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(04.07.2016 09:27)Aguyar schrieb: [ -> ]
(03.07.2016 22:42)Paul schrieb: [ -> ]In ganz Hessen bis zur Adrana/Eder wurden Funde der Latenekultur gemacht und wir kennen weitgehend die Stämme, die dort gelebt haben. Wenn es konkret wird habe ich noch nirgends gelesen, das jemand die Usipeter, Tenkterer, Hermunduren und Vandalen für Kelten gehalten hat, bzw. später die Chatten. Bei den Ubiern kommt es vor, wenn sie rechtsrheinisch betrachtet werden. Kaum in Köln angekommen sehen sie alle als Germanen.
Die Archäologen schauen sich die Bodenfunde in Bad Nauheim an und sagen, hier haben Kelten gelebt. Wir wissen aber, das es die Usipeter waren und die hält keiner für Kelten. Die Chronisten berichten darüber, das 800 Tenkterer-Reiterkrieger die 5000 Mann starke keltische Reiterei Cäsars in die Flucht getrieben haben. Danach hat Cäsar germanische Reiter angeworben.

Zuerst einmal die Definition aus Wikipedia:
Die Latènekultur entwickelte sich unter mediterranem Einfluss zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. aus der nordwestalpinen Hallstattkultur zu einer eigenständigen Kunst- und Kulturform. Diese war zwischen 450 v. Chr. und 40 v. Chr. in Frankreich, der nordalpinen Schweiz, Süddeutschland bis zu den Mittelgebirgen, Österreich, der Tschechischen Republik und Teilen Ungarns verbreitet. Die Genese der Latènezivilisation vollzog sich im sogenannten „Westhallstattkreis“.
Träger der Latènekultur sind die seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. in griechischen, später auch in römischen Quellen genannten Kelten.


Donnersberg und Glauberg - nur um zwei berühmte zu nennen - sind keltische Relikte (am Glauberg haben später auch die Alemannen ihre Spuren hinterlassen) welche der Latène-Kultur zugewiesen wurden. Der berühmte Keltenfürst mit den "Mickymaus-Ohren" vom Glauberg wird um 500 v. Chr. in die Latènezeit datiert und wurde meines Wissens noch von niemandem als "Germanenfürst" bezeichnet. Und zwar deshalb nicht, weil dort eben zum Mindesten bis zur Hoch-Latène Kelten und nicht Germanen gesiedelt haben.

Usipeter und Tenkterer siedelten am Niederrhein, als sie zu Zeiten Cäsars/Ariovists erstamls in Erscheinung traten. Zum Zeitpunkt, als sie in die keltisch besiedelten Regionen Süddeutschlands eindrangen, war die Latène-Kultur verschwunden oder lag zum Mindesten in den letzten Zügen.
Die Vandalen siedelten, so wird vermutet, im ersten Jahrhunderten nach. Chr. (Tacitus, Plinius) noch östlich der Oder - zu einem Zeitpunkt, als die Latène-Kultur längst verschwunden war.
Die Hermunduren siedelten am Oberlauf der Elbe, bevor Teile von ihnen um die Zeitwende von Ahenobarbus an den Main umgesiedelt wurden. Auch dies zu einem Zeitpunkt, als die Latène-Kultur nicht mehr existenz war.

Die von Dir genannten Germanenstämme tauchten im Latène-Kulturgebiet Süddeutschlands erst auf, als die Kultur selbst bereits verschwunden war. Also können sie wohl nicht die "Kulturträger" gewesen sein. Dies waren die Kelten, welche später gebietsweise zu "gallorömisch" wurden Big Grin oder, in anderen Fällen (wie vermutlich eben in Hessen) die Region bereits verlassen hatten. Das ganze ist eine Frage der Datierung - und auch die verschiedenen "Keltenwälle" kannst Du nicht zu "Germanenwällen" machen.

