Forum für Geschichte

Normale Version: Portugal – Ein Land am Rande Europas
Sie sehen gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Es folgt mein neues Thema, ich hoffe es stößt auf Interesse Smile :

Portugal – Ein Land am Rande Europas und seine Beziehungen zu anderen Ländern unter Einbeziehung der Reiseaufzeichnungen zu Lissabon von Joachim Schlör und des Essays „Wie ein großes Portugal“ (Lídía Jorge)


Portugal - was macht dieses Land ganz im Südwesten Europas so interessant? Ist es nur die geographische Lage? Sind es bestimmte geschichtliche Ereignisse? Ist es der Weg nach Europa mit all seinen Besonderheiten?
Ich möchte diesen Fragen im Verlauf meiner Beiträge nachgehen, in denen zwei Begleitquellen einen besonderen Stellenwert einnehmen.

Ich beginne mit einer kurzen Erläuterung Themenstellung, in der ich zunächst über Portugal und seine Randlage in Europa schreiben werde. Es folgt eine Zusammenfassung der beiden Begleitquellen.
Die Geschichte des Landes von seiner Gründung im Mittelalter bis zu seinem Weg nach Europa und in die Europäische Union wird den zweiten Teil darstellen. Hier werde ich Zusammenhänge, die auch in der Begleitliteratur vorkommen, näher ausführen.
Es folgen dann drei Aspekte, die ich in dem Essay beziehungsweise den Reiseaufzeichnungen besonders interessant fand.
Zum einen wird es um das Judentum in Spanien und speziell in Portugal gehen, das dort parallel zum aufstrebenden Weltreich eine dramatische Entwicklung und Verfolgung auszuhalten hatte. Zum anderen geht es um die Emigration über Portugal in andere Länder. Besonderen Wert lege ich hier auf die Emigration zur Zeit des NS-Regimes in Deutschland. Zuletzt werde ich die Vor- und Nachteile, die sich für Portugal aus seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union seit 1985 bis etwa 2008 ergeben haben, gegenüberstellen.
Ein abschließendes Fazit beendet meine Ausführungen.

Ich werde versuchen in einem „Zwei-Tage-Rhythmus“ zu posten. Damit in Ruhe mitgelesen werden kann. Auf Fragen werde ich gerne eingehen. Ergänzungen können ebenfalls gerne angebracht werden.
... und weil nur die Einleitung langweilig ist, hier gleich der erste Teil:

Portugal als Land an der Peripherie

Portugal liegt auf der europäischen Landkarte im äußersten Südwesten und ist an der Landseite vollständig von Spanien umgeben. Es hat keinen direkten und kurzen Zugang zu wichtigen Zentren Europas wie zum Beispiel der Gegend um Paris, Brüssel oder dem Ruhrgebiet. Eine solche Lage bezeichnet man als peripher.
Dazu kommt noch die Lage der Iberischen Halbinsel, welche ebenfalls nur durch die Pyrenäen mit Europa verbunden ist.
Komplett anders stellt sich die Lage bezogen auf die komplette Erdkugel dar.
Hier besitzt Portugal eine außerordentlich zentrale Lage. Durch den direkten Zugang zum Meer hat Portugal sehr gute und strategisch günstige Bedingungen für den Schiffsverkehr. Außerdem sorgt die „herausgezogene Lage“ der Iberischen Halbinsel für eine optimale Bewegung in alle Himmelsrichtungen. Im Norden erreicht man Großbritannien, im Westen Amerika und im Süden schließt sich Afrika an.
Diese Position kann also global betrachtet als zentral bezeichnet werden.
Die Reiseaufzeichnungen von Joachim Schlör

„Lissabon im April“ lautet die Überschrift zum vierten Kapitel der Reisenotizen „Hotel Europa“, die von Joachim Schlör verfasst und im Jahr 2000 herausgegeben wurden. Schlör ist 1960 in Heilbronn geboren, lebt aber derzeit in Berlin. In seiner bisherigen wissenschaftlichen Arbeit beschäftigte er sich mit europäisch-jüdischen Studien. Auch sonst beschäftigt sich Schlör intensiv mit dem Judentum. Zurzeit leitet er das „Kompetenznetz Jüdische und Rabbinische Studien“ an der Universität Potsdam. Auch viele seiner Bücher beschäftigen sich mit diesem Thema.
Er beschreibt in „Hotel Europa“ seine Eindrücke von verschiedenen Ländern am Rande Europas und deren Hauptstädte. Seine Aufzeichnungen sind über das Jahr verteilt, so bereist er zum Beispiel London im Januar und Lissabon im April.
In diesem Kapitel beschreibt Schlör seine Gedanken zu Portugal. Sein assoziativer Stil fällt besonders auf. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass er Eindrücke und Beobachtungen in einen größeren geschichtlichen und politischen Kontext einordnet und sich weiterführende Gedanken macht.
Schlör bezeichnet Portugal als finis terrae und als ein Land der Abschiede von Europa (vgl. Schlör, 37). Er spielt hier auf die Rolle Portugals für Emigranten nach Übersee an, wie es sie zum Bespiel zur Zeit des Nazi-Regimes gab. Die geographische Lage macht Portugal offen für Eindrücke und Einflüsse aus Afrika und Amerika und gleichzeitig zu einem perfekten Platz, Europa zu verlassen. Dafür ist vor allem Lissabon nach Schlörs Meinung ein gutes Beispiel (vgl. Schlör, 37f.).
Gleichzeitig brachen von hier auch die großen Seefahrer und Entdecker in die Welt auf und brachten neues Wissen. Dieser Blickwinkel vom Rand auf Europa fasziniert Schlör und er fühlt sich an den Film „Lisbon Story“ erinnert. Seine frühere Abneigung für „EG-Studien“ hat sich in Interesse gewandelt (vgl. Schlör, 38).
Er berichtet über eine Reise in die spanisch-portugiesische Grenzregion, wo ihn vor allem die Geschichte des Judentums am Ende des 15. Jahrhunderts beeindruckt. Mit der Inquisition waren die Juden hier vertrieben worden und hatten sich über ganz Europa verteilt. Diese jüdische Geschichte verbindet Lissabon mit anderen europäischen Metropolen wie Konstantinopel, Sarajevo oder Triest (vgl. Schlör, 38).
Jedoch zeigt sich Schlör nachdenklich über die Folgen der EU-Mitgliedschaft Portugals. Er nennt als Beispiel, dass die traditionellen Fischerboote nicht den EU-Verordnungen entsprächen und diese verloren gehen könnten. Die Fischerboote sind ein Symbol für den Wunsch nach eigener Identität und gegen die Angleichung aus Brüssel. Schlör bedauert die Wirkung einer kalten und starren Bürokratie (vgl. Schlör, 39).
In Portugal wird außerdem der Einfluss seiner äußeren Kontakte deutlich, vor allem der aus Afrika und Amerika. Schlörs letzter Punkt ist der typisch portugiesische Fado. Er schildert eine Situation in einem Lokal, in dem ein spontaner Auftritt stattfindet, obwohl das Lokal nicht so voll ist, dass sich dies lohnen würde. Mit den sehnsüchtigen, traurigen Eindrücken, die durch ein Lächeln zur rechten Zeit doch einen europäischen Zustand erreichen, beschließt Schlör seine Aufzeichnungen zu Portugal (vgl. Schlör, 40-43).
Zumindest bei mir stößt dieses Thema auf großes Interesse. Ich werde sehr aufmerksam (und natürlich kritisch) mitlesen.
Wenn ich da etwas einfügen darf.

Portugal und England verbindet das mW allerlängste nie gebrochene Bündnis zweier selbständiger Staaten.
Seit dem 14. Jahrhundert!

Ich glaube der genaue Beginn ist auf das Jahr hin gar nicht mehr zu fixieren.
(14.07.2012 18:34)Suebe schrieb: [ -> ]Wenn ich da etwas einfügen darf.

Portugal und England verbindet das mW allerlängste nie gebrochene Bündnis zweier selbständiger Staaten.
Seit dem 14. Jahrhundert!

