [ -> ]Jetzt bin ich im Zwiespalt, wir können natürlich über den Verlauf von Revolutionen allgemein diskutieren, durchaus spannendes Thema, paßt aber doch besser in die Neuzeit, oder?
Stimmt das sollten wir. Ich werde gleich mal ein Thema dazu eröffnen.
Aber hier fande ich das auch passend. Denn es ging ja um die "neolithische Revolution" und genau diesen Begriff wollte ich hier rechtfertigen.

(14.07.2012 10:46)Renegat schrieb: [ -> ]Über die relative Schnelligkeit möchte ich gern diskutieren. Am nordamerikanischen Beispiel sieht man, das der Übergang gar nicht immer vollständig erfolgt sein muß. Wir sind etwas zu sehr auf unsere Landwirtschaft fixiert, wenn wir von neolithischer Revolution sprechen.

Die neolithische Revolution braucht nicht alle Bestandteile, die du erwähnt hast, um eine neolithische Revolution zu sein. Aber alle Bestandteile, die sie beinhaltete, wurden ungefähr zur gleichen Zeit entwickelt.
Ist zumindest meine These.
Maxdorfer, dann müssen wir 2 Themen diskutieren oder sogar drei.
1. Warum hat Childe die neolithische mit der industriellen Revolution verglichen?
2. Wie verlaufen Revolutionen im Unterschied zu Entwicklungen?

3. Wie, wann und wo vollzog sich jeweils der Übergang von aneignender zu produzierender Wirtschaftsweise? Achtung diverse Zentren mit jeweils unterschiedlicher natürlicher Ausstattung.
Und nur diesen letzten Punkt würde ich hier diskutieren wollen.

Zu deiner These im letzten Satz: Nein, es wurden nicht alle Bestandteile zur gleichen Zeit entwickelt, manchmal wurden nur Teile des Pakets überhaupt entwickelt. Warum sprichst du von Entwicklung, wo es doch um Revolutionen gehen soll?
(14.07.2012 16:14)Renegat schrieb: [ -> ]Warum sprichst du von Entwicklung, wo es doch um Revolutionen gehen soll?

Das ist doch ein sehr unscharfer Begriff. Was wir als Neolithische Revolution bezeichnen, dauerte doch letztendlich viele Generationen, aber durch unsere Brille gesehen, geschah das rasend schnell. Die Industrielle Revolution nahm auch einige Jahrzehnte in Anspruch und wurde von den Zeitgenossen bestimmt nicht als solche empfunden. Genauso leben wir gerade in der Digitalen Revolution. Was wir gar nicht richtig wahrnehmen, werden unsere Nachfahren einmal mit offenem Mund ob der Geschwindigkeit bestaunen. Die werden dann ihre eigene technologische Revolution, welche auch immer, haben und das als selbstverständlichen Alltag sehen.
(14.07.2012 16:14)Renegat schrieb: [ -> ]Warum sprichst du von Entwicklung, wo es doch um Revolutionen gehen soll?

(14.07.2012 16:30)Arkona schrieb: [ -> ]Das ist doch ein sehr unscharfer Begriff.
Genau darum geht es doch, hast du Punkt 1 + 2 gelesen? Unscharfe Begriffe gilt es im Gespräch zu schärfen.



(14.07.2012 16:30)Arkona schrieb: [ -> ]Was wir als Neolithische Revolution bezeichnen, dauerte doch letztendlich viele Generationen, aber durch unsere Brille gesehen, geschah das rasend schnell. Die Industrielle Revolution nahm auch einige Jahrzehnte in Anspruch und wurde von den Zeitgenossen bestimmt nicht als solche empfunden. Genauso leben wir gerade in der Digitalen Revolution. Was wir gar nicht richtig wahrnehmen, werden unsere Nachfahren einmal mit offenem Mund ob der Geschwindigkeit bestaunen. Die werden dann ihre eigene technologische Revolution, welche auch immer, haben und das als selbstverständlichen Alltag sehen.

Kann so sein, jedenfalls für die beiden uns sehr viel näher liegenden letztgenannten.
Die neolithische war vielleicht nur eine Übertragung auf eine nebulöse Zeit von Childe, da es das Ahaerlebnis so wie es der Begriff suggeriert, kaum, vielleicht bei den Gräsern, gegeben hat.
Die unterschiedlichen Prägungen, die daraus evtl. resultieren, würde ich erst im 2. Schritt diskutieren wollen.
(14.07.2012 16:14)Renegat schrieb: [ -> ]Maxdorfer, dann müssen wir 2 Themen diskutieren oder sogar drei.
1. Warum hat Childe die neolithische mit der industriellen Revolution verglichen?