Usipeter und Tenkterer wurden von den Quaden aus Oberhessen vertrieben. Danach wandten sie sich an den Rhein, wo sie z.B. die germanisch-keltischen Menapier nach Westen vertrieben. Später zogen sie wieder südwärts und siedelten sich neben den Ubiern links und rechts des Rheines an. Sie wurden dann zu Franken. Die Römer waren nicht imstande diese Siedler von den Ubiern zu unterscheiden. Möglicherweise waren es eigentlich Ubier-Unterstämme.
Ein Teil der Usipeter und Tenkterer blieben in Oberhessen und konnten sich nach dem Sieg der Ubier über die Quaden wieder frei organisieren.
(03.07.2016 22:00)zaphodB. schrieb: [ -> ]Es scheint wohl eher so,dass die römische Unterteilung Kelten/Germanen politischer Natur war.

Es gab in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. ein germanisches Kerngebiet nördlich der Mittelgebirge und ein keltisches südlich davon. Kulturell standen die Germanen auf niedrigerer Stufe und wurden vor allem von der Latène-Kultur stark beeinflusst. Geräte, Schmuck und Waffen zeigen das deutlich.

Als die Germanen bis zur Zeitenwende nach Süden vorrückten, lösten sich die keltischen Bevölkerungsgruppen natürlich nicht in Luft auf. Es kam zu Fusionen zwischen keltischen und germanischen Gruppen, als deren Folge die Kelten ihre Sprache und Identität aufgaben. Als die Römer kurz nach der Zeitenwende in Süddeutschland einmarschierten, gab es nördlich der Donau keine keltischen Stämme mehr. Vereinzelt mögen keltische Restbevölkerungen fortbestanden haben, doch war ihre Assimilation nur eine Frage der Zeit.

Archäologen und antike Schriftsteller haben uns ein - wenn auch lückenhaftes - Bild der germanischen Stämme überliefert. Im Großen und Ganzen kann kein Zweifel daran bestehen, welche Stämme germanisch und welche keltisch waren. Lediglich vereinzelt ist das umstritten, wie z.B. bei den Treverern.
(04.07.2016 12:51)Dietrich schrieb: [ -> ]Es gab in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. ein germanisches Kerngebiet nördlich der Mittelgebirge und ein keltisches südlich davon. Kulturell standen die Germanen auf niedrigerer Stufe und wurden vor allem von der Latène-Kultur stark beeinflusst. Geräte, Schmuck und Waffen zeigen das deutlich.

Das ist auch mein Wissensstand.

(04.07.2016 12:51)Dietrich schrieb: [ -> ]Als die Germanen bis zur Zeitenwende nach Süden vorrückten, lösten sich die keltischen Bevölkerungsgruppen natürlich nicht in Luft auf. Es kam zu Fusionen zwischen keltischen und germanischen Gruppen, als deren Folge die Kelten ihre Sprache und Identität aufgaben. Als die Römer kurz nach der Zeitenwende in Süddeutschland einmarschierten, gab es nördlich der Donau keine keltischen Stämme mehr. Vereinzelt mögen keltische Restbevölkerungen fortbestanden haben, doch war ihre Assimilation nur eine Frage der Zeit.

Zustimmung.
Und das erklärt auch, weshalb südlich der Donau (Mengen-Ennetach) auch noch Funde gemacht wurden, die man im Zeitraum von 50 v. Chr. bis zur Zeitwende einordnen und als als keltisch klassifizieren kann.

Was das Verschwinden der Kelten nördlich der Donau betrifft, nehme ich an, gilt der gleiche Zeitrahmen wohl auch für die Tschechei.
(04.07.2016 13:57)Aguyar schrieb: [ -> ]Was das Verschwinden der Kelten nördlich der Donau betrifft, nehme ich an, gilt der gleiche Zeitrahmen wohl auch für die Tschechei.