Ich glaube der genaue Beginn ist auf das Jahr hin gar nicht mehr zu fixieren.

Darfst Du gern. Dieser Aspekt ist nämlich hoch spannend. Auf ihn wird noch mehrfach eingegangen werden! Die Geschichte Portugals wird nämlich noch Gegenstand der Serie sein. Man wird erkennen, dass der Name England tatsächlich über die Jahrhunderte immer wieder fallen wird. Smile
(14.07.2012 18:34)Suebe schrieb: [ -> ]Wenn ich da etwas einfügen darf.

Portugal und England verbindet das mW allerlängste nie gebrochene Bündnis zweier selbständiger Staaten.
Seit dem 14. Jahrhundert!

Ich glaube der genaue Beginn ist auf das Jahr hin gar nicht mehr zu fixieren.

Ja stimmt, das habe ich auch schon gehört...

Spannend so was Cool
Noch eine Literaturquelle. Übermorgen geht es dann mit der Geschichte los Smile


Das Essay „Wie ein großes Portugal“ (Lídía Jorge)

Das Essay „Wie ein großes Portugal“ wurde von Lídía Jorge zum Thema „Portugiesische Literatur und Europa“ geschrieben und von Karin von Schweder-Schreiner ins Deutsche übersetzt.
Lídía Jorge, 1946 in Boliqueime geboren, studierte in Lissabon Romanistik und hielt sich während des Kolonialkrieges in Afrika auf. Nach ihrer Rückkehr lehrte sie Literaturwissenschaft in Lissabon. Ihre Romane und Werke haben oft mit ihren Erfahrungen im Kolonialkrieg zu tun. Für ihr letztes Buch „O vale da paixao“ wurde sie national und international ausgezeichnet.

Lídía Jorge begibt sich auf eine Art Reise durch die Beziehungen Portugals zu Europa von den siebziger Jahren bis heute. Sie führt zunächst die Geschichte eines portugiesischen Studenten aus, der in Paris seine Begleitgruppe verlässt, um in Frankreich zu leben (vgl. Jorge, 183). Vor einem Café rief er „Europa, ich bin in Europa“ und zeigt damit, dass er sein Heimatland, das geographisch natürlich zu Europa gehört, trotzdem nicht als Teil Europas sieht. In seinem Land herrscht eine Diktatur, Rede-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind eingeschränkt, das Land ist arm und führt einen Krieg in seinen Kolonien. Aus diesem Land flieht er, wie viele andere auch, nach Frankreich.
Jorge behandelt in dem folgenden zweiten Abschnitt die Sicht der Portugiesen auf diese rasante Umstellung nach der Revolution(vgl. Jorge, 183).
Portugals Entwicklung in Richtung eines demokratisch und wirtschaftlich europäisch geprägten Landes steht im Gegensatz zu der Flut der Menschen, die aus den ehemaligen Kolonien zurückkommen und den Portugiesen den Eindruck vermitteln, dass „eine gigantische, über fünfhundert Jahre alte Welle die Portugiesen, die einstmals von dort nach Afrika aufgebrochen waren, samt Waffen und Gepäck zurückgespült“ hat (Jorge, 184).
Jorge sieht in dieser bewegten Geschichte Portugals den Grund, warum sich die portugiesische Literatur, außer der von allen Seiten bewunderten Lyrik, nur mit dem altem Kolonialreich, dem Kolonialkrieg und der Nelkenrevolution beschäftigt. Dies führte aus ihrer Sicht dazu, dass die portugiesische Literatur gegenüber der eher europäisch geprägteren missverstanden wurde. Portugals Literatur war zu sehr auf die nationale Identität reduziert.
Doch für Jorge hat dieser Aspekt an Bedeutung verloren. Aufgrund der Kolonialgeschichte behalte Portugals Literatur aber etwas Besonderes und Einzigartiges innerhalb der europäischen Literatur (vgl. Jorge, 185).
Jorge meint, dass aus dem portugiesischen Faktor der Vergangenheitsbewältigung ein zeitgenössischer, europäischer Faktor geworden sei.
Im dritten Abschnitt fragt sich Jorge, inwieweit Portugal Europa helfen oder auch beeinflussen könne. Europas Hauptproblem sei es, die inneren Grenzen abzustecken. Nach dem historischen Erbe des Kolonialismus kann Portugal Helfer beim Abstecken der Grenzen im Umgang mit den Nachbarn sein. Die portugiesische Belletristik und sie selbst beziehen sich auf genau dieses Thema. Sie nennt zum Schluss das Werk „Mamma Marcia“, als Beispiel.
Die Geschichte Portugals

Ursprünge und Entwicklung im Mittelalter


Die römische Provinz Lusitanien, die einen relativ ähnlichen Grenzverlauf wie das heutige Portugal aufwies, wurde nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches im Jahre 711 von den Mauren erobert. Erst mit der Reconquista, also der christlichen Zurückeroberung der iberischen Halbinsel, beginnt die erste Entwicklung eines Königreiches mit dem Namen Portugal.
Nachdem die Grafschaft Portucale zunächst von Léon-Kastilien abhängig war, rief sich 1139 Alfonso I. zum König aus. Zunächst hatte er durch einen wichtigen Sieg gegen die Mauren seinen Anspruch gefestigt.
Das neue Königreich führte die Reconquista fort und eroberte 1147 Lissabon.
1250 erreicht Portugal seine heutigen Grenzen.

(vgl. Korst 2006,25; Bernecker und Pietschmann 2001,9-18; G-Geschichte 07/2005, 46)
Der Aufstieg

Schon im 14. Jahrhundert weitete Portugal den Handel im Mittelmeer und in den Nordseeraum aus. 1353 schloss Portugal einen Vertrag mit England, der portugiesischen und englischen Händlern freien Handel und Schutz gewährte.
Durch die Heiratsstrategien im Spätmittelalter kam es 1385 zu einem Konflikt zwischen dem Bürgertum und dem Adel. Als einzige Erbin des verstorbenen Königs Ferdinand hatte die Königin von Kastilien Anspruch auf die Krone Portugals. Dies hätte eine Vereinigung zur Folge gehabt, doch ein Halbbruder des Toten nutzte die Situation und beanspruchte, unterstützt von dem Bürgertum, die Krone. Johann von Avis wehrte sich 1385 bei Aljubarrota erfolgreich gegen die Invasion der Kastilier und wurde als König anerkannt. Er begründete die Dynastie Avis, unter dieser begannen der wirtschaftliche Aufstieg sowie erste Erkundungs- und Entdeckungsfahrten unter Heinrich dem Seefahrer (1394-1460).
Das Weltreich (1479-1580)

Unter den Nachfolgern Heinrichs kommt es zu weiteren Entdeckungsfahrten. Bartolomeu Diaz umsegelt als Erster das Kap der Guten Hoffnung und in Guinea werden erste Besitzungen (1482) gegründet.
Später entdeckt Vasco da Gama den Seeweg nach Indien. Von nun an ist das kleine Königreich im Besitz des Gewürzmonopols, das nicht immer friedlich verteidigt und ausgebaut wird. Es kommen ständig neue Niederlassungen in Asien, Brasilien und Afrika hinzu. Dadurch erlangt Portugal kulturell und wirtschaftlich einen starken Aufschwung, es folgt eine enorme Blütezeit und Portugal wird das reichste Land Europas.
Den enormen Einfluss der beiden Nationen auf der Iberischen Halbinsel zeigt auch die Demarkationslinie, bei der der Papst die Welt allein unter Portugal und Spanien aufteilt. Diese Regelung hat jedoch nicht lange Bestand.
(vgl. Korst 2006,28; Bernecker und Pietschmann 2001,27-46)
Diese Epoche wird noch heute in besonderer Weise mit Portugal verbunden. Auch Schlör nennt Portugal das „Land der Entdecker [und] der Abenteurer[…]“ (Schlör, S. 37).
Ein weiteres wichtiges Ereignis zu dieser Zeit ist die Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahr 1492. Ein großer Teil zog in Richtung Portugal, von wo sie allerdings auch wieder vertrieben wurden. Auch hierauf nimmt Schlör deutlich Bezug (vgl. Schlör S. 38).
Ein Tag Verspätung, dafür ein etwas längerer Abschnitt Wink


Die Abhängigkeit von Spanien und England (1580- ca. 1720)

Nach zunehmenden Angriffen von französischer, englischer und holländischer Seite auf die Handelsschifffahrt Portugals und auch durch die beginnende Spaltung Europas durch die Reformation kam es zu einer Annähung zwischen Portugal und Spanien. Dies führte auch zu Heiratsverflechtungen. Das wurde zu einem Problem, als der kinderlose König Sebastian in einer Schlacht in Marokko ums Leben kam. Der einzige noch lebende Thronfolger war der kinderlose Kardinal Henrique, der keine testamentarische Nachfolge hinterließ. Der Spanier Philip II. konnte aufgrund vorangegangener Hochzeiten seinen Anspruch legitimieren und es gelang ihm, ohne größere Auseinandersetzungen den Thron zu besteigen.
Das glorreiche Haus Avis war ausgestorben.
Trotz Bestrebungen, Eigenständigkeit zu bewahren, musste Portugal in der Folgezeit an verschiedenen Konflikten Spaniens teilnehmen, was zum Verlust von Kolonien und mit der Niederlage der spanischen Armada (1588) auch zu enormen Verlusten der Flotte führte. Außerdem zerrte der Bankrott der Spanier auch die portugiesischen Kassen aus.
Erst 1640 gelang es, mit der Hilfe Frankreichs die Unabhängigkeit Portugals wiederherzustellen. Die Franzosen als Konkurrenten Spaniens unterstützten den Herzog von Braganca bei einem Aufstand, um die Spanier zu schwächen. Ohne nennenswerte Gegenwehr konnte sich der Herzog zum König Johann IV. ausrufen lassen. Das Haus Braganca regierte als folgende Dynastie Portugal. Um sich vor dem erwarteten Angriff Spaniens zu schützen, erneuerte Johan die Bündnisse mit England und eroberte Teile des Kolonialreiches zurück. Zur bedeutendsten Kolonie avancierte nun Brasilien und fast ausschließlich durch brasilianisches Zuckerrohr kam Geld in den Staatshaushalt.
Infolge mangelnder Reformbereitschaft des Klerus und des Adels geriet Portugal auch wirtschaftlich in immer größere Abhängigkeit von England. Dieses versorgte das Land mit Fertigwaren und unterstützte durch rege Abnahme des Zuckerrohrs den Außenhandel. Die Engländer übten indirekten Einfluss auf Portugal aus, indem sie sich als Handels- und Militärpartner unverzichtbar machten. Deutlich wird dies auch durch den Methuen -Vertrag im Jahre 1703, der verhinderte, dass sich Portugal durch modernere Produktionsweisen von den Briten lösen konnte.
Aus der Abhängigkeit von Spanien war eine indirekte Abhängigkeit von England geworden. Erst die Goldfunde in Brasilien konnten diese Beklemmung lockern, doch eine wirkliche Industrialisierung fand nicht statt.
An der Schwelle zur Moderne

Unter diesem Goldboom gelang es zumindest der Oberschicht, ein zweites Mal ein goldenes Zeitalter einzuläuten. Unter Johann V. wurde eine rege Bautätigkeit entwickelt und Portugal erlebte eine neue Blüte. Sein Sohn Joseph I. hatte mit dem langsam schwindenden Goldboom in Brasilien zu kämpfen. Dessen Berater Marquês de Pombal versuchte Portugal nach dem Vorbild anderer Nationen in allen Bereichen zu erneuern.
1755 kam es dann in Lissabon zu einer Naturkatastrophe. Ein Erdbeben mit einem verheerenden Feuer verwüstete große Teile Lissabons und forderte viele Menschenleben. Der Wiederaufbau, sowie weitere Reformen lagen in Pombals Händen und führten zu einer wirtschaftlichen Erholung Portugals.
Trotzdem kam Portugal nicht zur Ruhe. Durch sein Bündnis mit England wurde das Land in die napoleonischen Kriege gezogen. Die Franzosen fielen 1807 in Portugal ein und verwüsteten das Land, während der Hof nach Brasilien geflohen war. Erst 1811 vertrieben die Engländer die Franzosen wieder und Portugal lag wirtschaftlich am Boden. Die beginnende Industrialisierung war gestoppt und Portugal wurde von Brasilien aus regiert, welches nun ein eigenes Königreich war.



In den letzten Beiträgen kommt übrigens das angesprochene, wechselvolle Bündnis mit England vor Wink
Liberal- konstitutionelle Monarchie und sozio – ökonomischer Umbruch

Um 1820 bekamen die französisch geprägten Liberalen immer mehr Zuspruch und befanden sich im Aufwind. Durch die abwesenden Herrscher, die englische Vorherrschaft, die sich nach der Vertreibung der Franzosen entwickelt hatte, und den Abfluss finanzieller Mittel nach Brasilien verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage zusehends. Durch Einflüsse des liberalen Spanien ermutigt, probten die Liberalen im August 1820 den Aufstand und setzten eine Rückkehr des Königs, die Vorherrschaft des Parlaments gegenüber dem König und weitere Merkmale einer liberal-konstitutionellen Monarchie durch. Trotz der Forderung, dass Brasilien Portugal weiter zugehörig sein solle, erklärte es im Jahr 1822 die Unabhängigkeit.
Schon 1826 wurde die portugiesische Verfassung jedoch wieder abgeschwächt. Später kam es zu einer schwachen Industrialisierung mit der Errichtung von Eisenbahnen und Straßen, doch es konnte kein Durchbruch erzielt werden. Während dieser Zeit türmten sich Schuldenberge auf, die 1891 zum Staatsbankrott führten. Im späten 19. Jahrhundert eroberte auch Portugal einige Kolonien in Afrika.
(01.08.2012 19:50)Viriathus schrieb: [ -> ]Im späten 19. Jahrhundert eroberte auch Portugal einige Kolonien in Afrika.
Das ist bemerkenswert, denn von Portugal starteten im 15.Jhd. noch vor Spanien die Ozeanentdecker. Unter Heinrich dem Seefahrer erreichten sie die westafrkanische Küste und etablierten dort Handelsstützpunkte u.a. in Elmina. http://de.wikipedia.org/wiki/Elmina
Allerdings wurden diese mithilfe der ansässigen Herrscher unterhalten oder gepachtet und dienten mehr als Zwischenstation und zum Handel, später war es ein berüchtigtes Sammellager für den Sklavenhandel. Das Hinterland zu erobern, haben die Portugiesen im 15./16.Jhd. nicht versucht.
(01.08.2012 22:03)Renegat schrieb: [ -> ]Das Hinterland zu erobern, haben die Portugiesen im 15./16.Jhd. nicht versucht.

Das nicht unbedingt, aber sie betrieben Handel und Mission bis tief ins Innere des Kontinents hinein. Sie waren im 16. Jahrhundert damit in Gegenden aktiv, die erst im späten 19. Jahrhundert wieder ein Weißer betrat.
http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigreich_Kongo
(01.08.2012 22:21)Arkona schrieb: [ -> ]
(01.08.2012 22:03)Renegat schrieb: [ -> ]Das Hinterland zu erobern, haben die Portugiesen im 15./16.Jhd. nicht versucht.

Das nicht unbedingt, aber sie betrieben Handel und Mission bis tief ins Innere des Kontinents hinein. Sie waren im 16. Jahrhundert damit in Gegenden aktiv, die erst im späten 19. Jahrhundert wieder ein Weißer betrat.
http://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%B6nigreich_Kongo

Haben die Portugiesen ihr Wissen eigentlich Geheim gehalten?

Anlass dieser Frage:
In der Mitte des 19. Jahrhunderts haben europäische Handelsgesellschaften die Ostafrikanischen Flüsse auf ihre Eignung als Handelsstraßen untersucht. Aus einem dieser Expeditionsberichte ist mir erinnerlich, dass die an der Sambesi-Mündung ansäßigen Portugiesen dessen Eignung grundsätzlich verneinten. Die Expedition aber trotzdem loszog.
Demnach können zdZ im interessierten Europa keine verlässlichen Berichte über den Sambesi vergelegen haben.

Dass die Expedition, als sie vor Ort war, auf alle Fälle loszog ist ja klar.
(02.08.2012 09:51)Suebe schrieb: [ -> ]Haben die Portugiesen ihr Wissen eigentlich Geheim gehalten?

Anlass dieser Frage:
In der Mitte des 19. Jahrhunderts haben europäische Handelsgesellschaften die Ostafrikanischen Flüsse auf ihre Eignung als Handelsstraßen untersucht. Aus einem dieser Expeditionsberichte ist mir erinnerlich, dass die an der Sambesi-Mündung ansäßigen Portugiesen dessen Eignung grundsätzlich verneinten. Die Expedition aber trotzdem loszog.
Demnach können zdZ im interessierten Europa keine verlässlichen Berichte über den Sambesi vergelegen haben.

Dass die Expedition, als sie vor Ort war, auf alle Fälle loszog ist ja klar.

Zur Zeit der großen Entdecker eindeutig ja, nur in groben Zügen waren die Routen allgemein bekannt. Da schlummert sicher noch manche Überraschung in portugiesischen Archiven oder im Vatikan.

Die großen afrikanischen Ströme sind allesamt nicht schiffbar wegen Stromschnellen, deshalb drangen Europäer erst im 19. Jahrhundert (wieder) ins Innere vor. So ganz unrecht hatten die Portugiesen also nicht, auch wenn sie sicher mit Schauergeschichten von Kannibalen und wilden Bestien die Konkurrenz abhalten wollten.
An der westafrikanischen, späteren Sklavenküste war es für die Portugiesen, später die Niederländer und zuletzt die Briten viel einfacher mit den einheimischen Herrschern zusammenzuarbeiten. Sie waren Seefahrer und Händler. Es wurde zwar mit Waren aus dem Landesinneren gehandelt aber über einheimische Zwischenhändler. Mission fand höchstens an den Küsten statt.
Der Drang, das Innere des afrikanischen Kontinents zu erforschen und zu erobern, kam erst im 19. Jhd auf.
(02.08.2012 10:32)Renegat schrieb: [ -> ]Mission fand höchstens an den Küsten statt.
Der Drang, das Innere des afrikanischen Kontinents zu erforschen und zu erobern, kam erst im 19. Jhd auf.
Du hast offenbar meinen Link nicht beachtet, sonst würdest du das nicht behaupten.
(02.08.2012 10:54)Arkona schrieb: [ -> ]
(02.08.2012 10:32)Renegat schrieb: [ -> ]Mission fand höchstens an den Küsten statt.
Der Drang, das Innere des afrikanischen Kontinents zu erforschen und zu erobern, kam erst im 19. Jhd auf.
Du hast offenbar meinen Link nicht beachtet, sonst würdest du das nicht behaupten.
Du hast offenbar überlesen, dass ich von der westafrikanischen Küste schrieb und die geht nicht bis zum Kongo, dein Link ist mit Kongo betitelt, deshalb habe ich ihn nicht gelesen.
(02.08.2012 10:19)Arkona schrieb: [ -> ]Zur Zeit der großen Entdecker eindeutig ja, nur in groben Zügen waren die Routen allgemein bekannt. Da schlummert sicher noch manche Überraschung in portugiesischen Archiven oder im Vatikan.

In Lissabon ist wohl Ende des 18. Jahrhunderts bei einem Erdbeben das "Zentrale Seefahrtsarchiv" abgebrannt.

Ich kenne das alles leider nur der Spur nach, aber es fasziniert mich sehr.
Mal sehen. was ich hier für Infos bekomme.
(02.08.2012 11:08)Renegat schrieb: [ -> ]
(02.08.2012 10:54)Arkona schrieb: [ -> ]Du hast offenbar meinen Link nicht beachtet, sonst würdest du das nicht behaupten.
Du hast offenbar überlesen, dass ich von der westafrikanischen Küste schrieb und die geht nicht bis zum Kongo, dein Link ist mit Kongo betitelt, deshalb habe ich ihn nicht gelesen.
Ja klar doch - so kann man es auch sehen, um Recht zu behalten. Smile
Tatsache ist, dass lange vor den Afrikaforschern des 19. Jahrhunderts Portugal ziemlich detaillierte Kenntnisse vom Landesinneren hatte und sogar diplomatische Beziehungen zu entwickelten christianisierten Staatsgebilden Afrikas unterhielt. Als Livingstone und Stanley kamen, war davon freilich nichts mehr übrig.

Die Portugiesen engagierten sich auch, was kaum jemand weiß, im Hochland von Äthiopien, wo ein Sohn Vasco da Gamas umkam.
http://de.wikipedia.org/wiki/Cristov%C3%A3o_da_Gama
Es dauerte 80 Jahre bis der nächste Europäer, wieder ein Portugiese, den Tanasee erneut sah.
Die erste Republik (1910-1926)

1910 wurde in Portugal die erste Republik ausgerufen. Eine Militärrevolte hatte die konstitutionelle Monarchie gestürzt. Als eine der ersten Nationen Europas führte Portugal die Republik ein, ihre Ziele waren vor allem antiklerikal, nationalistisch und kolonialistisch geprägt. Außerdem sollte die Abhängigkeit von England bekämpft werden. Vor allem die Kirche bekam die Neuerungen zu spüren. Portugal hatte ein Antiklerikalismus gepackt: Priester wurden ermordet, Klöster geplündert und zerstört. Die Regierung verurteilte dies zwar, ging aber dennoch antiklerikal vor. So verwies man zum Beispiel Jesuiten des Landes oder schaffte kirchliche Feiertage ab. Auch die Situation der Arbeiter verbesserte sich nur geringfügig und es kam zu Aufständen.
Ernste Probleme bekam die Republik schließlich durch dauernde Regierungswechsel. Innerhalb von 15 Jahren Republik kam es zu 44 Regierungswechseln. Der erste Weltkrieg trug zur Destabilisierung bei.
Am 28. Mai 1926 wurde die Regierung schließlich durch einen Militärputsch ihres Amtes enthoben.



Übrigens: Es sind teilweise interessante Ähnlichkeiten zu Deutschland finde ich. Es ist erstaunlich, dass die frühen Republiken Europas mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten.
(03.08.2012 23:40)Viriathus schrieb: [ -> ]Die erste Republik (1910-1926)

1910 wurde in Portugal die erste Republik ausgerufen. Eine Militärrevolte hatte die konstitutionelle Monarchie gestürzt. Als eine der ersten Nationen Europas führte Portugal die Republik ein, ihre Ziele waren vor allem antiklerikal, nationalistisch und kolonialistisch geprägt. Außerdem sollte die Abhängigkeit von England bekämpft werden.

Muss man vor diesem Hintergrund den deutsch/britischen Teilungsplans der portugisieschen Kolonien sehen?
(04.08.2012 10:54)Steppenwolf schrieb: [ -> ]Muss man vor diesem Hintergrund den deutsch/britischen Teilungsplans der portugisieschen Kolonien sehen?

Nun mal nicht so dubios. Für alle. Welcher Plan?
(04.08.2012 11:09)Arkona schrieb: [ -> ]
(04.08.2012 10:54)Steppenwolf schrieb: [ -> ]Muss man vor diesem Hintergrund den deutsch/britischen Teilungsplans der portugisieschen Kolonien sehen?

