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Normale Version: Zünfte, Innungen und Ordnungen
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Ich quäle mich zur Zeit mehr oder weniger freudig durch die deutsche/mitteleuropäische Handwerksgeschichte. Hier sind mal ein paar noch recht unstrukturierte Gedanken dazu:

Was auffällt ist das massenhafte Entstehen der Zünfte und Innungen und damit verbunden natürlich die Handwerksordnungen, fast alle im Zeitraum zwischen dem 14. und spätestens 16.Jh.

Die Vorteile, die Zünfte und Innungen den einzelnen Handwerkern boten, liegen klar auf der Hand, nur so ließen sich Preise, Konkurrenzsituation und Absatzmärkte stabil halten.
Auch damit verbunden, die Einführung einer strikt reglementierten Ausbildung über Lehr-, Gesellen-, Wander- und Mutjahre bis hin zur Meisterprüfung, auch das gibt den Handwerkern die Möglichkeit, ihren eigenen Markt auch hinsichtlich der Anzahl der Konkurrenten aber auch der Qualität der eigenen Produkte zu steuern.

Also absolut pfiffig, das Ganze.

Frage: Kennen wir ähnliche zünftische Organisationen und bindende Handwerkerordnungen aus dem Spätmittelalter außerhalb Europas? Würde mich echt interessieren.

Ein anderer Punkt ist die Reglementierung der Frauenarbeit innerhalb der Handwerkerordnung.
Kaum eine Ordnung lässt es aus, dem "Weibsvolk" die Ausübung des "Lehrberufes" zu untersagen. Wenige Handwerke machen für Meisterwitwen eine Ausnahme. Sie (und nur sie) dürfen den Betrieb des verstorbenen Mannes weiterführen.
In vielen Handwerken war es aber notwendig, dass sowohl die Meisterfrauen als auch deren Töchter aktiv mitgearbeitet hatten, natürlich nur als Handlanger, höchstens noch im Verkauf der eigenen Produkte - sofern dies gestattet war.
Warum dieser konsequente Ausschluss von qualifizierter Arbeit? Das "Schonen des schwachen Geschlechts" konnte es nicht sein, denn laut den Zunftordnungen der Steinhauer und Maurer sollten vornehmlich die Frauen die Ziegel und den Kalk schleppen.

Ein weiterer Punkt, der mir irgendwie unverständlich geblieben ist, sind die Arbeits-/Lebensbedingungen der Gesellen.
Bis auf wenige Ausnahmen waren Gesellen nicht in der Situation heiraten zu können/zu dürfen. Wenn nicht auf Wanderschaft, mussten sie im Haus des Meisters mit wohnen und konnten daher keinen "eigenen Herd" haben. Erst wenn sie Meister wurden, konnten sie also ein eigenes Haus beziehen und heiraten.

Wenn man dann aber mal die Ausbildung zusammenrechnet:
In welchem Alter haben die Lehrjungen damals wohl begonnen? Auf dem Bau war es spät wegen der körperlichen Belastung aber ich schätze mal, dass viele wohl im Alter von 9 oder 10 Jahren in die Lehre eintraten.
In der Regel waren 3 bis 7 (Einzelfälle 9) Jahre Lehrzeit Pflicht, danach folgten zwischen 2 und 5 Wanderjahre, anschließend 3 bis 5 Jahre Gesellenzeit bei mindestens einem Meister und nochmals anschließend 2 bis 3 Jahre Mutzeit/Wartezeit bei einem anderen Meister.
Macht summa summarum zwischen 10 und 20 Jahren, die ein Werdegang zum Meister dauern konnte - je nach Branche natürlich. Heißt dann aber wiederum, dass in machen Handwerken die Meister quasi schon "gesetztere ältere Männer" waren, bevor sie überhaupt ans Heiraten denken konnten. Bedeutet aber auch, dass so mancher Geselle wohl zeitlebens Geselle blieb, denn laut den Ordnungen war auch Anzahl der "Neuzulassungen" von Meistern reglementiert.
Irgendwie kaum vorstellbar, denn es müssen ja dann in den ausgesprochenen Handwerkerstädten wie Nürnberg, Augsburg, etc. unglaublich viele unverheiratete Männer gelebt haben.

Oder habe ich da jetzt einen Denkfehler drin?
(24.05.2013 19:31)Uta schrieb: [ -> ]Ich quäle mich zur Zeit mehr oder weniger freudig durch die deutsche/mitteleuropäische Handwerksgeschichte. Hier sind mal ein paar noch recht unstrukturierte Gedanken dazu:

Was auffällt ist das massenhafte Entstehen der Zünfte und Innungen und damit verbunden natürlich die Handwerksordnungen, fast alle im Zeitraum zwischen dem 14. und spätestens 16.Jh.

Die Vorteile, die Zünfte und Innungen den einzelnen Handwerkern boten, liegen klar auf der Hand, nur so ließen sich Preise, Konkurrenzsituation und Absatzmärkte stabil halten.
Auch damit verbunden, die Einführung einer strikt reglementierten Ausbildung über Lehr-, Gesellen-, Wander- und Mutjahre bis hin zur Meisterprüfung, auch das gibt den Handwerkern die Möglichkeit, ihren eigenen Markt auch hinsichtlich der Anzahl der Konkurrenten aber auch der Qualität der eigenen Produkte zu steuern.

Also absolut pfiffig, das Ganze.

Frage: Kennen wir ähnliche zünftische Organisationen und bindende Handwerkerordnungen aus dem Spätmittelalter außerhalb Europas? Würde mich echt interessieren.

Ein anderer Punkt ist die Reglementierung der Frauenarbeit innerhalb der Handwerkerordnung.
Kaum eine Ordnung lässt es aus, dem "Weibsvolk" die Ausübung des "Lehrberufes" zu untersagen. Wenige Handwerke machen für Meisterwitwen eine Ausnahme. Sie (und nur sie) dürfen den Betrieb des verstorbenen Mannes weiterführen.
In vielen Handwerken war es aber notwendig, dass sowohl die Meisterfrauen als auch deren Töchter aktiv mitgearbeitet hatten, natürlich nur als Handlanger, höchstens noch im Verkauf der eigenen Produkte - sofern dies gestattet war.
Warum dieser konsequente Ausschluss von qualifizierter Arbeit? Das "Schonen des schwachen Geschlechts" konnte es nicht sein, denn laut den Zunftordnungen der Steinhauer und Maurer sollten vornehmlich die Frauen die Ziegel und den Kalk schleppen.

Ein weiterer Punkt, der mir irgendwie unverständlich geblieben ist, sind die Arbeits-/Lebensbedingungen der Gesellen.
Bis auf wenige Ausnahmen waren Gesellen nicht in der Situation heiraten zu können/zu dürfen. Wenn nicht auf Wanderschaft, mussten sie im Haus des Meisters mit wohnen und konnten daher keinen "eigenen Herd" haben. Erst wenn sie Meister wurden, konnten sie also ein eigenes Haus beziehen und heiraten.

Wenn man dann aber mal die Ausbildung zusammenrechnet:
In welchem Alter haben die Lehrjungen damals wohl begonnen? Auf dem Bau war es spät wegen der körperlichen Belastung aber ich schätze mal, dass viele wohl im Alter von 9 oder 10 Jahren in die Lehre eintraten.
In der Regel waren 3 bis 7 (Einzelfälle 9) Jahre Lehrzeit Pflicht, danach folgten zwischen 2 und 5 Wanderjahre, anschließend 3 bis 5 Jahre Gesellenzeit bei mindestens einem Meister und nochmals anschließend 2 bis 3 Jahre Mutzeit/Wartezeit bei einem anderen Meister.
Macht summa summarum zwischen 10 und 20 Jahren, die ein Werdegang zum Meister dauern konnte - je nach Branche natürlich. Heißt dann aber wiederum, dass in machen Handwerken die Meister quasi schon "gesetztere ältere Männer" waren, bevor sie überhaupt ans Heiraten denken konnten. Bedeutet aber auch, dass so mancher Geselle wohl zeitlebens Geselle blieb, denn laut den Ordnungen war auch Anzahl der "Neuzulassungen" von Meistern reglementiert.
Irgendwie kaum vorstellbar, denn es müssen ja dann in den ausgesprochenen Handwerkerstädten wie Nürnberg, Augsburg, etc. unglaublich viele unverheiratete Männer gelebt haben.

Oder habe ich da jetzt einen Denkfehler drin?

Mal ein Versuch dir die eine oder ndere Auskunft zu geben.


Zitat:Was auffällt ist das massenhafte Entstehen der Zünfte und Innungen und damit verbunden natürlich die Handwerksordnungen, fast alle im Zeitraum zwischen dem 14. und spätestens 16.Jh.

das hängt mit der gleichzeitigen "Verstädterung" zusammen. Die Masse der heutigen Städte werden in dieser Zeit, rep. kurz zuvor gegründet, meist aus in der Nähe liegenden Dörfern heraus.

Zitat:Also absolut pfiffig, das Ganze.
klar, das waren Kartelle nichts anderes.

Die Beschränkungen, auch auf die Produkte, sind zum Teil mehr als Schikanös gewesen. Da hat sich die Mode geändert, und die Meister deren Produkte nicht mehr gefragt waren, durften die anderen gesuchten, einfach nicht herstellen, obwohl sei es ohne weiteres gekonnt hätten.

Zitat:Ein anderer Punkt ist die Reglementierung der Frauenarbeit innerhalb der Handwerkerordnung.

Das muss ich nachlesen, kann ich aus der Hand nichts belastbares bringen.

Zitat:Frage: Kennen wir ähnliche zünftische Organisationen und bindende Handwerkerordnungen aus dem Spätmittelalter außerhalb Europas? Würde mich echt interessieren.

auch das müsste ich nachlesen.

Zitat:Ein weiterer Punkt, der mir irgendwie unverständlich geblieben ist, sind die Arbeits-/Lebensbedingungen der Gesellen.
Bis auf wenige Ausnahmen waren Gesellen nicht in der Situation heiraten zu können/zu dürfen. Wenn nicht auf Wanderschaft, mussten sie im Haus des Meisters mit wohnen und konnten daher keinen "eigenen Herd" haben. Erst wenn sie Meister wurden, konnten sie also ein eigenes Haus beziehen und heiraten.
Wer kein Meistersohn war, hatte eigentlich nur die Chance eine Meisterstochter zu heiraten.
"In eine kleine Wirtschaft reinzuschlupfen" Zitat

Zitat:Irgendwie kaum vorstellbar, denn es müssen ja dann in den ausgesprochenen Handwerkerstädten wie Nürnberg, Augsburg, etc. unglaublich viele unverheiratete Männer gelebt haben.

und unverheiratete Frauen!

Hier
http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...serlaubnis
habe ich mich damit, allerdings Schwerpunkt 19. Jahrhundert, kurz befasst.

Am Rande:
Die heutige Handwerksordnung gibt es erst seit ca. 1935, zuvor, seit ca. Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte Gewerbefreiheit.
Bei den 50 jährigen Jubiläen von Innung, Kreishandwerkerschaft usw. usf. haben noch etliche der alten Herren gelebt, da kamen Sprüche im kleineren Kreis, Mann oh Mann....
(24.05.2013 19:31)Uta schrieb: [ -> ]Was auffällt ist das massenhafte Entstehen der Zünfte und Innungen und damit verbunden natürlich die Handwerksordnungen, fast alle im Zeitraum zwischen dem 14. und spätestens 16.Jh.

Wobei die ersten Zünfte durchaus schon im 12. Jahrhundert entstanden, zum Beispiel die
Wormser Fischhändler 1106
Würzburger Schuhmacher 1128
Kölner Bettziechen-(Bettbezug-)weber 1149
Magdeburger Schuster 1152
Mainzer Tuchmacher 1175
Kölner Drechsler 1179/1182
Magdeburger Schilderer 1197
... um nur einige zu nennen.

(24.05.2013 19:31)Uta schrieb: [ -> ]Die Vorteile, die Zünfte und Innungen den einzelnen Handwerkern boten, liegen klar auf der Hand, nur so ließen sich Preise, Konkurrenzsituation und Absatzmärkte stabil halten.
Auch damit verbunden, die Einführung einer strikt reglementierten Ausbildung über Lehr-, Gesellen-, Wander- und Mutjahre bis hin zur Meisterprüfung, auch das gibt den Handwerkern die Möglichkeit, ihren eigenen Markt auch hinsichtlich der Anzahl der Konkurrenten aber auch der Qualität der eigenen Produkte zu steuern.

Also absolut pfiffig, das Ganze.

Stimmt. Einerseits natürlich eine gute Sache für die Handwerker, andererseits sorgte es auch für eine gewisse gesicherte Qualität und einen guten Preis (andererseits wurde dieser vom Stadtherren durchgesetzt).
Allerdings war es natürlich trotz allem Kartell, konnte durchaus belastend und schikanös sein, wie es der Suebe erläutert hat.

(24.05.2013 19:31)Uta schrieb: [ -> ]Frage: Kennen wir ähnliche zünftische Organisationen und bindende Handwerkerordnungen aus dem Spätmittelalter außerhalb Europas? Würde mich echt interessieren.

Ich kenne mich mit der außereuropäischen Geschichte leider nicht so aus, habe aber dies hier gefunden:
"Das hoch differenzierte Expertenwissen der Bauhandwerker im Mittelalter wurde damit nicht länger nur innerfamiliär weitergegeben, sondern durch die Institution der Zunft kollektiv geteilt, weiterentwickelt und in seiner Überlieferung gesichert. Praks Vergleich mit dem Bauhandwerk in Byzanz und China zeigte, dass auch bei den dortigen Großbauprojekten Zünfte ähnliche Funktionen übernommen haben, auch wenn im Vergleich zu Europa ihre Organisationsform und ihre gesellschaftliche Stellung unterschiedlich waren."

Aus: Uni.Kon (Zeitschrift der Universität Konstanz), Ausgabe 32 (online unter http://www.alumni.uni-konstanz.de/home/uni-kon/), Seite 22 (im pdf-Dokument Seite 24)

Das wäre zumindest ein Punkt, an dem man mit weiteren Nachforschungen ansetzen könnte.

(24.05.2013 19:31)Uta schrieb: [ -> ]Ein anderer Punkt ist die Reglementierung der Frauenarbeit innerhalb der Handwerkerordnung.
Kaum eine Ordnung lässt es aus, dem "Weibsvolk" die Ausübung des "Lehrberufes" zu untersagen. Wenige Handwerke machen für Meisterwitwen eine Ausnahme. Sie (und nur sie) dürfen den Betrieb des verstorbenen Mannes weiterführen.
In vielen Handwerken war es aber notwendig, dass sowohl die Meisterfrauen als auch deren Töchter aktiv mitgearbeitet hatten, natürlich nur als Handlanger, höchstens noch im Verkauf der eigenen Produkte - sofern dies gestattet war.
Warum dieser konsequente Ausschluss von qualifizierter Arbeit? Das "Schonen des schwachen Geschlechts" konnte es nicht sein, denn laut den Zunftordnungen der Steinhauer und Maurer sollten vornehmlich die Frauen die Ziegel und den Kalk schleppen.

Ich vermute dahinter jedoch gar nicht mal hauptsächlich frauenfeindliche/patriarchalische Motive. Primär wird es darum gegangen sein, den Mitgliedern der Zunft ihre Arbeit zu erhalten. Es war ja auch extrem schwierig in eine Zunft aufgenommen zu werden, weil die Zunftherren auf jeden Fall sicherstellen wollten, dass jedes einzelne Mitglied der Zunft ausreichend Arbeit und damit ausreichend Einkommen hat.
Besonders im späten Mittelalter musste man, um in eine Zunft aufgenommen zu werden, ehrlich, frei und ehelich geboren sein, einen guten Ruf haben und teilweise auch deutscher Abstammung sein. Hinzu kam ein teures Meisterstück und die Finanzierung eines Mahls für alle Meister der Zunft. Das war nicht für jeden.
Und ich vermute, primär wurden die Frauen aus diesem Grund ausgeschlossen, denn schließlich durften ja Witwen von Handwerksmeistern den Meisterrang weiterführen, das wurde ihnen also zugestanden. Sekundär haben natürlich auch frauenfeindliche Gründe vielleicht eine Rolle gespielt. Das entsprach ja einfach dem Weltbild der Zeit.

Hierbei ist anzumerken, dass im Bürgertum Frauen noch eine außerordentlich hohe Stellung innehatten.
Bauersfrauen mussten durchgängig für das Überleben der Familie arbeiten - die Bauern selbst hatten auch gar keine Ränge, Möglichkeiten oder Rechte, die sie den Frauen hätten vorenthalten können. In den Klerus kamen Frauen erst recht nicht, und im Adel beschränkten sich ihre Befugnisse auf huldvolles Lächeln bei Turnieren, von Minnesängern besungen werden und die Heirat gegen ihren Willen. Das war sicherlich auch kein schönes Leben.
Die Handwerkerfrauen und ganz besonders die Händlerfrauen hatten hingegen eine höhere Stellung.
Dazu vielleicht im Laufe des Wochenendes noch einiges von meiner Seite.