Die keltischen Boier in Böhmen wurden im 1. Jh. v. Chr. von den Markomannen zum Teil verdröngt, zum Teil assimiliert.
(04.07.2016 14:18)Dietrich schrieb: [ -> ]Die keltischen Boier in Böhmen wurden im 1. Jh. v. Chr. von den Markomannen zum Teil verdröngt, zum Teil assimiliert.

Merci für den Hinweis (zu den Vorfahren der Bayern Big Grin)
Die Problematik einer Unterscheidung zwischen Kelten und Germanen stellt sich vor allem auch deshalb, weil es den Römern gerade im Grenzgebiet wohl nicht immer gelungen ist, korrekt zu unterscheiden. Und heute gelingt das dann vor allem bei Stämmen, die man nur aus römischen Quellen kennt, erst recht nicht.

Ein gutes Beispiel dafür die folgende Karte aus Wikpipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ubier#/med..._70_de.svg

Auf dieser Karte, welche die Verhältnisse um 70 n. Chr. thematisiert, sind in Baden-Württemberg nördlich der Donau die "Tulingi" eingetragen, und zwar als germanischer Stamm mit rot.
Jetzt werden die Tulinger bei Cäsar aber als keltischer Stamm erwähnt, als ein Stamm der sich dem Auszug der Helvetier angeschlossen hatte und mit diesen 58 von Cäsar bei Bibracte geschlagen wurde.
Was den ganzen Stamm noch fragwürdiger macht ist der Umstand, dass er meines Wissens lediglich bei Cäsar und sonst nirgendwo erwähnt wird resp. in Erscheinung tritt.
(04.07.2016 14:47)Aguyar schrieb: [ -> ]Die Problematik einer Unterscheidung zwischen Kelten und Germanen stellt sich vor allem auch deshalb, weil es den Römern gerade im Grenzgebiet wohl nicht immer gelungen ist, korrekt zu unterscheiden. Und heute gelingt das dann vor allem bei Stämmen, die man nur aus römischen Quellen kennt, erst recht nicht.

Man sollte sich bei der Unterscheidung nicht auf römische Quellen verlassen. Die Römer liebten ihre festen Kategorien und Hierarchien und haben dementsprechend versucht, die ihnen fremden Völker irgendwie einzuordnen. Es muss für römische Vorstellungen ziemlich fremd gewesen sein, dass sich Volksstämme, die sich in ihren Sitten und Sprachen sehr ähnlich gewesen waren, trotzdem nicht unter einer einheitlichen Führung zusammenfanden, dass es gewissermaßen einen gemeinsamen"Kulturraum" gab, aber kein Herrschaftsgebiet. Sie waren keine Völkerkundler, die anhand vorher festgelegter Kriterien unterschieden, sondern je nachdem, wo sie gerade standen, den einen Stamm mal der einen, mal der anderen Volksgruppe zuordneten.
Gerade im Grenzraum zwischen beiden Gebieten dürften sich Kelten und Germanen auch gegenseitig beeinflußt haben, so dass eine Unterscheidung ganz schwer war.

Und was dazu kommt- sowohl "Germanen" als "Kelten" waren keine Eigenbezeichnungen, sondern Fremdbezeichnungen. Und das läßt sehr viel Spielraum. Beschreibungen der "Kelten" und der "Germanen" sind vielleicht einfach deshalb nicht korrekt, weil nur bestimmte Stämme als Vorbild dienten.

Aus Britannien ist bekannt, dass die Römer alle Völker nördlich des Hadrianswalls als "Pikten" bezeichneten, ungeachtet der Tatsache, dass einige piktische Stämme eindeutig keltisch waren und andere ganz eindeutig nicht. Sie wurden per Definition zu einem Volk "gemacht", das es aber so nie gegeben hat. Bis heute weden die "Pikten" vor allem über ihre Kunst identifiziert, in der viele keltische, aber auch nicht- keltische Elemente enthalten sind. Die Sprache, die sie sprachen = ?
Vielleicht nochmals der Hinweis,
wir haben von der Alltagskultur der Kelten nicht viel Ahnung.
Was wir kennen sind "Keltenprinzessinen" wie jüngst in der Nähe der Heuneburg, Keltenfürsten siehe Hochdorf oder Glauberg von hren Bestattungen her.
Ottonormalverbraucher Kelte versteckt sich bisher erfolgreich vor der Forschung.