Nun mal nicht so dubios. Für alle. Welcher Plan?
Er meint den Angola-Vertrag:
Wikipedia schrieb:Verhandlungen über ein britisch-deutsches Bündnis führten aber schon 1898 zum sogenannten „Angola-Vertrag“: Für den Fall, dass Portugal Geld brauchen sollte, vereinbarten Deutschland und Großbritannien eine gemeinsame Anleihe, für welche die portugiesischen Kolonien als Pfand vorgesehen waren. Im Falle der erwarteten Zahlungsunfähigkeit Portugals sollte dann Zentralangola (Innerangola) an Großbritannien, hingegen Nord-, Süd- und Westangola an Deutschland fallen (ebenso Nord-Mosambik und Portugiesisch-Timor an Deutschland, Süd-Mosambik an Großbritannien). Deutschland verzichtete dafür auf die Unterstützung der Buren in deren Kampf gegen Großbritannien.
Quelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_...interlands
Siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Mit...la-Vertrag

Dieses Abkommen war allerdings mit dem Vertrag von Windsor zwischen Portugal und England wieder hinfällig.
http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von...%281899%29
(05.08.2012 13:48)Annatar schrieb: [ -> ]:
Wikipedia schrieb:Verhandlungen über ein britisch-deutsches Bündnis führten aber schon 1898 zum sogenannten „Angola-Vertrag“: Für den Fall, dass Portugal Geld brauchen sollte, vereinbarten Deutschland und Großbritannien eine gemeinsame Anleihe, für welche die portugiesischen Kolonien als Pfand vorgesehen waren. Im Falle der erwarteten Zahlungsunfähigkeit Portugals sollte dann Zentralangola (Innerangola) an Großbritannien, hingegen Nord-, Süd- und Westangola an Deutschland fallen (ebenso Nord-Mosambik und Portugiesisch-Timor an Deutschland, Süd-Mosambik an Großbritannien). Deutschland verzichtete dafür auf die Unterstützung der Buren in deren Kampf gegen Großbritannien.
Quelle:
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_...interlands
Siehe auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-Mit...la-Vertrag

Dieses Abkommen war allerdings mit dem Vertrag von Windsor zwischen Portugal und England wieder hinfällig.

http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von...%281899%29

Nö.
Man hat sich 1913 "wieder" geeinigt.
Zitat:In den deutsch-britischen Verhandlungen zur Aufteilung der portugiesischen und belgischen Afrikabesitzungen gab es erste konkrete Pläne. Im Juli 1913 einigten sich die Partner, für den Fall finanzieller Schwierigkeiten Portugals, auf den Anspruch Deutschlands auf Angola, außer dem Grenzgebiet zu Nordrhodesien, sowie auf Sao Tomé und Principe, während England Mosambik bis zum Lugenda beanspruchte
Salazarismus und Estado Novo
Die Militärregierung berief den Volkswirtschaftlehre-Professor António de Salazar zum Finanzminister. Diesem wurden weitreichende Kompetenzen zugestanden, mit denen es ihm gelang, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Wegen seiner erfolgreichen Politik und guten Beziehungen zu Militärs und Politikern wurde er 1932 zum Regierungschef ernannt.
Im neuen Staat („Estado Novo“) lag die Macht beim Ministerpräsidenten sowie beim Regierungschef. Unter dem bis 1968 regierenden Salazar wurde Portugal zur Diktatur. So wurden zum Beispiel Pressefreiheit, Opposition, Meinungsfreiheit und Streikrecht abgeschafft. Unter Salazars Nachfolger Marcello Caetano hatte der Estado Novo noch bis 1974 Bestand. Zu dieser Zeit trägt sich auch die von Lídía Jorge beschriebene Geschichte des Studenten in Paris zu (vgl. Jorge S. 183).
(06.08.2012 12:28)Suebe schrieb: [ -> ]Nö.
Man hat sich 1913 "wieder" geeinigt.
Zitat:In den deutsch-britischen Verhandlungen zur Aufteilung der portugiesischen und belgischen Afrikabesitzungen gab es erste konkrete Pläne. Im Juli 1913 einigten sich die Partner, für den Fall finanzieller Schwierigkeiten Portugals, auf den Anspruch Deutschlands auf Angola, außer dem Grenzgebiet zu Nordrhodesien, sowie auf Sao Tomé und Principe, während England Mosambik bis zum Lugenda beanspruchte
Wusste ich nicht. Wie doppelmoralisch ist das denn ??
Zitat:Wikipedia schrieb:Verhandlungen über ein britisch-deutsches Bündnis führten aber schon 1898 zum sogenannten „Angola-Vertrag“: Für den Fall, dass Portugal Geld brauchen sollte, vereinbarten Deutschland und Großbritannien eine gemeinsame Anleihe, für welche die portugiesischen Kolonien als Pfand vorgesehen waren. Im Falle der erwarteten Zahlungsunfähigkeit Portugals sollte dann...
(07.08.2012 19:16)Annatar schrieb: [ -> ]
(06.08.2012 12:28)Suebe schrieb: [ -> ]Nö.
Man hat sich 1913 "wieder" geeinigt.
Wusste ich nicht. Wie doppelmoralisch ist das denn ??

Vielleicht verteilt man zur Zeit gerade auch schon die Ägäische Inselwelt. Big Grin
(06.08.2012 20:00)Viriathus schrieb: [ -> ]Salazarismus und Estado Novo
Die Militärregierung berief den Volkswirtschaftlehre-Professor António de Salazar zum Finanzminister. Diesem wurden weitreichende Kompetenzen zugestanden, mit denen es ihm gelang, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Wegen seiner erfolgreichen Politik und guten Beziehungen zu Militärs und Politikern wurde er 1932 zum Regierungschef ernannt.
Im neuen Staat („Estado Novo“) lag die Macht beim Ministerpräsidenten sowie beim Regierungschef. Unter dem bis 1968 regierenden Salazar wurde Portugal zur Diktatur. So wurden zum Beispiel Pressefreiheit, Opposition, Meinungsfreiheit und Streikrecht abgeschafft. Unter Salazars Nachfolger Marcello Caetano hatte der Estado Novo noch bis 1974 Bestand. Zu dieser Zeit trägt sich auch die von Lídía Jorge beschriebene Geschichte des Studenten in Paris zu (vgl. Jorge S. 183).

Hallo Viriathus,
hattest nicht Du auch eine Kurzbiografie über Marcello Caetano im Forum von G/Geschichte erstellt. Könntest sie ja dann hier einstellen. Sorry, wenn ich das irgendwas verwechselt haben sollte.
(07.08.2012 21:52)Sansavoir schrieb: [ -> ]Hallo Viriathus,
hattest nicht Du auch eine Kurzbiografie über Marcello Caetano im Forum von G/Geschichte erstellt. Könntest sie ja dann hier einstellen. Sorry, wenn ich das irgendwas verwechselt haben sollte.

Hatte ich. Habe die allerdings nicht mehr Sad
Kolonialkrieg

Nachdem die Wirtschaftsbeziehungen zu den afrikanischen Kolonien Mozambique und Angola nach dem zweiten Weltkrieg zunächst positiv verliefen, kam es in den sechziger Jahren zu Aufständen.
Deren grausame Bekämpfung sorgte für zunehmende internationale Isolation, die Erfolglosigkeit und hohe Kosten sorgten innenpolitisch für eine Entfremdung des Militärs vom Regime.
Schon 1961 hatte Portugal seine Besitzungen in Indien verloren. Nach der Nelkenrevolution wurden die Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen.
(09.08.2012 20:13)Viriathus schrieb: [ -> ]
(07.08.2012 21:52)Sansavoir schrieb: [ -> ]Hallo Viriathus,
hattest nicht Du auch eine Kurzbiografie über Marcello Caetano im Forum von G/Geschichte erstellt. Könntest sie ja dann hier einstellen. Sorry, wenn ich das irgendwas verwechselt haben sollte.

Hatte ich. Habe die allerdings nicht mehr Sad

Hier ist sie:

"Marcello Caetano machte unter Salazars Regime Karriere. Er war unter anderem Minister für die Kolonien. Nach dem Tod Salazars wurde er zu dessen Nachfolger ernannt, versuchte den Estado Novo weiterzuführen und wirkte zwischen 1968 und 1974. Noch gar nicht lange her.

