In der Landwirtschaft ist das ausgehende 18. das beginnende 19. Jahrhundert geprägt vom Übergang von der Dreifelderwirtschaft zum Fruchtwechsel, dem Anbau der Brache mit Futterpflanzen.
Ein Vorgang der nur Vorteile hat. Die Anbaufläche wird rechnerisch um ein Drittel erhöht, durch den Anbau von Futterpflanzen, kann mehr Vieh gehalten werden. Die verstärkte Viehhaltung führt zu einem höheren Anfall von Dung, was wiederum zu einer Erhöhung der Ernteerträge führt. Außerdem kann durch den Anbau von Futterpflanzen in der Viehhaltung zur Stallfütterung übergegangen werden. Wodurch die großen Weideflächen nicht mehr benötigt werden, die Allmende, das gemeinsame Eigentum des Dorfes, wird nicht mehr als Weide gebraucht, kann auf die Bauern verteilt werden, die Ackerland daraus machen, die Anbauerträge steigen weiter.
Teil 1 Fruchtwechsel
Nun verwundert den Betrachter, dass trotz diesen klaren herausragenden sofort erkennbaren Vorteilen dieser Übergang sehr lange gedauert hat.
Bis der Fruchtwechsel überall eingeführt war, dauerte es bis über die Jahrhundertmitte des 19. hinaus. Die Allmendverteilung ging teilweise noch länger.
Leicht ist man verführt, der Landbevölkerung eine gewisse „Hinterwäldlerschaft“ anzuhängen, nach dem Motto, „da hat mein Vater gebremst, und da bremse ich, und wenn es bergauf geht“.
Der Regionalist dagegen entdeckt bei einer kurzen Nachschau recht schnell die Gründe. Die Fläche an Ackerland eines Dorfes war seit dem Spätmittelalter und der Einführung der Dreifelderwirtschaft, sehr genau in drei „Zelgen“ eingeteilt, eine Zelge war mit Wintergetreide angebaut, die nächste mit Sommerfrucht, und die dritte Zelge blieb brach. Nun konnte logischerweise kein einzelner Bauer aus dieser „Einteilung“ ausbrechen, aber auch der Dorfgemeinschaft war dies so ohne weiteres nicht möglich. Denn die Zelgeneinteilung war gleichzeitig Basis der Besteuerung, des „Zehnten“.
Nun war das relativ einfach zu lösen, wenn der Zehnte einen einzigen Inhaber (Kloster, Kirche, Standesherr usw.) hatte, dies war aber die absolute Ausnahme, meist gehörte der recht vielen sehr unterschiedlichen „Herren“.
Und jeder dieser war bestrebt, bei einer Änderung auf jeden Fall nicht weniger vom Ganzen, nach Möglichkeit sogar etwas mehr zu erhalten.
Womit klar wird, dass die Verhandlungen sich ohne weiteres über Jahrzehnte hinziehen konnten. Und vor einer Einigung ging halt gar nichts.
Der Fruchtwechsel flächendeckend war dann eine der positiven Errungenschaften der Revolution 1848, und wurde in deren Folge so ziemlich überall eingeführt.
Wobei man die zähen Verhandlungen die zT schon seit einer Generation gelaufen waren, durchaus auch als eine der Ursachen der Revolution sehen kann.
Wobei man die Mineraldüngung nicht außer acht lassen darf, die kam erst im 19. Jahrhundert auf, als Justus von Liebig wirkte und man Unmengen Salpeter (Guano) per Schiff aus Peru und Chile holte. Vorher wäre der Fruchtwechselanbau in der neuen Form gar nicht möglich gewesen.
Einen Zusammenhang mit 1848 erkenne ich nicht, denn in Ostelbien änderte sich politisch erstmal nix.
(28.08.2012 15:17)Arkona schrieb: [ -> ]Wobei man die Mineraldüngung nicht außer acht lassen darf, die kam erst im 19. Jahrhundert auf, als Justus von Liebig wirkte und man Unmengen Salpeter (Guano) per Schiff aus Peru und Chile holte. Vorher wäre der Fruchtwechselanbau in der neuen Form gar nicht möglich gewesen.