Wobei, die keltische Viereckschanze von Mengen-Ennetach (die Aguyar in die Disklussion einführte) liegt tatsächlich in Rufweite der Heuneburg, Näher noch als der Grabhügel der "Keltenprinzessin".

Der einzige Ort Mitteleuropas den die Griechen kannten, war Pirene = die Heuneburg.
Und da soll es nichts = leere Menge (mehr) vor Ankunft der Römer gegeben haben????
Leute ich glaubs nicht.


OT: Dietrich wo warst du am Sonntag? Ich hatte mich so gefreut. Bat

TT: Spass beiseite, weiter oben war zu lesen, dass man die "Keltenwälle" nicht einfach zu "Germanenwällen" umbenennen darf. Man gestatte mir den Hinweis, dass auch die "Keltenwälle" soooo sicher nicht zu bennen sind. Die Dinger stehen an befestigungstechnisch so prägnanten Punkten, dass da an manchen leicht und locker ein Jahrtausend lang immer mal wieder neu befestigt wurde.
(04.07.2016 19:28)Suebe schrieb: [ -> ]Vielleicht nochmals der Hinweis,
wir haben von der Alltagskultur der Kelten nicht viel Ahnung.
Was wir kennen sind "Keltenprinzessinen" wie jüngst in der Nähe der Heuneburg, Keltenfürsten siehe Hochdorf oder Glauberg von hren Bestattungen her.
Ottonormalverbraucher Kelte versteckt sich bisher erfolgreich vor der Forschung.

Das würde ich so nicht unterschreiben. Zwar wurden auf dem Glauberg auch vor allem die Fürsten (hier die männliche Form) ausgegraben, aber man hat auch durchaus gesicherte Erkenntnisse über die "Normalbevölkerung", weil eben nicht nur der Fürstensitz, sondern auch ein nahegelegener Weiler ausgegraben wurde. Klar, wo die reichen Grabbeigaben fehlen, ist es nicht leicht, Rückschlüsse auf das Leben der einfachen Bevölkerung zu schließen, aber auch aus den Müllhalden der Siedlungen läßt sich einiges herauslesen.

Auch hier in der Heidetränke finden sich durchaus Spuren des einfachen Volkes. Nur ist es halt weniger, und in früheren Jahren wurden vor allem die reichen Gräber untersucht. Vieles, was noch so in den Museen schlummert, wurde noch gar nicht richtig bewertet, weil es halt nicht golden glänzte.

Aber der "Kelte" generell entzieht sich uns ein bißchen, er ist nicht wirklich greifbar. Fast überall, wo er anzutreffen war, wurde er von anderen überlagert, und nicht einmal dort, wo man ihn heute noch sieht, ist er völlig frei von germanischem Einfluss...
(04.07.2016 19:28)Suebe schrieb: [ -> ]./.

TT: Spass beiseite, weiter oben war zu lesen, dass man die "Keltenwälle" nicht einfach zu "Germanenwällen" umbenennen darf. Man gestatte mir den Hinweis, dass auch die "Keltenwälle" soooo sicher nicht zu bennen sind. Die Dinger stehen an befestigungstechnisch so prägnanten Punkten, dass da an manchen leicht und locker ein Jahrtausend lang immer mal wieder neu befestigt wurde.