Bezüglich der Gesellen muss ich mich heute noch etwas in die Bücher einlesen. Dann kommt auch dazu noch etwas.

Meine Hauptquelle für diesen Beitrag und besonders für die Liste früher Handwerkszünfte:
Evamaria Engel: Die deutsche Stadt im Mittelalter. Mein Expemplar ist die Ausgabe im Patmos Verlag Düsseldorf 2005. Zu den frühen Zünften siehe S. 154.
(ein sehr empfehlenswertes und interessantes Buch, gerade zu diesem Thema.)

VG
Der Maxdorfer
In China bildeten sich Handwerkerdynastien, aber nicht freiwillig.
Im China der Han war es primär der Kaiserhof, der die Handwerker in Dienst nahmen, sowie in späterer Zeit Unternehmer.
Die Han-Wirtschaft basierte auf einem Austausch von "Geschenken", die nichts anderes waren als Tribute der Chinesen an die Nomadenstämme des Westens und Nordens (Xiung-Nu) sowie Handelsgüter, wobei der Handel so gestaltet wurde, dass er ein "Austausch von Geschenken" war.
Die Handwerker, die die Proidukte herstellten, die gehandelt wurden, standen im staatlichen Dienst. Mit der Zeit weichte dieses System auf und private Unternehmer nutzten die Fähigkeiten der Handwerker ebenfalls. Noch später in der Han-Zeit entwickelten sich kleine, freie Handwerker, die jedoch in Konkurrenz miteinander arbeiteten und sich nie in Zünften o.Ä. zusammenfanden.

In der Song-Zeit wurde die Zugehörigkeit einer Familie zur Bauernschaft, zur Handwerkerschaft oder zum Militär festgeschrieben.
Es gab Handwerker, die nur für den Staat arbeiten durften und daneben auch Handwerker, die nur zeitweise verpflichtet wurden, für den Staat zu arbeiten. Die staatliche Verwaltung organisierte also die Tätigkeit der Handwerker, die wiederum verpflichtet waren, den Betrieb vom Vater auf den Sohn zu vererben.
Dieses System wurde ebenfalls nach und nach aufgeweicht, bis mit dem Beginn der Mandschu-Zeit die Registrierung der Familien vollständig aufgegeben wurde. Es begann erneut eine Zeit, in der Kaufleute und Unternehmer neben dem Staat die Handwerker beherrschten. Ähnlich wie bei neuzeitlichen Industrieunterehmen wurden die Handwerker in große Betriebe gezwungen, in denen sie als anonyme Masse Produkte herstellten. Dieser Zustand hielt an bis zu den großen Umbrüchen des 19.Jhs., als auch in China versucht wurde, im Widerstand gegen die Überflutung Chinas mit westlichen Industrieprodukten eine eigene Industrie aufzubauen. Dieser Versuch scheiterte, und mit dem Beginn des 20.Jhs gingen alle Versuche der Handwerker, sich zu emanzipieren, in den Bürgerkriegen und Revolutionen (erst der republikanischen, dann der kommunistischen) unter.

VG
Christian
Es war zwar nicht ganz Utas Frage, aber es gab auch im römischen Reich zunftähnliche Zusammenschlüsse.

Dazu vgl. Kapitel 3 meines Beitrags über Handel im römischen Reich anlässlich des ersten "Lebendigen Forums":
http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...2#pid12632
Schau dir mal dieses Buch an.

http://books.google.de/books?id=wYHMrJd4...rk&f=false

Zitat daraus:
Die Entstehung der mittelalterlichen Zunft - ein nicht zu lösendes Forschungsproblem?
Zitatende[/quote]
Erst einmal ganz herzlichen Dank an alle, die geantwortet haben. Es sind durchweg sehr hilfreiche Informationen und Denkansätze.
Ich muss mich aber erst noch mal genauer in das einlesen, was ihr mir vorgeschlagen habt und ich würde gerne auch den Punkt der "Frauenbeschränkungen" weiter analysieren. Aber es wird ein paar Tage dauern, ich bin im Moment leider etwas eng getaktet Blush. Für längere Beiträge fehlt leider grade echt die Zeit.

Aber (!) schtill wörking on id...
suchx ai dooo

Nur noch zwei Stichworte:
Reichszunftreform und Reichsgewerbegesetz von 1731
http://de.wikipedia.org/wiki/Reichsgewerbegesetz
sorry 3
Reichsgutachten von 1672
http://books.google.de/books?id=KEnSf8lc...72&f=false
nochmals was

In England geregelt unter Edward dem III. "Common Law"
http://books.google.de/books?id=p1lDAAAA...nd&f=false
Vielen Dank für die vielen Links und Tipps.

Bezüglich Heiratsverbot für Gesellen:

Nachdem was ich gelesen habe, verstehe ich das folgendermaßen: Heiratsverbote galten wohl häufig für Gewerke, in denen eine Wanderschaft zwingend vorgeschrieben war. Da manche Städte fürchteten, die Gesellen auf der Walz würden ihre Stadt meiden, sollten sich zuviele verheiratete Gesellen dort befinden, erließen diese Städte ein Heiratsverbot für bestimmte Gesellen (z.B. Straßburg 1522 für Tuchscherer)

Sollte es so einfach sein? Fanden die Wandergesellen in einer Stadt nicht genügend Meisterstöchter zum Poussieren, brachten sie ihr Knowhow eben in einer anderen Stadt unter? Huh


Bezüglich Frauenarbeit bin ich noch nicht wirklich weiter, nur einen Denkansatz:

In durchweg allen zünftig geregelten Handwerken gab es extra Bestimmungen für die Frauen, mit ausdrücklichen Verboten bezüglich Lehre und/oder Ausübung einer Gesellen- oder Meistertätigkeit. Frauen durften und sollten arbeiten aber um himmelswillen keine qualifierte Tätigkeit - einzige Ausnahme: Schneiderinnen / Näherinnen (dürfte sich aus der Tätigkeit am Kunden ergeben haben).

Auch wenn es - wie Maxdorfer ganz richtig schrieb - die ersten Zünfte ab dem 12./13. Jh. gab, die große "Gründungswelle" lag eher zwischen 14. und 16. Jh. Und genau in diesem Zeitraum werden die Arbeits- und Ausbildungsverbote immer konkreter und strikter in den Ordnungen formuliert.

Aus der offensichtlichen Notwendigkeit einer ausdrücklichen Erwähnung eines Verbots schließe ich, dass zuvor andere Zustände waren. Das heißt doch, dass es z.B. im Hochmittelalter für Frauen anscheinend durchaus möglich war, einen Handwerksbetrieb zu leiten und auch die Haupttätigkeit selbst auszuüben (sofern es körperlich machbar war). Allerdings war zu der Zeit normalerweise auch noch keine Ausbildung geregelt. Es hat sie zwar gegeben, aber es war noch nichts verbindlich oder einheitlich.

Da die Ausbildung - vom Lehrling zum Meister - ebenfalls in den o.g. Handwerkerordnungen erstmals geregelt wurde, besteht doch offensichtlich ein Zusammenhang zwischen Ausbildung und Verbot von qualifizierter Frauenarbeit.

Ok, ich stelle es mir einigermaßen schwierig vor, wenn ein unverheiratetes Mädchen während der Lehrzeit im Haus des Meisters wohnt oder nach der Gesellensprechung auf der Walz ist...

Das liefert einerseits natürlich gewichtige Argumente, warum Frauen nicht lernen konnten. Aber andererseits wurden Hürden wie Wanderjahre, Heiratsverbot und Mutjahre oft überhaupt nur in die Ordnungen aufgenommen, um die Zahl der Konkurrenten einigermaßen stabil zu halten. Es wäre also auch ein leichtes gewesen, die Zunfordnungen so zu stricken, dass die Frauen ihre Nischen hätten finden können.

Es hat also schon was mit dem doch recht eigenartig verschobenen Frauenbild, das sich im ausgehenden Mittelalters bzw. der frühen Neuzeit immer mehr verdeutlicht, zu tun. Oder?
(12.06.2013 17:05)Uta schrieb: [ -> ]Vielen Dank für die vielen Links und Tipps.

Bezüglich Heiratsverbot für Gesellen:

Nachdem was ich gelesen habe, verstehe ich das folgendermaßen: Heiratsverbote galten wohl häufig für Gewerke, in denen eine Wanderschaft zwingend vorgeschrieben war. Da manche Städte fürchteten, die Gesellen auf der Walz würden ihre Stadt meiden, sollten sich zuviele verheiratete Gesellen dort befinden, erließen diese Städte ein Heiratsverbot für bestimmte Gesellen (z.B. Straßburg 1522 für Tuchscherer)

Sollte es so einfach sein? Fanden die Wandergesellen in einer Stadt nicht genügend Meisterstöchter zum Poussieren, brachten sie ihr Knowhow eben in einer anderen Stadt unter? Huh


Bezüglich Frauenarbeit bin ich noch nicht wirklich weiter, nur einen Denkansatz:

In durchweg allen zünftig geregelten Handwerken gab es extra Bestimmungen für die Frauen, mit ausdrücklichen Verboten bezüglich Lehre und/oder Ausübung einer Gesellen- oder Meistertätigkeit. Frauen durften und sollten arbeiten aber um himmelswillen keine qualifierte Tätigkeit - einzige Ausnahme: Schneiderinnen / Näherinnen (dürfte sich aus der Tätigkeit am Kunden ergeben haben).

Auch wenn es - wie Maxdorfer ganz richtig schrieb - die ersten Zünfte ab dem 12./13. Jh. gab, die große "Gründungswelle" lag eher zwischen 14. und 16. Jh. Und genau in diesem Zeitraum werden die Arbeits- und Ausbildungsverbote immer konkreter und strikter in den Ordnungen formuliert.

Aus der offensichtlichen Notwendigkeit einer ausdrücklichen Erwähnung eines Verbots schließe ich, dass zuvor andere Zustände waren. Das heißt doch, dass es z.B. im Hochmittelalter für Frauen anscheinend durchaus möglich war, einen Handwerksbetrieb zu leiten und auch die Haupttätigkeit selbst auszuüben (sofern es körperlich machbar war). Allerdings war zu der Zeit normalerweise auch noch keine Ausbildung geregelt. Es hat sie zwar gegeben, aber es war noch nichts verbindlich oder einheitlich.

Da die Ausbildung - vom Lehrling zum Meister - ebenfalls in den o.g. Handwerkerordnungen erstmals geregelt wurde, besteht doch offensichtlich ein Zusammenhang zwischen Ausbildung und Verbot von qualifizierter Frauenarbeit.

Ok, ich stelle es mir einigermaßen schwierig vor, wenn ein unverheiratetes Mädchen während der Lehrzeit im Haus des Meisters wohnt oder nach der Gesellensprechung auf der Walz ist...

Das liefert einerseits natürlich gewichtige Argumente, warum Frauen nicht lernen konnten. Aber andererseits wurden Hürden wie Wanderjahre, Heiratsverbot und Mutjahre oft überhaupt nur in die Ordnungen aufgenommen, um die Zahl der Konkurrenten einigermaßen stabil zu halten. Es wäre also auch ein leichtes gewesen, die Zunfordnungen so zu stricken, dass die Frauen ihre Nischen hätten finden können.

Es hat also schon was mit dem doch recht eigenartig verschobenen Frauenbild, das sich im ausgehenden Mittelalters bzw. der frühen Neuzeit immer mehr verdeutlicht, zu tun. Oder?


Vermutlich schon, aber der Hintergründe gibt es schon ein paar Wink

Ohne aus dem Handgelenk konkret werden zu können.
Von meiner Urgroßmutter, Meistersgattin, ist überliefert, dass sie zwischen neun und halbzehn mit Kochen angefangen hat.
Die Tischgemeinschaft mit den Gesellen und Lehrlingen ist erst im und nach dem 1. WK aufgelöst worden. Ergo, hungrige Mäuler die Menge am Tisch.
Auf dem Herd wurde auch erst ab Mitte 19. Jahrhundert gekocht, zuvor auf dem offenen Feuer, was nochmals deutlich mehr Arbeit macht.
Soll heißen, wann wäre da Zeit zu handwerklichen Tätigkeiten gewesen?

Ich habe Probleme, mit dem "eigenartig verschobenen Frauenbild".
Auf dem Erbschaftsweg bin ich an ein Fotoalbum mit Bildern meiner Familie aus dem 19. Jahrhundert gekommen. Die Frauen, die da in die Linse blicken, (gegrinst wird erst seit den 30ern des 20. Jahrhunderts) selbstbewusst, manche überaus energisch. Nö, unterdrückt waren die nicht.

Zu den Heiratsverboten von Gesellen muss ich mal nachschauen, habe ich irgendwo etwas.

Man beachte aber, wir haben es mit dem HRR zu tun, ein Riesenraum, und 14.- 19. Jahrhundert! ein sehr sehr langer Zeitraum.
"Globale" Aussagen werden da schwer möglich sein
(12.06.2013 20:31)Suebe schrieb: [ -> ]Vermutlich schon, aber der Hintergründe gibt es schon ein paar Wink

Ohne aus dem Handgelenk konkret werden zu können.
Von meiner Urgroßmutter, Meistersgattin, ist überliefert, dass sie zwischen neun und halbzehn mit Kochen angefangen hat.
Die Tischgemeinschaft mit den Gesellen und Lehrlingen ist erst im und nach dem 1. WK aufgelöst worden. Ergo, hungrige Mäuler die Menge am Tisch.
Auf dem Herd wurde auch erst ab Mitte 19. Jahrhundert gekocht, zuvor auf dem offenen Feuer, was nochmals deutlich mehr Arbeit macht.
Soll heißen, wann wäre da Zeit zu handwerklichen Tätigkeiten gewesen?


Auch wenn es auf den 1. Blick OT erscheint, ich denke zu den Hintergründen gehört es schon.

Nach Heiratsverboten habe ich gesucht, Tischgewohnheiten habe ich gefunden:

Es gab, zumindest im 19. Jahrhundert, 5 Mahlzeiten am Tag!
Morgenessen oder Frühstück vor Arbeitsbeginn
ca. um 9.00 Uhr das "Morgen-Vesper"
dann um 12.00 Uhr das Mittagessen, auch damals die Hauptmahlzeit.
zwischen 15 und 16 Uhr das "Mittag-Vesper"
dann nach Arbeitsende 19-20 Uhr das Abend-Essen.

Alle 5 Mahlzeiten waren in der Regel "warm" hatte die "Meisterin" zu kochen.
Die Sitte, dass zumindest zu den "Vespern" unterschiedlich belegte Brote gegessen werden, hat sich von Nord- und Mitteldeutschland kommend auch erst im 20. Jahrhundert in Süddeutschland durchgesetzt. Und wie oben geschrieben, die Tischgemeinschaft im Handwerk hat sich erst zwischen 1910 und 1920 allmählich aufgelöst.

Die Frau im Handwerk war völlig ausgelastet.

Wobei ich zusätzlich unterstellen würde, dass es das "Witwen-Privileg" im heutigen Handwerk durchaus auch in vergangenen "Zunft-Zeiten" gab.
Zitat Uta:
Zitat:Da die Ausbildung - vom Lehrling zum Meister - ebenfalls in den o.g. Handwerkerordnungen erstmals geregelt wurde, besteht doch offensichtlich ein Zusammenhang zwischen Ausbildung und Verbot von qualifizierter Frauenarbeit.

Nachdem ich, nichts ist so sicher, zu 50% weiblicher Herkunft bin, Angel
habe ich, es ist hier schon angeklungen, große Probleme damit die Rolle der Frau in vergangenen Jahrhunderten mehr oder weniger als "kindergebärendes Hascherl" zu sehen.

Da habe ich mal in Arno Borsts "Lebensformen des Mittelalters" von 1973 ISBN 3-933203-87-2 geschaut.
Er schreibt auf Seite 690
"die bürgerliche Lebensform blühte in den mittelalterlichen Kreisen der tüchtigen Handwerker, der redlichen Kaufmänner und der über Handschriften gebeugten Gelehrten. Sie sorgten für Stabilität und ständische Ordnung: Alles Menschenleben, vom Kaiser bis zum fahrenden Bettler, von der Geburt bis zum Tode, vom Morgen bis zur Nacht ist durch feststehendes Zeremoniell, sinnvollen Brauch, stehende Formeln eingehegt."
Dann weiter:
"Jedenfalls ist ihre Blütezeit mit der Revolution beendet. Jetzt wird das Bürgertum aus einer Kast zum Volk; das Leben der Kleinen verwandelt sich zum bloßen Bild und Ausschnitt eines unsichtbaren größeren Ganzen. Das Volk besitzt Seele, Herzschlag, höhere geistige Persönlichkeit und baut sich nun als höchstes irdisches Besitztum sein eigenes Haus, den Staat.
Geschichte spielt sich nicht mehr in kleinen sozialen Gruppen ab, sondern in leitenden Ideen, politischen Potenzen und industriellen Prozessen. Historische Lebensformen aber werden für den engagierten Publizisten zweitrangig, weil er das Recht des Lebenden behauptet, alle Vergangenheit nach dem Bedürfnis und den Forderungen seiner eigenen Zeit zu deuten."
Dieses Bekenntnis, schreibt Borst, würde von Freytag stammen, wäre aber inzwischen veraltet, da die Geschichte als Wissenschaft den revolutionären Bruch mit der Vergangenheit vollendet hätte.

muss ich mal darüber nachdenken.Huh

Aber mir scheint da steckt eine Erklärung drin, für so manches, das wir uns heute nicht so ohne weiteres erklären können. Idea
OMG - hast du wieder viel geschrieben und ich komme kaum hinterher zu lesen, geschweige denn zu antworten Blush

Aber mal einigermaßen der Reihe nach.



(12.06.2013 20:31)Suebe schrieb: [ -> ]Ich habe Probleme, mit dem "eigenartig verschobenen Frauenbild".

Doch ich finde schon, dass sich gerade zum ausgehenden Mittelalter da etwas verschiebt. Damit meine ich nicht nur die Sicht der Männer auf die Frauen, auch im Selbstverständnis der Frauen tritt da ein Wandel ein. Dieser Wandel äußert sich in vielen Bereichen, nicht nur im Zunftwesen. Beispielsweise fallen ja die ganzen Beginen-Gründungen in diese Zeit. Frauen, die es verstanden, aus der Not eine Tugend zu machen - könnte man aus heutiger Sicht vermuten.

Ich kann mir aber keinen Reim auf die Mechanismen machen, die dazu führten, noch kann ich ahnen, ob sich dieser Wandel gewollt oder aufgezwungen, langsam oder abrupt, von innen aus dem Volk heraus oder von einer Instanz wie z.B. Kirche aufoktruiert vollzogen hat. Deshalb will ich das auch so wenig wie möglich werten, bemerke aber eine Verschiebung, die ich mangels schlüssiger Erklärungen bislang eben eigenartig finde.

Im Grunde erleben wir zur Zeit doch wieder eine eigenartige Verschiebung des Frauen(selbst-)bildes. Noch vor wenigen Jahren stand eine berufstätige Mutter eines Kleinkindes (unter 3 Jahren) unter dem Generalverdacht eine Rabenmutter zu sein. Heute gilt die Mutter, die sich für die (Eigen-)erziehung ihres Kindes entscheidet als Rabenmutter, weil sie nicht genügend Fachkompetenz zur Kleinkinderziehung hat und deswegen lieber was fürs Bruttosozialprodukt tun soll. (sorry fürs OT - brauchte ich aber zur Erklärung meiner Gedanken Blush)

Zitat:Zu den Heiratsverboten von Gesellen muss ich mal nachschauen, habe ich irgendwo etwas.
Heiratsverbote für Gesellen wurden in einigen Zunftordnungen ausgesprochen. Dazu muss man aber beachten, dass die Ordnungen ja in aller Regel nicht überregional galten, sondern nur in der jeweiligen Stadt.
Und im speziellen für das "geschenkte Handwerk" häufen sich in einigen Regionen die Heiratsverbote. Im Zusammenhang mit der Straßburger Tuchschererordnung habe ich zum ersten Mal diese Begründung so eindeutig formuliert gelesen. Angeklungen ist es bei anderen aber auch.

Zitat:Man beachte aber, wir haben es mit dem HRR zu tun, ein Riesenraum, und 14.- 19. Jahrhundert! ein sehr sehr langer Zeitraum.
"Globale" Aussagen werden da schwer möglich sein
Stimmt, aber so global möchte ich es gar nicht betrachten. Im Grunde geht es im Kern um das 14. - 16. Jahrhundert und am Rande das 12. und eventuell noch das 17. Jh. , wobei dieses Jahrhundert seine ganz eigene (Kriegs-)dynamik hatte.

(13.06.2013 10:41)Suebe schrieb: [ -> ]Ohne aus dem Handgelenk konkret werden zu können.
Von meiner Urgroßmutter, Meistersgattin, ist überliefert, dass sie zwischen neun und halbzehn mit Kochen angefangen hat.
Die Tischgemeinschaft mit den Gesellen und Lehrlingen ist erst im und nach dem 1. WK aufgelöst worden. Ergo, hungrige Mäuler die Menge am Tisch.
Auf dem Herd wurde auch erst ab Mitte 19. Jahrhundert gekocht, zuvor auf dem offenen Feuer, was nochmals deutlich mehr Arbeit macht.
Soll heißen, wann wäre da Zeit zu handwerklichen Tätigkeiten gewesen?
Es gab ja nicht nur Meisterfrauen, es gab ja auch noch Mägde und Töchter...
Aber es stimmt, die Tage waren völlig anders strukturiert als wir es heute immer so bedenken.

Zitat:Wobei ich zusätzlich unterstellen würde, dass es das "Witwen-Privileg" im heutigen Handwerk durchaus auch in vergangenen "Zunft-Zeiten" gab.
Nicht durchgängig. Das waren nur sehr wenige Zünfte, die das Privileg einräumten. Und das - wie mir zunehmend scheint - auch nur auf Zeit geduldet. Wollte die Witwe auf Dauer den Laden nicht aufgeben, blieb ihr nur die Heirat mit einem anderen Meister. Da hat dann wohl schon die Zunft Druck gemacht, außer die Gute war so 'schiach', dass keiner sie haben wollte. Dann hat man dafür gesorgt, dass das Geschäft den Berg runter geht und billigst aufgekauft werden konnte.

(13.06.2013 15:15)Suebe schrieb: [ -> ]Nachdem ich, nichts ist so sicher, zu 50% weiblicher Herkunft bin, Angel
habe ich, es ist hier schon angeklungen, große Probleme damit die Rolle der Frau in vergangenen Jahrhunderten mehr oder weniger als "kindergebärendes Hascherl" zu sehen.
So sehe ich die Frauen auch nicht, keineswegs. Verschreckte Hascherl waren sie wohl seltenst. Aber sie waren offensichtlich vielen Beschränkungen unterworfen. Woher die rührten und ob die Frauen das auch als Beschränkung empfanden oder als Normalität wahrnahmen sind für mich dabei spannende Fragen.

Zitat:Da habe ich mal in Arno Borsts "Lebensformen des Mittelalters" von 1973 ISBN 3-933203-87-2 geschaut.
Er schreibt auf Seite 690
"die bürgerliche Lebensform blühte in den mittelalterlichen Kreisen der tüchtigen Handwerker, der redlichen Kaufmänner und der über Handschriften gebeugten Gelehrten. Sie sorgten für Stabilität und ständische Ordnung: Alles Menschenleben, vom Kaiser bis zum fahrenden Bettler, von der Geburt bis zum Tode, vom Morgen bis zur Nacht ist durch feststehendes Zeremoniell, sinnvollen Brauch, stehende Formeln eingehegt."
Dann weiter:
"Jedenfalls ist ihre Blütezeit mit der Revolution beendet. Jetzt wird das Bürgertum aus einer Kast zum Volk; das Leben der Kleinen verwandelt sich zum bloßen Bild und Ausschnitt eines unsichtbaren größeren Ganzen. Das Volk besitzt Seele, Herzschlag, höhere geistige Persönlichkeit und baut sich nun als höchstes irdisches Besitztum sein eigenes Haus, den Staat.
Geschichte spielt sich nicht mehr in kleinen sozialen Gruppen ab, sondern in leitenden Ideen, politischen Potenzen und industriellen Prozessen. Historische Lebensformen aber werden für den engagierten Publizisten zweitrangig, weil er das Recht des Lebenden behauptet, alle Vergangenheit nach dem Bedürfnis und den Forderungen seiner eigenen Zeit zu deuten."
Dieses Bekenntnis, schreibt Borst, würde von Freytag stammen, wäre aber inzwischen veraltet, da die Geschichte als Wissenschaft den revolutionären Bruch mit der Vergangenheit vollendet hätte.

muss ich mal darüber nachdenken.Huh

Aber mir scheint da steckt eine Erklärung drin, für so manches, das wir uns heute nicht so ohne weiteres erklären können. Idea

Hört sich erstmals ganz spannend an, wenn ich im Moment auch noch nicht ganz verstehe, was Herr Borst mir damit sagen möchte. Blush
Muss ich auch erst mal drüber nachdenken... Wink
(13.06.2013 16:22)Uta schrieb: [ -> ]
(12.06.2013 20:31)Suebe schrieb: [ -> ]Ich habe Probleme, mit dem "eigenartig verschobenen Frauenbild".

Doch ich finde schon, dass sich gerade zum ausgehenden Mittelalter da etwas verschiebt. Damit meine ich nicht nur die Sicht der Männer auf die Frauen, auch im Selbstverständnis der Frauen tritt da ein Wandel ein. Dieser Wandel äußert sich in vielen Bereichen, nicht nur im Zunftwesen. Beispielsweise fallen ja die ganzen Beginen-Gründungen in diese Zeit. Frauen, die es verstanden, aus der Not eine Tugend zu machen - könnte man aus heutiger Sicht vermuten.

Ich kann mir aber keinen Reim auf die Mechanismen machen, die dazu führten, noch kann ich ahnen, ob sich dieser Wandel gewollt oder aufgezwungen, langsam oder abrupt, von innen aus dem Volk heraus oder von einer Instanz wie z.B. Kirche aufoktruiert vollzogen hat. Deshalb will ich das auch so wenig wie möglich werten, bemerke aber eine Verschiebung, die ich mangels schlüssiger Erklärungen bislang eben eigenartig finde.

Im Grunde erleben wir zur Zeit doch wieder eine eigenartige Verschiebung des Frauen(selbst-)bildes. Noch vor wenigen Jahren stand eine berufstätige Mutter eines Kleinkindes (unter 3 Jahren) unter dem Generalverdacht eine Rabenmutter zu sein. Heute gilt die Mutter, die sich für die (Eigen-)erziehung ihres Kindes entscheidet als Rabenmutter, weil sie nicht genügend Fachkompetenz zur Kleinkinderziehung hat und deswegen lieber was fürs Bruttosozialprodukt tun soll. (sorry fürs OT - brauchte ich aber zur Erklärung meiner Gedanken Blush)

Zitat:Zu den Heiratsverboten von Gesellen muss ich mal nachschauen, habe ich irgendwo etwas.
Heiratsverbote für Gesellen wurden in einigen Zunftordnungen ausgesprochen. Dazu muss man aber beachten, dass die Ordnungen ja in aller Regel nicht überregional galten, sondern nur in der jeweiligen Stadt.
Und im speziellen für das "geschenkte Handwerk" häufen sich in einigen Regionen die Heiratsverbote. Im Zusammenhang mit der Straßburger Tuchschererordnung habe ich zum ersten Mal diese Begründung so eindeutig formuliert gelesen. Angeklungen ist es bei anderen aber auch.

Zitat:Man beachte aber, wir haben es mit dem HRR zu tun, ein Riesenraum, und 14.- 19. Jahrhundert! ein sehr sehr langer Zeitraum.
"Globale" Aussagen werden da schwer möglich sein
Stimmt, aber so global möchte ich es gar nicht betrachten. Im Grunde geht es im Kern um das 14. - 16. Jahrhundert und am Rande das 12. und eventuell noch das 17. Jh. , wobei dieses Jahrhundert seine ganz eigene (Kriegs-)dynamik hatte.

./.

Zitat:Wobei ich zusätzlich unterstellen würde, dass es das "Witwen-Privileg" im heutigen Handwerk durchaus auch in vergangenen "Zunft-Zeiten" gab.
Nicht durchgängig. Das waren nur sehr wenige Zünfte, die das Privileg einräumten. Und das - wie mir zunehmend scheint - auch nur auf Zeit geduldet. Wollte die Witwe auf Dauer den Laden nicht aufgeben, blieb ihr nur die Heirat mit einem anderen Meister. Da hat dann wohl schon die Zunft Druck gemacht, außer die Gute war so 'schiach', dass keiner sie haben wollte. Dann hat man dafür gesorgt, dass das Geschäft den Berg runter geht und billigst aufgekauft werden konnte.

(13.06.2013 15:15)Suebe schrieb: [ -> ]Nachdem ich, nichts ist so sicher, zu 50% weiblicher Herkunft bin, Angel
habe ich, es ist hier schon angeklungen, große Probleme damit die Rolle der Frau in vergangenen Jahrhunderten mehr oder weniger als "kindergebärendes Hascherl" zu sehen.
So sehe ich die Frauen auch nicht, keineswegs. Verschreckte Hascherl waren sie wohl seltenst. Aber sie waren offensichtlich vielen Beschränkungen unterworfen. Woher die rührten und ob die Frauen das auch als Beschränkung empfanden oder als Normalität wahrnahmen sind für mich dabei spannende Fragen.

Zitat:Da habe ich mal in Arno Borsts "Lebensformen des Mittelalters" von 1973 ISBN 3-933203-87-2 geschaut.
./.

Aber mir scheint da steckt eine Erklärung drin, für so manches, das wir uns heute nicht so ohne weiteres erklären können. Idea

Hört sich erstmals ganz spannend an, wenn ich im Moment auch noch nicht ganz verstehe, was Herr Borst mir damit sagen möchte. Blush
Muss ich auch erst mal drüber nachdenken... Wink

Die Herren Borst und Freytag wollen damit sagen, dass der Deutungsversuch auf Basis heutiger Denke in Leere laufen "kann", natürlich nicht muss.

Quasi "sie fanden was sie kannten"

Zitat:So sehe ich die Frauen auch nicht, keineswegs. Verschreckte Hascherl waren sie wohl seltenst. Aber sie waren offensichtlich vielen Beschränkungen unterworfen. Woher die rührten und ob die Frauen das auch als Beschränkung empfanden oder als Normalität wahrnahmen sind für mich dabei spannende Fragen

Die Frauen werden das eher als "Selbstbeschränkung" gesehen haben.
meine Vermutung.
Was hat die "Ida Maier aus Bad Teinach" 1911 das nicht vorhandene Frauenwahlrecht gejuckt?

Aber OK, das führt hier ins OT.

Das "Witwenprivileg" gilt auch heute lediglich 2 Jahre, dann muss einer eingestellt werden, der in der Handwerksrolle steht.

Wobei, auch hier Sicht von heute. Irgendwann habe ich mich mal sehr erstaunt, wie der Ebert sich als Sattler selbständig machen konnte, wo er doch gar kein Meister war.
Das Lösungswort hies "Gewerbefreiheit" bis 1935.
Das Heiratsverbot ist ja an sich ziemlich schlüssig, da die Meister dadurch ihre gewisse soziale Exklusivität erhalten wollten. Im Mittelalter hingen ja auch Wohnhaus und Werkstatt des Meisters eng zusammen oder waren gar identisch, und wie in diesem Thread soweit ich weiß auch schon erwähnt wurde, lebten die Gesellen mit anderen Arbeitskräften im Haus des Meisters und durften sich daher keine Familie aufbauen.
"[Die Arbeitsorganisation des Mittelalters war geprägt] durch die Einbindung der zünftigen wie nichtzünftigen Arbeitskräfte, des Werkstatt- ebenso wie des Haushaltsgesindes in das 'Haus' des Meisters, die Unterwerfung unter die hausväterliche und hausmütterliche Gewalt des Meisterehepaares. Damit einher ging in der Regel ein Heiratsverbot für Gesellen einerseits und die Verknüpfung von Meisterstatus und Eheschließung andererseits." (Quelle)

Folgende Aussagen verkomplizieren die Sache allerdings irgendwie:

(12.06.2013 17:05)Uta schrieb: [ -> ]Heiratsverbote galten wohl häufig für Gewerke, in denen eine Wanderschaft zwingend vorgeschrieben war. Da manche Städte fürchteten, die Gesellen auf der Walz würden ihre Stadt meiden, sollten sich zuviele verheiratete Gesellen dort befinden, erließen diese Städte ein Heiratsverbot für bestimmte Gesellen (z.B. Straßburg 1522 für Tuchscherer)

Sollte es so einfach sein? Fanden die Wandergesellen in einer Stadt nicht genügend Meisterstöchter zum Poussieren, brachten sie ihr Knowhow eben in einer anderen Stadt unter? Huh

(13.06.2013 16:22)Uta schrieb: [ -> ]Und im speziellen für das "geschenkte Handwerk" häufen sich in einigen Regionen die Heiratsverbote. Im Zusammenhang mit der Straßburger Tuchschererordnung habe ich zum ersten Mal diese Begründung so eindeutig formuliert gelesen. Angeklungen ist es bei anderen aber auch.

Das verstehe ich grade nicht so ganz.
Hmmmm..
Eine Zwischenbemerkung,
als ich vor 2 Jahren den letzten Beitrag hier schrieb, habe ich nicht im Traum dran gedacht, wie schnell mich diese theoretischen Anmerkungen im Reallife einholen würden.
Neulich bin ich Wutschnaubend aus der Innung ausgetreten, lasse mich doch von den netten Leuten nicht noch für mein Geld schikanieren.
Schikanieren werden sie mich weiterhon, es zumindest versuchen. Aber nun bezahle ich die Schikanen nicht auch noch.
Handwerkskammermitgliedschaft ist nach wie vor Pflicht.
Innung jedoch nicht.
(24.05.2013 19:31)Uta schrieb: [ -> ]Wenn man dann aber mal die Ausbildung zusammenrechnet:
In welchem Alter haben die Lehrjungen damals wohl begonnen? Auf dem Bau war es spät wegen der körperlichen Belastung aber ich schätze mal, dass viele wohl im Alter von 9 oder 10 Jahren in die Lehre eintraten.
In der Regel waren 3 bis 7 (Einzelfälle 9) Jahre Lehrzeit Pflicht, danach folgten zwischen 2 und 5 Wanderjahre, anschließend 3 bis 5 Jahre Gesellenzeit bei mindestens einem Meister und nochmals anschließend 2 bis 3 Jahre Mutzeit/Wartezeit bei einem anderen Meister.
Macht summa summarum zwischen 10 und 20 Jahren, die ein Werdegang zum Meister dauern konnte - je nach Branche natürlich. Heißt dann aber wiederum, dass in machen Handwerken die Meister quasi schon "gesetztere ältere Männer" waren, bevor sie überhaupt ans Heiraten denken konnten. Bedeutet aber auch, dass so mancher Geselle wohl zeitlebens Geselle blieb, denn laut den Ordnungen war auch Anzahl der "Neuzulassungen" von Meistern reglementiert.
Irgendwie kaum vorstellbar, denn es müssen ja dann in den ausgesprochenen Handwerkerstädten wie Nürnberg, Augsburg, etc. unglaublich viele unverheiratete Männer gelebt haben.

Hier nochmal ein paar (ebenfalls recht ungeordnete) Gedanken von mir:

10 Jahre Ausbildungszeit wären erst einmal noch nicht so das Problem, wenn ein Junge mit 14 in die Lehre eintrat (ohne dass ich wüsste, welches Alter da die Norm war) und dann mit 24 Jahren eine (oft jüngere) Frau heiraten konnte.

Es stimmt aber, dass die Neuzulassungen stark reglementiert waren, da die Meister ja ihre exlusive Funktion behalten wollten. Ein Wirtschaftszweig benötigt nun mal eine gewisse Anzahl an ausgebildeten Arbeitern, von denen nicht jeder selbstständig sein kann.
Bei Evamaria Engel, Die deutsche Stadt im Mittelalter (Düsseldorf 2005, S. 149) habe ich jedoch gelesen, dass die städtischen Handwerker oft gar keine Gesellen beschäftigten und in vielen Fällen nur mit Familienangehörigen arbeiteten. Zitiert wird das Beispiel einer Basler Steuerliste von 1446 mit 107 Schmiedemeistern, von denen 35 % nur mit ihrer Frau zusammenarbeiteten, 24 % einen Haushalt mit insgesamt drei Personen und 21 % einen Haushalt mit insgesamt vier Personen hatten. Die dritte und die vierte Person neben dem Meisterehepaar waren in diesen Haushalten meist Familienangehörige: In den insgesamt 26 Dreipersonenhaushälten (also den 24 %) lebten insgesamt nur fünf Gesellen, zwei Lehrlinge und drei Mägde.

Möglicherweise gab es also gar nicht so viele Gesellen, wie wir uns das so vorstellen (bzw. zumindest wie ich mir das bisher immer bei der Beschäftigung mit dem Thema vorgestellt habe).

Dennoch mag das Gesellenwesen einer der Gründe gewesen sein, dass es im Mittelalter sehr viele unverheiratete Menschen beiderlei Geschlechts gab. Gesellen, Mägde, Knechte, niedrige Bedienstete, ...
Zum Thema Zunftwesen in außereuropäischen Ländern:
In Indien gab es ein an das Kastenwesen angelehntes Zunftwesen, das mit dem europäischen erstaunlich übereinstimmte.
Auch in anderen Ländern mit hochentwickeltem Handwerk wie China ubd Japan gab es sicherlich ein Zunftwesen. Im Japan der Shogunzeit konnte man den Stand nicht wechseln, auch nicht für Geld und gute Worte
Die Gründe für die Entstehung von Zünften sind die gleichen die auch in Europa zum Zunftwesen führten: verhindern, daß Fremde in das Handwerk einbrachen.
Da in China selbstständige Handwerker eher arm und unterrepräsentiert waren - Handwerker arbeiteten meist als abhängige Arbeitnehmer in Manufakturen, die wiederum dem Staat oder reichen Privatleuten gehörten - denke ich nicht, dass es in China so etwas wie die europäischen Zünfte gegeben hat. Zünfte gab es zwar, aber die waren mehr so etwas wie Sozialgemeinschaften. eine so strenge Regelung, wer wie, wo und wann einen eigenen Betrieb eröffnen durfte, gab es in China nicht. Diese Aufgabe "erledigten" die Fürsten bzw. die Kaiser.

VG
Christian
Leider wissen wir über die Anfänge der Zünfte wenig. Ich vermute, das die Anfänge der Zünfte schon in der Eisenzeit in ubischen Städten lagen, wo die Berufsgruppen untereinander und mit den anderen Bürgern vieles regeln wollten.
Im Rheinland nahmen sie dann auch römische Einflüsse auf.
Erzabbau, Ton-, Jagd, Holz- und Fischnutzung z.B. in den Gemeindewäldern mußten geregelt werden und es entstanden Bräuche, die zu Regeln wurden.
(20.06.2015 01:52)Paul schrieb: [ -> ]Leider wissen wir über die Anfänge der Zünfte wenig. Ich vermute, das die Anfänge der Zünfte schon in der Eisenzeit in ubischen Städten lagen,

Äähmm...
Wohl eher nicht. Dazu gab´s in diesen Städten zu wenige Handwerker. Für eine Zunft brauchst du mehrere Handwerker, von denen sich wiederum welche so weit spezialisierten, dass sie eine eigene Zunft aufmachen konnten - und auch dafür braucht´s wieder mehrere.
Mal ganz davon zu schweigen, dass die Handwerker in den nichtrömischen Städten durch ihr Sonderwissen ohnehin eine Sonderrolle gespielt haben. Da waren Zünfte schlicht überflüssig.
In den römischen Städten gab´s dagegen sog. "collegiae". Das waren sowas wie Zünfte, aber nur ansatzweise. Nach dem Ende des (West-=)Römischen Reiches gingen auch diese "Kollegien" ein, einfach weil´s zu wenige Handwerker gab und die Städte kaum noch eine Rolle im (produktiven) Wirtschaftsleben führten. Diese Rolle übernahmen im Frühmittelalter die Dörfer und Klöster.
Die mittelalterlichen Zünfte sind auch im Mittelalter entstanden. Als nämlich die Städte eine immer wichtigere Rolle als ständische Kraft neben Adel und Klerus zu spielen begannen, gab´s zwei Entwicklungen: Die Städte wuchsen, und es gab immer mehr Macht zu verteilen. Und da wollten sich die Handwerker - die sich jetzt wieder in den Städten = Handelsplätzen zu konzentrieren begannen - ihren Teil vom Kuchen sichern. Deshalb zu Zünfte (arg verkürzt, ich weiß...)
In Japan gab es die vier Stände Adel (Samurai), Bauern, Handwerker und Händler. Obwohl die Händler sehr oft reicher waren als die Angehörigen der anderen Stände, standen sie im Ansehen ganz unten. Herrenlosen Samurai (Ronin) ging es oft nicht besser als Bettlern.
Ja, weil die Händler viel unterwegs waren, daher keinen festen Wohnort hatten - also quasi "fahrendes Volk" waren - und deshalb auch keinen Herren hatten (einen Samurai/Ronin), der sie beschützen konnte (solang das die Samurai eben konnten, bis zur Shogun-Zeit nämlich...).
Da die Samurai erstens von ihrem Land lebten bzw. von den Abgaben ihrer Untertanen, und zweitens sich über ihren Kriegsberuf definierten - den sie wiederum ohne Landbesitz und den daraus kommenden Einkünften nicht ausüben konnten - waren landlose Samurai ihrer Wurzeln beraubt.
Keine Einkünfte, kein Kriegerdasein, kein Ansehen...
(21.06.2015 14:55)913Chris schrieb: [ -> ]
(20.06.2015 01:52)Paul schrieb: [ -> ]Leider wissen wir über die Anfänge der Zünfte wenig. Ich vermute, das die Anfänge der Zünfte schon in der Eisenzeit in ubischen Städten lagen,

Äähmm...
Wohl eher nicht. Dazu gab´s in diesen Städten zu wenige Handwerker. Für eine Zunft brauchst du mehrere Handwerker, von denen sich wiederum welche so weit spezialisierten, dass sie eine eigene Zunft aufmachen konnten - und auch dafür braucht´s wieder mehrere.
Mal ganz davon zu schweigen, dass die Handwerker in den nichtrömischen Städten durch ihr Sonderwissen ohnehin eine Sonderrolle gespielt haben. Da waren Zünfte schlicht überflüssig.
In den römischen Städten gab´s dagegen sog. "collegiae". Das waren sowas wie Zünfte, aber nur ansatzweise. Nach dem Ende des (West-=)Römischen Reiches gingen auch diese "Kollegien" ein, einfach weil´s zu wenige Handwerker gab und die Städte kaum noch eine Rolle im (produktiven) Wirtschaftsleben führten. Diese Rolle übernahmen im Frühmittelalter die Dörfer und Klöster.
Die mittelalterlichen Zünfte sind auch im Mittelalter entstanden. Als nämlich die Städte eine immer wichtigere Rolle als ständische Kraft neben Adel und Klerus zu spielen begannen, gab´s zwei Entwicklungen: Die Städte wuchsen, und es gab immer mehr Macht zu verteilen. Und da wollten sich die Handwerker - die sich jetzt wieder in den Städten = Handelsplätzen zu konzentrieren begannen - ihren Teil vom Kuchen sichern. Deshalb zu Zünfte (arg verkürzt, ich weiß...)

In der Dünsbergstadt o. Bad Nauheim lebten sehr viele Handwerker derselben Branche. In der Dünsbergstadt z.B. viele Schmiede, in Bad Nauheim Salzhersteller. Es gab Glashersteller, Weber, Zimmerleute, Gerber, Bauern, Fischer....
Die Schmide im Schmiedezentrum Dahlheim in Wetflaria o. der Dünsbergstadt könnten sich organisiert haben, um regelmäßig Kähne und Fuhrwerke in andere Städte zu schicken, um ihre Produkte im Export abzusetzen. Am Rhein werden die Waren in größere Schiffe umgeladen worden sein, damit sie z.B. bis nach Skandinavien kamen. Sie werden auch die Niederlassung weiterer Schmiede und in diesem Zusammenhang vielleicht schon die Wanderschaft der Gesellen geregelt haben.
(23.06.2015 00:15)Paul schrieb: [ -> ]In der Dünsbergstadt o. Bad Nauheim lebten sehr viele Handwerker derselben Branche. In der Dünsbergstadt z.B. viele Schmiede, in Bad Nauheim Salzhersteller. Es gab Glashersteller, Weber, Zimmerleute, Gerber, Bauern, Fischer....
Die Schmide im Schmiedezentrum Dahlheim in Wetflaria o. der Dünsbergstadt könnten sich organisiert haben, um regelmäßig Kähne und Fuhrwerke in andere Städte zu schicken, um ihre Produkte im Export abzusetzen. Am Rhein werden die Waren in größere Schiffe umgeladen worden sein, damit sie z.B. bis nach Skandinavien kamen. Sie werden auch die Niederlassung weiterer Schmiede und in diesem Zusammenhang vielleicht schon die Wanderschaft der Gesellen geregelt haben.

Wenn es an einem Ort aus wie auch immer gearteten Gründen (gute Bedingungen für eine bestimmte Tätigkeit, hohe Nachfrage) eine große Anzahl an Handwerkern gibt, dann ist es wahrscheinlich, dass sich diese auch irgendwie organisieren. Da magst du Recht haben.
Das bedeutet jedoch noch nicht, dass es auch wirklich ein Zunftsystem im mittelalterlichen Sinne gab, also überregional vergleichbare und relativ einheitliche "Zunftordnungen", eine feste Verankerung der Zünfte im politischen System, und "Zunft" als fest definierten und "geschützten" Begriff.

Wenn wir den Begriff "Zunft" auf generell jede Absprache, Zusammenarbeit oder auch dauerhafte Organisation von Handwerkern ausweiten, haben wir gute Chancen, in vielen Kulturen Zünfte zu finden. Interessant ist (zumindest für mich) aber besonders, ob es in anderen Ländern (wie z. B. China) Handwerkerzusammenschlüsse gab, die auch den obenstehenden engeren Kriterien genügen.

Viele Grüße, der Maxdorfer
Die Handwerksordnung wie wir sie heute in Deutschland kennen, Meisterzwang usw. usf.
stammt zu einem erheblichen Teil aus dem Jahr 1935.

Zuvor, spätestens seit 1868 und dem Nordeutschen Bund, galt auch in Deutschland die Gewerbefreiheit
1810 hat Preußen bereits die Zünfte mit allem pipapo abgeschafft, die anderen deutschen Länder haben sehr unterschiedlich reagiert
In den 1890er Jahren wurde der Meistertitel wieder eingeführt, und ab ca. 1900 war er zur Lehrlingsausbildung wieder Pflicht.

Heute, nach etlichen Reformen seit den 90er Jahren, die deutsche Handwerksordnung ist in der EG zumindest umstritten, hat man einen Kompromiss mit dem EG-Recht gefunden, aber etwas ähnliches gibt es nur noch in Österreich und in Luxemburg.

.
Ich würde auch von eimem Zunftwesen sprechen, wenn die Selbstorganisation der Handwerker nicht genau identisch mit dem Zunftwesen in Deutschland war. Eine frühe Selbstorganisation könnte es z.B. in den Städten der Induskultur gegeben haben.
(18.06.2016 02:33)Paul schrieb: [ -> ]./.. Eine frühe Selbstorganisation könnte es z.B. in den Städten der Induskultur gegeben haben.

Woran machst du die These fest?
Gibt es daür Hinweise?
Nur noch eine Anregung, zu den Heiratsverboten und "Frauenverboten". Soweit mir bekannt, gab es bis zur Französischen Revolution für verschiedene Gruppen Heiratsverbote bzw. insofern Einschränkungen, als für Heiraten eine Erlaubnis notwendig war bzw. ein bestimmtes Vermögen vorgeschrieben.

Wir sollten auch nicht übersehen, dass die Gesellschaft vor der Französischen Revolution ganz anders aufgebaut war als im 19. und 20. Jahrhundert.
(21.06.2016 18:08)Teresa C. schrieb: [ -> ]Nur noch eine Anregung, zu den Heiratsverboten und "Frauenverboten". Soweit mir bekannt, gab es bis zur Französischen Revolution für verschiedene Gruppen Heiratsverbote bzw. insofern Einschränkungen, als für Heiraten eine Erlaubnis notwendig war bzw. ein bestimmtes Vermögen vorgeschrieben.

Wir sollten auch nicht übersehen, dass die Gesellschaft vor der Französischen Revolution ganz anders aufgebaut war als im 19. und 20. Jahrhundert.

Das haben wir hier schon mal angerissen.

http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...php?tid=89
Zum 1. Januar wurden wieder etliche Handwerke, Fliesenleger zB "Meisterpflichtig" sprich, wenn sich einer neu selbständig machen will, braucht er den Titel.

In Reutlingen gibt es einen ganzen Straßenzug mit "Barbershops" die brauchen keine Meisterprüfung wie die Friseure, dürfen aber nur "unterhalb der Ohren" schneiden und rasieren. Nix am Haupthaar.
Machen sie aber natürlich trotzdem, die Frisöre fauchen....
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