Er führte den Kolonialkrieg, der ohnehin grausam seitens Portugal geführt, mit noch härterer Hand weiter. Portugal hatte zu dieser Zeit noch Mosambique und Angola als Kolonien in Afrika. Pikant an diesem Krieg, er war aus Sicht Portugals a) erfolglos und b) extrem teuer. Mehr als die Hälfte des Staatshaushalts (!!!) gingen für den Krieg drauf. Nun hatte unter anderem der Kolonialkrieg aber Portugal international isoliert. Insgesamt hatte sich das Militär vom Regime entfernt.
1974 wurde dann nahezu unblutig geputscht. Nelkenrevolution wurde dieses Ereignis später genannt, weil die putschenden Soldaten vielfach Nelken in ihre Gewehrläufe und an ihre Hemden steckten.
Caetano ging nach Madeira und Brasilien ins Exil."


Erraten hat das Rätsel im Forum-Spiel Scifi (Frage 146)

http://www.g-geschichte.de/forum/weltges...#post97282
Siehste, es findet sich alles wieder. Smile
Nelkenrevolution und der Weg nach Europa

Am 25. April 1974 putschte das Militär erfolgreich und unblutig gegen Salazars Nachfolger. Dieser Putsch wird auch als Nelkenrevolution bezeichnet. Nach einer zunächst kommunistisch orientierten Politik, bestätigten am 25. April 1975 die Bürger Portugals in den ersten freien Wahlen die neue Verfassung.
Das erste Wahlergebnis zeigte nur eine geringe Zustimmung für die Kommunisten, dagegen eine hohe für die Sozialisten. Portugal ging also einen gemäßigten Weg.
Der Weg Portugals nach der Nelkenrevolution kann als sehr erfolgreich bezeichnet werden, da ein klarer Bruch zum früheren Regime stattfand.
Durch diese Annäherung an den Westen Europas, die später durch eine Verfassungsänderung noch verstärkt wurde, entwickelte sich also eine Regierungsform, die es möglich machte, dass Portugal 1986 in die EU eintrat.
Die Folgen und Chancen dieses Eintritts beschreiben sowohl Jorge, als auch Schlör in ihren Veröffentlichungen.


Damit endet die grobe Skizzierung der portugisieschen Geschichte. Es folgt noch eine genauere Auseinandersetzung mit dem Judentum in Portugal, Portugal als Exodus Europas, sowie Europas Einfluss auf Portugal!
Ich hoffe die Geschichtsserie stieß auf Interesse.
Das kommende ist eigentlich jenes was mich besonders interessierte bei der vorliegenden Arbeit!
Das Judentum in Portugal

Joachim Schlör erwähnt in seinen Reisenotizen, dass in der spanisch-portugiesischen Grenzregion ein Projekt zur Wiederherstellung der alten jüdischen Aljamas, also der alten jüdischen Viertel, geplant sei. Infolge dieser Beobachtung sieht er eine starke Verknüpfung jüdischer Geschichte mit Europa: „[…] Portugal: Endstation einer großartigen Geschichte des sephardischen Judentums, das sich von da an über Europa verteilt.“ (Schlör, 38). Die Verfolgung im Zuge der Inquisition brachte es mit sich, dass sich viele Juden im fünfzehnten Jahrhundert von ihrer iberischen Heimat lösten und in ganz Europa verteilten. Dies schuf eine Verbindung zu anderen Orten der jüdischen Geschichte. (vgl. Schlör, 38).

Ich möchte hier einen kleinen Überblick über den Verlauf der Verfolgungen und das damalige Leben der spanischen und portugiesischen Juden geben.

Die Geschichte des Judentums in Spanien und Portugal beginnt schon früh während der Entwicklung Portugals zu einem eigenen Königreich und der Reconquista. In den von den Christen zurückeroberten Städten kam es zu Ansiedlungen jüdischer Versammlungen und Gemeinden (vgl. Korst, 38).
Die Iberische Halbinsel war schon zur Zeit der Maurenherrschaft eine angenehme Heimat für die Juden gewesen (vgl. Czermak, 73). Nun wurden ihr Talent und der hohe Bildungszustand benötigt, um das neu erworbene Land sinnvoll zu organisieren. Es gab in den folgenden Jahren durchaus friedliche Zusammenarbeit auf religiöser als auch auf intellektueller Ebene (vgl. Czermak, 73). Der Einfluss der Juden ging wegen ihrer wirtschaftlichen und bürokratischen Bedeutung soweit, dass die Herrschenden ihre schützende Hand über die Juden hielten (vgl. Czermak, 74).
Das änderte sich mit dem zunehmenden Einfluss der Kirche auf den Staat. Es kam zu Zwangstaufen beziehungsweise zu freiwilligen Taufen. Diese Neuchristen waren ausgezeichnet ausgebildet und besetzten rasch wichtige Positionen im politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichem Leben (vgl. Czermak, 74). Auch gegen diese Konvertiten richtete sich nun die Inquisition und es kam zu grausamen Verfolgungen. Der Gipfel wurde in Spanien im Jahr 1492 erreicht, in dem nahezu sämtliche Juden zur Emigration gezwungen wurden (vgl. Czermak, 75).
Viele der Fliehenden zogen nach Portugal, dessen König ihnen Offerten eröffnet hatte. Doch infolge des innenpolitischen Drucks der christlichen Bevölkerung und des stärker werdenden spanischen Einflusses (vgl. Beiträge oben) kam es auch in Portugal zu Aufforderungen zur Taufe. Im Jahr 1496 musste Portugals König dann endgültig die Vertreibung der Juden veranlassen (vgl. Bernecker und Pietschmann, 36). Nach einer Seuche in Lissabon kam es 1506 zu einem Pogrom gegen die getauften Neuchristen. Es wurden zweitausend (!) Konvertiten verbrannt (eine unfassbare Zahl und Gausamkeit). Dieses Ereignis veranlasste erneut viele Juden zur Emigration (vgl. Bernecker und Pietschmann, 36; Czermak, 76). Die Inquisition wurde am 12. Oktober 1536 auch in Portugal eingeführt.

Es wird hier ein weiteres Mal deutlich, wie weit religiöser Fanatismus gehen kann. Im zwanzigsten Jahrhundert kam es zur Rückkehr einiger Juden nach Portugal und im Jahr 1904 wurde die heutige Synagoge in Lissabon gebaut. Es bleibt zu hoffen, dass dem Judentum im neuen Jahrtausend, dem Zeitalter der europäischen Verständigung, eine bessere und friedlichere Geschichte in Europa zukommt.




Ich bitte die etwas amateurhafte Quellenarbeit zu verzeihen, die Grundlage dieser Beiträge ist einige Jahre alt.
Ich starrte auf das Schiff. Es lag ein Stück vom Quai entfernt, grell beleuchtet, im Tejo. Obschon ich seit einer Woche in Lissabon war, hatte ich mich noch immer nicht an das sorglose Licht dieser Stadt gewöhnt. In den Ländern, aus denen ich kam, lagen die Städte nachts schwarz da wie Kohlegruben, und eine Laterne in der Dunkelheit war gefährlicher als die Pest im Mittelalter. Ich kam aus dem Europa des zwanzigsten Jahrhunderts.

Das Schiff war ein Passagierdampfer, der beladen wurde. Ich wußte, daß es am nächsten Abend abgehen sollte. Im harten Schein der nackten elektrischen Birnen wurden Ladungen von Fleisch, Fisch, Konserven, Brot und Gemüse verstaut; Arbeiter schleppten Gepäck an Bord, und ein Kran schwang Kisten und Ballen so lautlos herauf, als wären sie ohne Gewicht. Das Schiff rüstete sich zur Fahrt, als wäre es eine Arche in der Sintflut. Es war eine Arche. Jedes Schiff, das in diesen Monaten des Jahres 1942 Europa verließ, war eine Arche. Der Berg Ararat war Amerika, und die Flut stieg täglich. Sie hatte Deutschland und Österreich seit langem überschwemmt und stand tief in Polen und Prag; Amsterdam, Brüssel, Kopenhagen, Oslo und Paris waren bereits in ihr untergegangen, die Städte Italiens stanken nach ihr, und auch Spanien war nicht mehr sicher. Die Küste Portugals war die letzte Zuflucht geworden für die Flüchtlinge, denen Gerechtigkeit, Freiheit und Toleranz mehr bedeuteten als Heimat und Existenz.
Wer von hier das gelobte Land Amerika nicht erreichen konnte, war verloren. Er mußte verbluten um Gestrüpp der verweigerten Ein- und Ausreisevisa, der unerreichbaren Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen, der Internierungslager, der Bürokratie, der Einsamkeit, der Fremde und der entsetzlichen allgemeinen Gleichgültigkeit gegen das Schicksal des Einzelnen, die stets die Folge von Krieg, Angst und Not ist. Der Mensch war um diese Zeit nichts mehr; ein gültiger Pass alles.




Mit diesen Zeilen, die dem Anfang von Erich Maria Remarques Roman "Die Nacht von Lissabon" entnommen sind, leite ich das nächste Thema ein. Europa als Exodus Europas.
Eindrucksvoller und realistischer als Remarque, der selber aus Europa fliehen musste, kann man die Lage wohl nicht beschreiben. Für mich ist dieser Start einer der eindrücklichsten, den ich je in einem Roman gelesen habe.
Der ganze Roman ist ein eindrucksvolles Bild von einem Flüchtling zur Zeit in der das Dritte Reich Europa mit Krieg überzog.
Die Peripherie als Zufluchtsort und Exodus

„Lisboa: prachtvolles Theater der Emigration“ (Schlör, 37). So beginnt Schlör seine Ausführungen zu Lissabon als Tor zur Welt. Auf der einen Seite liegt Afrika, auf der anderen, im Westen, Amerika: ein idealer Platz den Kontinent zu verlassen. Die Seefahrer und Entdecker waren auf der Suche nach Reichtum und neuem Land (vgl. Kap. 3.2. und 3.3.). Zur Zeit des Nationalsozialismus jedoch entzogen sich hier viele Menschen den Fängen der Gestapo, entweder um zu bleiben oder um weiterzureisen.

Fast 100000 Emigranten flohen aus dem Machtbereich der Nationalsozialisten über Frankreich und Spanien nach Portugal beziehungsweise Lissabon. Darunter auch namhafte Intellektuelle wie Heinrich Mann.
Nach dem Aufenthalt in Frankreich, das teilweise besetzt war, und Spanien, das durch den Bürgerkrieg ebenfalls keinen sicheren Aufenthaltsort bot, war Portugal das erste Land, indem sich die Flüchtlinge sicher fühlten. Das Land war nicht durch Kriege gezeichnet und fast nichts erinnerte an Verwüstungen oder Kriegsalltag, wie zum Beispiel Sperrstunden (vgl. von zur Mühlen, 115). Dies führte unweigerlich dazu, dass viele Emigranten Portugal durchweg positiv beurteilten. Die Diktatur Salazars (vgl. Kap. 3.8.) wurde wenig beachtet. Von manchen Emigranten wurde er sogar gegen Angriffe in Schutz genommen (vgl. von zur Mühlen, 115). Ein Grund dafür mag sein, dass sich Salazar anders als die anderen europäischen Diktatoren präsentierte. Portugal war weder stark militärisch geprägt noch gab es Personenkult oder Aufmärsche (vgl. von zur Mühlen, 116). Die schlimmere Gefahr wurde von den Flüchtenden also verständlicherweise jenseits der Grenzen des kleinen Staates gesehen.
Trotz dieser erträglichen Innenpolitik flohen die meisten Emigranten zunächst ins näher gelegene Ausland (Niederlande oder Frankreich). Erst als das faschistische Deutschland in diesen Staaten einmarschierte, rückte das kleine, weit entfernte Land am Atlantik in den Blickpunkt der Auswanderer (vgl. von zur Mühlen, 121). Zunächst emigrierten mehrheitlich jüdische Bürger aus den besetzen Gebieten und Deutschland nach Portugal. Obwohl sich die jüdischen Flüchtlinge sehr gut in den Arbeitsmarkt integrieren konnten und Portugals Wirtschaft wuchs (vgl. Kap. 3.8.), stellten sich mit der zunehmenden Anzahl soziale Probleme ein. Die Flüchtenden wurden von den jüdischen Gemeinden in Lissabon, Faro, Porto und Braganza unterstützt (vgl. von zur Mühlen, 124f.).
Viele Emigranten zogen nach der Ankunft in Portugal weiter in Portugals damalige Kolonien. Außerdem reisten zahlreiche Emigranten in die USA oder nach Südamerika aus. Hier zeigt sich, dass Portugal zu dieser Zeit durchaus ein Tor zur Welt war (vgl. von zur Mühlen, 155).
Der spanische Bürgerkrieg unterbrach in den folgenden Jahren den regen Flüchtlingsstrom, der sich aber bald wieder einstellte und Portugal vor innenpolitische Probleme stellte. Im Jahr 1938 wurden einige Emigranten abgewiesen und mussten zurückkehren. Anders als in anderen Länder, die Flüchtlinge aufnahmen, gab es in Portugal zwar keinen Antisemitismus, da in Portugal seit dem siebzehnten Jahrhundert kaum noch Juden lebten (vgl. Kap. 4.1.), dennoch hatte auch die portugiesische Bevölkerung Angst vor Überfremdung (vgl. von zur Mühlen, 128f.).
Portugals Rolle im Zweiten Weltkrieg war neutral geprägt und die Politik versuchte erfolgreich, sich aus allen Konflikten herauszuhalten (vgl. von zur Mühlen, 130f.).
Dennoch rettete die Regierung alle portugiesischen Juden, die sich im Deutschen Reich aufhielten, und trat später noch als Vermittler bei anderen Nationen auf.

Schlörs Ausspruch, Lissabon sei ein prachtvolles Theater der Emigration, scheint durchaus angebracht. Die Emigranten in ihrer kulturellen Vielfalt und Verschiedenheit müssen manchen der einheimischen Portugiesen teilweise wie Schauspieler in einem Theater oder vielleicht auch wie Figuren in einer Tragödie vorgekommen sein.
Ich denke, dass eine Kurzbiografie über Salazar in diesen Thread passt.

António de Oliveira Salazar

Salazar wurde am 28. April 1889 in dem kleinen Dorf Santa Comba Dãno im Dãno-Tal nordöstlich von Lissabon als Sohn eines Gutsverwalters geboren. Er verbrachte unter einfachen Verhältnissen eine glückliche Kindheit, die vor allem von den Wertbegriffen der römisch-katholischen Religion bestimmt war. 1900 wird er in das Priesterseminar in Viseu aufgenommen, wo er bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr Unterricht von den Jesuiten erhält. Um Volkswirtschaft und Jura zu studieren, besucht Salazar ab 1910 die Universität in Coimbra. Seinen Lebensunterhalt konnte er noch während des Studiums mit diversen Lehraufträgen finanzieren. Bereits 1916 unterrichtete Salazar selbst als Professor für Volkswirtschaftskunde in Coimbra. Bald galt er als ein anerkannter Finanzexperte, so dass er 1928 von Präsident Carmona (1869–1951) zum Finanzminister ernannt wurde.

Aufgrund der Weltwirtschaftslage konnte sich Salazar als Finanzexperte profilieren, de facto stieg er mit seiner Finanzdiktatur zum mächtigsten Mann in Portugal auf. Begünstigt wurde dies durch die bereits 1926 erfolgte Abschaffung von demokratischen Grundrechten, wie Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit oder dem Verbot von Streiks. Schließlich übergab 1932 Präsident Carmona, der 1926 die erste portugiesische Republik beseitigte und durch eine Militärdiktatur ersetzt hatte, die Regierungsgeschäfte auch formal an Salazar. Als Premierminister verabschiedete dieser 1933 eine neue Verfassung, die ihm die Grundlage für einen autoritären, ständisch orientierten Staat, dem „Estado Novo“ bot. So konnten beispielsweise nur noch 16 % der Bevölkerung die von ihm gegründete und geleitete Einheitspartei „União Nacional“ wählen. Diese Einheitspartei blieb bedeutungslos, sie war keine Massenpartei wie die NSDAP. Sie diente neben Armee und Sicherheitskräften nur zur Rekrutierung von Staatsbeamten, wobei ein Aufstieg in die höhere Beamtenlaufbahn auch ohne deren Mitgliedschaft möglich war.