Stimmt so nicht, ich habe zu wenige Finger und konnte es deshalb nicht so schnell nachrechnen,
nun habe ich den Abakus angeworfen.Idea

Im beginnenden 18. Jahrhundert wurde mal wieder eine Landwehr geplant, und auch der Bau begonnen, Quer durch das Sueben Heimat, und mindestens 2 Stellen weiß ich, wo es belegt ist, dass "Vorzeitliche" Befestigungen (Wälle, Gräben) mit einbezogen wurden.
demnach roundabout 3.000 Jahre.

1935 wurde eine "Alb-Stellung" von der Wehrmacht "im Gelände erkundet", ich kenne nur den Fakt, weiß nichts weiter davon, würde aber stark annehmen, dass auch da die eine oder andere "Volksburg" mit einbezogen wurde.
Hätten wir nochmals 200 Jahre. Idea
Die Bestattungskultur war zeitweise wohl nicht einheitlich. Neben Hügelgräberanlagen wie in Finsterloh gab es in vielen Dörfern konventionelle Reihengrabfriedhöfe. Viele liegen unter den heutigen Gräbern. So wurde beim Ausheben eines neuen Grabes in Oberndorf, das Grab eines Kriegers aus dem 3. Jh. ausgegraben. Weitere Grabungen wurden aber eingestellt. Es müßten also noch mehrere Bestattungstiefen ausgegraben werden, um an die Gräber aus der Eisenzeit zu kommen. Die Kirche mit dem Dorffriedhof war wohl bei einer religiösen Stätte der Ubier, mit Dorffriedhof errichtet worden. Dasselbe gilt für das ganze Dorf, mit Siedlungskontinuität.
Möglicherweise wurden viele Hügelgräber zugunsten der Landwirtschaft eingeebnet und haben sich deshalb in Wäldern erhalten.
(04.07.2016 14:47)Aguyar schrieb: [ -> ]Die Problematik einer Unterscheidung zwischen Kelten und Germanen stellt sich vor allem auch deshalb, weil es den Römern gerade im Grenzgebiet wohl nicht immer gelungen ist, korrekt zu unterscheiden. Und heute gelingt das dann vor allem bei Stämmen, die man nur aus römischen Quellen kennt, erst recht nicht.

Da sprichst du eine große Problematik an, die in der Forschung oft zu Streit und abweichenden Hypothesen führt. Der Knackpunkt ist, dass Sachkultur und ethnische Zuordnung nicht immer deckungsgleich sein müssen. So kann z.B. eine nichtkeltische Bevölkerungsgruppe die keltische Latènekultur übernehmen, ohne dass ihre Angehörigen zu ethnischen Kelten werden. D.h. sie behalten ihre eigene Sprache und ethnische Identität, übernehmen aber eine benachbarte Kultur.

Auf dieser Tatsache beruhen unsichere Zuschreibungen von Kelten und Germanen, was natürlich für andere Völker bzw. Ethnien ebenfalls gilt. Bis heute ist der Status der Treverer strittig und man behilft sich mit der Formulierung, sie seien ein "keltisch-germanisches Mischvolk".
(05.07.2016 13:40)Dietrich schrieb: [ -> ]Da sprichst du eine große Problematik an, die in der Forschung oft zu Streit und abweichenden Hypothesen führt. Der Knackpunkt ist, dass Sachkultur und ethnische Zuordnung nicht immer deckungsgleich sein müssen. So kann z.B. eine nichtkeltische Bevölkerungsgruppe die keltische Latènekultur übernehmen, ohne dass ihre Angehörigen zu ethnischen Kelten werden. D.h. sie behalten ihre eigene Sprache und ethnische Identität, übernehmen aber eine benachbarte Kultur.

Soweit ich weiß, geht die Forschung ohnehin davon aus, dass von den Stämmen, die den Kelten zugerechnet werden, nicht alle der gleichen Volksgruppe entstammen. Bei einigen Gruppen geht man z.B. davon aus, dass es sich lediglich um einen Elitentransfer handelte- darauf spielte wohl auch Suebe an. