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Normale Version: Konstantinopel fällt:
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WDPG

Möchte hier wieder mal eine "was-wäre-wenn" Überlegung bringen. Zugegeben ich habe diese Serie schon mal im G/Geschichteforum gebracht, möchte sie aber leicht verändern und meine Postings auch als Anstoß für Diskussionen geben.

Es geht um Folgendes: Konstantinopel war wohl eine der größten und bedeutendsten Städte Europas in der Völkerwanderungszeit und im Mittelalter. Sie war von ihrer Lage und von extrem starken Befestigungsanlagen extrem gut geschützt. Dennoch versuchten im Laufe von Jahrhunderten immer wieder Völker/Reiche usw. die Stadt zu erobern - bis 1204 erfolglos.

Möchte mich hier mal damit beschäftigen was passiert wäre, hätten die Angreiffer die Stadt erobert.

Über eine interessante Diskussion zum Thema würde ich mich sehr freuen.

WDPG

Möchte mit der Belagerung Konstantinopels am Anfang des 7. Jahrhunderts beginnen.

Die Situation damals war für das Byzantinische Reich sehr dramatisch. Kaiser Justinian I hat mit seiner Politik das Reich finanziell überfordert und somit eine Spirale des Niedergangs angefangen, fähige Kaiser wie Maurikios konnten Byzanz zwar Atempausen verschaffen, den Niedergang aber nicht aufhalten. Unter Kaiser Phokas erreichte die Krise ihren Höhepunkt, es sah so aus als würde es nun Ostrom ähnlich gehen wie einst dem Westreich. Es stand vor dem Untergang.

Phokas innenpolitischer bezwinger und Nachfolger Heraklaios, stand vor einer extrem schwierigen Situation, die persischen Sassaniden haben große Gebiete des Reiches an sich gerissen, darunter Syrien und Ägypten. Außerdem sind sie unter General Shahrbaraz durch Anatolien bis vor Konstantinopel vorgedrungen. Auf der anderen Seite standen die Awaren und Slawen vor der Stadt und belagerten sie. Der Sieg war Heraklaios keineswegs immer gewiss, aber die Belagerung Konstantinopels durch die Awaren scheiterte und Heraklaios gelang ein Gegenschlag gegen die Sassaniden der sie gewaltig schwächte (und später auch den Untergang dieses Reichs beschleunigte).

So nun aber zur Überlegung was gewesen wäre, wäre die Geschichte anders verlaufen: Ich vermute die Sassaniden hätten zumindest die Provinzen die sie erobert hatten behalten, wahrscheinlich sogar Anatolien in Besitz genommen. Damit wäre ihr Persisches Reich ca. so groß gewesen wie das der Achämeniden. Der Balkan wäre an die Awaren und Slawen gefallen. Was Konstantinopel betrifft ist es gar nicht so einfach. Vorstellbar das es Sitz eines Awarenkhnas geworden wäre, die Frage ist aber ob das funktioniert hätte. Vorstellbar ist auch ein Art Teilung, eine Art "Awarisch-Byzantinisches" Nachfolgekaiserreich (die Frage ist ob sich das lange gehalten hätte)-so ähnlich wie manches Kaiserreich das in China durch einfallende Völker gegründet wurde und eben das Reich der Awaren in der Ungarischen Tiefebene. Oder wer weiß vielleicht hätte es von Karthago aus eine erneute byzantinische Gegenoffensive gegeben. Auch denkbar wäre eine Interesse der Sassaniden an der Stadt. Ist echt schwer einschätzbar.
Ein Sassanidengroßreich hätte vielleicht sogar die Arabische Expansion abwehren können - zumindest hätte man es dieser wohl schwerer gemacht.

Sicher: Das ganze ist sehr spekulativ, aber irgendwie dennoch spannend. Ich persönlich vermute das von einer Eroberung Konstantinopels langfristig eher die Sassaniden als die Awaren profitiert hätten.

Was ist eure Meinung dazu?
(17.05.2014 20:34)WDPG schrieb: [ -> ]Was ist eure Meinung dazu?

Nunja, die christlichen "Pufferreiche" zwischen Byzanz und Sassaniden wären wohl weggefallen. Die Lachmiden waren eh schon von den Sassaniden erobert, die Ghassaniden wären im Fall eines sassanidischen Sieges über Byzanz ebenfalls weggefallen. Gerade die Existenz dieser Reiche hat es aber den Arabern ermöglicht, Ausgangsbasen zur Eroberung Persiens und Anatoliens zu schaffen.
Da die Araber den sassanidischen Kataphrakten überlegen waren, hätte auch ein stärkeres Sassanidenreich den Wüstenkriegern mit ihrer leichten, beweglichen Reiterei wenig entgegensetzen können. Es hätte zwar wahrscheinlich etwas länger gedauert, aber über kurz oder lang wären die Sassaniden trotz eines sassanidischen Sieges über Byzanz besiegt worden.
Vielleicht wäre es sogar im Gegenteil etwas schneller gegangen, denn die byzantinischen Garnisonen in der Levante scheinen sich erbittert gegen die Araber gewehrt haben, so dass die Araber wohl sogar kurz vor einer Niederlage gegen die Byzantiner gestanden sind. Ob sassanidische Garnisonen sich ähnlich erbittert gewehrt hätten?
Ägypten wäre den Arabern wohl so und so in die Hand gefallen, und dann hätten sie weiter Richtung Westen expandieren können wie gehabt, auch ein byzantinisches Restreich mit Sitz in Karthago hätte sie dann genauso wenig aufhalten können wie es die byzantinische Provinz Karthago tat.
Aber in Anatolien wären die Araber vielleicht noch weiter vorgedrungen als sie es im 7.Jh. ohnehin taten - ein awarisches Byzanz wäre erst noch mit den eigenen Problemen beschäftigt gewesen, die die Eroberung eines Großreiches durch ein anderes eben so mit sich bringt.

Fazit: Die Geschichte der islamischen Expansion wäre nicht ganz so verlaufen, aber wohl ähnlich, im Ergebnis wohl sogar gleich.

VG
Christian

WDPG

(18.05.2014 09:52)913Chris schrieb: [ -> ]Fazit: Die Geschichte der islamischen Expansion wäre nicht ganz so verlaufen, aber wohl ähnlich, im Ergebnis wohl sogar gleich.

Würde ich nicht sagen, OK du könntest recht haben was das Sassanidenreich betrifft, aber dann hätte es eben auch kein Byzanz mehr gegeben das Widerstand geleistet hätte (außer es hätte ein wohl schwächeres Awarisch-Byzantinisches Reich gegeben). Die Araber hätten Anatolien erobert und wer weiß vielleicht auch extrem hohen Einfluss auf die Völker des Balkans (das wären dann Slawen und Awaren gewesen). Von dieser Seite hätte man also vielleicht sogar stärker expandieren können, wenn Konstantinopel und damit Byzanz gefallen wäre.
Ich denke, dass die Awaren und Sassaniden nicht vom Untergang des Byzantinischen Reiches profitiert hätten. Nutznießer wären die Araber gewesen.

Die Awaren belagerten zwar um 626 Konstantinopel, doch bereits zu diesem Zeitpunkt versuchten viele Slawen erfolgreich der Oberhoheit der Awaren zu entkommen. Hätten die Awaren Konstantinopel eingenommen, wäre ihre Herrschaft nur eine kurze Episode geblieben. Die Griechen bzw. Rhomäer hätten den Khagan der Awaren zwar aus der Not anerkannt, ihm aber bei der ersten besten Gelegenheit wieder verraten. Die Slawen hätten auch nach der Eroberung Konstantinopels versucht, sich von den Awaren zu lösen. Eine Frage ist ja auch, warum entstand kein Volk aus Awaren und Slawen. Sicher waren die kulturellen Unterschiede zu groß. Die awarische Oberschicht bestand sicher nur aus relativ wenigen Personen, so dass kein Feudalstaat mittel-/westeuropäischer Prägung aufgebaut wurde. Ich habe auch den Eindruck, dass die Awaren nur in den Langobarden verlässliche Verbündete hatten und nach deren Untergang war auch die Zeit der Awaren abgelaufen.

Dass das Sassanidenreich unter dem Ansturm der Araber relativ schnell zusammenbrach, ist m.E. auf die innere Krise des Reiches zurückzuführen, die schon im 6. Jahrhundert ausgebrochen war, wohl aber nach der Niederlage im Krieg gegen Byzanz nach 629 offensichtlich wurde. Ist trotzdem erstaunlich, wie schnell das Sassanidenreich unterging, immerhin haben die Perser 619 Ägypten erobert und es bis 628 gegen Byzanz verteidigt. Hätten die Sassaniden das Byzantinische Reich erobert, hätten sie vielleicht gar nicht genügend loyale Beamte und Militärs gehabt, sie hätten auf die Byzantiner zurückgreifen müssen und die wären auf Dauer nicht loyal geblieben.

Die Araber wären die Nutznießer eines Unterganges von Byzanz im 7. Jahrhundert gewesen. Die Landbevölkerung Anatoliens hätte sich aufgrund der hohen Steuerbelastungen nicht anders verhalten, als die christliche Bevölkerung Nordafrikas, Ägyptens, Palästinas oder Syriens, sie wären zu den Eroberern übergelaufen. Ich behaupte mal, dass die Ereignisse nicht wesentlich anders abgelaufen wären, als tatsächlich. Die Araber hätten dann zusätzlich noch Kleinasien und einen Teil Südosteuropas erobert, möglicherweise hätten sie die Donau als Nordgrenze akzeptiert. Und sie hätten eine oder zwei Generationen mehr gebraucht, sich von Nordindien bis Gibraltar auszubreiten.

Spekulativ ist aber, wie hätte sich die ehemalige byzantinische (griechische) Oberschicht im Reich der Araber integriert. Hätten sie eine ähnliche Rolle gespielt, wie die Nachkommen der sassanidischen Oberschicht. Oder wäre die griechische Oberschicht nach Italien geflüchtet. Hätte es neben der Schisma zwischen Sunniten und Schiiten eine weitere Abspaltung gegeben, in der Elemente des Islams mit dem Christentum verbunden werden? Immerhin brach im 8. Jahrhundert der Bilderstreit aus, die Bildergegner waren vom Islam inspiriert.

Weiterhin ist zu überlegen, wie hätten sich Araber z.B. gegen die Landnahme von Völkern wie die Bulgaren (681) verhalten. Hätten sie die Grenzen dicht gemacht oder wären sie durchlässig gewesen. Wenn ja, mussten die zugewanderten Völker zum Islam übertreten. Wäre über die Generationen hinweg eine Islamisierung der Steppenvölker erreicht worden?

Abschließend wäre zu überlegen, wie hätten sich die Araber zum Franken- und zum Langobardenreich verhalten.

