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Hier werde ich einen Tread "Kreuzzüge Allgemein" aufmachen. In diesem sollen Fragen, Diskussionen und Texte zum Thema Kreuzzüge Platz haben.

Wenn jemand einen anderen Tread in die Richtung aufmacht würde ich es begrüßen wenn er hier einen Link reinstellt, so das wir eine schöne Sammlung über das Thema bekommen.

Freue mich auf interessante Diskussionen zu diesem spannenden und vielseitigen Thema.

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Zur Eröffnung des Themas möchte ich eine kleine Serie schreiben. Bei dieser werde ich über die Gewinner und Verlierer der einzellnen Kreuzzüge berichten.

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DIE GEWINNER DES 1. KREUZZUGS:

-Die Kreuzritter und hier allen voran die führenden Fürsten: Der erste Kreuzzug hatte beträchtliche Erfolge zu verbuchen und führte zur Gründung von „Kreuzfahrerstaaten“ im nahen Osten. Diese wurden von den wichtigsten Anführern des 1. Kreuzzugs (und später ihren Nachkommen) regiert. Der wichtigste Kreuzfahrerstaat war das Königreich Jerusalem. Dessen Herrscher hätte Raimund von Toulouse werden können, einer der bedeutendsten Führungsfiguren des erfolgreichen Kreuzzugs, er lehnte jedoch ab. Statt ihm wurde nun ein anderer bedeutender Kreuzritter Gottfried von Boullion Herrscher über das Königreich (wobei er sich selbst nicht König nannte).

-Italiens Seemächte: Ein großer Gewinner des 1. Kreuzzugs waren Italiens Seemächte. Genua etwa leistete bei bedeutenden Belagerungen des 1. Kreuzzugs sehr wichtige Hilfe, Pisa erlebte in der Zeit des 1. Kreuzzugs seinen Höhepunkt. Venedig stand dem anscheinend etwas distanzierter gegenüber, beschloss aber dann um 1100 doch Flotten in diese Richtung auslaufen zu lassen.
Profitiert hat man dann aber vor allem von den zahlreichen Handelsstützpunkten die angelegt wurden.

-Byzanz: Kaiser Alexios I Komnenos war mit seinem Hilferuf der eigentliche Auslöser des 1. Kreuzzugs. Er war jedoch keineswegs groß von der Kreuzzugsidee begeistert, ihm lag eher daran Hilfe in Form von Söldnern gegen die Seldschuken zu erhalten, als irgendwelch Glaubensfanatiker aus dem Westen (darunter teilweise sogar Feinde wie Bohemund von Tarent) in seinem Reich zu begrüßen.
Alexios I Komnenos gelang es den Führern des Kreuzzugs einen Lehenseid abzuringen. Aber nicht nur das, es gelang ihm auch im Zuge des Durchzuges nach Anatolien die bedeutende Stadt Nikea (später sogar Hauptstadt eines der byzantinischen Exilreiche) direkt unter byzantinische Kontrolle zurück zu bekommen.


VERLIERER DES 1. KREUZZUGS:

-Seldschuken und seldschukische Fürsten: Ein Verlierer des 1. Kreuzzugs waren die Seldschuken, die das Gebiet zuvor besaßen. Die Seldschuken erlebten in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts einen gigantischen Aufstieg. In dessen Höhepunkt hatte man ein Reich das über ganz Persien, den Großteil Anatoliens und über Syrien verfügte. Als ich mich die ersten male mit den Kreuzzügen auseinandergesetzt habe, fragte ich mich öfter warum kein Angriff des Großseldschukischen Herrschers auf die Kreuzritter gefolgt war. Der Grund war das dessen Macht schon sehr bald wieder im Schwinden war, es gab komplizierte Machtkämpfe und zahlreiche Abspalltungen und Aufsplitterungen. Der Großseldschukensultan hatte andere Machtkämpfe zu bestehen und so waren die Gegner der Kreuzritter (im Vergleich mit dem Großreich) relativ kleine Fürstentümer wie das von Radwan, Duquaq oder das von Kerboga (der Attabeg von Mossul war). Diese unterlagen schließlich (oft nach hartem Kampf)

-Die Rum-Seldschuken: Ein Seldschukenreich das sich gebildet hatte war das in Anatolien, zu dieser Abspaltung kam es schon relativ bald nach der Eroberung des Großteils Anatoliens. Hauptstadt des Reichs war Nikea. Doch diese Hauptstadt ging den Rum-Seldschuken im ersten Kreuzzug verloren. Auch der nächste große Kampf mit den Kreuzrittern brachte den Rum-Seldschuken unter Kilic Arslan I eine Niederlage ein (Schlacht von Doryläum). Danach lies man sie ohne weiter zu kämpfen weiterziehen.

-Fatimiden: Nicht nur die Seldschuken, auch die Fatimiden erlitten beim 1. Kreuzzug Gebietsverluste. Kurz vor dem Eintreffen der Kreuzritter hatten sie große Teile Palästinas, darunter Jerusalem unter Kontrolle gebracht. Diese verloren sie im Zuge der Kreuzzüge, in der Schlacht von Askalon scheiterte der Versuch einer Gegenoffensive, auch wenn sich die Festung von Askalon hielt. Weitere Versuche zur Rückeroberung der von den Kreuzrittern eingenommenen Gebiete scheiterten und weitere Gebiete gingen verloren.


Fortsetzung folgt. Wenn ihr wo anderer Meinung seid, Ergänzungen oder Fragen habt, freue ich mich natürlich darüber, wenn ihr das schreibt.

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Ein Hinweis noch: Ich wusste nicht ganz sicher ob diese Kathegorie oder die Kathegorie "Andere Kulturen" besser gepasst hätte-falls jemand aus der Administration meint, wo anders wäre das Thema besser aufgehoben, bitte verschieben.
Also ich finde das Thema hier richtig. Es ist ja doch etwas epochenspezifisches aus Hoch- und Spätmittelalter. Die Kategorie "Andere Kulturen" hatte ich eher für Themen gedacht, die sich nicht in die europäische Zeitrechnung einbauen lassen.

Aber das wird sicherlich ein sehr interessantes Thema. Beim ersten Kreuzzug sieht man gleich, dass er ein ziemlich erfolgreicher war - die Gewinner waren allesamt die Aggressoren, die Verlierer stammten aus arabischen Staaten.
Absolut richtig patziert, Gerald.
Wie war der Urlaub?

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(16.07.2012 11:34)Butterfly schrieb: [ -> ]Wie war der Urlaub?

Ein Bericht kommt noch.
Ich würde mich sehr über eine Fortführung der Serie freuen, kommt da noch etwas?

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(30.12.2012 18:10)Maxdorfer schrieb: [ -> ]Ich würde mich sehr über eine Fortführung der Serie freuen, kommt da noch etwas?

Habe ich ehrlich gesagt für die nächste Monate mal schon geplant die Serie fortzusetzen (noch dazu weil ich da eigentlich schon was geschrieben habe, ich aber noch nicht dazu kam es zu überarbeiten).

Also: Bitte noch um etwas Geduld, werde die Serie in nächste Zeit mal fortsetzen.
Hallo Gerald. Der Nachteil an deinen Beiträgen ist, daß sie perfekt sind. Man liest das, nickt mit dem Kopf, ja so war es, dazu gibt es nichts mehr zu sagen, und das war's dann.

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(01.01.2013 13:46)Harald1 schrieb: [ -> ]Hallo Gerald. Der Nachteil an deinen Beiträgen ist, daß sie perfekt sind. Man liest das, nickt mit dem Kopf, ja so war es, dazu gibt es nichts mehr zu sagen, und das war's dann.

Das heißt ich muss bei der nächsten Serie ein paar Fehler einbauen (Ironie).

Nein im Ernst, freue mich wenn ich es schaffe gute Analysen usw. zu schreiben, ob sie wirklich immer perfekt sind da bin ich mir nicht ganz so sicher.

Über Antworten, Diskussionen usw. freue ich mich, über interessierte Leser aber auch. Außerdem gibts immer noch die Möglichkeit die eine oder andere Frage zu stellen.
Zum Glück stellt er immer mal wieder eine Diskussionsfrage, bei der auch andere Interessierte wie ich oder Sansavoir einen kleinen Beitrag schreiben können.
Eine sehr schöne Darstellung ,die allerdings eine entscheidende Frage unbeantwortet lässt,nämlich die ,wieso die zahlenmäßig unterlegenen Kreuzritter des erstenKreuzzuges so erfolgreich waren, obwohl sie mit Byzanz ,den Seldschuken und den Fatimiden gleich drei damalige Großmächte als Gegner hatten.
Dazu beigetragen hat sicherlich zu einem gewissen Teil der Gegensatz zwischen Fatimiden und Seldschuken einerseits und Seldschuken und Byzantinern andererseits sowie die Rivalitäten der seldschukischen Begs untereinander.
Andererseits waren die Kreuzfahrer allerdings auch nicht unbedingt einig-hier sei nur an den Konflikt Tankreds von Sizilien mit Gottfried von Bouillon oder die Flucht des Stephan von Blois erinnert.

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(04.01.2013 01:23)zaphodB. schrieb: [ -> ]Eine sehr schöne Darstellung ,die allerdings eine entscheidende Frage unbeantwortet lässt,nämlich die ,wieso die zahlenmäßig unterlegenen Kreuzritter des erstenKreuzzuges so erfolgreich waren, obwohl sie mit Byzanz ,den Seldschuken und den Fatimiden gleich drei damalige Großmächte als Gegner hatten.
Dazu beigetragen hat sicherlich zu einem gewissen Teil der Gegensatz zwischen Fatimiden und Seldschuken einerseits und Seldschuken und Byzantinern andererseits sowie die Rivalitäten der seldschukischen Begs untereinander.

Die 3 Mächte die du da ansprichst waren nicht nur uneinig, sie waren Gegner. Byzanz war nicht wirklich ein Gegner der Kreuzritter im 1. Kreuzzug, eher ein sehr vorsichtiger Verbündeter. Grundsätzlich war man zwar von der Idee das ein Kreuzzugsheer anstatt von Söldnern kam nicht begeistert, aber man versuchte sie erstens in Schach zu halten und zweitens zu nutzen. Zu diplomatischen Verstimmungen und Konflikten kam es aber.
Die Seldschuken und die Fatimiden waren ebenfalls Gegner und viel zu verfeindet um sich wirklich zu verbünden. Es war sogar das ursprüngliche Ziel der Seldschuken den Fatimiden ein Ende zu bereiten. Diese wiederum sahen die Kreuzritter anfangs sogar als Potentielle Verbündete gegen die Seldschuken, reagierten dann zu spät und waren ohnehin nicht mehr wirklich in ihrer Blütezeit.

Insgesamt denke ich profitierten die Kreuzritter des 1. Kreuzzugs vor allem von der Schwäche der islamischen Feinde. Die der Fatimiden habe ich bereits angsprochen. Aber auch die Seldschuken waren bereits geschwächt, das Großreich in Spalltung und Auflösung. Es gab mehrere Linie, auf die der Großseldschuken in Persien traf man gar nicht (diese hatte wiederum eigene Sorgen und Machtkämpfe), auf die Syrische traf man zwar, aber diese erscheint zumindest mir eher schwach und begann sich schon aufzusplittern und auch auf die Linie der Rum-Seldschuken traf man beim Durchzug. Diese hatte aber wohl auch an etlichen Fronten (im Inneren, eventuell gegen andere Seldschukenlinien und gegen Byzanz) zu kämpfen.

In dieser allgemeinen Verwirrung war es den Kreuzrittern dann möglich ihre Erfolge trotz der eigenen Streitereien einzufahren.
So ähnlich sehe ich es auch.
Einen Machtfaktor haben wir übrigens in dem kleinasiatischen Machtgefüge noch ganz vergessen-das Königreich Armenien nämlich, das sich einerseits in Auseinandersetzugen mit den Seldschuken und Byzanz befand und daher den Kreuzfahrern freien Durchzug gewährte.
Letztlich entscheidend könnte aber gewesen sein,daß das syrische Seldschukenreich in diverse Kleinfürstentümer zersplittert war, die wohl auch in Unterschätzung des Kreuzzugsheeres im entscheidenden Moment nicht miteinander kooperierten.
Hätte es in dort,wie später unter den Zenghiden , eine einheitliche Aktion gegeben,wäre der Kreuzzug wohl nicht weit gekommen.
Irgendwie fällt mir grad auf, dass sich da eine Parallele zeigt mit dem Reich Israel. Auch Israel konnte nur dann mächtig werden, wenn die umliegenden Großmächte schwach waren.
Offenbar eine Konstante, was die Geschichte Palästinas angeht.