... weil es sich um einen radikalen Umbruch handelte, der das Leben der Menschen langfristig und umfassend veränderte.

Der von Childe geprägte Begriff "neolithische Revolution" ist übrigens bei heutigen Historikern zunehmend aus der Mode gekommen, weil "Revolution" im allgemeinen einen raschen Umbruch suggeriert, der bei der Neolithisierung in dieser Form nicht zutrifft.

(14.07.2012 16:14)Renegat schrieb: [ -> ]2. Wie verlaufen Revolutionen im Unterschied zu Entwicklungen?

Hier wird sichtbar, dass der von Childe bemühte "revolutionäre" Vergleich hinkt und auf die Neolithisierung so nicht zutrifft. Immerhin ist der Begriff "neolithische Revolution" ein einprägsames Schlagwort, das für mehrere Jahrzehnte seine Schuldigkeit getan hat.

Zum Vergleich: Das Vordringen des Ackerbaus von Vorderasien nach Mitteleuropa hat immerhin rund 2500 Jahre (!) gedauert, d.h. von etwa 8000 v. Chr. bis 5500 v. Chr.

Mit einer "Revolution" wie der französischen oder russischen ist das nur sehr bedingt vergleichbar und ich nehme an, dass Chiolde das natürlich gewusst und dennoch hingenommen hat, da er dieses Schlagwort trotz seiner historischen Angreifbarkeit liebte.
(19.07.2012 14:28)Dietrich schrieb: [ -> ]Der von Childe geprägte Begriff "neolithische Revolution" ist übrigens bei heutigen Historikern zunehmend aus der Mode gekommen, weil "Revolution" im allgemeinen einen raschen Umbruch suggeriert, der bei der Neolithisierung in dieser Form nicht zutrifft.

(14.07.2012 16:14)Renegat schrieb: [ -> ]2. Wie verlaufen Revolutionen im Unterschied zu Entwicklungen?

(19.07.2012 14:28)Dietrich schrieb: [ -> ]Hier wird sichtbar, dass der von Childe bemühte "revolutionäre" Vergleich hinkt und auf die Neolithisierung so nicht zutrifft. Immerhin ist der Begriff "neolithische Revolution" ein einprägsames Schlagwort, das für mehrere Jahrzehnte seine Schuldigkeit getan hat.

Zum Vergleich: Das Vordringen des Ackerbaus von Vorderasien nach Mitteleuropa hat immerhin rund 2500 Jahre (!) gedauert, d.h. von etwa 8000 v. Chr. bis 5500 v. Chr.

Ja, genau. Darum ging es mir, wobei ich bei der Übertragung des neol. Pakets in Europa, den Begriff Revolution noch am ehesten gelten lassen würde. Weiter südlich wird die langsame Kontinuität des Entwicklungsablaufs wahrscheinlich noch deutlicher, wenn sich die Fundlücken schließen.

(19.07.2012 14:28)Dietrich schrieb: [ -> ]Mit einer "Revolution" wie der französischen oder russischen ist das nur sehr bedingt vergleichbar und ich nehme an, dass Chiolde das natürlich gewusst und dennoch hingenommen hat, da er dieses Schlagwort trotz seiner historischen Angreifbarkeit liebte.
Ja, klar, das ist ja auch ein einprägsames Schlagwort, man muß nur aufpassen, dass es nicht inflationär benutzt wird.
Manchmal lese ich sogar von einer "paläolithischen Revolution" aber das wäre ein neues Thema.
Die gesellschaftlichen und später die kulturellen Revolutionen wurden in ein neues Thema ausgelagert: http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...16#pid4716
Die Nordamerikaner bauten neben Mais, Taback und verschiedenen Nachtschattengewächsen auch die Knolle Topinambur an, eine Verwandte der Sonnenblume. Sie nutzten sehr viele Beeren und Obstbäume, möglicherweise auch systematisch angebaut.
Die systematische Nutzung des Apfels und der Feige erfolgte wahrscheinlich zeitgleich mit der Domestikation des Getreides. Die Feige wurde mittels Stecklingen vermehrt, der Apfel wahrscheinlich durch Sämlinge, die auch systematisch umgepflanzt und gepflegt wurden. Das mitführen und vermehren von Obstpflanzen könnte auch sehr viel früher in nicht so systematischer intensiver Form stattgefunden haben.
(27.09.2012 00:58)Paul schrieb: [ -> ]Die Nordamerikaner bauten neben Mais, Taback und verschiedenen Nachtschattengewächsen auch die Knolle Topinambur an, eine Verwandte der Sonnenblume.
Sie bauten nicht nur den Topinambur an, sondern auch die Sonnenblume selbst. Die liefert ölhaltige, lagerfähige Samen, der Topinambur sättigende Wurzelknollen.
Die nördliche Anbaugrenze der 3 Schwestern Mais, Kürbis und Bohnen ist etwas unklar. Die Missisippi-Kulturen bauten sie an, domestiziert wurden sie wahrscheinlich weiter südlich.
Die vielen Korbblütler, zu denen auch die Sonnenblumenartigen zählen, kommen gut mit kurzen Vegetationsperioden und wenig Wasser zurecht. In Prärien kann ich sie mir daher gut vorstellen, nur bin ich nicht sicher, wie die Prärien ohne die Pferde aussahen. Schafften es die Büffel allein, die Bäume niederzuhalten?

(27.09.2012 00:58)Paul schrieb: [ -> ]Sie nutzten sehr viele Beeren und Obstbäume, möglicherweise auch systematisch angebaut.
Die systematische Nutzung des Apfels und der Feige erfolgte wahrscheinlich zeitgleich mit der Domestikation des Getreides. Die Feige wurde mittels Stecklingen vermehrt, der Apfel wahrscheinlich durch Sämlinge, die auch systematisch umgepflanzt und gepflegt wurden. Das mitführen und vermehren von Obstpflanzen könnte auch sehr viel früher in nicht so systematischer intensiver Form stattgefunden haben.
Ja und dieser langsame Übergang durch die Förderung von Gehölzen wie Wildäpfeln, Holunder und bes. Haselnüssen wird sogar für nördlichere Breiten wie Europa vermutet. Das Getreide und die Haustiere kamen dann mit den Bandkeramikern und Hoguette-Leuten aus Nahost dazu.
(28.09.2012 12:05)Renegat schrieb: [ -> ]Ja und dieser langsame Übergang durch die Förderung von Gehölzen wie Wildäpfeln, Holunder und bes. Haselnüssen wird sogar für nördlichere Breiten wie Europa vermutet. Das Getreide und die Haustiere kamen dann mit den Bandkeramikern und Hoguette-Leuten aus Nahost dazu.

Er ist nicht nur vermutet, für Schottland ist belegt, daß der Haselnussbestad zunahm, als die ersten kleinen Siedlungen dazukamen...
(28.09.2012 12:05)Renegat schrieb: [ -> ]Schafften es die Büffel allein, die Bäume niederzuhalten?

Brauchten sie nicht, das Klima in den Prärien ist zu trocken, um größere Bäume hochkommen zu lassen, außer in Schutzlagen.

VG
Christian
(14.07.2012 10:46)Renegat schrieb: [ -> ]Einfach ist gärtnerische Landwirtschaft nämlich keineswegs, im Gegenteil, sie erfordert oft mehr Handarbeit, ist dafür aber auf kleineren Flächen möglich.

Einfach ist auch die Getreide-Landwirtschaft nicht, überhaupt die Landwirtschaft.
Deshalb gab es überall auf der Welt ein Stadium, in dem die landwirtschaftlichen Methoden - welche auch immer - zwar bekannt waren, aber nicht die Nahrungsgrundlage stellten. So lange wie möglich bestritten die Menschen ihren Lebensunterhalt durch Jagd.
Einfacher und effektiver, wegen des höheren Nährwerts von Fleisch. Problem: Die Vorratshaltung. Fleisch muss sofort verwertet werden, sonst verdirbt es. Es gibt die Möglichkeit, es durch Trocknung oder Einsalzen haltbar zu machen, aber getrocknetes Fleisch hat weniger Nährwert als frisches und Salz war bis in die Neuzeit immer sehr selten, daher kostbar (eben wegen seiner konservierenden Eigenschaften). In diese Lücke sprang die Landwirtschaft.
Erst als die Jagd durch Überjagung des jagbaren Wilds schwierig wurde, verlegte man den Schwerpunkt bei der Nahrungsgewinnung auf die Landwirtschaft.