WDPG

(18.05.2014 21:46)Sansavoir schrieb: [ -> ]...... Die Araber hätten dann zusätzlich noch Kleinasien und einen Teil Südosteuropas erobert, möglicherweise hätten sie die Donau als Nordgrenze akzeptiert. ....

Warum hätte man die Donau als Nordgrenze akzeptieren sollen? Die Gegner die noch übrig gewesen wären, wären die Awaren, die Franken und die Langobarden gewesen (eventuell noch ein Rest von Byzanz). Die Awaren hätten sich wohl den Arabern angepasst. Die anderen hatten immer wieder auch innere Probleme. Die Frage wer die Araber und ihre Expansion noch aufhalten hätte können wäre eine interessante (aber natürlich sehr spekulative).

Vielleicht wäre das, dass was die Geschichte Europas verändert hätte, wäre Byzanz bereits Anfang des 7. Jahrhunderts gefallen, denn ich denke wie ihr beiden auch, das langfristig nicht die Awaren, Slawen und Sassaniden die Gewinner einer Eroberung Konstantinopels gewesen wären, sondern die Araber.
(18.05.2014 22:48)WDPG schrieb: [ -> ]
(18.05.2014 21:46)Sansavoir schrieb: [ -> ]...... Die Araber hätten dann zusätzlich noch Kleinasien und einen Teil Südosteuropas erobert, möglicherweise hätten sie die Donau als Nordgrenze akzeptiert. ....

Warum hätte man die Donau als Nordgrenze akzeptieren sollen? Die Gegner die noch übrig gewesen wären, wären die Awaren, die Franken und die Langobarden gewesen (eventuell noch ein Rest von Byzanz). Die Awaren hätten sich wohl den Arabern angepasst. Die anderen hatten immer wieder auch innere Probleme. Die Frage wer die Araber und ihre Expansion noch aufhalten hätte können wäre eine interessante (aber natürlich sehr spekulative).

Wahrscheinlich hätte es im 7. Jahrhundert niemand gegeben, der die Araber aufgehalten hätte. Karl Martell schlug die Araber erst 732, also praktisch nach 100 Jahren Expansion. Trotzdem wäre es für die Araber notwendig gewesen, nicht endlos und an mehreren Schauplätzen zu expandieren. Sie hätten politische, wirtschaftliche und militärische Strukturen aufbauen müssen. Nach dem Untergang von Byzanz hätten z.B. auf den griechischen Inseln Piratennester entstehen können, die den Handel im östlichen Mittelmeer erschwert hätten. Die Bekämpfung der Piraten hätte eine Verstärkung der Flotte zur Folge, dies wiederum hätte Menschen und Ressourcen gebunden.

Die Donau als Nordgrenze ist natürlich spekulativ, aber was hätten die Araber weiter im Norden gewinnen können? Schließlich darf man nicht vergessen, dass die Araber auch innere Konflikte hatten und keine einheitliche Größe waren. Ich denke da an historische Ereignisse, wie die Niederlage Alis gegen die Omayaden im Jahr 661, die Niederlage Husseins im Jahr 680 oder den Sturz der Omayaden durch die Abbasiden im Jahr 750. 756 etablierte sich das de facto vom Kalifen unabhängige Emirat Cordoba. Wie gesagt, niemand hätte die Araber zu Land aufgehalten, aber um das Eroberte zu sichern, wäre eine Beschränkung auf das Erreichte notwendig gewesen. Und Flüsse eignen sich einerseits als Grenze, andererseits zum Transport von Handelswaren und Menschen.
Die arabischen Heere waren als Reiterheere doch auf entsprechende Landschaften angewiesen? Die findet man in Europa aber primär südlich der Donau, wobei ich schon auf dem Balkan für die Araber massive Probleme sähe: Erobern, ja, aber halten? Die Einheimischen hätten vielleicht Widerstand geleistet á la Guerillakrieg...

VG
Christian

WDPG

BEDROHUNGSLAGE:

Die Bulgaren waren im internationalen Staatsgefüge wohl nie viel mehr als eine mittelstarke Macht, dennoch waren sie für Byzanz sogar in Blütezeiten eine Bedrohung. Vor allem 3-4 Personen sind hier zu nennen (wobei die letzten beiden eher eine Bedrohung fürs Lateinische Kaiserreich in Konstantionpel waren).

-Krum (803 - 814): War ein äußerst kriegerischer Bulgarenherrscher, im Kampf gegen ihn fiel Kaiser Nikophoros I, sein Nachfolger Michael Rangabe verlor seinen Thron im Zusammenhang mit Kämpfen mit ihm und Leon V der Armenier, der an der Niederlage seines Vorgängers Michael Rangabe großen Anteil hatte musste die Belagerung Konstantinopels durch Krum überstehen. Krum gelang es nicht die Stadt zu erobern, zu stark waren die Befestigungsanlagen. Mit Krums Nachfolger Omurtag schloss er dann Frieden.

-Simeon I (893-927): Nach einer friedlicheren Phase, in der Byzanz insgesamt einen Aufstieg erlebte kam es unter Simeon I wieder zu Kriegen zwischen Byzanz und den Bulgaren. Der ursprüngliche Grund war auch handelspolitischer Natur. Simeon I erwies sich als sehr hartnäckiger Gegner, mehreren Kaisern machte er das leben schwer (Leon VI den Weisen, Alexander und Romanos I Lakapenos). Eine Eroberung von Konstantinopel gelang ihm nicht, für diese verbündete er sich auch mit den Ägyptischen Fatimiden (da Bulgarien die Flotte für eine solche Belagerung fehlte). Auch wenn Bulgarien eine große Flächenmäßige Ausdehnung und sogar den Zarentitel erhielt, das große Ziel gelang auch Simeon I nicht zu erreichen.

Nach ihm erscheint mir Bulgarien deutlich schwächer, das und auch die Tatschache das Bulgarien immer wieder lange Friedenszeiten mit Byzanz hatte, zeigt mir auch das der Krieg zwischen den beiden Mächten auch Bulgarien, nicht nur Byzanz viel Kraft kostete.

-Kalojan (1197-1207): War der Grund warum ich 3-4 Personen geschrieben habe, damit das er den Kreuzrittern bei Adrianopel eine große Niederlage zufügte war er zu einer bedeutenden Bedrohung geworden. Andererseits hatte er damit auch das Kaiserreich von Nikea gerettet das gerade von den Kreuzittern des 4. Kreuzzugs hart bedrängt wurde. Eine Belagerung von Konstantinopel hat er nie durchgeführt, aber er war es auf dessen Erfolg man später aufbauen konnte. Es ist bereits die Zeit des 2. Bulgarischen Reichs

-Iwan II Asen (1218-1241): Im „Wettlauf“ um Konstantinopel gab es nach kurzer Zeit 4 bedeutende Mächte. Das Lateinische Kaiserreich das Konstantinopel von einer schwächlichen Machtposition aus beherrschte, Nikea, Epiros-Thessalonike und Bulgarien unter Iwan II Asen. Der Aufstieg von Epiros-Thessalonike war so bedrohlich das man sogar schon überlegte Iwan durch Heiratspolitik entscheidenden Einfluss in Konstantinopel zu geben. Doch ausgerechnet ein Sieg über Epiros-Thessalonike kostete Iwan II Asen, diese Chance. Es folgte ein Bündnis mit Nikea um gemeinsam Konstantinopel zu Belagern, das dann wiederum abgebrochen wurde um gemeinsam mit den Latainern Nikea anzugreifen. Spätestens der Sturm der Mongolen kurz nach Iwan II Asen beendete die Bedrohung Konstantinopels durch dass 2. Bulgarische Reich.

WAS WÄRE WENN KONSTANTINOPEL GEFALLEN WÄRE:

-So nun aber zur Frage wie sich eine Eroberung Konstantinopels durch die Bulgaren ausgewirkt hätte. Es ist schwer zu sagen, denke Iwan II Asen und Simeon schwebte hier konkret ein Byzantinisch-Bulgarisches Mischreich mit Konstantinopel als Hauptstadt vor. Ob das funktionieren konnte, wäre eine interessante Frage. In Chinas Geschichte kam es mehrfach vor das die Kaiser ursprünglich von irgendwelchen Eroberern abstammten, da funktionierte es. Andererseits Byzanz war nicht China, ein gewisser Stolz der Bevölkerung Konstantinopels war da und so hätte es vor allem im Fall einer Eroberung durch Simeon sein können das man ihn oder seine Nachfolger bald wieder vertrieben hätte, zur Stabilität hätte das ganze wohl kaum beigetragen, Byzanz vielleicht sogar langfristig geschädigt. Schwer zu sagen wäre das ganze gewesen wenn Iwan II Asen Konstantinopel unter Kontrolle gebracht hätte. Vielleicht wäre er beliebter gewesen als die Latainer, die Frage wäre dann wohl auch gewesen ob er Nikea hätte besiegen können. Bei einem gemeinsamen Sieg wäre wohl die Frage aufgekommen wen Konstantinopel nun gehört hätte. Denke das war auch ein Grund für den Bruch der beiden Mächte.
Im Falle Krums wäre ich mir noch unsicherer, auch Vorstellbar das er nur geplündert hätte und dann wieder abgezogen wäre, was die Macht von Byzanz nicht unbedingt gestärkt hätte.

Die Thematik ist interessant, aber wie ich beim zusammenschreiben sehe auch sehr komplex, da es ja doch 3 Belagerungen zu 3 verschiedenen Zeiten waren. Würde mich deshalb auch sehr über eure Meinung freuen was gewesen wäre wenn Bulgarien Konstantinopel erobert hätte:

-Wäre es ein unterschied gewesen wer von den dreien Konstantinopel erobert hätte?
-Wie hätte sich ein Erfolg Bulgariens denn eurer Meinung nach ausgewirkt? Hätte man sich langfristig halten können?
-Wie hätten die Bulgaren und die Fatimiden ihre Beute aufgeteilt?
-Wie Bulgaren und Nikea?

Freue mich auf eine interessante Diskussion. Habe übrigens nicht auf die Araber vergessen die Konstantinopel ja auch belagerten. Aber erstens war ich hier mit meinen Ausführungen noch nicht so weit und zweitens hatten wir ja gerade eine Diskussion die in diese Richtung ging, kommt also (auch wenn chronologisch nicht ganz korrekt) später.
Du hast wieder einmal sehr interessante Fragen gestellt. Momentan schaffe ich es aber nicht, mich damit ausgiebig zu beschäftigen. Habe etwas Stress die nächsten 2 Wochen und zu Pfingsten ist Wave-Gotik-Treffen... Aber danach werde ich etwas dazu schreiben.

WDPG

(03.06.2014 00:33)Sansavoir schrieb: [ -> ]Du hast wieder einmal sehr interessante Fragen gestellt. Momentan schaffe ich es aber nicht, mich damit ausgiebig zu beschäftigen. Habe etwas Stress die nächsten 2 Wochen und zu Pfingsten ist Wave-Gotik-Treffen... Aber danach werde ich etwas dazu schreiben.

