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Normale Version: Lastenausgleich
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So lange ist es gar nicht her, die 50er Jahre, aber sehr vieles ist inzwischen vergessen.
Als unsere Aufgabe als Nirwana sehe ich es, vergessenes wieder ins Bewusstsein zu bringen.
Und da sind die 50er Jahre ein dankbares, da bisher erstaunlich wenig bearbeitetes Feld.

Erster Punkt: Der Lastenausgleich.
Es war einst ein sehr heißes Thema. Und ich denke mal, wir alle haben davon "gehört".
Grundsätzlich muss man da wohl von der "Zahler" und "Empfänger"-Seite her differenzieren.
Ich, der Suebe gehöre natürlich auf die "Zahler-Seite" und kenne die Aussagen dazu der Spur nach.

Hier als Einstimmung mal ein paar Gedanken von mir:

Ich habe eigentlich nur vage Vorstellungen davon.
Steuerordner mit Extra-Fach für den Lastenausgleich,
Mehr ist mir eigentlich nie untergekommen.

Mir scheint aber, dass da bei den Nachkommen der Geber- und Nehmer-Seite recht unterschiedliche Vorstellungen bis heute vorhanden sind.

Ich kenne die damaligen Vorurteile der "Zahler-Seite" natürlich zum Teil schon.
Liste ich mal ein paar auf:

Der "Banat" wäre dem Lastenausgleichsamt mindestens 2mal "verkauft" worden. Von den beantragten Flächen her. Wollte der Volksmund wissen.
"A Wirtschoft hoamer ghoabt" wäre ein ständig zu hörender Ausspruch gewesen.
"In der alten Heimat haben wir schon eine Waschmaschine gehabt" dito
Es hätte genügt, dass ein Antragsteller 2 Zeugen für sein verlorenes Eigentum gestellt hätte. Um den Anspruch zu begründen. So hätten sich regelrechte Zeugen-Seilschaften gebildet.


Wichtig: Dies stellt keineswegs meine Meinung dar. Ich hoffe lediglich, die Diskussion so etwas anzuregen.

Als Ergänzung noch aus einer regionalen Publikation des Jahres 1960

Die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen sah man nach Kriegsende angesichts der wenigen vorhanden Mittel als kaum zu bewältigende Aufgabe. Man kümmerte sich deshalb anfangs lediglich um die schlimmsten Notfälle.
Eine Verbesserung ergab sich 1949 durch das Soforthilfegesetz.
und dann durch das Lastenausgleichsgesetz des Jahres 1952.

Hierdurch bekamen die Vertriebenen, Flüchtlinge, politisch Verfolgten, Kriegsbeschädigten und Spätheimkehrer einen Rechtsanspruch auf Ausgleichsleistungen.

Für das Jahr 1957 wurden in diesem Landkreis an Leistungen

1100 Personen Kriegsschadenrente DM 1.105.000
164 Personen Ausbildungshilfe DM 77.000
250 P Aufbaudarlehen für Wohnbau DM 1.000.000
30 P Aufbaudarlehn für Gewerbe DM 250.00
2.500 P Hausratshilfe DM 1.200.000
350 P Altsparer- und Währungsausgleichs-Entschädigung DM 90.000

ausgegeben.

Dann gibt es eine Wiki-Seite zum Lastenausgleichsgesetz:
http://de.wikipedia.org/wiki/Lastenausgleichsgesetz

dann einen Beitrag aus der FAZ:
http://www.studienstelleog.de/bestaende/Lasten1a.htm

da kann man zB dies lesen:
Zitat:Allerdings erhielten die Geschädigten nur für den Verlust kleiner Vermögen vollen Ersatz, nämlich dann, wenn der nach dem Gesetz berechnete Vermögenswert unter 5000 Reichsmark oder Ostmark lag. Betrug er 10.000 Mark, gab es nur rund 80 Prozent davon, bei 60.000 Mark nur 33, bei 100.000 Mark nur 25, bei 1 Million Mark nur 8 bis 9 Prozent, darüber nur bis 6,5 Prozent. Insgesamt enthält das Gesetz dreißig solcher degressiver Entschädigungsstufen. Grundlage der Berechnung war bei Haus-, Betriebs-, Landwirtschafts-, Forst- und sonstigem Grundvermögen der Einheitswert von 1935. Üppig also ist diese Entschädigung nicht ausgefallen.

dann habe ich noch dies gefunden:

Zitat:Das Lastenausgleichsgesetz (LAG) ist das Kerngesetz des Lastenausgleichs, der sich im Laufe der Jahre nach Inkrafttreten zahlreicher weiterer ergänzender gesetzlicher Regelungen zu einem umfassenden Eingliederungs- und Entschädigungsprogramm entwickelte. Für Millionen von Menschen, die im Zusammenhang mit den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges und dessen Folgen aus ihrer Heimat flüchten mussten oder vertrieben wurden, die ausgebombt wurden oder sonstige Vermögensschäden erlitten haben, war das Lastenausgleichsgesetz eine wirksame Hilfe zur Existenzsicherung und zur wirtschaftlichen Wiedereingliederung. Damit wurde ein umfassender und solidarischer Beitrag zur Linderung der Folgen eines Krieges geleistet, der von Deutschland ausgegangen ist und auch das eigene Land in Not und Elend gestürzt hat.

Quelle: http://www.badv.bund.de/003_menue_links/...index.html

Dann ist mir neulich der Begriff: "Heimatortkataster" untergekommen, der mir im übrigen völlig neu ist, es wurde wohl an verschiedenen Orten der BRD ein solcher angelegt, und ein zentraler in München.
Vielleicht weiß einer der Mitstreiter/innen hier mehr.
Die "Nachbetrachtung" von dieser Seite
http://www.badv.bund.de/003_menue_links/...index.html
möchte ich euch nicht vorenthalten.


Zitat:5. Nachbetrachtung

Betrachtet man die historische Entwicklung des Lastensausgleichs, lässt sich feststellen, dass der Lastenausgleich ein herausragendes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte gewesen ist. Er war die materielle Grundlage für die erfolgreiche Eingliederung von Millionen vertriebener und geflüchteter Menschen. Dies war angesichts der verheerenden Ausgangslage eine gewaltige Herausforderung. Die Anfangsjahre des Lastenausgleichs waren zugleich Jahre der Bewährung für die noch junge Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland. Die Chancen für eine friedliche Entwicklung waren damals äußerst ungewiss. Obwohl die Vertriebenen, Flüchtlinge und anderen Kriegsgeschädigten die Hauptlast der Kriegsfolgen zu tragen hatten, war auch die Situation der übrigen Bevölkerung insgesamt trostlos; um so beachtlicher war es, dass allgemein die Bereitschaft bestand, denjenigen zu helfen, denen es noch schlechter ging. Dieser Solidargedanke des Lastenausgleichs ist das eigentliche Fundament der friedvollen, wirtschaftlich und gesellschaftlich erfolgreichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland.

Ohne diese Solidarität wäre angesichts der Millionen durch den Krieg entwurzelter Menschen der innere Frieden in Deutschland nicht zu erreichen gewesen. Er war die unabdingbare Voraussetzung für den späteren wirtschaftlichen Aufschwung, an dem die Geschädigten einen großen Anteil hatten. Gerade sie zeichnete eine besondere Arbeitsmotivation aus, da jeder von ihnen für sich und seine Familie eine neue Existenz aufbauen musste. Die Leistungen des Lastenausgleichs waren hierbei neben dem unermüdlichen persönlichen Einsatz eine wichtige wirtschaftliche Hilfe. Es war ein Geben und Nehmen, denn letztlich haben von dem tatkräftigen Einsatz der Geschädigten beim Wiederaufbau auch diejenigen profitiert, die im Rahmen des Lastenausgleichs finanzielle Opfer bringen mussten.

Der Solidargedanke des Lastenausgleichs hatte allerdings nicht nur diese wirtschaftliche Komponente, er hat vielmehr auch zur vollständigen gesellschaftlichen Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge beigetragen. Dass diese und deren Nachkommen in ihrer neuen Heimat Wurzeln geschlagen haben, ist angesichts anderer Vertreibungsschicksale in der Welt ein Ergebnis, das besonders zu würdigen ist.


und nicht vergessen, wer etwas zum "Heimatortkataster" weiß, bitte schreiben
Da bin ich einem falschen Begriff aufgesessen

Heimatauskunftstelle ist richtig.

aus wiki:
Zitat:Die Heimatauskunftstellen dienten dem Lastenausgleich von Vertriebenen. Nach dem Gesetz über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden (Feststellungsgesetz) von 1952 hatten sie die angemeldeten Schäden und Verluste zu überprüfen. Die Stellen waren nach Heimatgebieten gegliedert und auf deutsche Länder aufgeteilt.
Aus eigener Erfahrung kann ich zum Thema Lastenausgleich nicht viel sagen, denn bei der Vertreibung war ich 5 Jahre alt und besaß nichts. Mein Großvater mütterlicherseits besaß eine Wassermühle und war nach der Grafenfamilie der reichste Mann im Dorf (mit eigenem Auto!). In Westdeutschland zögerte er keine Sekunde und arbeitete weiter mit einem Getränkekiosk. Ich bewundere ihn. Er war damals über 55 Jahre alt und hatte alles verloren.
Er erhielt eine LAG-Rente, die vollständig aufs Sparbuch wanderte.
Ich verdanke ihm meine Schulbildung und mein Haus, in dem ich wohne.
Eines Tages besuchte uns der junge Graf aus unserem Dorf. Ich erinnere mich, daß er sich sehr wunderte, wie niedrig die anerkannten LAG-Ansprüche meines Großvaters waren. Zitat: "Aber sie haben doch viel mehr gehabt".
Ja, diese Leute hatten ihre Steuerberater und Rechtsanwälte, mein Großvater kannte nur körperliche Arbeit sein ganzes Leben lang.
Soviel zum Thema reich werden durch Lastenausgleich.
(07.02.2013 14:36)Harald1 schrieb: [ -> ]Aus eigener Erfahrung kann ich zum Thema Lastenausgleich nicht viel sagen, denn bei der Vertreibung war ich 5 Jahre alt und besaß nichts. Mein Großvater mütterlicherseits besaß eine Wassermühle und war nach der Grafenfamilie der reichste Mann im Dorf (mit eigenem Auto!). In Westdeutschland zögerte er keine Sekunde und arbeitete weiter mit einem Getränkekiosk. Ich bewundere ihn. Er war damals über 55 Jahre alt und hatte alles verloren.
Er erhielt eine LAG-Rente, die vollständig aufs Sparbuch wanderte.
Ich verdanke ihm meine Schulbildung und mein Haus, in dem ich wohne.
Eines Tages besuchte uns der junge Graf aus unserem Dorf. Ich erinnere mich, daß er sich sehr wunderte, wie niedrig die anerkannten LAG-Ansprüche meines Großvaters waren. Zitat: "Aber sie haben doch viel mehr gehabt".
Ja, diese Leute hatten ihre Steuerberater und Rechtsanwälte, mein Großvater kannte nur körperliche Arbeit sein ganzes Leben lang.
Soviel zum Thema reich werden durch Lastenausgleich.


Danke Harald.
Leider kann ich erst morgen wieder bewerten.

Ein anderer Punkt war der Stichtag zum Lastenausgleich. Wer den versäumte hat auch in die "Röhre" geguckt, und nix bekommen
Da gab es doch diesen schönen Witz: Auf dem Amt wird der vertriebene Sudetendeutsche nach der Anzahl seiner Häuser in der CSSR gefragt. Antwort: " 4 Häusl hammer gehabt - ein Wohnhaus, ein Scheißhaus, ein Backhaus und ein Vogelhaus".
Den Neid der Einheimischen auf die Lastenausgleichs-Nutznießer zeigt auch folgender Witz, der noch in den 70er Jahren zu Lachanfällen in bayerischen Wirtshäusern geführt hat:
"Die Hunde hielten eine Konferenz ab. Alle waren da, große und kleine, häßliche und schöne, gescheite und dumme. Man beriet sich, welcher Hund denn an welchen Baum bieseln (pinkeln) dürfe, und einigte sich nach langem Reden darauf, dass die großen Hunde an die großen Bäume bieseln dürften und die kleinen Hunde an die kleinen Bäume.
Nach Abschluss der Beratungen stürmten alle nach draußen zum Bieseln. Der kleinste Hund, ein Zwergpinscher, schoss an den größten Baum und fing an zu bieseln. Empört machten ihn die anderen Hunde darauf aufmerksam, was man gerade beschlossen hatte. Der Zwergpinscher antwortete: "I derf des. I bin a Flüchtling, dahoam war i a Bernhardiner!"

VG
Christian
In Bayern fragte man uns: ja, glaubt ihr denn auch an Gott? Wir waren evangelisch. Der Pfarrer verbot mir, die Kirchenglocke zu läuten. Ich denke, es ist besser, wir beenden das Thema. Es werden nur uralte Wunden wieder aufgerissen.
(29.10.2013 13:37)Harald schrieb: [ -> ]In Bayern fragte man uns: ja, glaubt ihr denn auch an Gott? Wir waren evangelisch. Der Pfarrer verbot mir, die Kirchenglocke zu läuten. Ich denke, es ist besser, wir beenden das Thema. Es werden nur uralte Wunden wieder aufgerissen.

