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Normale Version: Der Schlüpfer Zeugnis der Industrie und Bekleidungsgeschichte
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Dieser Beitrag, den ich zuvor sah, veranlasst mich diesen 3nd aufzumachen

(04.11.2013 08:31)913Chris schrieb: [ -> ]
(03.11.2013 15:13)Uta schrieb: [ -> ]schlüpferblauen Hintergrund.

Is doch ne tolle Farbe...was immer man sich darunter auch vorstellen mag...
Big Grin

VG
Christian

ich muss ein bißchen weiter ausholen und vermutlich manches sehr regionale dazu schreiben, man möge es mir verzeihen, es geht einfach nicht anders Innocent

Hole ich mal gleich sehr persönlich aus.

Als ich so 18-19 gewesen bin, war die führende Disko weit und breit der "Black Mustang" in Reutlingen. Ist man Samstags immer mal hingegondelt und hat zuvor ausgewürfelt, wer heimzu am Steuer sitzt. Wobei, es waren die seligen Zeiten als die Promillegrenze bei 1,5 lag, man lässig 4-5 Bierchen zwitschern konnte ohne die Grenze zu streifen. Aber 4 Bierchen machen ja bekanntlich erst den richtigen Durst.
Und da gab es dann ein Problem pekuniärer Art, denn in der Disko kostete ein Bierchen lässig 3emm .... einfach zuviel für arme Pennäler....

Aber man war ja "Fuchs" ....
über dem Black Mustang war ein gutbürgerliches Lokal, mit bezahlbaren Preisen. Die Wirtin war eine Dame im positivsten Sinn des Wortes, als wir ein paar mal dortgewesen sind, kam natürlich auch die Frage des woher?
Als wir es ihr sagten, kam:
"Oh, von dort waren früher viele bei uns im Lokal, gegenüber war damals die Wirtschaftsoberschule." Dann erwähnte sie etliche Namen, die ich überwiegend kannte, bis auf einen "den Hosen-...." das sagte mir nun gar nichts.
Sie wurde präziser, und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen,
"Ach so, sie meinen den Schlüpfer-...." sie bestätigte dies, sprach aber auch im weiteren Gespräch immer nur vom "Hosen-....." ließ keinen Zweifel dran, dass sie das Wort "Schlüpfer" auf gar keinen Fall benutzen würde.

Erstmals war mir da Jemand begegnet, der mit der konkreten Bezeichnung von Teilen der Unterwäsche Probleme hatte.
Bei uns kamen die Teile tagtäglich im Hundertausend aus den Rundstühlen, wurden verpackt und in die ganze Welt geschickt, da gab es keinen Raum für solche Berührungsängste.

Ach ja, der Vorgänger des Schlüpfers hieß übrigens "Stehbrunzhose"
Tatsache. Teeth
Und Frau Goebel, die Leiterin des Maschenmuseums, wird nicht müde vor laufenden Kameras die "Stehbrunzhose" und ihre Funktion mit diebischer Freude zu präsentieren.

Hier gibts unter anderem ein Bildchen der "Stehbrunzhose"
http://www.schule-bw.de/unterricht/faech...ndinfo.htm


Demnächst mehr zur Historie der Unterwäsche.
Der ist gut...MEHR!!!
Big Grin

VG
Christian
Die bei uns aus verschiedenen Anfängen entstandene Textilindustrie, in den Anfängen das Textilgewerbe, wurde immer wieder maßgeblich von der Politik beeinflusst.
Mal positiv, mal negativ.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Strümpfe in erheblichen Stückzahlen produziert, und insbesondere in der Farbe rot nach Italien exportiert.
Dieser Export war schlagartig mit der Eingliederung Italiens ins franz. Kaiserreich zu Ende. Ins napoleonische Reich durfte niemand liefern, ob verbündet oder nicht. Die Italiener sollten franz. Strümpfe tragen.

60 Jahre später exportierte man, der Kontakt war über Auswanderer entstanden, nochmals erhebliche Mengen an Strümpfen. Diesmal in die USA. Auch dieses Geschäft brach fast über Nacht zusammen.
Civil War!

Beides mal mussten sich de Strumpfwirker um neue Produkte bemühen, ab 1810 setzte man bereits auf Baumwolle. Und stelle Baumwollstrümpfe her.
Und 1860 begann man mit der Herstellung von Kinderhäubchen.