Freue mich darüber das du hier eine Antwort geben möchtest. Das mit wenig Zeit kenne ich von mir. Das mit dem WGT geht mir auch so, da ich ja wie bereits geschrieben nach Leipzig fahren werde (wird wohl eine Mischung aus WGT und Sightseeing, da ich ja die Stadt auch nicht kenne).

Das möchte ich gleich für eine Ankündigung nutzen: Habe mich ja darum angenommen das ich im neuen Unterforum was zum aktuellen Heft bringe. Das wird wohl erst nach dem WGT kommen, denn irgendwie fehlt mir die Zeit um mir mal das Heft genauer anzusehen.

Aber nach Pfingsten kommt da was, versprochen.
@ Hallo Gerald, das Wave-Gotik-Treffen ist ja schon lange vorbei, aber ich habe erst jetzt etwas Zeit gefunden, mich mit Deinen Ausführungen zu Bulgarien und Byzanz zu beschäftigen. Es ist natürlich äußerst schwierig, dies zu beurteilen, da ich zu einigen Herrschern nur unvollständige Kenntnisse habe. Habe mich bisher nur mit Krum und Simeon beschäftigt, hoffe aber, dass ich die Zeit noch finde, mich zu Kalojan und Iwan II. Asen zu äußern.

(01.06.2014 11:58)WDPG schrieb: [ -> ]-Wäre es ein unterschied gewesen wer von den dreien Konstantinopel erobert hätte?

Ich denke schon, dass es ein Unterschied wäre, ob Konstantinopel nun durch Krum, Simeon oder Kalojan bzw. Iwan II. Asen erobert worden wäre.

Krum und Simeon waren Herrscher im 1. Bulgarischen Reich, zwischen ihnen lag ungefähr ein Jahrhundert, in denen sich z.B. die Christianisierung der Bulgaren durchsetzte. Das heißt Krum übte eine heidnische Religion aus und stand der byzantinischen Kultur fern. Simeon war Christ, er hatte sogar in Konstantinopel Theologie und Philosophie studiert und er war mit der byzantinischen Kultur vertraut.

Kalojan und Iwan II. waren Herrscher des 2. Bulgarischen Reiches. Zeitlich lagen sie ca. 400 Jahre zu Krum bzw. 300 Jahre zu Simeon auseinander, die politische Situation war eine völlig andere. Ich denke, dass man jeden einzelnen Herrscher gesondert behandeln muss.

(01.06.2014 11:58)WDPG schrieb: [ -> ]-Wie hätte sich ein Erfolg Bulgariens denn eurer Meinung nach ausgewirkt? Hätte man sich langfristig halten können?

Ich denke, dass sich eine „bulgarische Dynastie“ nicht lange gehalten hätte. Sie wäre spätestens nach einigen Jahrzehnten untergegangen. Ein (1.) Bulgarisch-byzantinisches Reich wäre nur durch die Klammer der gemeinsamen Herrscherfamilie möglich gewesen. Die Vorbehalte gegeneinander hätte eine Verschmelzung der Bulgaren und Griechen zu einem Volk verhindert, es hätte möglicherweise nur einen bulgarischen und einen byzantinischen Reichsteil gegeben.

Nach dem „Bulgarentöter“ und den Umständen, die zum Untergang des 1. Bulgarischen Reiches führten, wäre dies unter den Asen-Herrschern des 2. Bulgarischen Reiches nicht mehr möglich gewesen. Hätten die Bulgaren Anfang des 13. Jahrhundert Konstantinopel erobert, wäre dies das (vorläufige) Ende des Byzantinischen Reichs gewesen. Die Bulgaren hätten sich danach mit den Kreuzfahrern, mit Serben und Albanern, Nicaea, mit der Katalanischen Kompanie und mit den Osmanen herumschlagen müssen. Ihr Staat wäre schließlich im 14. oder 15. Jahrhundert von den Osmanen erobert geworden. Aber darüber werde ich später noch genauer schreiben.
(01.06.2014 11:58)WDPG schrieb: [ -> ]-Krum (803 - 814): War ein äußerst kriegerischer Bulgarenherrscher, im Kampf gegen ihn fiel Kaiser Nikophoros I, sein Nachfolger Michael Rangabe verlor seinen Thron im Zusammenhang mit Kämpfen mit ihm und Leon V der Armenier, der an der Niederlage seines Vorgängers Michael Rangabe großen Anteil hatte musste die Belagerung Konstantinopels durch Krum überstehen. Krum gelang es nicht die Stadt zu erobern, zu stark waren die Befestigungsanlagen. Mit Krums Nachfolger Omurtag schloss er dann Frieden.

Hier besteht schon das Problem, dass man über Khan Krum nur das weiß, was während der elf Jahre seiner Herrschaft geschah. Es ist z.B. bekannt, dass er sich um eine Verschmelzung der Proto-Bulgaren mit der slawischen Bevölkerung bemühte. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass seit der Landnahme von Asparuch im Jahre 681 in Bulgarien eine protobulgarische Oberschicht und eine slawische (Mittel- und) Unterschicht gegeben hat. Deshalb kann man spekulieren, dass Krum sich als Herrscher von Byzanz um Verständigung, evtl. sogar Integration aller Bevölkerungsgruppen bemüht hätte. Ebenso kann man aber davon ausgehen, dass die sich kulturell überlegen fühlenden Griechen sich diesem Ansinnen widersetzt hätten.

Wir wissen, dass Khan Asparuch nach der Landnahme von Byzanz als Herrscher anerkannt wurde. Er und seine Nachfolger zahlten Tribute nach Konstantinopel, das 1. Bulgarische Reich lebte in friedlicher Nachbarschaft zu Byzanz. Dies änderte sich erst unter Krums direkten Vorgänger Khan Kardum, der von 777 bis 803 herrschte. Kardum stellte die Tributzahlungen ein und wechselte zu einer Politik der Konfrontation. 803 folgte ihm Krum, von dem wir nicht wissen, ob er die Khanwürde erbte, usurpierte oder übertragen bekam.

Fest steht aber, dass er ein militärisch geschulter und erfahrener Mann war. Sonst wäre es nicht möglich gewesen, dass während seiner elfjährigen Herrschaft sich das Bulgarenreich im Osten bis zum Dnestr (Dnister) und im Westen bis zur Theiß (Tisza) ausbreitete. Das Awarenreich wurde mit Hilfe der Franken vernichtet und gegen die Byzantiner setzte man sich trotz einiger Niederlagen schließlich auch durch, so dass man vor den Mauern Konstantinopels stand. Ob es stimmt, dass Krum den Schädel seines Gegners Nikophoros I. als Trinkgefäß nutzte, sei aber dahingestellt.

Krum wäre auf alle Fälle Kaiser des Byzantinischen Reiches geworden, hätte er Konstantinopel erobert. Aber er starb bereits 814 während der Belagerung. Dass er gute Chancen gehabt hätte, erklärt sich daraus, dass 802 die bis dato legitime syrische Dynastie entmachtet wurde und seitdem Usurpatoren wie Nikophoros I., Michael Rangabe und Leo V. herrschten. Das bedeutet in diesen Jahren entschied nicht die Legitimität darüber, sondern nur die militärische Stärke, wer Kaiser wurde. Das setzte sich noch bis in die 820er Jahre fort – siehe die Ereignisse um den Sturz Leos V., der Aufstand von Thomas den Slawen und die Regierung Michaels II.

Ebenso hätte Krums Sohn Omurtag gute Chancen gehabt, Kaiser zu werden, wäre ihm die Eroberung Konstantinopels gelungen. Omurtag war schließlich klug genug, die Belagerung Konstantinopels abzubrechen und seine Expansionspolitik nach Pannonien zu lenken. Er schloss einen auf die Dauer von 30 Jahren befristeten Friedensvertrag mit Byzanz und unterstützte z.B. Michael II. bei der Niederschlagung des Aufstands von Thomas den Slawen. Es ist aber vorstellbar, dass Omurtag als fähiger Kaiser in einem geeinten bulgarisch-byzantinischen Reich geherrscht hätte. Voraussetzung wäre aber, dass er seine antichristliche Haltung aufgegeben hätte und zum Christentum übergetreten wäre. Ob er als byzantinischer Kaiser das Christentum dann in Bulgarien schon hätte durchsetzen können, ist spekulativ. Es ist deshalb auch denkbar, dass er als christlicher Kaiser in Bulgarien als Khan entmachtet worden wäre. Ebenso spekulativ ist, ob sich einer seiner Söhne als Nachfolger in Byzanz und Bulgarien behauptet hätte. Da der älteste Sohn zum Christentum neigte, der jüngere dagegen die traditionellen Religion ausübte, wäre spätestens nach Omurtags Tod im Jahr 831 das gemeinsame Reich auseinander gefallen. Wie gesagt, das ist alles nur spekulativ.
(01.06.2014 11:58)WDPG schrieb: [ -> ]-Simeon I (893-927): Nach einer friedlicheren Phase, in der Byzanz insgesamt einen Aufstieg erlebte kam es unter Simeon I wieder zu Kriegen zwischen Byzanz und den Bulgaren. Der ursprüngliche Grund war auch handelspolitischer Natur. Simeon I erwies sich als sehr hartnäckiger Gegner, mehreren Kaisern machte er das leben schwer (Leon VI den Weisen, Alexander und Romanos I Lakapenos). Eine Eroberung von Konstantinopel gelang ihm nicht, für diese verbündete er sich auch mit den Ägyptischen Fatimiden (da Bulgarien die Flotte für eine solche Belagerung fehlte). Auch wenn Bulgarien eine große Flächenmäßige Ausdehnung und sogar den Zarentitel erhielt, das große Ziel gelang auch Simeon I nicht zu erreichen.

Nach ihm erscheint mir Bulgarien deutlich schwächer, das und auch die Tatschache das Bulgarien immer wieder lange Friedenszeiten mit Byzanz hatte, zeigt mir auch das der Krieg zwischen den beiden Mächten auch Bulgarien, nicht nur Byzanz viel Kraft kostete.

Obwohl zwischen Krum und seinem Ur-Ur-Urenkel Simeon I. nur etwa 100 Jahre liegen, haben sich im 1. Bulgarischen Reich enorme gesellschaftliche Veränderungen vollzogen. Zum einen sind aus Protobulgaren und Slawen Bulgaren geworden, zum anderen setzte unter Simeons Vater Boris I. die Christianisierung des Landes ein. Man denke auch an das Wirken von Kyrill und Method. Ein Rückstoß ins Heidentum durch Wladimir, Simeons Bruder wurde verhindert. Da Wladimir sich dem ostfränkischen König Arnulf von Kärnten verband, ist es vorstellbar, dass Wladimir nicht zu den heidnischen Bräuchen zurückkehren wollte, sondern sich eher der römischen Kirche zuwenden wollte. Egal, Boris wusste dies zu verhindern, indem er für kurze Zeit an die Macht zurückkehrte, um seinen ältesten Sohn zu entmachten und die Herrschaftsinsignien seinem jüngeren Sohn Simeon zu übergeben. Simeon erwies sich dann als ein würdiger Nachfolger seines Vaters.

Dass nach einer langen Friedenszeit es wieder zu kriegerischen Aktionen kam, war nicht die Schuld der Bulgaren, sondern der Byzantiner. Simeon erwies sich jedoch als ein hartnäckiger Gegner der byzantinischen Kaiser, die wiederum aber genauso harte Brocken für die Bulgaren waren. Beide Seiten waren etwa gleichstark, beide hatten anfänglich heidnische Verbündete wie die Magyaren unter Arpad (Byzanz) und die Petschenegen (Bulgarien). Des Weiteren war Simeon stark genug, sich in serbische Angelegenheiten einzumischen, um dort Herrscher ein- und abzusetzen. Aber sein Versuch, die Kroaten zu unterjochen, scheiterte am Ende seines Lebens.

Die Byzantiner mischten ebenfalls in der serbischen Politik mit. 917 wurden sie entscheidend von den Bulgaren besiegt, Simeon nannte sich seitdem Zar der Bulgaren und Rhomäer (Byzantiner). Außerdem löste er die Bulgarisch-Orthodoxe Kirche aus dem Machtbereich des Patriarchen von Konstantinopel.

Daraus ließe sich spekulieren, was nun geschehen wäre, wenn Simeon tatsächlich Herrscher des Byzantinischen Reiches geworden wäre und nicht nur Titular-Zar. Schwierig zu sagen, denn er hatte es im Gegensatz zu Krum und Omurtag nicht mit Usurpatoren zu tun. Konstantin VII. folgte seinem Vater und Onkel als Kaiser, Romanos I. war Konstantins Schwiegervater und ganz offiziell (Mit-)Kaiser geworden. Vielleicht ahnte Simeon, dass er die Angehörigen der makedonischen Dynastie hätte umbringen müssen, um selbst zu herrschen und diese Herrschaft dann ständig von potentiellen Usurpatoren bedroht sein würde. So war es wohl das Beste, dass nach Simeons Tod im Jahr 927 dessen Sohn und Nachfolger Petar I. einen auf 50 Jahre festgelegten Friedensvertrag unterzeichnete.

Bereits um 910 hatte sich Simeon mit den Fatimiden verbündet. Diese herrschten erst seit einem Jahr als Kalifen, allerdings noch nicht in Ägypten, sondern in Ifriqija – also im Maghreb, ihre damalige Hauptstadt liegt im heutigen Tunesien. Es ist erstaunlich, dass die ersten Fatimiden die Bulgaren mit ihrer Flotte unterstützten, denn ihr Hauptaugenmerk lag in der Bekämpfung der Abbasiden und der Umayyaden in Cordoba. Abdallah al-Mahdi, der erste Kalif der Fatimiden-Dynastie betrachtete sich auch als religiöses Oberhaupt, als Imam der Ismaeliten.

Ob Simeon genau wusste, mit wem er sich verbunden hatte, ist wohl eher fraglich. Er förderte mit den Schulen von Ohrid und Preslaw religiöse, literarische und kulturelle Zentren, deren Bedeutung für die Verbreitung des Kirchenslawischen und der kyrillischen Schrift – nicht nur unter den Bulgaren, sondern unter den Slawen - enorm waren. Dass sich solch unterschiedliche Verbündete gefunden haben, ist irgendwie nicht erklärbar und wohl nur nachvollziehbar, dass Simeon die Flotte der Fatimiden unbedingt brauchte. Die Fatimiden brauchten wohl einen Verbündeten, der ihnen half, alle Gebiete der untergegangenen Aghlabiden-Dynastie zu übernehmen, also nicht nur in Nordafrika, sondern auch auf Sizilien und Unteritalien. Das Byzantinische Reich war sicher daran interessiert, nach dem Untergang der Aghlabiden, die Araber aus Sizilien und Unteritalien wieder zu vertreiben. Die Bulgaren hätten sie daran gehindert. Das wäre für mich eine Erklärung des 910 geschlossenen Bündnisses zwischen Bulgaren und Fatimiden

Aber ob Fatimiden und Bulgaren sich dauerhaft verbunden geblieben wären, um Konstantinopel zu bezwingen und das Byzantinische Reich aufzuteilen, ist irgendwie schwer vorstellbar. Ich habe bei der Bewertung der Politik Simeons immer das Gefühl, dass nicht die Vernichtung des Byzantinischen Reiches sein Ziel war, sondern dessen Unterordnung. Er war offensichtlich auch klug genug, nur formal den Titel Zar/Kaiser der Rhomäer zu führen und sich nicht den Fallstricken der byzantinischen Innenpolitik auszusetzen. Außerdem wusste er wohl seine Ressourcen einzuschätzen, so dass er um eine ausgleichender Politik gegenüber den (fähigen) Kaiser Leo VI. und Romanos I. bemüht war.

Ob der "Umzug" der Fatimiden von Ifrikija nach Ägypten im Jahr 972 mit den Ereignissen in Byzanz und Bulgarien zusammenhängt, weiß ich nicht, ist aber durchaus vorstellbar.

WDPG

(23.06.2014 13:40)Sansavoir schrieb: [ -> ]@ Hallo Gerald, das Wave-Gotik-Treffen ist ja schon lange vorbei, aber ich habe erst jetzt etwas Zeit gefunden, mich mit Deinen Ausführungen zu Bulgarien und Byzanz zu beschäftigen. Es ist natürlich äußerst schwierig, dies zu beurteilen, da ich zu einigen Herrschern nur unvollständige Kenntnisse habe. Habe mich bisher nur mit Krum und Simeon beschäftigt, hoffe aber, dass ich die Zeit noch finde, mich zu Kalojan und Iwan II. Asen zu äußern.

Das, dass Wave-Gotik-Treffen schon einige Zeit vorbei ist macht nichts. Super wars, ist aber ein anderes Thema. Auch ich habe ja einiges angekündigt was ich noch nicht geschrieben habe (manches an Recherhcen habe ich auch erst jetzt wieder gefunden).

Ich denke auch das es ein Unterschied gewesen wäre, wer von den 3 Herrschern Konstantinopel erobert hätte. Krum war sehr Kriegerisch und wohl der Kultur von Byzanz eher fremd, was wie du erwähnt hast bei Simeon nicht so der Fall war und bei Iwan II Asen war die politische Lage eine ganz andere.

WDPG

(23.06.2014 13:44)Sansavoir schrieb: [ -> ]dato legitime syrische Dynastie entmachtet wurde und seitdem Usurpatoren wie Nikophoros I., Michael Rangabe und Leo V. herrschten. Das bedeutet in diesen Jahren entschied nicht die Legitimität darüber, sondern nur die militärische Stärke, wer Kaiser wurde. Das setzte sich noch bis in die 820er Jahre fort – siehe die Ereignisse um den Sturz Leos V., der Aufstand von Thomas den Slawen und die Regierung Michaels II.

Ebenso hätte Krums Sohn Omurtag gute Chancen gehabt, Kaiser zu werden, wäre ihm die Eroberung Konstantinopels gelungen. Omurtag war schließlich klug genug, die Belagerung Konstantinopels abzubrechen und seine Expansionspolitik nach Pannonien zu lenken. Er schloss einen auf die Dauer von 30 Jahren befristeten Friedensvertrag mit Byzanz und unterstützte z.B. Michael II. bei der Niederschlagung des Aufstands von Thomas den Slawen. Es ist aber vorstellbar, dass Omurtag als fähiger Kaiser .....

Was man aber auch nicht übersehen darf, Byzanz ist ein Reich mit einem gewissen Stolz gewesen, weiß nicht ob man von außen kommende Eroberer längerfristig akzeptiert hätte. In der von dir erwähnten Zeit zeigt sich ja auch wie schnell man dan Kaisertitel wieder los war.

WDPG

Ein Volk das mit Konstantinopel Handel trieb aber auch mehrmals zur Bedrohung wurde waren die Waräger, die Wikinger in Russland. Ein Kriegszug nach Konstantinopel im Jahr 907 an dem gleich mehrere Völker teilnahmen führte zu einem Handelsabkommen zwischen Byzanz und den Warägern.

Die Waräger hatten danach lange Zeit friedliche Handelsbeziehungen mit Konstantinopel. 941 führte Warägerherrscher Igor einen Kriegszug gegen Byzanz. Man tauchte erneut vor Konstantinopel auf, doch Kaiser Romanos Diogenes Truppen konnten den Warägerangriff zurückschlagen. Die Handelsprivilegien wurden daraufhin gestrichen, was zu einem erneuten Kriegszug führte. Doch einen erneuten Angriff verhinderte man indem man die einstigen Handelsprivilegien (zumindest zum Teil) wieder zurückgab.

Auch wenn es wie ich damals erst beim Recherchieren merkte keine echte Belagerung war, möchte ich später noch auf den Angriff der Kiewer Russ unter Swjatoslaw I einzeln eingehen.

Was wäre gewesen wenn die Waräger und ihre Verbündeten Konstantinopel erobert hätten? Eine kurze Plünderung? Oder doch mehr? Gab es für einen Fall Konstantinopels durch eine Warägereroberung überhaupt eine Chance?

Freue mich auf eine interessante Diskussion.

WDPG

Nun also zum Kiewer Reich. Die Kiewer Russ unter Swjatoslaw I belagerte Konstantinopel nicht wirklich. Aber sie waren eine äußerst ernste Bedrohung. Geholt wurde diese vom byzantinischen Kaiser Nikophoros Phokas. Nikophoros war ein äußerst erfolgreicher Feldherr, aber er zog sein Reich als Kaiser in zu viele Fronten und Kriege hinein. Eine solche Front war die mit Bulgarien. Um diese zu bewältigen holte man sich die Kiewer Russ zu Hilfe, doch diese eroberten Bulgarien und wandten sich gegen Byzanz, erwiesen sich als wesentlich gefährlicher als Bulgarien, denn im Vergleich zu diesem waren sie eine echte Großmacht. Johannes I Tzimiskes konnte Swjatoslaw I schließlich besiegen. Swjatoslaws I Verbündete die Petscheneggen stellten sich daraufhin gegen diesen, was sein Ende bedeutete. Nicht aber das Ende der Großmacht „Kiewer Reich“, das nun aber im Frieden mit Byzanz lebte, im Großen und Ganzen zumindest, den Kaisern sogar zur Elitetruppe der Warägergarde verhalf.

Nun aber zur Frage: Was wäre gewesen wenn es den Kiewer Russ gelungen wäre Konstantinopel zu erobern? Hätte es ein Großreich von Russland über den Balkan bis Konstantinopel gegeben? Oder vielleicht 2 Reiche, also ein Kiewer Russ und eine Art Vasallenstaat Byzanz? War wäre mit dem Kleinasiatischen Teil passiert?

Freue mich auf eure Antworten.
Hätte Swjatoslaw Konstantinopel erobert, hätte er das Byzantinische Reich einschließlich den kleinasiatischen Teil in den Kiewer Rus eingebunden. Swjatoslaw hätte dann wahrscheinlich die Christianisierung des Rus weiter fortgesetzt, d.h. die Christianisierung des Rus hätte sich nach der Taufe von Olga im Jahre 955 weiter durchgesetzt. Während Swjatoslaws Herrschaft fand ja eine Restauration der alten Religion statt, erst die Hochzeit seines Sohnes Wladimir mit Anna von Byzanz im Jahr 988 leitete die Christianisierung des Rus ein. Ebenso möglich wäre es, dass bereits unter Swjatoslaw eine Waägergarde gebildet wurde, so kam es auch erst 988 dazu.

Swjatoslaw hätte auf alle Fälle ein Großreich gegründet. Im Gegensatz zu seinem Vater Igor, dessen Aktionen zwischen 941 und 944 gegen Byzanz doch nur von materiellen Interessen geleitet war, war Swjatoslaws Handeln von geostrategischen Gesichtspunkten geleitet. Seit ca. 850 begannen die schwedischen Waräger bzw. dann ihre im Osten etablierten Nachfahren - die Rus - den Handel zwischen Finnischen Meerbusen und Schwarzes Meer, spätesten seit ca. 900 auch bis zum Kaspischen Meer zu dominieren. Über die großen Flüsse Dnjepr, Don und Wolga steuerten sie den Warentransport, auch die Waren aus Konstantinopel oder Bagdad. Vielleicht geschah die Belagerung Konstaninopels im Jahr 907 durch die Rus unter Oleg nur mit der Absicht, Byzanz Tributzahlungen abzupressen. Der Handelsvertrag von 911 war nämlich sehr vernünftig. Leon VI. konnte damit verhindern, dass sich Oleg dem Bündnis des bulgarischen Zaren Simeon I. mit dem Fatimiden anschloss und Oleg bzw. Igor nutzten die Zahlungen, um ihre Gefolgschaften an sich zu binden und diese in frühstaatliche Strukturen einzubinden.

Als Störenfried erwiesen sich das Reich der Chasaren und Reitervölker wie die Petschenegen oder Magyaren, die allerdings nach der Landnahme des heutigen Ungarns nach 896 als Gegner ausfielen. Swjatoslaw gelang es ca. 965, das Reich der Chasaren zu erobern, ebenso macht es Sinn, dass er Bulgarien eroberte. Der einzige Gegner wäre dann nur noch die Petschenegen gewesen, deren Gefährlichkeit vor allem im politischen Lavieren zwischen Byzanz, Bulgarien und dem Rus bestand und deren Unberechenbarkeit Swjatoslaws Verhängnis wurde. Andererseits kann man nicht ausschließen, dass die Petschenegen (als Reitervolk) Swjatoslaws (geostrategische) Absichten durchschauten und ihm deshalb ermordeten.

Nikophoros Phokas und Johannes Tzimiskes hätten bei einer Niederlage gegen den Rus ihre Macht sofort verloren. Sie waren Usurpatoren und dadurch zum Siegen verbannt. Inwieweit das Großreich Swjatoslaws sich behauptet hätte, ist fraglich. Es ist vorstellbar, dass nach dem Ableben Swjatoslaws das Großreich auseinander gefallen wäre.

WDPG

(20.07.2014 22:18)Sansavoir schrieb: [ -> ]Der einzige Gegner wäre dann nur noch die Petschenegen gewesen, deren Gefährlichkeit vor allem im politischen Lavieren zwischen Byzanz, Bulgarien und dem Rus bestand und deren Unberechenbarkeit Swjatoslaws Verhängnis wurde. Andererseits kann man nicht ausschließen, dass die Petschenegen (als Reitervolk) Swjatoslaws (geostrategische) Absichten durchschauten und ihm deshalb ermordeten.

Nikophoros Phokas und Johannes Tzimiskes hätten bei einer Niederlage gegen den Rus ihre Macht sofort verloren.......

Kann sein das die Petscheneggen das durchschauten, es könnte aber auch sein, das sie einfach nur sauer waren wegen der ausbleibenden Beute.

Ich denke auch das es bei den Warägerangriffen vor Swjatoslaw I um Geld ging und nicht um die Erstellung eines Großreichs.

Wie es nach einer Eroberung Konstantinopels durch Swjatoslaw I weitergegangen wäre ist schwer zu sagen, er hätte wohl ein Großreich mit Kiewer Reich und Byzanz beherrscht, gut vorstellbar das es unter seinen Nachfolgern zu einer Teilung in beide Teile gekommen wäre, wäre finde ich denkbar. Was aus Kleinasien werden würde habe ich absichtlich gefragt, ich bin mir nicht so sicher ob es mit einer Eroberung von Konstantinopel auch gleich an Kiew gefallen wäre. Widerstand ist denkbar. Nicht durch Johannes Tzimiskes, der wäre mit einer Niederlage wohl seinen Thron los gewesen, aber durch Mitglieder der Kaiserfamilie (Makedonische Dynastie) oder durch Feldherren (von denen hatte Byzanz in dieser Zeit einige). Denkbar das von hier aus eine Rückeroberung früher oder später stattgefunden hätte.
(21.07.2014 22:34)WDPG schrieb: [ -> ]Kann sein das die Petscheneggen das durchschauten, es könnte aber auch sein, das sie einfach nur sauer waren wegen der ausbleibenden Beute.

Das ist sicher auch möglich.

(21.07.2014 22:34)WDPG schrieb: [ -> ]Wie es nach einer Eroberung Konstantinopels durch Swjatoslaw I weitergegangen wäre ist schwer zu sagen, er hätte wohl ein Großreich mit Kiewer Reich und Byzanz beherrscht, gut vorstellbar das es unter seinen Nachfolgern zu einer Teilung in beide Teile gekommen wäre, wäre finde ich denkbar. Was aus Kleinasien werden würde habe ich absichtlich gefragt, ich bin mir nicht so sicher ob es mit einer Eroberung von Konstantinopel auch gleich an Kiew gefallen wäre. Widerstand ist denkbar. Nicht durch Johannes Tzimiskes, der wäre mit einer Niederlage wohl seinen Thron los gewesen, aber durch Mitglieder der Kaiserfamilie (Makedonische Dynastie) oder durch Feldherren (von denen hatte Byzanz in dieser Zeit einige). Denkbar das von hier aus eine Rückeroberung früher oder später stattgefunden hätte.

Das ist richtig. Langfristig hätte es eine Union zwischen Kiewer Rus, Byzanz und Bulgarien nicht gegeben. Es hätten sich nicht nur in Byzanz Feldherren oder Mitglieder der Kaiserfamilie erhoben, im Rus hätten sich sicher auch einige Fürsten abgespalten und in Bulgarien hätten sich Angehörige der Zarenfamilie erhoben.

WDPG

(22.07.2014 00:40)Sansavoir schrieb: [ -> ]Das ist richtig. Langfristig hätte es eine Union zwischen Kiewer Rus, Byzanz und Bulgarien nicht gegeben. Es hätten sich nicht nur in Byzanz Feldherren oder Mitglieder der Kaiserfamilie erhoben, im Rus hätten sich sicher auch einige Fürsten abgespalten und in Bulgarien hätten sich Angehörige der Zarenfamilie erhoben.

Aus welchem Grund denkst du das sich auch bei den Kiewer Rus Fürstentümer abgespallten hätten?
Wahrscheinlich, weil das später eh passiert ist. Das Reich der Kiewer Rus war von jeher in Unterfürstentümer aufgespalten, nach dem Senioratsrecht wurde der älteste unter den regierenden Fürsten (alle aus dem Haus der Rurikiden) Großfürst. Anfangs bekam dieser Älteste dann auch immer das Zentralfürstentum mit Sitz in Kiew (meist, indem er seine Brüder ausschaltete), das auch das Übergewicht hatte. Je selbstständiger die Teilfürsten und je zahlreicher die Rurikiden wurden, desto öfter kam es vor, dass der Großfürst woanders als in Kiew saß, bis Moskau endgültig die Rolle Kiews übernommen hatte und der Großfürst hier seinen festen Sitz hatte.

Sansavoir ging wohl davon aus, dass ein derart riesiges Reich wie es Kiew-Bulgarien-Byzanz gewesen wäre, nicht von Kiew aus zentral regiert worden wäre, sondern mit Hilfe von Duodezfürstentümern. Mit diesen hätten die Abspaltungen von Kiew dann eben schon unter Swjatoslaw I. begonnen und nicht erst unter dessen Enkeln, den vierzehn (!) Söhnen von Wladimir I.

VG
Christian
(22.07.2014 01:27)WDPG schrieb: [ -> ]
(22.07.2014 00:40)Sansavoir schrieb: [ -> ]Das ist richtig. Langfristig hätte es eine Union zwischen Kiewer Rus, Byzanz und Bulgarien nicht gegeben. Es hätten sich nicht nur in Byzanz Feldherren oder Mitglieder der Kaiserfamilie erhoben, im Rus hätten sich sicher auch einige Fürsten abgespalten und in Bulgarien hätten sich Angehörige der Zarenfamilie erhoben.

Aus welchem Grund denkst du das sich auch bei den Kiewer Rus Fürstentümer abgespallten hätten?

Genau aus den Gründen, die Chris beschrieben hat.

WDPG

(22.07.2014 15:29)913Chris schrieb: [ -> ]Wahrscheinlich, weil das später eh passiert ist. Das Reich der Kiewer Rus war von jeher in Unterfürstentümer aufgespalten, nach dem Senioratsrecht wurde der älteste unter den regierenden Fürsten (alle aus dem Haus der Rurikiden) Großfürst. Anfangs bekam dieser Älteste dann auch immer das Zentralfürstentum mit Sitz in Kiew (meist, indem er seine Brüder ausschaltete), das auch das Übergewicht hatte. Je selbstständiger die Teilfürsten und je zahlreicher die Rurikiden wurden, desto öfter kam es vor, dass der Großfürst woanders als in Kiew saß, bis Moskau endgültig die Rolle Kiews übernommen hatte und der Großfürst hier seinen festen Sitz hatte.

Sansavoir ging wohl davon aus, dass ein derart riesiges Reich wie es Kiew-Bulgarien-Byzanz gewesen wäre, nicht von Kiew aus zentral regiert worden wäre, sondern mit Hilfe von Duodezfürstentümern. Mit diesen hätten die Abspaltungen von Kiew dann eben schon unter Swjatoslaw I. begonnen und nicht erst unter dessen Enkeln, den vierzehn (!) Söhnen von Wladimir I.

VG
Christian

Sehr gute Beschreibung, das es später sowieso Spalltungen gegeben hat wusste ich natürlich. Das diese Entwicklung durch eine Eroberung Konstantinopels beschleunigt worden wäre hätte sein können, wobei mir persönlich eine Spalltung in 2 Teile (Byzanz/Bulgarien und Kiew) nach Swjatoslaw I logischer erscheint.

WDPG

Unaufhaltsam schien das Vorrücken der Araber im 7. Jahrhundert. Das ehemalige Großreich der Sassaniden fiel sehr schnell und auch die ehemalige Konkurrenzmacht Byzanz bekam es mit den Arabern zu tun, noch während der Regierungszeit von Kaiser Heraklaios verlor man Syrien und Palästina an die expandierenden Araber. Unter seinen Nachfolgern ging Ägypten verloren. Dabei war man keineswegs tatenlos, aus der Sicht von Byzanz schien kein Kraut gegen die vordringenden Araber gewachsen. Danach bauten diese auch noch eine Flotte auf. Die bisherige Flottenvormacht im Mittelmeer Byzanz fuhr in der Schlacht von Phoinix eine Niederlage ein. Die Lage wurde immer kritischer und so kam es wie es kommen musste, der Nachfolger des Verlierers bei Phoinix musste sich der Belagerung von Konstantinopel stellen (nach der Seeschlacht waren die Araber zunächst durch innere Kämpfe aufgehalten worden, konnten aber später ihre Expansionspolitik wieder aufnehmen).

Byzanz unter Kaiser Konstantin IV überstand die mehrjährige Belagerung und existierte weiter. Für die bisher extrem erfolgreichen Araber war dieser Expansionstop vorübergehend ein Schock, doch man konnte weiter expandieren, eroberte auch noch das Exarchat von Karthago und im 8. Jahrhundert stand man erneut vor Konstantinopel. Wieder hatte man bei der Belagerung keinen Erfolg. Byzanz unter Kaiser Leon III wehrte sich entschieden gegen die Araber und konnte diese schließlich auch durch die Hilfe der Bulgaren zurückschlagen.

Nun aber zu meiner Frage: Was denkt ihr wäre geschehen wenn die Araber im 7. oder 8. Jahrhundert Konstantinopel doch einnehmen hätten können?
Nach einer arabischen Eroberung Konstantinopels im 7. oder 8. Jahrhundert hätte es keinen Bilderstreit gegeben. Die Araber wären am Anfang sehr moderat gewesen und hätten nur geringe Steuern verlangt, die oströmische Verwaltung wäre übernommen wurden und Griechisch wäre noch eine ganze Weile (eine) Amts- und Verkehrssprache geblieben. Die Araber hätten sich nicht anders verhalten, als nach der Eroberung Syriens oder Ägyptens. Wenn die Ummayaden ihre Hauptstadt von Damaskus nach Konstantinopel verlegt hätten, hätten sie sich im Bürgerkrieg gegen die Abbasiden vielleicht in Konstantinopel besser verteidigen und somit behaupten können. Ein vorstellbarer Verlauf könnte sein, dass sich das Großreich der Araber bereits im 8. Jahrhundert gespaltet hätte und es ein arabisches Reich mit der Hauptstadt Konstantinopel gegeben hätte, in denen die Araber mit Angehörigen der griechischen Ober- und Mittelschicht kooperiert hätten. Ein zweites (verfeindetes, abbasidisches) Reich hätte es dann mit Bagdad als Hauptstadt gegeben, in dem sich die alten persischen Eliten an der Herrschaft beteiligt hätten. Als drittes Reich hätte sich der Maghreb mit Ifrika, Tripolitanien und Spanien behauptet, in dem auf alle Fälle eine arabisch-berberische Mischkultur entstanden wäre. Ägypten könnte entweder zum Maghreb oder Konstantinopel gehören und hätte womöglich einen Zankapfel beider Reiche dargestellt.

Warum ich davon abgehe, zu spekulieren, dass die Araber nach der Eroberung Konstantinopel im 7. oder 8. Jahrhundert keine weiteren, bedeutenden Feldzüge mehr ausführen würden? Ich denke, dass der Wohlstand, um nicht zu sagen, der Luxus von Konstantinopel, dazu geführt hätte, dass viele Eroberer trotz ihres Glaubens und ihrer Erziehung nur noch sehr unwillig weitere Eroberungszüge durchgeführt hätten. Auch wären die Eroberungszüge in der gebirgigen Landschaft nicht so einfach gewesen, darauf waren die Araber nicht eingestellt. Die Araber waren Wüstenkrieger, geschult, sich auf weiten, ebenen Flächen fortzubewegen. Diese Eigenschaft kam ihnen auch als seefahrender Eroberer entgegen, aber als Gebirgskrieger? Die einzige weitere Eroberung, die zeitnah nach der Eroberung Konstantinopels vorstellbar wäre, wäre Sizilien und Süd-/Mittelitalien. Ob dies nun von Nordafrika, von Konstantinopel oder von beiden Orten aus geschehen wäre, sei dahin gestellt.

Als Folge einer Eroberung von Teilen Italiens hätte sicher das Papsttum seinen Sitz in das Herrschaftsgebiet der Karolinger verlegt. Der Patriarch von Konstantinopel hätte unter der Herrschaft der Araber keine Missionierungen mehr durchführen können, die Bedeutung der christlichen (orthodoxen) Kirche wäre zurückgegangen und würde auf ein Minimum beschränkt geblieben. Die Araber wären sicher im 7./8. Jahrhundert noch religiös tolerant geblieben, aber dies hätte sich später geändert.

Des Weiteren hätten die Araber nach der Eroberung von Konstantinopel die Funktionen von Byzanz übernommen, also als Abwehrriegel für Südosteuropa fungiert. Ob sie den Einfall von türkischen Völkern nach Kleinasien verhindert hätten, ist fraglich, ich neige eher zu einem „nein“.

Klingt nun alles so, als ob es egal wäre, ob Konstantinopel gehalten worden wäre oder nicht. Für das 8. Jahrhundert träfe das sicher zu, mal vom Bilderstreit abgesehen. Nach einer Phase der Konsolidierung ihrer Herrscher im ehemaligen Byzantinischen Reich (und eventuell in Sizilien und Mittel-/Süditalien) hätten die Araber auf europäische Staaten, wie z.B. das Bulgaren- oder das Frankenreich politischen Druck ausgeübt. Das hätte letztendlich bedeutet, dass sich diese Staaten durch Tribute ihren Frieden erkauft hätten. Da in die Staaten die Geldwirtschaft noch nicht ausreichend entwickelt worden war, hätte das bedeutet, die Tribute würden durch Lieferung von Waren und Menschen erfolgen. Dieser Abfluss hätte die wirtschaftliche Entwicklung Europas erheblich geschwächt. Wie die europäische Gesellschaft den Konflikt gelöst hätte, als Christen Sklaven zu liefern, sei mal dahingestellt, aber sie hätten keine Skrupel gehabt, dies zu tun. Möglicherweise wären einige slawische Völker nicht christlich missioniert worden. Die arabischen Großreiche wären langfristig aber zerfallen. Lokale Dynastien hätten sich abgespalten, der Reichtum der arabischen Oberschicht hätte zur Stagnation und Dekadenz geführt, irgendwann wären die arabischen Reiche zerfallen.

WDPG

(18.08.2014 12:19)Sansavoir schrieb: [ -> ]Nach einer arabischen Eroberung Konstantinopels im 7. oder 8. Jahrhundert hätte es keinen Bilderstreit gegeben. Die Araber wären am Anfang sehr moderat gewesen und hätten nur geringe Steuern verlangt, die oströmische Verwaltung wäre übernommen wurden und Griechisch wäre noch eine ganze Weile (eine) Amts- und Verkehrssprache geblieben. Die Araber hätten sich nicht anders verhalten, als nach der Eroberung Syriens oder Ägyptens. Wenn die Ummayaden ihre Hauptstadt von Damaskus nach Konstantinopel verlegt hätten, hätten sie sich im Bürgerkrieg gegen die Abbasiden vielleicht in Konstantinopel besser verteidigen und somit behaupten können. Ein vorstellbarer Verlauf könnte sein, dass sich das Großreich der Araber bereits im 8. Jahrhundert gespaltet hätte und es ein arabisches Reich mit der Hauptstadt Konstantinopel gegeben hätte, in denen die Araber mit Angehörigen der griechischen Ober- und Mittelschicht kooperiert hätten. Ein zweites (verfeindetes, abbasidisches) Reich hätte es dann mit Bagdad als Hauptstadt gegeben, in dem sich die alten persischen Eliten an der Herrschaft beteiligt hätten. Als drittes Reich hätte sich der Maghreb mit Ifrika, Tripolitanien und Spanien behauptet, in dem auf alle Fälle eine arabisch-berberische Mischkultur entstanden wäre. Ägypten könnte entweder zum Maghreb oder Konstantinopel gehören und hätte womöglich einen Zankapfel beider Reiche dargestellt.

Warum ich davon abgehe, zu spekulieren, dass die Araber nach der Eroberung Konstantinopel im 7. oder 8. Jahrhundert keine weiteren, bedeutenden Feldzüge mehr ausführen würden? Ich denke, dass der Wohlstand, um nicht zu sagen, der Luxus von Konstantinopel, dazu geführt hätte, dass viele Eroberer trotz ihres Glaubens und ihrer Erziehung nur noch sehr unwillig weitere Eroberungszüge durchgeführt hätten..........

Also ich denke nicht unbedingt das die Araber nach der Eroberung von Konstantinopel unbedingt träge geworden wären. Gebiete die einen gewissen Luxus und Reichtum bieten hatte man schon zuvor erobert ohne dass, das so geendet hatte, man denke an Ägypten, Syrien und Persien.

Ich denke wenn man Konstantinopel erobert hätte, wäre sehr schnell der Balkan dran gewesen, ein Indiz dafür war auch das Eingreifen der Bulgaren bei der 2. Belagerung, sie wussten das sie die nächsten sein würden. Da würde man auch den Kontakt zu den diversen slawischen Völkern aufnehmen. Vielleicht hätte es eine Bekehrung in diese Richtung gegeben. Von Byzanz wäre es nicht so weit weg Richtung Italien und damit Rom. Schiffe hatte man ja. Und was Beute betrifft wären auch die Awaren eine lohnende Beute gewesen, hatten ja auch viele Reichtümer angesammelt. Also denke eine weitere Expansion hätte durchaus für die Araber ihren Reiz gehabt. Ob sich, wenn alle diese Eroberungen gegen keineswegs übermächtige Gegner erfolgt wären die, dann von Ost- und West umzingelten Franken halten hätten können ist zu bezweifeln. Kurz Europa könnte heute vor allem im Bereich Religion/Kultur anders aussehen. Sahen die Araber die Expansion nicht sogar als eine Art Pflicht an? Bin mir also nicht so sicher ob du recht hast (wissen können wir es natürlich nicht).

Mit dem Bilderstreit hast du natürlich recht. Die Frage wäre auch gewesen ob Byzanz selbst nach einer Eroberung von Konstantinopel gleich akzeptiert hätte nun ein Teil des Araberreichs zu sein. Einerseits war man gar nicht sooo extrem von dort aus verwaltet, immerhin hatte man im 7. Jahrhundert für ein paar Jahre sogar die Residenzstadt nach Westen verlegt. Und das eine oder andere Heer hätte sich ev. noch aufstellen lassen. Andererseits: Was sollte halten wenn selbst Konstantinopel fällt und bei anderen Gebieten gelang es den Arabern ja auch sie zu integrieren. Denke also das man spätestens nach kurzem Widerstand doch gefallen wäre und der Prozess ähnlich verlaufen wäre wie du es beschrieben hast.

Ein Zerfall in 2 Teile wäre denkbar, auch der in mehr als 2 (nehmen wir an Balkan mit Zentrum Konstantinopel, Kleinasien als eigene Einheit und auch die Reiche die sich später so gegründet haben) ist denke ich auch für mich denkbar.
(20.08.2014 13:29)WDPG schrieb: [ -> ]Ich denke wenn man Konstantinopel erobert hätte, wäre sehr schnell der Balkan dran gewesen, ein Indiz dafür war auch das Eingreifen der Bulgaren bei der 2. Belagerung, sie wussten das sie die nächsten sein würden. Da würde man auch den Kontakt zu den diversen slawischen Völkern aufnehmen. Vielleicht hätte es eine Bekehrung in diese Richtung gegeben. Von Byzanz wäre es nicht so weit weg Richtung Italien und damit Rom. Schiffe hatte man ja. Und was Beute betrifft wären auch die Awaren eine lohnende Beute gewesen, hatten ja auch viele Reichtümer angesammelt. Also denke eine weitere Expansion hätte durchaus für die Araber ihren Reiz gehabt. Ob sich, wenn alle diese Eroberungen gegen keineswegs übermächtige Gegner erfolgt wären die, dann von Ost- und West umzingelten Franken halten hätten können ist zu bezweifeln. Kurz Europa könnte heute vor allem im Bereich Religion/Kultur anders aussehen. Sahen die Araber die Expansion nicht sogar als eine Art Pflicht an? Bin mir also nicht so sicher ob du recht hast (wissen können wir es natürlich nicht).

Das sind sehr interessante Ausführungen. Du hast zumindest dahingehend Recht, dass die Araber es als eine Pflicht betrachten, zu expandieren, um ihren Glauben zu verbreiten. Deshalb begannen ja die arabischen Expansionen bereits unter Kalif al-Bakr kurz nach dem Tod von Mohammed. Die Bedeutung des Scheiterns der arabischen Eroberungen für Europa ist immens, besonders das Scheitern des 2. Versuches von 717/18. Einerseits wurden die Araber der Weg nach Südosteuropa versperrt, andererseits wurde ihre Flotte zerstört, so dass sie einige Zeit nicht als Seemacht agieren konnten. Ich denke auch, dass das Scheitern der Flotte den Kalifen Suleiman bzw. den Umayyaden angelastet worden ist und eventuell sogar den Untergang der Umayyaden einleitete. Es ist deshalb auch schwierig einzuschätzen, was wäre geschehen, hätten die Araber Konstantinopel erobert?

Denn die Araber hatten bereits in den 720er Jahren genügend Schwierigkeiten. Sie mussten Angriffe der Chasaren (725) abwehren, sie hatten Aufstände von Kopten (725), Schiiten (740) und Berbern (740-742) niederzuschlagen, sie verloren erneut gegen Byzanz in der Schlacht von Akroinom (740) und sie wurden von den Franken in der Schlacht von Tours und Poitiers (732) geschlagen. Ebenso gelten die letzten Umayyaden auch als schwache Kalifen. Aus dem Grund ging ich davon aus, dass bei den Arabern „Verschleißerscheinungen“ eingetreten sind und sie nach der Eroberung Konstantinopels erst einmal ihre Expansionen beendet hätten.

Trotzdem sind Deine Gedanken zu Bulgarien richtig. Khan Terwel führte eine pro-byzantinische Politik, er trug den byzantinischen Titel "Baisleus" und mischte kräftig bei den verschiedenen byzantinischen Kaisern mit. Er wäre nach der Eroberung Konstantinopels ein politisch erledigter Mann gewesen, seine Herrschaft wäre in Bulgarien von einen Konkurrenten aus seiner Dynastie oder einer fremden Adelsfamilie beendet worden. In diesem innerbulgarischen Machtkampf hätten die Araber eingegriffen und einen Kandidaten unterstützt, der bereit war, zum Islam überzutreten. Dieser Vasall hätte Sinn gehabt, er hätte die Donau abgesichert und so den Einfall von Steppenvölkern verhindert oder verzögert und natürlich der islamischen Geistlichkeit die Möglichkeit gegeben, ihren Glauben zu verbreiten.

Sizilien und Italien hatte ich auch schon in meinem ersten Artikel zu dieser Problematik erwähnt. Das läge nämlich am nächsten, die Araber hätten ja bei einem Sieg vor Konstantinopel sicher nicht ihre Flotte eingebüßt und hätten dann den gesamten Mittelmeerhandel betrieben. Der Papst hätte Rom verlassen und sich ins Frankenreich begeben. Wann das geschehen wäre, ist natürlich spekulativ, aber ich nehme an, dass die Eroberung aller nicht ehemaligen byzantinischen Gebiete erst eine oder zwei Generationen nach dem Fall Konstantinopels geschehen wäre. Langobarden und Awaren hätten sich auf alle Fälle gemeinsam unterstützt, die Frage ist, ob sie noch in der Lage wären, die Expansion der Araber zu stoppen oder zumindest für einige Zeit zum Einhalt zu bringen. Ein wichtiger Grund für den Untergang der Awaren war ja ihre politische Isolation nach dem Untergang der Langobarden, ihres einzigen Verbündeten.

Wenn jedoch die Araber Italien vom Süden kommend erobert hätten, hätte Karl der Große nicht das Langobardenreich vernichtet. Es hätte wahrscheinlich neben den Alamannen und den Baiern seine Selbstständigkeit behalten und als Pufferstaat fungiert. Inwieweit sich z.B. die Sachsen oder die Mähren im späten 8. Jahrhundert verhalten hätten, ist natürlich sehr spekulativ. Ein arabische Bedrohung hätte vielleicht den einen oder anderen Konflikt nicht eskalieren lassen und Möglichkeiten geschaffen, sich gegen die arabische Bedrohung zu einigen.

Es stimmt natürlich, wenn Du schreibst, dass bei einer Eroberung Konstantinopels durch die Araber das heutige Europa anders aussehen würde. Es würde z.B. keine orthodoxen Kirchen geben. Inwieweit sich das Frankenreich und seine möglichen Verbündete gehalten hätten, kann man auch nicht klar mit „ja“ oder „nein“ beantworten. Davon wäre natürlich die weitere Entwicklung in Nord- und Osteuropa abhängig, ob diese Gebiete christianisiert worden wären oder ob sich die Ungarn in Pannonien angesiedelt hätten usw. Die Vorstellung, dass sich die skandinavischen Wikinger wie David gegen Goliath als letzte Bastion Europas gegenüber den Arabern behauptet hätten, hat auch ihren Reiz. Aber all das kann man nur bis ins letzte Detail ausschmücken, letztlich zählen nur die Fakten, trotz aller interessanten Abstraktionen.

WDPG

(21.08.2014 01:17)Sansavoir schrieb: [ -> ]Das sind sehr interessante Ausführungen. Du hast zumindest dahingehend Recht, dass die Araber es als eine Pflicht betrachten, zu expandieren, um ihren Glauben zu verbreiten. Deshalb begannen ja die arabischen Expansionen bereits unter Kalif al-Bakr kurz nach dem Tod von Mohammed. Die Bedeutung des Scheiterns der arabischen Eroberungen für Europa ist immens, besonders das Scheitern des 2. Versuches von 717/18. Einerseits wurden die Araber der Weg nach Südosteuropa versperrt, andererseits wurde ihre Flotte zerstört, so dass sie einige Zeit nicht als Seemacht agieren konnten. Ich denke auch, dass das Scheitern der Flotte den Kalifen Suleiman bzw. den Umayyaden angelastet worden ist und eventuell sogar den Untergang der Umayyaden einleitete. Es ist deshalb auch schwierig einzuschätzen, was wäre geschehen, hätten die Araber Konstantinopel erobert?

Die Überlegung ob das Scheitern am Untergang der Umayyaden mitschuld war hatte ich auch schon.
Welche Niederlage schwerer wog ist schwer zu sagen, denke bei der ersten Belagerung hat man damit gerechnet das es einfacher ist Konstantinopel einzunehmen. Doch es zeigte sich das man kaum eine Chance hat. Eine depremierende Situation.

Beim 2. mal versuchte man eine Phase zu nutzen in der Byzanz innere Probleme hatte (was sich auch durch ständig wechselnde Kaiser zeigte). Doch auch diesesmal scheiterte man.

Denke man kann fast nicht sagen was schwerer wog.

WDPG

(21.08.2014 01:17)Sansavoir schrieb: [ -> ]Es stimmt natürlich, wenn Du schreibst, dass bei einer Eroberung Konstantinopels durch die Araber das heutige Europa anders aussehen würde. Es würde z.B. keine orthodoxen Kirchen geben. Inwieweit sich das Frankenreich und seine möglichen Verbündete gehalten hätten, kann man auch nicht klar mit „ja“ oder „nein“ beantworten. Davon wäre natürlich die weitere Entwicklung in Nord- und Osteuropa abhängig, ob diese Gebiete christianisiert worden wären oder ob sich die Ungarn in Pannonien angesiedelt hätten usw. Die Vorstellung, dass sich die skandinavischen Wikinger wie David gegen Goliath als letzte Bastion Europas gegenüber den Arabern behauptet hätten, hat auch ihren Reiz. Aber all das kann man nur bis ins letzte Detail ausschmücken, letztlich zählen nur die Fakten, trotz aller interessanten Abstraktionen.

Selbst bei den Skandinaviern oder auch den Slawen bin ich mir nicht so sicher ob sie die letzten Bastion gewesen wären. Die Araber hätten ihre Kultur und ihre Religion auch auf friedlichen Wegen verbreiten können, warum nicht auch zu Völkern wie Slawen oder den Wikingern?

Das Fakten zählen und nicht die Spekulation stimmt, andererseits: Liest man sich das ganze durch, fällt auch auf das man mit Spekulation immer wieder zahlreiche interessante Fakten bringen und oft erst entdecken kann. Deshalb finde ich das Ganze gar nicht so uninteresant.
(21.08.2014 22:53)WDPG schrieb: [ -> ]Selbst bei den Skandinaviern oder auch den Slawen bin ich mir nicht so sicher ob sie die letzten Bastion gewesen wären. Die Araber hätten ihre Kultur und ihre Religion auch auf friedlichen Wegen verbreiten können, warum nicht auch zu Völkern wie Slawen oder den Wikingern?