Einen Zusammenhang mit 1848 erkenne ich nicht, denn in Ostelbien änderte sich politisch erstmal nix.
Doch Arkona,
denn 1848 sind die Feudallasten gefallen. Und die ganzen Probleme mit Zehnten usw. waren gelöst.
Die Brachen konnten angebaut werden, ohne dass "Kloster sowieso" Reichsritter von Schatten am Wald" usw. überlegen musste um wieviel der Zehnt deshalb hochgehen soll.
(28.08.2012 15:57)Suebe schrieb: [ -> ] (28.08.2012 15:17)Arkona schrieb: [ -> ]Wobei man die Mineraldüngung nicht außer acht lassen darf, die kam erst im 19. Jahrhundert auf, als Justus von Liebig wirkte und man Unmengen Salpeter (Guano) per Schiff aus Peru und Chile holte. Vorher wäre der Fruchtwechselanbau in der neuen Form gar nicht möglich gewesen.
Einen Zusammenhang mit 1848 erkenne ich nicht, denn in Ostelbien änderte sich politisch erstmal nix.
Doch Arkona,
denn 1848 sind die Feudallasten gefallen. Und die ganzen Probleme mit Zehnten usw. waren gelöst.
Die Brachen konnten angebaut werden, ohne dass "Kloster sowieso" Reichsritter von Schatten am Wald" usw. überlegen musste um wieviel der Zehnt deshalb hochgehen soll.
Aber doch nicht überall. Im Osten holte man sich Tagelöhner und Schnitter aus Polen, nur wenige Leute waren Kossäten. die ein bißchen für sich anbauten. Im Grunde waren die neuen Herren auch die alten, nicht umsonst gibt es den berühmten Ausspruch von Bismarck über die Verhältnisse in Mecklenburg. Ich weiß nicht, wie groß die bewirtschafteten Flächen bei dir im Südwesten waren - Großbauern waren die Leute ab 1848 jedenfalls auch nicht plötzlich. In Zugvieh, Saatgut und Dünger musste auch erst mal investiert werden und ganz ohne Angestellte (Mägde/Knechte) ging es wohl auch kaum. Und nur ein Sohn erbte, der Rest musste entweder "eine gute Partie" machen oder nach Amerika gehen.
Jedenfalls setzte sich die neue Wirtschaftsweise nicht so einfach durch oder gab es die z.B. in Frankreich plötzlich ab der dortigen Revolution?
(28.08.2012 16:37)Arkona schrieb: [ -> ] (28.08.2012 15:57)Suebe schrieb: [ -> ]Doch Arkona,
denn 1848 sind die Feudallasten gefallen. Und die ganzen Probleme mit Zehnten usw. waren gelöst.
Die Brachen konnten angebaut werden, ohne dass "Kloster sowieso" Reichsritter von Schatten am Wald" usw. überlegen musste um wieviel der Zehnt deshalb hochgehen soll.
Aber doch nicht überall. Im Osten holte man sich Tagelöhner und Schnitter aus Polen, nur wenige Leute waren Kossäten. die ein bißchen für sich anbauten. Im Grunde waren die neuen Herren auch die alten, nicht umsonst gibt es den berühmten Ausspruch von Bismarck über die Verhältnisse in Mecklenburg. Ich weiß nicht, wie groß die bewirtschafteten Flächen bei dir im Südwesten waren - Großbauern waren die Leute ab 1848 jedenfalls auch nicht plötzlich. In Zugvieh, Saatgut und Dünger musste auch erst mal investiert werden und ganz ohne Angestellte (Mägde/Knechte) ging es wohl auch kaum. Und nur ein Sohn erbte, der Rest musste entweder "eine gute Partie" machen oder nach Amerika gehen.
Jedenfalls setzte sich die neue Wirtschaftsweise nicht so einfach durch oder gab es die z.B. in Frankreich plötzlich ab der dortigen Revolution?
Du vermischt da sehr vieles.