VG
Christian

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(30.01.2013 19:59)913Chris schrieb: [ -> ]Irgendwie fällt mir grad auf, dass sich da eine Parallele zeigt mit dem Reich Israel. Auch Israel konnte nur dann mächtig werden, wenn die umliegenden Großmächte schwach waren.
Offenbar eine Konstante, was die Geschichte Palästinas angeht.

Jein, es kann schon sein das, dass Gebiet da Besonderheiten hat, aber grundsätzlich kann man das bei sehr vielen Großmächten beobachten, die Bedingungen (ein eher schwaches Umfeld) war ein wesentlicher Faktor bei ihrem Aufstieg, nicht nur in dieser Gegend, sondern weltweit.

Auf die Serie habe ich übrigens noch nicht vergessen, da kommt noch was.
(30.01.2013 22:47)WDPG schrieb: [ -> ]die Bedingungen (ein eher schwaches Umfeld) war ein wesentlicher Faktor bei ihrem Aufstieg, nicht nur in dieser Gegend, sondern weltweit.

Stimmt. Der Balkan fällt mir da spontan noch ein...

Aber weiter zum Thema.

VG
Christian
(30.01.2013 19:59)913Chris schrieb: [ -> ]Irgendwie fällt mir grad auf, dass sich da eine Parallele zeigt mit dem Reich Israel. Auch Israel konnte nur dann mächtig werden, wenn die umliegenden Großmächte schwach waren.
Offenbar eine Konstante, was die Geschichte Palästinas angeht.

VG
Christian

Was einerseits wie gesagt daran liegt, dass das bei den meisten Reichen so ist (mit ziemlich vielen Ausnahmen). Aber Israel hatte natürlich auch eine Schlüsselposition am Ostrand des Mittelmeers, die handelspolitisch eine große Bedeutung besaß. Und wegen der geographischen Lage trafen sich hier auch immer wieder Reiche von drei Kontinenten. Es brauchte nur ein Reich in Kleinasien, eines in Ägypten und eines in Vorderasien entstehen (was ja bei allen drei Regionen nicht so selten vorkam), und schon musste Israel geschickt politisch navigieren, was nicht immer erfolgreich war. Wenn es erobert war, war es gleich wieder ein Zankapfel. Da brauchte es schon schwache, innerlich zerstrittene oder aber momentan in eine andere Richtung expandierende Nachbarn, um politische Macht zu bekommen.
Und dann gab es eben immer noch die religiöse Komponente - erst lebten dort seltsame Monotheisten, was den umliegenden, allesamt polytheistischen Völkern sehr seltsam vorkam, und ziemlich bald darauf war das Land schon ein Zankapfel zwischen den drei (bzw. ohne das relativ machtlose Judentum zwei) monotheistischen Weltreligionen des eurasischen Raumes. Ironie des Schicksals irgendwie.
(04.01.2013 23:30)WDPG schrieb: [ -> ]Die 3 Mächte die du da ansprichst waren nicht nur uneinig, sie waren Gegner. [...] Insgesamt denke ich profitierten die Kreuzritter des 1. Kreuzzugs vor allem von der Schwäche der islamischen Feinde. [...] In dieser allgemeinen Verwirrung war es den Kreuzrittern dann möglich ihre Erfolge trotz der eigenen Streitereien einzufahren.

Wobei ich auch das Gefühl habe, dass sie auch ein bisschen Glück hatten. In entscheidenden Momenten haben kleinere Siege ihre Motivation wieder gehoben. In Antiochia half ihnen ein Bewohner der Stadt, in diese einzudringen. Auch bei noch so zerstrittenen Preisen hätte der Kreuzzug aufgrund von Versorgungs- und Nachschubengpässen, Nahrungsmangel bzw. überteuerten Nahrungspreisen ohne eine einzige Schlacht leicht in einem Desaster enden bzw. sich buchstäblich im Sand verlaufen können. Ein Punkt war vielleicht auch, dass der erste Kreuzzug noch der euphorischste war, man war sich sicher, Gottes Hilfe würde den Sieg bringen (auch nachdem eine feierliche Prozession der Kreuzfahrer um die Stadt im Gegensatz zur biblischen Eroberung Jerichos keinen direkten Erfolg brachte). An eine Niederlage wagte man sicher kaum zu denken.

VG
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