Das Fakten zählen und nicht die Spekulation stimmt, andererseits: Liest man sich das ganze durch, fällt auch auf das man mit Spekulation immer wieder zahlreiche interessante Fakten bringen und oft erst entdecken kann. Deshalb finde ich das Ganze gar nicht so uninteresant.

Geht mir auch so, bei den Was-wäre-wenn-Themen muss man sich ja ganz konkret auf nur wenige Jahre bzw. Jahrzehnte konzentrieren und mögliche Reaktionen auf ein Ereignis überlegen. Obwohl wir nur spekulieren, sollte es jedoch nicht in den Fantasy-Bereich abgleiten, da die Waage zu halten ist manchmal nicht so einfach.

WDPG

Schon bald nach dem Jahr 1204 setzte ein Wettkampf um das Erbe von Byzanz ein.

Was wäre wenn Konstantinopel damals nicht in die Hände von Nikea gefallen wäre, sondern in die einer anderen Macht.

-Was wäre gewesen wenn Epiros-Thessalonike oder die Kaiser von Trapezunt Konstantinopel erobert hätten?
-Was wäre wenn die Lateinischen Kaiser die Entstehung von Nikea verhindert hätten (man war ja nicht so weit davon entfernt)?
-Was wäre gewesen wenn Alexios III Nikea mit Hilfe der Seldschuken erobert hätte?
-Die Frage mit Bulgarien habe ich ja hier bereits einmal gestellt.

Was denkt ihr darüber? Ist zwar kein Fall Konstantinopels in dem Sinn, hätte aber auch zu anderen Machthabern in der Stadt am Bosporus geführt.
Der wesentliche Unterschied wären die verschiedenen Dynastien gewesen. Statt der Palaiologen hätten eben die Angeloi oder die Komnenen geherrscht. Epiros, Trapezunt und Nikea haben sich alle drei als Nachfolgestaaten des Byzantinischen Reiches gesehen. In allen drei Staaten wurden die alten Strukturen übernommen und die herrschenden Familien gehörten zu den Eliten des 1204 untergegangenen Byzantinischen Reichs.

Hätte Trapezunt anstsatt Nicäa die Restauration des Byzantinischen Reiches vollzogen, wäre die Geschichte ähnlich verlaufen, es hätten statt der Palaiologen die Komnenen geherrscht. Tatsächlich waren die Bindungen zwischen Konstantinopel und Trapazunt eng. Die Herrscherfamilien waren miteinander eng verwandt. Es hat viele Parallelereignisse gegeben, z.B. färbte der Bürgerkrieg zwischen Andronikus II. und seinem Enkel Andronikus III. Ebenso versuchten beide Staaten im 14. Jh. ein gutes Auskommen mit Osman und Orchan aufzubauen.

Dem Despotat Epirus ist es zu verdanken, dass die Existenz des lateinischen Königreiches Thessaloniki nach ca. 20 Jahren endete. Damit verlor das Lateinische Kaiserreich, dessen Vasall Thessaloniki war, die Kontrolle über die Ägäis und somit eine wichtige Verbindung nach Italien. Bis 1224/25 war Epirus ein durchaus erfolgreicher Staat, der sogar den Venezianer Korfu und Durazzo entreißen konnte. Michael I. war ein durchaus pragmatischer Herrscher, der eine geschickte Bündnispolitik betrieb, die hauptsächlich gegen die Venezianer gerichtet war. Man kann darüber diskutieren, ob sein Bündnis mit Papst Innozenz III. seinem Staat langfristig geschadet hat.

Fakt ist aber, dass Innozenz III. der mächtigste Mann in Italien war und er war der Lehnsherr über Sizilien. Mit dem Bündnis sicherte Michael I. seinen Staat gegen Einfälle feindlicher Truppen aus Italien ab. Langfristig bedeutete das Bündnis mit dem Papst, dass die verprellte orthodoxe Kirche sich mehr auf Nicäa konzentrierte. Dank der Ostkirche konnte sich Nicäa propagandistisch als Erbe des Byzantinischen Reiches darstellen. Dies war sicher nachteilig für Epirus.

Der Bruch mit Bulgarien um 1225 führte unter Michaels I. Nachfolger und Bruder Theodor I. zum Zerfall von Epirus in bedeutungslose Einzelstaaten. Dieser Niedergang konnte auch nicht aufgehalten werden, nachdem Michael II. die einzelnen Gebiete wieder vereinigte. Die 1250er Jahre waren geprägt von den Kämpfen zwischen Epirus und Nicäa, die Nicäa vor allem nach der Schlacht von Pelagonia von 1259 für sich entschied. Ob nun die bereits 1257 statt gefundenen Niederlagen gegen Manfred von Sizilien Epirus wesentlich schwächten oder Nicäa einfach zu stark geworden war bzw. mit Theodor Laskaris oder Michael VIII. die geschickteren Politiker und Militärs gehabt hatte, lassen wir mal offen.

Fakt ist, dass Epirus seine Unabhängigkeit behielt und sich m.E. mit Sizilien verband, zumindest lässt die Eheschließung der Helena von Epirus mit Manfred von Sizilien darauf schließen. Hätte sich Epirus anstatt Nicäa durchgesetzt und danach das Byzantinische Reich erneuert, hätte sich dieser Staat sich gegen Karl von Anjou behaupten müssen. Inwieweit das Papsttum diplomatisch für einen Ausgleich gesorgt hätte, ist fraglich. Ebenso hätte der byzantinische Kaiser für einen Ausgleich mit der orthodoxen Kirche sorgen müssen!

Fraglich ist es auch, ob ein Angehöriger des römischen Clans Orsini Kaiser des Byzantinischen Reichs geworden wäre. Vorstellbar ist zumindest, dass sich ein im wesentlich auf die europäischen Gebiete und evtl. auf die kleinasiatische Küste beschränkter Staat sich im 14. Jahrhundert gehalten hätte, der möglicherweise vom aragonesischen Sizilien oder vom angevinischen Neapel (vielleicht sogar vom angevinischen Ungarn) aus unterstützt wurde. Die Herrschaft der Katalanischen Kompagnie in Griechenland wäre ebenso möglich geworden. Im 15. Jahrhundert wäre dieser Staat aber aufgrund der osmanischen Eroberungen untergegangen. D.h. hätte Epirus Nicäa besiegt, wäre einiges anders verlaufen, aber der Untergang des Byzantinischen Reiches wäre schließlich auch im 15. Jh. gekommen.

Das Lateinische Kaiserreich hätte weiter bestehen können, wenn es sich gegenüber Nicäa und Epirus durchgesetzt hätten und sich auch mit Trapezunt diplomatisch geeinigt hätte. Spekulativ wäre naürlich, ob die Valois gleichzeitig Könige von Frankreich und Lateinische Kaiser hätten sein können. Auf alle Fälle wäre das Lateinische Kaiserreich auf die Hilfe des Papstes, der süditaliensichn Herrscher u.a. angewiesen. Avignon und das Schisma der katholischen Kirche hätten sicher den Fortbestand des Lateinischen Kaiserreiches im 14. Jh. gefährdet. Vielleicht wäre das angevinische Neapel oder gar Ungarn ein Partner dieses Reiches geworden. Es ist aber schwer vorstellbar, dass dieser Staat einer osmanischen Eroberung zum Ende des 14. Jh. widerstanden hätte.

WDPG

(22.12.2015 02:07)Sansavoir schrieb: [ -> ]Das Lateinische Kaiserreich hätte weiter bestehen können, wenn es sich gegenüber Nicäa und Epirus durchgesetzt hätten und sich auch mit Trapezunt diplomatisch geeinigt hätte. Spekulativ wäre naürlich, ob die Valois gleichzeitig Könige von Frankreich und Lateinische Kaiser hätten sein können. Auf alle Fälle wäre das Lateinische Kaiserreich auf die Hilfe des Papstes, der süditaliensichn Herrscher u.a. angewiesen. Avignon und das Schisma der katholischen Kirche hätten sicher den Fortbestand des Lateinischen Kaiserreiches im 14. Jh. gefährdet. Vielleicht wäre das angevinische Neapel oder gar Ungarn ein Partner dieses Reiches geworden. Es ist aber schwer vorstellbar, dass dieser Staat einer osmanischen Eroberung zum Ende des 14. Jh. widerstanden hätte.

Hier bin ich anderer Meinung. Es bestand für die Lateinischen Kaiser die Chance Nikea vorzeitig zu vernichten, doch damals im Jahr 1205 machte Bulgarien diese Chance zunichte.

Ich glaube jedoch nicht das man, wenn man Nikea damals besiegt hätte zur Ruhe gekommen wäre. Große Bevölkerungsteile lehnten die vom Westen kommenden neuen Herrscher ab. Kurzzeitig hätte ein ausgleichender Herrscher immer wieder mal für Ruhe sorgen können, doch schnell wäre es wieder zu Abspaltungen, Aufstandsbewegungen usw. gekommen - an Mitgliedern von Dynastien die das ganze anführen hätten können, mangelte es nicht.

Kurz, entweder wäre Byzanz dann eben auf eine andere Weiße wiederhergestellt worden, oder das Lateinische Kaiserreich wäre im 14. Jahrhundert noch schwäche gewesen, als es Byzanz war und wäre vielleicht sogar vorzeitig untergegangen.

WDPG

(22.12.2015 02:07)Sansavoir schrieb: [ -> ]Hätte Trapezunt anstsatt Nicäa die Restauration des Byzantinischen Reiches vollzogen, wäre die Geschichte ähnlich verlaufen, es hätten statt der Palaiologen die Komnenen geherrscht. Tatsächlich waren die Bindungen zwischen Konstantinopel und Trapazunt eng. Die Herrscherfamilien waren miteinander eng verwandt. Es hat viele Parallelereignisse gegeben, z.B. färbte der Bürgerkrieg zwischen Andronikus II. und seinem Enkel Andronikus III. Ebenso versuchten beide Staaten im 14. Jh. ein gutes Auskommen mit Osman und Orchan ....
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Eine Eroberung von Konstantinopel hätte den Komnenen aber auch Probleme gebracht. In Trapezunt gab es 2 Fraktionen. Die sah die Rückeroberung von Konstantinopel als das Ziel des kleinen Kaiserreichs an, die andere wollte vor allem die Unabhängigkeit von Konstantinopel.

Die zweite wäre vielleicht zum Problem geworden, vielleicht hätte sich das Ursprungsgebiet bald wieder abgespalten, vielleicht hätte es Aufstände und Intrigen gegeben, oder man hätte den Komnenkaisern einfach weniger geholfen. Außer sie wären äußerst geschickt gewesen.

Eine schwächere Basis hätte aber auch zur Gefahr werden können, etwa als Karl von Anjou Probleme gemacht hat.
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