1. die durften nicht einfach die Brache anbauen, da hat der "Zehnt-Inhaber" mitgeredet, sehr oft waren das aber einige, war der Zehnt im Besitz etlicher "Standesherren" und "Institutionen", gab es Verhandlungen über Jahrzehnte und Generationen hinweg.
Was mit der Revolution wegfiel, bis 1852 waren die Feudallasten endgültig geregelt, mindestens soweit, dass die Zelgen freiweg angebaut werden konnten, wie die Bauern wollten.
Knechte in dem Sinn gab es bei uns sehr wenige, war Realteilungsgebiet.
Bei euch im Osten war das natürlich ganz anders, da konnten erkannte Verbesserungen zügig umgesetzt werden. Ich schrieb ja, der Fruchtwechsel mit den diversen Vorteilen wurde spätestens 1800 kpl. und allgemein erkannt. Aber bei uns durften die den nicht einfach übernehmen. Die Zehntinhaber!
Es schreibt sich übrigens recht leicht "Feudallasten".
Ich habe irgendwo eine Aufstellung welche Feudallasten im ehem. Kreis Balingen noch nach 1800 bis 1850 Gültigkeit hatten, und in dieser Zeit aufgehoben wurden.
Es waren hunderte! Buchstäblich.
Wenn ihr richtig lieb zu mir seid, oder mich mal fürchterlich ärgert, kann es sein, dass ich mich mal hinsetze und sie abtippe.
Nicht zu glauben,
wobei bei sehr vielen dieser Lasten war am Beginn des 19. Jahrhunderts längst nicht mehr bekannt, wie und wofür die eigentlich entstanden sind. Aber sie waren rechtsverbindlich da, und wollten zum jeweiligen Fälligkeitstermin bedient sein.
Man muss auf der anderen Seite natürlich auch sehen:
Der heutige Besitzer eines Bauernhofs, der seit dem 30 jährigen Krieg im Besitz meiner Familie ist, hat sich mal die Mühe gemacht, es sind Abrechnungen mehr oder weniger vollständig bis ca. 1790 vorhanden, die tatsächlichen Lasten, die da jählich abzuführen waren zu erfassen. Und über 2 Jahrhunderte zu vergleichen.
Es kam eine durchschnittliche Belastung zusammen die etwa 30% des Jahresertrags betrugen.
Eigentlich nicht anders wie heute.
Auch damals hat keiner ein Huhn das "Goldene Eier" legte zur Hühnerbrühe gemacht.
Das Problem waren die vielen "Herren" an die Abzuführen war, die vielen "Herren" die bei irgendwelchen Änderungen mitzureden hatten.
Die Revolutionäre Anno 48 sprachen von der "Vielregiererei".
(29.08.2012 11:21)Suebe schrieb: [ -> ]Es kam eine durchschnittliche Belastung zusammen die etwa 30% des Jahresertrags betrugen.
Eigentlich nicht anders wie heute.
Im alten Rom gab es Steuersätze, von denen heute nichtmal die FDP träumen kann und trotzdem wurde rebelliert.
(30.08.2012 11:16)Arkona schrieb: [ -> ] (29.08.2012 11:21)Suebe schrieb: [ -> ]Es kam eine durchschnittliche Belastung zusammen die etwa 30% des Jahresertrags betrugen.
Eigentlich nicht anders wie heute.
Im alten Rom gab es Steuersätze, von denen heute nichtmal die FDP träumen kann und trotzdem wurde rebelliert.
Ja klar,
mir ging es eigentlich lediglich darum, dass die Lasten nicht unbedingt besonders "drückend" waren, sondern durch die Vielzahl überaus hinderlich wurden.
Die süddeutsche Realteilung war ein Problem, die muß doch als Anreiz zur Geburtenkontrolle gewirkt haben bei bestehenden Ehen, nicht nur bei der Heiratserlaubnis.
Im Norden ist das Anerbenrecht üblich, entweder der älteste oder der jüngste Sohn erbt idR den ganzen Hof.
(30.08.2012 15:29)Renegat schrieb: [ -> ]Die süddeutsche Realteilung war ein Problem, die muß doch als Anreiz zur Geburtenkontrolle gewirkt haben bei bestehenden Ehen, nicht nur bei der Heiratserlaubnis.