Seit 1830 begann, zunächst zögernd, die Industriealisierung. Rundstühle zur Textilproduktion wurden aus Belgien eingeführt, verbessert und selbst produziert. Dampfmaschinen aufgestellt. Baumwollunterwäsche wurde produziert. zunächst mit verhaltenen Erfolg.
Im württ. Militär wurde diese Untewäsche ab den 1860ern eingeführt.
Im Reichsdeutschen ab 1870.
Das war der Durchbruch.
Wer seinen Körper mal in Baumwolle gehüllt hatte, ist ganz bestimmt nicht mehr in kratzende Wolle gestiegen.
Diesmal waren die Auswirkungen der Politik positiv.
Da gibt es die Geschichte von dem Zwickel (ein dreieckiges Stoffteil), der gemäß Preußischen Erlasses in Männerbadehosen eingesetzt werden mußte. Ich kriege die Geschichte nicht mehr hin, aber damals hat man sehr darüber gelacht.
Weiß jemand mehr?
(19.01.2014 14:28)Harald schrieb: [ -> ]Da gibt es die Geschichte von dem Zwickel (ein dreieckiges Stoffteil), der gemäß Preußischen Erlasses in Männerbadehosen eingesetzt werden mußte. Ich kriege die Geschichte nicht mehr hin, aber damals hat man sehr darüber gelacht.
Weiß jemand mehr?


Der preußische "Zwickelerlass" erlassen vom preußischen Innenminister Braun (SPD) galt insbesondere für Damenbadeanzüge, aber wie Harald schreibt auch für Herrenbadehosen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Zwickelerlass

aus dem Link die erweitere Form vom november 1932
Zitat:„§ 1. (1) Das öffentliche Nacktbaden ist untersagt.

(2) Frauen dürfen öffentlich nur baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. Der Rückenausschnitt des Badeanzugs darf nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausgehen.

(3) Männer dürfen öffentlich nur baden, falls sie wenigstens eine Badehose tragen, die mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. In sogenannten Familienbädern haben Männer einen Badeanzug zu tragen.

(4) Die vorstehenden Vorschriften gelten nicht für das Baden in Badeanstalten, in denen Männer und Frauen getrennt baden.

(5) Die Vorschriften des Abs. 2 gelten entsprechend für den Strandanzug der Frauen
Passend dieses Bild, das zum politischen Skandal in der Republik von Weimar wurde.

[Bild: images?q=tbn:ANd9GcTcXLXNua5YS16zXl8yEEG...V9l43nVmIf]

es zeigt den Reichspräsidenten Ebert und den Reichswehrminister Noske in der Badehose, im Mai 1919. In der Originalaufnahem sind noch weitere Personen zu sehen.
Ebert hatte dem Fotografen die Erlaubnis gegeben zur persönlichen Erinnerung ein Foto zu machen, die Veröffentlichung aber untersagt.

Der Fotograf hielt sich aber nicht daran.

Nur in Verbindung mit dem Zwickelerlass über ein Jahrzehnt später ist uns Nachgeborenen der Skandal verständlich.
Die Rechtspresse veröffentlichte das Foto und daneben eines von Wilhelm II und Konsorten in voller Galauniform unter dem Titel
"Einst und Jetzt"


Obwohl,
man wird sich an Fotos (allerdings autorisiert) des turtelnden Verteidigungsminister mit einer Dame im Pool erinnern, irgendwie war das auch "unpassend".
Irgendwo in Papas Bibliothek ist noch ein Buch aus den 1930ern vergraben, wo es um Nacktwandern und Baden ging. Samt Fotos, damals wohl Pornografie. Wer war gleich der Autor?
(06.02.2014 00:53)Arkona schrieb: [ -> ]Irgendwo in Papas Bibliothek ist noch ein Buch aus den 1930ern vergraben, wo es um Nacktwandern und Baden ging. Samt Fotos, damals wohl Pornografie. Wer war gleich der Autor?

Die FKK-Bewegung ist in den 20ern in Schwung gekommen.
Aber halt alles auf Privatgelände.

Zum Nacktwandern,
in den Bergen (Alpen) sind einem in den 60ern in größeren Höhenlagen des öfteren, insbesondere ältere, Damen im BH begegnet. Was "weiter unten" absolut unmöglich gewesen wäre.
Ich nehme mal an, dass dies eine Spätfolge der "Nacktwanderbewegung" war.
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