01.03.2013, 18:05
[/quote]"Sekunden dauernde Feuerstöße Richtung G."
Als er eine Selbstschussanlage an der innerdeutschen Grenze demontieren wollte, wurde der SED-Kritiker Michael Gartenschläger 1976 in einen Hinterhalt gelockt. Eine Ausstellung verfolgt seinen Tod.
Zitat:[quote]Die Täter waren gut getarnt. Vier Elitesoldaten der "Einsatzkompanie" der DDR-Staatssicherheit, hundertprozentig zuverlässige "Genossen", warteten im hohen Gras auf westlicher Seite der innerdeutschen Grenze. Man schrieb Ende April 1976, und die Männer hatten einen klaren Befehl: Sie sollten einen "Grenzverletzer" mit westdeutschem Pass, nämlich Michael Gartenschläger, "festnehmen oder vernichten". Sie führten ihren Befehl aus. Der 32-jährige Gartenschläger wurde in der dunklen Neumondnacht zum 1. Mai 1976 erschossen.
Jetzt widmet die Gedenkstätte Grenzhus Schlagsdorf mit einer Sonderausstellung an den Tod des DDR-Kritikers. "Michael Gartenschläger steht stellvertretend für die Todesopfer des DDR-Grenzregimes und erinnert an Widerstand und Unterdrückung unter der SED-Herrschaft", erklärt Grenzhus-Leiter Andreas Wagner vom Trägerverein Politische Memoriale.
Zugleich stellt der Historiker fest: "Seine Person eignet sich nicht zur Heroisierung. Er war total menschlich, unangepasst, unbequem, er erleidet auch Rückschläge in seinem Leben." Es sei Gartenschlägers Gerechtigkeitsempfinden gewesen, das ihn nie losließ und "letztlich das Leben" kostete
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"Festnehmen oder vernichten"
Dabei gab Kleinjung die von Mielke erteilte Weisung weiter, der "Täter" sei bei einem neuerlichen Versuch, eine Splittermine abzubauen, "unter allen Umständen möglichst festzunehmen". Sollte dies nicht gelinge, dürfte er keinesfalls entkommen, sondern müsse "vernichtet werden". Diese Weisungen hielt Kleinjung, ganz Stasi-Bürokrat, am 26. April 1976 in einem "Maßnahmeplan" fest. Darin stand: "Die Anwendung der Schusswaffe erfolgt, wenn keine andere Möglichkeit zur Realisierung der vorgenannten Zielstellung vorhanden ist. Die Feuerführung erfolgt parallel zur Staatsgrenze." Ein klarer Mordbefehl.
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Sie musste ein ganze Woche warten: Erst in der Nacht zum 1. Mai 1976 tauchte Gartenschläger wieder an der Grenzsäule 231 auf, begleitet von zwei jungen Männern. Über das, was in den folgenden Sekunden geschah, gibt es entgegengesetzte Aussagen: Möglicherweise fiel ihm der Hinterhalt auf, möglicherweise gab er, gezielt oder ungezielt, einen oder vielleicht auch zwei Schüsse ab. Jedenfalls eröffneten die vier Mann der "Einsatzkompanie" mit ihren Sturmgewehren sofort ein Dauerfeuer.
Die Angeklagten wurden freigesprochen
Der Bundesgerichtshof stellte später in einem Urteil fest: "Gartenschläger wurde noch in aufrechter oder gebückter Haltung von drei Kugeln im Oberkörper getroffen, wobei ein Geschoss Herz, Lunge und Rückenmark durchschlug, was zum Zusammenbruch des Kreislaufs und zum Herztod führte, so dass er sofort zusammensackte."
Danach gaben die vier Posten "weitere, mehrere Sekunden dauernde Feuerstöße in Richtung des liegenden G ab, der von zahlreichen Schüssen getroffen wurde". Gartenschlägers Begleiter zogen sich auf westdeutsches Gebiet zurück, der Leichnam des DDR-Gegners wurde auf die andere Seite der innendeutschen Grenze gebracht.
Obwohl es sich um einen klaren Mord handelte, konnten weder die Schützen noch die Auftraggeber wie Karl Kleinjung nach 1990 strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Mehrere Instanzen konnten jedenfalls "nicht ausschließen", dass die vier Posten irrtümlich geglaubt hätten, in Notwehr zu handeln. Und Kleinjung sagte allen Ernstes aus, mit "vernichten" müsse nicht "töten" gemeint gewesen sein. Weil die Richter das Gegenteil nicht beweisen konnten, wurden alle Angeklagten freigesprochen – teilweise aus Mangel an Beweisen für die Anklage, teilweise wegen Verjährung.
Marita Pagels-Heineking, die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Mecklenburg-Vorpommern, hält die Geschichte von Michael Gartenschläger auch nach fast 37 Jahren für brandaktuell. "Nicht wegzuschauen, wenn Unrecht geschieht, wenn die Freiheit bedroht ist – das können wir von Michael Gartenschläger lernen", meint sie. Jugendliche könnten Geschichte besser verstehen, wenn sie sich mit Biografien wie der von Gartenschläger auseinandersetzten.
zum weiterlesen
http://www.welt.de/geschichte/article113...ung-G.html