Am besten belegt ist diese Abfolge - mal wieder - für den Nahen Osten. In Syrien gibt es die sog. "Drachen". Das sind Bauwerke, die funktionieren wie Reusen und dienten dazu, ganze Herden auf einen Schlag zu fangen. Die frühen Städte des Nahen Ostens - auch Catal Hüyük und das noch ältere Pinarbasi - waren "Jägerstädte". Dadurch kam es zu Überbevölkerung und Überjagung. Die Gazellen und Antilopen, von denen die frühsyrischen Städtebewohner hauptsächlich lebten, waren irgendwann so weit dezimiert, dass die Menschen auf die Landwirtschaft - die schon länger als "Nebenerwerb" und sowohl als Gartenbau als auch als Ackerbau praktiziert wurde - umsteigen.
Die Folge waren nicht nur wachsende und mehr Städte, sondern auch kleinere Menschen mit mehr körperlichen Schäden - dies zeigt den eindeutigen Nachteil der Landwirtschaft und damit auch den Grund, warum die Menschen so lange wie möglich an der Jagd festhielten. Die "Drachen" zeigen ja auch, dass man mit der Jagd auf Einzeltiere nicht mehr ausreichend Fleisch liefern konnte, entweder weil die Herden zu klein oder zu scheu geworden waren oder weil die Menschen zu viele geworden waren.

So oder so ähnlich lief es auch in (Nord-)Amerika, so oder so ähnlich dürfte es überall auf der Welt gelaufen sein.

VG
Christian
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Ja und dieser langsame Übergang durch die Förderung von Gehölzen wie Wildäpfeln, Holunder und bes. Haselnüssen wird sogar für nördlichere Breiten wie Europa vermutet. Das Getreide und die Haustiere kamen dann mit den Bandkeramikern und Hoguette-Leuten aus Nahost dazu.
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Haselnüsse und Holunder lassen sich auch sehr leicht über Stecklinge vermehren. Wie bei Feigen kann der Zufall sehr früh geholfen haben. Wenn man aus irgendeinen Grund einen Stock in die Erde gesteckt hat, kann man z.B. nach 1 Monat sehen, das dieser Stock austreibt.
Das könnte man schon in der Altsteinzeit beobachtet haben, wenn man so lange an einem Ort blieb o. ihn wieder aufsuchte.
Da muß man sich eher fragen, warum die Landwirtschaft sich nicht schon viel früher durchsetzte.
(17.12.2012 04:58)Paul schrieb: [ -> ]Haselnüsse und Holunder lassen sich auch sehr leicht über Stecklinge vermehren. Wie bei Feigen kann der Zufall sehr früh geholfen haben. Wenn man aus irgendeinen Grund einen Stock in die Erde gesteckt hat, kann man z.B. nach 1 Monat sehen, das dieser Stock austreibt.
Das könnte man schon in der Altsteinzeit beobachtet haben, wenn man so lange an einem Ort blieb o. ihn wieder aufsuchte.
Da muß man sich eher fragen, warum die Landwirtschaft sich nicht schon viel früher durchsetzte.

Von Haselnüssen und Holunder kann man sich nicht dauerhaft ernähren. Beides dürfte höchst willkommene Zusatznahrung gewesen sein, und vermutlich suchten die Altsteinzeitler gerne die orte auf, von denen sie wußten, daß sie beides dort finden würden, aber zum Sesshaftwerden reichte das dann wohl doch nicht.
Man könnte sagen- das Wissen war bei den Altsteinzeitlern vielleicht vorhanden, aber es war noch nicht klar, wie es eingesetzt werden könnte...
Die Bevölkerungen, die sich am besten ernähren konnten, vermehrten sich am schnellsten und expandierten dann. Kann man aus der Expansion dann Rückschlüsse auf die Landwirtschaft ziehen?
Die Expansion aus dem Nahen Osten nach Europa und Nordafrika hatte sicher solche Hintergründe.
Welches waren die Hintergründe für die Expansion der Indoeuropäer? Hat die auch Gründe in der Landwirtschaft? Brachten sie zuerst Vieh nach Mitteleuropa, noch vor den Bandkeramikern?
Wo war der Feigenanbau zuerst am erfolgreichsten, in Afghanistan o. im Kaukasus? Kaukasier brachten die Feige vor 11000 Jahren nach Jericho. Drawidische Afghanen expandierten nach Indien.
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