Und das hat dich gejuckt?
Wäre mir weit am Allerwertesten vorbeigegangen, soll er sie doch selbst läuten.

Zitat:Ich denke, es ist besser, wir beenden das Thema. Es werden nur uralte Wunden wieder aufgerissen.

Warum denn?
Die einen haben längst bezahlt, natürlich vielzuviel. Cool Die anderen längst bekommen, natürlich vielzuwenig. Cool
Das ist doch Zeitgeschichte.
Wir alle kennen dies aus Erzählungen, die einen aus der Zahler- die anderen aus dem Empfänger-Perspektive,
die echten Fakten dahinter kennt kaum einer.

Lasst uns dies doch ein wenig gemeinsam erhellen.
Nur noch eins: In einem Wald hier in der Gegend steht ein kleines Häuschen. Wurde bis vor wenigen Jahren auch tatsächlich noch bewohnt, zumindest tagsüber. Das Haus ist gebaut aus Stämmchen, die im Normalfall nicht mehr als eine Handbreit Durchmesser haben, heutzutage dürfte man dort überhaupt nix mehr bauen.
Das hat sich ein Sudetendeutscher gebaut, indem er bei den Holzarbeitern Abfallholz geschnorrt hat. Er hat in einer Notunterkunft in einem nahen Städtchen gewohnt, mit Familie - Frau, drei Kinder, Schwiegermutter - und tagsüber in einer Fabrik gearbeitet, abends und am WE hat er seine Kenntnisse als Wagner genutzt und ein Zwei-Zimmer-Häuschen in den Wald gestellt, das die Familie dann von den 50ern bis zum Bau eines Stockhauses in dem nahen Städtchen in den 70ern bewohnte.
Seine Enkel haben in den 90ern dort noch Parties gefeiert, seine Frau hat bis zu ihrem Tod Mitte der Nuller Jahre dort den Tag verbracht.

DAS nötigt mir Hochachtung ab. Und da steht der gute Mann wohl nur sinnbildlich für eine ganze Generation. Dass das den Einheimischen, die sich nicht so auf die Hinterfüße gestellt haben und in den 70ern noch im gleichen Haus wohnten wie in den 50ern, sauer aufgestoßen ist, mag man nachvollziehen können, schofel und ein Mahnmal für Sozialneid bleibt es allemal.
Wobei man weder die Einheimischen noch die Flüchtlinge und Vertriebenen alle über einen Kamm scheren darf. Selbiger Häuslebauer hat mir persönlich noch Geschichten erzählt über Sudetendeutsche, die den Lastenausgleich bis zum Gehtnichtmehr ausgenutzt haben - er tat dies mit deutlicher Empörung. Mit immer noch hoher Dankbarkeit hat er dagegen von dem Bauern erzählt, der ihm das Waldgrundstück zu einem Spottpreis überlassen hat und der noch dazu in der ersten Notzeit die Familie vor dem Verhungern bewahrt hat...

VG
Christian
Ich kann noch mehr erzählen von der Freundlichkeit der Oberpfälzer. Geschenkt. Suebe, du hast das nicht erlebt und kannst das nicht beurteilen.
(29.10.2013 20:48)Harald schrieb: [ -> ]Ich kann noch mehr erzählen von der Freundlichkeit der Oberpfälzer. Geschenkt. Suebe, du hast das nicht erlebt und kannst das nicht beurteilen.

Natürlich.

Ich habe allerdings ein "Flüchtlingsmensch" geheiratet, und kenne so der Spur nach auch die andere Seite.

Aber klar, die Wunden die da geschlagen wurden, kann ich aus eigenem nicht kennen.
(29.10.2013 15:44)913Chris schrieb: [ -> ]Nur noch eins: In einem Wald hier in der Gegend steht ein kleines Häuschen. Wurde bis vor wenigen Jahren auch tatsächlich noch bewohnt, zumindest tagsüber. Das Haus ist gebaut aus Stämmchen, die im Normalfall nicht mehr als eine Handbreit Durchmesser haben, heutzutage dürfte man dort überhaupt nix mehr bauen.
Das hat sich ein Sudetendeutscher gebaut, indem er bei den Holzarbeitern Abfallholz geschnorrt hat. Er hat in einer Notunterkunft in einem nahen Städtchen gewohnt, mit Familie - Frau, drei Kinder, Schwiegermutter - und tagsüber in einer Fabrik gearbeitet, abends und am WE hat er seine Kenntnisse als Wagner genutzt und ein Zwei-Zimmer-Häuschen in den Wald gestellt, das die Familie dann von den 50ern bis zum Bau eines Stockhauses in dem nahen Städtchen in den 70ern bewohnte.
Seine Enkel haben in den 90ern dort noch Parties gefeiert, seine Frau hat bis zu ihrem Tod Mitte der Nuller Jahre dort den Tag verbracht.

DAS nötigt mir Hochachtung ab. Und da steht der gute Mann wohl nur sinnbildlich für eine ganze Generation. Dass das den Einheimischen, die sich nicht so auf die Hinterfüße gestellt haben und in den 70ern noch im gleichen Haus wohnten wie in den 50ern, sauer aufgestoßen ist, mag man nachvollziehen können, schofel und ein Mahnmal für Sozialneid bleibt es allemal.
Wobei man weder die Einheimischen noch die Flüchtlinge und Vertriebenen alle über einen Kamm scheren darf. Selbiger Häuslebauer hat mir persönlich noch Geschichten erzählt über Sudetendeutsche, die den Lastenausgleich bis zum Gehtnichtmehr ausgenutzt haben - er tat dies mit deutlicher Empörung. Mit immer noch hoher Dankbarkeit hat er dagegen von dem Bauern erzählt, der ihm das Waldgrundstück zu einem Spottpreis überlassen hat und der noch dazu in der ersten Notzeit die Familie vor dem Verhungern bewahrt hat...

VG
Christian


Da kenne ich einen sehr ähnlich gelagerten Fall.
Der, ein Pommer, hat eine Schwäbin geheiratet. Hat sich sehr ähnlich wie du schreibst an den Waldrand ein Häuschen gebaut, und sich irgendwann geweigert wieder nach unten in die Stadt zu gehen. Was wollte die Frau machen, ist sie mit hochgezogen.
Er war ständig am Bauen, eine Scheuer, ein Stall wurde angebaut, ein paar Kühe eingestellt.
Hauptberuflich war er bei der Stadt als Waldarbeiter angestellt.
Seine Wutanfälle waren legendär, ist schon mal mit der Axt auf den Förster losgegangen, der dann die Pistole zog.
Krumm hat das aber anscheinend keiner genommen.
Sind eigentlich der "Soli" und der Lastenausgleich miteinander vergleichbar?!?

VG
Christian
(31.10.2013 10:37)913Chris schrieb: [ -> ]Sind eigentlich der "Soli" und der Lastenausgleich miteinander vergleichbar?!?

VG
Christian


Eigentlich gar nicht.
Soli ist gedacht für Infrastruktur usw.
Lastenausgleich war/ist Entschädigung/Ausgleich von individuellen materiellen Kriegsschäden und Kriegsfolgen.

Diese Schlussbetrachtung muss ich hier nochmals "pasten"

Zitat:5. Nachbetrachtung

Betrachtet man die historische Entwicklung des Lastensausgleichs, lässt sich feststellen, dass der Lastenausgleich ein herausragendes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte gewesen ist. Er war die materielle Grundlage für die erfolgreiche Eingliederung von Millionen vertriebener und geflüchteter Menschen. Dies war angesichts der verheerenden Ausgangslage eine gewaltige Herausforderung. Die Anfangsjahre des Lastenausgleichs waren zugleich Jahre der Bewährung für die noch junge Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland. Die Chancen für eine friedliche Entwicklung waren damals äußerst ungewiss. Obwohl die Vertriebenen, Flüchtlinge und anderen Kriegsgeschädigten die Hauptlast der Kriegsfolgen zu tragen hatten, war auch die Situation der übrigen Bevölkerung insgesamt trostlos; um so beachtlicher war es, dass allgemein die Bereitschaft bestand, denjenigen zu helfen, denen es noch schlechter ging. Dieser Solidargedanke des Lastenausgleichs ist das eigentliche Fundament der friedvollen, wirtschaftlich und gesellschaftlich erfolgreichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland.

Ohne diese Solidarität wäre angesichts der Millionen durch den Krieg entwurzelter Menschen der innere Frieden in Deutschland nicht zu erreichen gewesen. Er war die unabdingbare Voraussetzung für den späteren wirtschaftlichen Aufschwung, an dem die Geschädigten einen großen Anteil hatten. Gerade sie zeichnete eine besondere Arbeitsmotivation aus, da jeder von ihnen für sich und seine Familie eine neue Existenz aufbauen musste. Die Leistungen des Lastenausgleichs waren hierbei neben dem unermüdlichen persönlichen Einsatz eine wichtige wirtschaftliche Hilfe. Es war ein Geben und Nehmen, denn letztlich haben von dem tatkräftigen Einsatz der Geschädigten beim Wiederaufbau auch diejenigen profitiert, die im Rahmen des Lastenausgleichs finanzielle Opfer bringen mussten.

Der Solidargedanke des Lastenausgleichs hatte allerdings nicht nur diese wirtschaftliche Komponente, er hat vielmehr auch zur vollständigen gesellschaftlichen Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge beigetragen. Dass diese und deren Nachkommen in ihrer neuen Heimat Wurzeln geschlagen haben, ist angesichts anderer Vertreibungsschicksale in der Welt ein Ergebnis, das besonders zu würdigen ist.

von da: http://www.badv.bund.de/003_menue_links/...index.html

Es ist wirklich so, wir kennen dies alles eigentlich nur aus "Großmutters Erzählungen" eine mehr oder weniger einseitige Sicht der Dinge, aber hier liegt die große moralische Leistung der Nachkriegszeit, dass abseits aller Nicklichkeiten dieser Problembereich klar gesehen und gelöst wurde.

Gar zu gerne und mit wahrer Begeisterung wird die Deutsche Geschichte auf 12 verhängnisvolle Jahre reduziert.
Darüber vergisst man vollkommen die vielen positiven Leistungen aus über 1.000 Jahren.
Da ich drei Tage zwangsweise nur offline war, habe ich diese Diskussion erst jetzt entdecke. Ich habe den Eindruck, dass dieses Thema "Lastenausgleich" und "Integration der Vertriebenen" zu positiv diskutiert wurde. Nur Harald deutete an, dass es nicht so war.

Meine Oma, mein Vater und mein Onkel waren Flüchtlinge, die 1945 nach einer neunmonatiger von Bromberg aus im Raum Oschersleben (Sachsen-Anhalt) angesiedelt wurden. Sie erhielten damals und während der gesamten DDR-Zeit keinen Lastenausgleich. Erst 1992, nach einigen bürokratischen Hürden, erhielt meine Oma als 87-jährige Frau eine Entschädigung. Ebenso mein Vater und Onkel, die als Kinder aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Ich möchte nur dazu sagen, dass meine Oma, mein Vater und mein Onkel schwere Jahre nach dem Krieg hatten. Sie und die anderen Vertriebenen waren in ihrer neuen Heimat nur Außenseiter, in den Dorf ging eine strikte Trennung zwischen Alteingesessenen und Neusiedlern, die noch in den 80-er Jahren bestand, als die meisten Neusiedler in zwei Neubaublöcken wohnten. Bis ca. 1960 wohnte meine Oma auf dem Hof eines einheimischen Bauern zur Miete. Dessen Frau, war eine Polin, die während des 1. Weltkrieges als Schnitterin ins Dorf kam. Sie machte meiner Oma das Leben besonders schwer.

Meine Oma hatte im Dorf zeitlebens nur Freunde oder Bekannte, die aus Westpreußen, Pommern oder Schlesien stammten. Lehrer oder Pfarrer hatten sich nicht um eine Integration der Flüchtlingskinder bemüht, ihr Verhalten unterschied sich nicht gegenüber dem Verhalten der anderen Dorfbewohner. Mein Onkel und mein Vater nutzten die erste Möglichkeit, die sich ihnen bot, das Dorf zu verlassen und anderswo ein neues Leben zu beginnen.

Ähnliches kann ich auch über das Schicksal der Eltern oder Großeltern von Bekannten erzählen. Die Sudetendeutschen hatten oft Schwierigkeiten in Berufen zu arbeiten, die ihre fachlichen Qualifikationen entsprachen. So fanden oft Ingenieure nur Arbeit als Meister, der Meister aus den Sudeten arbeitete dann oft als Schlosser oder Bergmann usw.

Staatlicherseits wurde die Existenz von Flüchtlingen aus den Ostgebieten verschwiegen. Indirekt wurde den Flüchtlingen vorgeworfen, dass ihre Existenz nur das Produkt der ungerechten deutschen Expansion sei, beginnend bei den Ordensrittern und endend bei den Nationalsozialisten. Wer sich dagegen wehrte, wurde als Revisionist beschimpft und bestraft. Mehr möchte ich jetzt dazu nicht sagen.
In der DDR mag es anders gewesen sein, in Bayern - wo die meisten Sudetendeutschen gelandet sind - klappte es mit der Integration ganz gut, allerdings schon auch mit Verzögerung.
In der DDR mag mitgespielt haben, dass die Kommunisten natürlich ganz deutlich vor Augen hatten, wie sich die Sudetendeutsche Partei während der 30er und 40er Jahre aufgeführt hat. Die waren mehr Nazi als die Nazis selber und haben die Tschechen auch nach Kräften geschurigelt. Die Vertriebenen wurden in der DDR samt und sonders mit diesen Nazis in einen Topf geworfen und entsprechend behandelt.

Außerdem war es in der DDR Staatsdoktrin, dass etwas, was die tschechischen Kommunisten nach dem Krieg gemacht haben - die Vertreibung der Sudetendeutschen - natürlich nicht schlecht sein konnte.
Im Westen dagegen wies man mit dem Finger auf die tschechischen Kommunisten, klagte an und förderte im Gegenzug die Sudetendeutschen so gut es eben in der Nachkriegszeit ging. Die CSU ernannte sich zur Schirmherrnpartei der Sudetendeutschen. Mit Neugablonz, Geretsried, Traunreut, Neutraubling und Waldkraiburg wurden in Bayern sogar eigens fünf Städte aus dem Boden gestampft (mit gehöriger Mitwirkung der Sudetendeutschen selber), um die Vertriebenen anzusiedeln (und um Konflikte mit den Einheimischen zu minimieren...).

Neben aller Förderung bleibt es aber auch ein Verdienst der Sudetendeutschen selber, dass sie sich ihren sozialen Aufstieg vom beitzlosen Vertriebenen zum Häuslebauer, Facharbeiter, Unternehmer trotz Lastenausgleich weitgehend selber erarbeiteten. Nicht zuletzt dieser fehlende Lastenausgleich plus die fehlenden Gelegenheiten, sich aus eigener Kraft wieder emporzuarbeiten plus ideologische Einschränkungen mögen der Grund gewesen sein, warum die Sudetendeutschen es in der DDR sehr viel schwerer hatten, zu einem integralen Bestandteil der aufnehmenden Bevölkerung zu werden.

VG
Christian
(03.11.2013 01:52)Sansavoir schrieb: [ -> ]Da ich drei Tage zwangsweise nur offline war, habe ich diese Diskussion erst jetzt entdecke. Ich habe den Eindruck, dass dieses Thema "Lastenausgleich" und "Integration der Vertriebenen" zu positiv diskutiert wurde. Nur Harald deutete an, dass es nicht so war.

Meine Oma, mein Vater und mein Onkel waren Flüchtlinge, die 1945 nach einer neunmonatiger von Bromberg aus im Raum Oschersleben (Sachsen-Anhalt) angesiedelt wurden. Sie erhielten damals und während der gesamten DDR-Zeit keinen Lastenausgleich. Erst 1992, nach einigen bürokratischen Hürden, erhielt meine Oma als 87-jährige Frau eine Entschädigung. Ebenso mein Vater und Onkel, die als Kinder aus ihrer Heimat vertrieben wurden.

Ich möchte nur dazu sagen, dass meine Oma, mein Vater und mein Onkel schwere Jahre nach dem Krieg hatten. Sie und die anderen Vertriebenen waren in ihrer neuen Heimat nur Außenseiter, in den Dorf ging eine strikte Trennung zwischen Alteingesessenen und Neusiedlern, die noch in den 80-er Jahren bestand, als die meisten Neusiedler in zwei Neubaublöcken wohnten. Bis ca. 1960 wohnte meine Oma auf dem Hof eines einheimischen Bauern zur Miete. Dessen Frau, war eine Polin, die während des 1. Weltkrieges als Schnitterin ins Dorf kam. Sie machte meiner Oma das Leben besonders schwer.

Meine Oma hatte im Dorf zeitlebens nur Freunde oder Bekannte, die aus Westpreußen, Pommern oder Schlesien stammten. Lehrer oder Pfarrer hatten sich nicht um eine Integration der Flüchtlingskinder bemüht, ihr Verhalten unterschied sich nicht gegenüber dem Verhalten der anderen Dorfbewohner. Mein Onkel und mein Vater nutzten die erste Möglichkeit, die sich ihnen bot, das Dorf zu verlassen und anderswo ein neues Leben zu beginnen.

Ähnliches kann ich auch über das Schicksal der Eltern oder Großeltern von Bekannten erzählen. Die Sudetendeutschen hatten oft Schwierigkeiten in Berufen zu arbeiten, die ihre fachlichen Qualifikationen entsprachen. So fanden oft Ingenieure nur Arbeit als Meister, der Meister aus den Sudeten arbeitete dann oft als Schlosser oder Bergmann usw.

Staatlicherseits wurde die Existenz von Flüchtlingen aus den Ostgebieten verschwiegen. Indirekt wurde den Flüchtlingen vorgeworfen, dass ihre Existenz nur das Produkt der ungerechten deutschen Expansion sei, beginnend bei den Ordensrittern und endend bei den Nationalsozialisten. Wer sich dagegen wehrte, wurde als Revisionist beschimpft und bestraft. Mehr möchte ich jetzt dazu nicht sagen.


Vielen Dank für dieses Statement über die Integration in der Ex-DDR.
Hierzu gibt es im Lastenausgleichsgesetz folgende Regelung:

Zitat:Bewohner der DDR sind nach der deutschen Einigung nicht in den Lastenausgleich einbezogen worden. Der Einigungsvertrag übertrug den Lastenausgleich auf die neuen Länder lediglich für Aussiedler, die sich dort nach dem 3. 10. 1990 und vor dem 1. 1. 1993 niederließen. Vertriebene, die nach der Vertreibung ihren Wohnsitz in der DDR genommen und ihn dort bis zum 3. 10. 1990 beibehalten haben, erhalten anstelle einer Entschädigung nach dem LAG eine einmalige Zahlung von 4 000 DM nach dem Vertriebenenzuwendungsgesetz vom 27. 9. 1994. Das am 1. 1. 1993 in Kraft getretene Kriegsfolgenbereinigungsgesetz leitete die Beendigung des Lastenausgleichs ein; Anträge auf Lastenausgleich können seit dem 1. 1. 1996 nicht mehr gestellt werden.

also ganz ohne Lastenausgleich auch dort nicht.

Stand 1949 hatte die DDR eine sehr attraktive Regelung für Vertriebene zu bieten!
Die Landreform.
Während im Westen den aus bäuerlichen Berufen kommenden Ostvertriebenen nur der Weg als Hilfsarbeiter in die Industrie oder zB auf den Bau blieb, konnten sie in der DDR Bauer bleiben!
ein nicht zu unterschätzendes Faktor.
Kein sozialer Abstieg!
Der ehemalige Bauer konnte Bauer werden, aber nicht seine Witwe. Für die oft ungelernten oder nur in Hauswirtschaft ausgebildeten Frauen bedeutete dies den sozialen Abstieg.
(03.11.2013 21:49)Sansavoir schrieb: [ -> ]Der ehemalige Bauer konnte Bauer werden, aber nicht seine Witwe. Für die oft ungelernten oder nur in Hauswirtschaft ausgebildeten Frauen bedeutete dies den sozialen Abstieg.

OK.
Aber "1949" war dies für den Vertriebenen oftmals deutlich attraktiver als der Bauhilfsarbeiter im Westen.

Als über die MTS (MotorenTaktorenStation) usw. dann der Weg Richtung LPG ging, und die Neubauern dies Mitte der 50er begriffen, war bei der "Weiterflucht" in die BRD der Stichtag für den Lastenausgleich schon vorbei.
Verpasst, Pech gehabt, angeschmiert.
Aus einer Veröffentlichung der Friedrich Ebert Stiftung:

Zitat:Das Umsiedlergesetz erzeugte wie schon vorherige Maßnahmen enorme Erwartungen, die es nicht erfüllen konnte. Der gewaltigen Nachfrage, die durch die Kredite ausgelöst wurde, stand kein ausreichendes Warenangebot gegenüber. Ende 1950 schränkte die DDR-Regierung die Maßnahmen bereits ein, und ab 1953 wurden keinerlei Mittel mehr vergeben. Während die SBZ/DDR bis dahin bei Versorgungsleistungen noch mit dem Westdeutschland mithalten und gemessen am Bruttosozialprodukt übertraf, waren die Vertriebenen danach in der Bundesrepublik auch materiell wesentlich besser gestellt. Dies trug zu ihrer überproportionalen Abwanderung aus der DDR in die Bundesrepublik bis zum Mauerbau bei.

Die Quelle:
http://library.fes.de/library/netzquelle...45ddr.html


Und der Spiegel mit einem Spezial zum Thema:
Zitat:Der Unterschied der Systeme und der vermeintliche Vorsprung der DDR-Politik ließ sich viel besser an der Bodenreform demonstrieren, denn Vertriebenenintegration durch Enteignung und Umverteilung von Land hatte es im Westen nicht gegeben. Noch 1970 hielt SED-Chef Walter Ulbricht mit Blick auf die 1945 erfolgte Enteignung des Großgrundbesitzes selbstzufrieden dem Westen vor: "Was wir fertig gebracht haben, das hätte man auch in Westdeutschland fertig bringen können."

Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspe...37261.html
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