In den frühen 1930-er Jahren orientierte sich Salazar innen- und außenpolitisch an den italienischen Diktator Benito Mussolini. 1939 näherte er sich dem spanischen Diktator Franco, mit dem er den „Iberischen Neutralitätspakt“ schloss. Portugal nahm nicht am Zweiten Weltkrieg teil. Salazar duldete, ähnlich wie Franco, die Teilnahme einzelner Freiwilliger an der Seite Hitler-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, das Land hielt aber an seiner Neutralität fest. 1943 gewährte Salazar den Alliierten die Nutzung der Azoren-Flughäfen. 1949 wurde Portugal NATO-Mitglied.

Im September 1968 erlitt Salazar einen Schlaganfall, der ihn infolge der linksseitigen Lähmung arbeitsunfähig machte. Zum neuen Premierminister wird Marcello Caetano ernannt, der dieses Amt bis zum Sturz des Regimes begleitete. Salazar lebte seitdem in seinem Geburtsort, wobei er zeitweilig glaubte, noch Ministerpräsident Portugals zu sein. Am 27. Juli 1970 starb er in Lissabon.

Heute werden die Urteile und Bewertungen über den Politiker António de Oliveira Salazar sehr kontrovers diskutiert. Während einige Historiker Salazar für einen klerikal-faschistischen Diktator und Unterdrücker seines Volkes halten, schätzen andere an ihm, dass Portugal während seiner Regierung einen gewissen Wohlstand erlangte, internationales Ansehen gewann und nicht am Zweiten Weltkrieg teilnahm. Salazar war die zentrale Figur des von 1926 bis 1974 bestehenden Regimes in Portugal. Obwohl er nur von 1932 bis 1968 als Premierminister amtierte und einem Staatspräsidenten formal unterstand, wird oft die gesamte Ära des Regimes als Salazar-Diktatur verstanden.

Richtig ist, dass es Salazar gelang, den Finanzhaushalt zu sanieren, die Verwaltung effektiver zu organisieren und die Korruption zu minimieren. Ebenso nahm er nicht an der Seite Hitler-Deutschlands am Zweiten Weltkrieg teil. Antisemitismus blieb ihm zeitlebens fremd, nach Portugal geflüchtete Juden konnten sich in Sicherheit fühlen. Dagegen setzte er seine politischen Vorstellungen rigoros mit Hilfe seiner Geheimpolizei PIDE, einschließlich lückenloser Zensur und, wenn nötig, mit Gewalt durch. Politische Gegner wurden beseitigt, so 1965 General Humberto Delgado, der in Spanien unter nie ganz geklärten Umständen ermordet wurde. Ebenso wurden die Unabhängigkeitsbewegungen in den portugiesischen Kolonien rücksichtslos unterdrückt. Schließlich führten die noch unter Salazar begonnenen Kolonialkriege zur Destabilisierung des Regimes.

Ein wichtiger Unterschied des Salazar-Regimes gegenüber vergleichbaren Diktaturen wie in Spanien (Franco) oder Italien (Mussolini) war, der völlige Verzicht auf Massenveranstaltungen bzw. Massenmobilisierungen, Personen-/Führerkult und Indoktrination. Salazar setzte auf Ruhigstellung mittels subtiler Rechtssprechung oder direkter Gewalt, seit den 1950-er Jahren wurden tatsächliche oder potentielle Unruhestifter unter Zwang in die Kolonien versetzt. Unterstützung erhielt sein Regime von der katholischen Kirche, besonders unter den Päpsten Pius XI. und Pius XII., von Großgrundbesitzern und vom teilweise subventionierten Mittelstand.

Privat lebte Salazar sehr zurückgezogen und spartanisch. Er lehnte jeglichen Personenkult ab und trat auch Freunden und langjährigen Mitarbeiter reserviert gegenüber. Als engste Vertraute galt vor allem in seinen letzten Lebensjahren seine Haushälterin Dona Maria.
Es folgt nun der vorerst letzte Beitrag von mir zum Thema. Nicht ausgeschlossen aber, dass ich später noch weitere Beiträge als Ergänzung zufüge.


Der aktuelle Beitrag übrigens ist auf dem Stand von ca. 2007. Von der Finanzkrise war da noch nicht die Rede.


Der Einfluss Europas auf Portugal

Sowohl Jorge als auch Schlör nehmen Bezug auf die Veränderung Portugals infolge des Beitritts zur Europäischen Union. Ich möchte hier erläuternd darauf Bezug nehmen und abwägen, was die EU Portugal gebracht hat und bringt und was vielleicht noch besser gemacht werden kann oder sich negativ auswirkt.

Ist Europa der von Jorge angesprochene Ort von Freiheit, Frieden und gesellschaftlichem Gleichgewicht? Oder präsentiert sich Europa als kalte Gleichmacherin, wie Schlör es teilweise empfindet?
Fest steht, dass Portugals Beitritt sehr erfolgreich verlief und Portugal wirtschaftlich eine gute Entwicklung genommen hat. So wurden die von Jorge angesprochenen Investitionsgelder (vgl. Jorge 184) für Brücken und Straßen nutzbringend angelegt. Das Ergebnis sind zum Beispiel moderne Schnellstraßen und eine neue Brücke über den Tejo (vgl. Fritz-Vannahme, 1). Auch die geringe Arbeitslosigkeit von unter fünf Prozent und das seit der EU - Mitgliedschaft von 50% auf 70% gesteigerte Bruttoinlandsprodukt sprechen für das Land. Die Wirtschaft wächst ebenfalls stärker als in anderen EU-Staaten (vgl. Fritz-Vannahme, 1). Doch nicht überall ist die Modernisierung angekommen: Das Telefonnetz zum Beispiel ist veraltet und hat Lücken (vgl. Fritz-Vannahme, 1).
Nur als Gleichmacherin, wie Schlör sie erlebt (vgl. Schlör, 39), tritt die EU bei den Portugiesen selbst anscheinend nicht auf, denn vom Landstrich, der vor der Revolution und dem Beitritt geographisch zwar in Europa, gesellschaftlich und politisch jedoch außerhalb lag (vgl. Jorge 184), ist nicht mehr viel übrig. Man scheint in ein zutiefst europäisch geprägtes Land geraten zu sein (vgl. Fritz-Vannahme, 1). Die Portugiesen fühlen sich heute als Teil Europas. Anders als der Student, den Jorge schildert (vgl. Jorge 184), der sich erst in Paris in Europa fühlt, spricht heute niemand mehr von Europa als Reiseziel (vgl. Fritz-Vannahme, 3). Dennoch hat Europa auch negative Folgen. Neben den Fischerbooten mit den „falschen Maßen“ hat Portugal viel grundlegendere Probleme. Das Land am Meer importiert seinen Fisch aus Spanien. Die traditionellen Fischer sind in die Städte abgewandert. Das Land mit dem höchsten Fischverbrauch pro Kopf kann kein Kapital aus seiner Lage schlagen (vgl. Fritz-Vannahme, 3). Hier eröffnet sich eines der großen Probleme, die Subventionen der EU zeigten zwar in den Städten ihre Wirkung, doch das Hinterland wurde teilweise vergessen. Des Weiteren wurde die Bildung vernachlässigt. Portugal hat mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen und bekommt zudem Konkurrenz aus Osteuropa. Und auch die Investitionen in bessere Straßen können dieses Problem nicht lösen (vgl. Fritz-Vannahme, 3). Ob Europa geholfen hat, den Schock der Moderne, der im Zuge der Revolution und der Annäherung an Europa auf die Portugiesen zukam, abzufangen, ist umstritten (vgl. Fritz-Vannahme, 1; Jorge, 184f.). Klar ist aber, dass ein Wandel stattfand, der Portugal in eine neue, moderne Zeit entließ.

Es bleibt abzuwarten, wie Portugal nach der EU-Osterweiterung weiterarbeiten kann. An den selbstbewussten Plänen des Landes und seiner Bevölkerung, die schon häufiger eine emotionale Geschichte erlebt hat (vgl. Jorge, 185), wird es sicherlich nicht liegen.
Referenz-URLs