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Normale Version: Repressionen und Ausgrenzungen im Kaiserreich
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Der Sozialdemokrat durfte im Deutschen Kaiserreich nicht Beamter werden.

Trotz Sozialversicherung und der einen oder anderen Maßnahme zur Verbesserung der Lage der Arbeiter blieb bis 1918 auf allerhöchsten Wunsch der Sozialdemokrat als "Feind" verunglimpft.

Zwei Gesetzesvorlagen, vom Reichstag abgeschmettert, waren insbesondere auf Wunsch Wilhelms vorgelegt worden.
Einmal 1894 die sogenannte "Umsturzvorlage"
Anlass war ein erfolgreiches Attentat auf den Präsidenten der französischen Republik.
Und 1899 die sogenannte "Zuchthausvorlage".
Wer während eines Streiks arbeitswillige Arbeiter an der Arbeit hinderte, oder dazu zwang am Streik sich zu beteiligen, sollte mit Gefängnis oder gar Zuchthaus bestraft werden.

Wie gesagt, der Reichstag hat beide mit überwältigender Mehrheit abgeschmettert.
Aber in beiden Fällen wurden diese Gesetzesvorschläge auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers Wilhelm II dem Reichstag vorgelegt.
(22.10.2013 14:52)Suebe schrieb: [ -> ]Der Sozialdemokrat durfte im Deutschen Kaiserreich nicht Beamter werden.

Trotz Sozialversicherung und der einen oder anderen Maßnahme zur Verbesserung der Lage der Arbeiter blieb bis 1918 auf allerhöchsten Wunsch der Sozialdemokrat als "Feind" verunglimpft.
Galt das eigentlich nur während der Zeit der Sozialistengesetze oder tatsächlich bis zur Abdankung 1918?
Denn ab 1890 bis Kriegsende stieg der Anteil der Sozialdemokraten im Reichstag doch weit über 20%.
Keine Ahnung welchen Einfluß das auf derartige Restriktionen hatte, selbst wenn sie vom Kaiser gewünscht waren.
(22.10.2013 15:54)Avicenna schrieb: [ -> ]
(22.10.2013 14:52)Suebe schrieb: [ -> ]Der Sozialdemokrat durfte im Deutschen Kaiserreich nicht Beamter werden.

Trotz Sozialversicherung und der einen oder anderen Maßnahme zur Verbesserung der Lage der Arbeiter blieb bis 1918 auf allerhöchsten Wunsch der Sozialdemokrat als "Feind" verunglimpft.
Galt das eigentlich nur während der Zeit der Sozialistengesetze oder tatsächlich bis zur Abdankung 1918?
Denn ab 1890 bis Kriegsende stieg der Anteil der Sozialdemokraten im Reichstag doch weit über 20%.
Keine Ahnung welchen Einfluß das auf derartige Restriktionen hatte, selbst wenn sie vom Kaiser gewünscht waren.

Mag sein, dass das mit der "Oktober-Verfassung" anders geworden wäre. Aber defacto ja, bis zum Schluss.

Neulich habe ich im zusammenhang mit dem Stuttgarter Sozialisten-Kongress gelesen, dass es auch in Württemberg, obwohl schon 1909 eine Änderung angedacht war, so blieb.
Evt. war es in einem der Bundesstaaten, das Deutsche Kaiserreich war ja ein Staatenbund und die grosse Masse der Beamten "Landesbeamten", anders, aber bekannt ist mir nichts.

Letztlich muss man sich unter diesen Rahmenbedingungen auch keineswegs wundern, dass die Beamtenschaft der Weimarer Republik dann höchstens gleichgültig gegenüberstand.
Das klingt ja wie der berüchtigte "Radikalenerlass" aus den 1970ern. Aber war das bei Wilhelm II. wirklich bis zum Schluss so, dass man kein Beamter werden durfte?

Mein Urgroßvater, Jahrgang 1888, war Sozi und Eisenbahner. Und damals war ja noch jeder Briefträger oder Schrankenwärter verbeamtet.
(22.10.2013 17:08)Arkona schrieb: [ -> ]Das klingt ja wie der berüchtigte "Radikalenerlass" aus den 1970ern. Aber war das bei Wilhelm II. wirklich bis zum Schluss so, dass man kein Beamter werden durfte?

Mein Urgroßvater, Jahrgang 1888, war Sozi und Eisenbahner. Und damals war ja noch jeder Briefträger oder Schrankenwärter verbeamtet.

Keine Ahnung über die konkreten Regelungen bei den jeweiligen Staatsbahnen. Wäre allerdings ein interessantes Thema.
Vermuten würde ich, dass dein Urgroßvater frühestens 1919 in die Partei eintrat.
(22.10.2013 17:11)Suebe schrieb: [ -> ]Keine Ahnung über die konkreten Regelungen bei den jeweiligen Staatsbahnen. Wäre allerdings ein interessantes Thema.
Vermuten würde ich, dass dein Urgroßvater frühestens 1919 in die Partei eintrat.

Kann natürlich sein, dass man beim Großherzog in Schwerin großzügiger war als in Preußen. Wann er eintrat, weiß ich leider nicht. Auch bemerkenswert: Er wurde nach 1933 bei der Bahn weiterbeschäftigt, genau wie sein Schwiegersohn (mein Großvater), der sich noch 1932 bei den "Drei Pfeilen" mit der SA und Rotfront prügelte.
(22.10.2013 17:00)Suebe schrieb: [ -> ]Evt. war es in einem der Bundesstaaten, das Deutsche Kaiserreich war ja ein Staatenbund und die grosse Masse der Beamten "Landesbeamten", anders, aber bekannt ist mir nichts.
In den einzelnen Staaten oder Ländern wurde das sicher unterschiedlich gehandhabt. Wahrscheinlich auch abhängig von den Mehrheitsverhältnissen und Einzelinteressen der Führungseliten. Aber im Grunde war die "Gefahr" die man in den Sozis, den Linken im Allgemeinen sah, überall die Gleiche. Und es wurde allgemein versucht, Einfluß auf das Wahlverhalten etc. zu nehmen.
Es wird von einer "Beamtenwahlpolitik" gesprochen. Vor allem ab Reichsgründung bis Anfang der 90er, aber auch später wurde wohl immer wieder versucht massiv zu beeinflußen.
Zitat:Im Kaiserreich wurde die Reichsleitung (der Reichskanzler mit seinen Staatssekretären) zwar nicht vom Reichstag eingesetzt, aber für ihre Gesetzentwürfe brauchte sie eine Mehrheit im Reichstag. Daher hatte sie ein Motiv, Einfluss auf die Wahlen zu nehmen. Robert Arsenschek bezeichnet es als Beamtenwahlpolitik, wenn die Reichsleitung ihre Beamten auf Linie bringen wollte, damit die Beamten einerseits im Sinne der Regierung wählten und andererseits Einfluss auf die Wahlen und Wähler übten. Dies gelang der Reichsleitung eher in Preußen als in den übrigen Bundesstaaten.[119]

Beispielsweise in Baden drohte man Staatsbeamten mit beruflichen und sonstigen Nachteilen, wenn sie für andere als nationalliberale Kandidaten eintraten. Ob dies tatsächlich Folgen hatte, hing vom Einzelfall ab. 1878 beispielsweise wurde ein Briefträger disziplinarisch belangt, der konservative Stimmzettel verbreitet hatte. In Württemberg informierte die Regierung vertraulich die Kreisregierungen über ihre politischen Vorstellungen und ließ sie auf gewünschte Ergebnisse hinwirken... [weiterlesen]
(22.10.2013 20:55)Avicenna schrieb: [ -> ]In den einzelnen Staaten oder Ländern wurde das sicher unterschiedlich gehandhabt. Wahrscheinlich auch abhängig von den Mehrheitsverhältnissen und Einzelinteressen der Führungseliten. Aber im Grunde war die "Gefahr" die man in den Sozis, den Linken im Allgemeinen sah, überall die Gleiche. Und es wurde allgemein versucht, Einfluß auf das Wahlverhalten etc. zu nehmen.
Es wird von einer "Beamtenwahlpolitik" gesprochen. Vor allem ab Reichsgründung bis Anfang der 90er, aber auch später wurde wohl immer wieder versucht massiv zu beeinflußen.
Zitat:Im Kaiserreich wurde die Reichsleitung (der Reichskanzler mit seinen Staatssekretären) zwar nicht vom Reichstag eingesetzt, aber für ihre Gesetzentwürfe brauchte sie eine Mehrheit im Reichstag. Daher hatte sie ein Motiv, Einfluss auf die Wahlen zu nehmen. Robert Arsenschek bezeichnet es als Beamtenwahlpolitik, wenn die Reichsleitung ihre Beamten auf Linie bringen wollte, damit die Beamten einerseits im Sinne der Regierung wählten und andererseits Einfluss auf die Wahlen und Wähler übten. Dies gelang der Reichsleitung eher in Preußen als in den übrigen Bundesstaaten.[119]

Beispielsweise in Baden drohte man Staatsbeamten mit beruflichen und sonstigen Nachteilen, wenn sie für andere als nationalliberale Kandidaten eintraten. Ob dies tatsächlich Folgen hatte, hing vom Einzelfall ab. 1878 beispielsweise wurde ein Briefträger disziplinarisch belangt, der konservative Stimmzettel verbreitet hatte. In Württemberg informierte die Regierung vertraulich die Kreisregierungen über ihre politischen Vorstellungen und ließ sie auf gewünschte Ergebnisse hinwirken...


Ich bezweifle sehr, dass es einem "Parteibuch-Sozialdemokraten" irgendwo im Deutschen Reich möglich war Beamter zu werden. Wobei Nachweise natürlich hochwillkommen wären.
Dass so mancher, der heimlich der Sozialdemokratie anhing einer wurde, ist natürlich unbestritten.

SM in Berlin hat seinem Stuttgarter Vetter (so haben sich die Angehörigen der Herrscherfamilien angesprochen) gehörig Vorhaltung gemacht, weil er den Sozialistenkongress genehmigt hatte.
Selbstzitat:
[quote]vom 18. bis 24. August 1907 tagte in Stuttgart der 7. Kongress der sozialistischen Internationale.

Seine Majestät in preußisch Berlin soll wegen der Genehmigung durch die württ. Regierung geschäumt haben. Seinem Vetter in Stuttgart wird zur Berliner Wut das Götzzitat "eingefallen" sein. Das heißt, ausgesprochen hat er es natürlich nicht, gedacht aber ganz bestimmt.

von da
http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...4#pid28714

aber ansonsten, wie von Dir geschrieben, da ist man vor nichts zurückgeschreckt.
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