Im Norden ist das Anerbenrecht üblich, entweder der älteste oder der jüngste Sohn erbt idR den ganzen Hof.
Das würden wir heute so sehen.
Nur kommt da halt auch ein ganz dickes [/b]ABER[b]
1.)Kinder waren Arbeitskräfte, insbesondere die Taglöhner waren zu Erntezeiten auf die angewiesen! Die Arbeiterbauern später noch mehr, da haben Frau und Kinder die Landwirtschaft so gut wie allein umgetrieben.
2.)Es gab keine Rentenversicherung! Wer sonst hätte den 60jähringen Tagelöhner versorgen sollen? wenn nicht die Kinder.
2.)Die Kindersterblichkeit war so wahnsinnig hoch, 10jährige hatten meist schon einige "Engels-Geschwister".
Mein Urgroßvater aus einer relativ wohlhabenden Handwerkerfamilie, hatte 12 Geschwister, er war der einzige das Säuglingsalter überlebende!
Die Realteilung war davon abgesehen durchaus nicht überall üblich, weiter oben schrieb ich "vom Hof meiner Familie" dort hat immer der Jüngste geerbt, aber in einem altwürttembergischen Dorf. Und in Altwürttemberg galt "eigentlich" die Realteilung. Warum das dort anders war, will ich mal im Ruhestand näher untersuchen.
Es führt etwas vom Thema weg, "aber nur wer die Zusammenhänge... usw.":idea:
Zur Realteilung habe ich mal dies gefunden:
Zitat:Die Emanzipation der Frau ist also keine Errungenschaft der Neuzeit, denn schon zur Zeit des „Imperium Romanum" suchte sich die Römerin zu behaupten. Sie hat zu ihrer Zeit viel, sehr viel erreicht — ihre wirtschaftliche Gleichstellung hinsichtlich der Hinterlassenschaft der verstorbenen Eltern. Diese Errungenschaft der „emanzipierten Römerin", nämlich die erwähnte Gleichstellung an der elterlichen Hinterlassenschaft von Sohn und Tochter, spüren wir bis in die Jetztzeit in den ehemals von römischen Legionen okkupierten deutschen Gebieten — im Bereich des „Imperium Romanum". Diese Gleichstellung von Mann und Frau als Erbberechtigte am elterlichen Vermögen ist ein Teil des römischen Rechts.
Diesem „Römischen Recht" steht allerdings in anderen Teilen Deutschlands das „landesübliche altgermanische Anerbenrecht" gegenüber. Dieses Anerbenrecht besagt aber, daß der Besitz an Feld und Haus ungeteilt auf den ältesten männlichen, in Ausnahmefällen auch auf eine weibliche Hausinsassin, Erben übertragen werden soll und muß. Die übrigen Kinder werden abgefunden, obgleich sich im Laufe der Jahrhunderte — besonders hinsichtlich der Mobilien — grundlegende Änderungen zugunsten, der weichenden Erben ergeben haben.
Schuld ist die Römerin und die Emanzipation der Frau
von da:
http://www.kreis.aw-online.de/kvar/VT/hj...980.39.htm
was ich eigentlich damit sagen will,
die vielbeklagte "Zersplitterung des Besitzes" ist mMn eine sehr neue Klage. Die ziemlich sicher erst im 20. Jahrhundert aufgekommen ist. Ich will zwar den Nazis da nicht alle Schuld aufbürden, aber eine gewisse schon.
"Nur negativ" hat sich auch die Realteilung nicht ausgewirkt. Die kleinbauern und Tagelöhner haben meist "nebenher" noch ein Handwerk ausgeübt, war das Dorf nicht mehr auf den Weg in die Stadt angewiesen.
In den Kirchenbüchern der Alb steht gar oft als Beruf: Bauer und Weber zb. oder aber es wurden da bereits die Grundlagen für die beginnende Industrialisierung gelegt.
Der "Arbeiterbauer" hat noch bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts die Dörfer Baden-Württembergs in ganzen Landstrichen bestimmt.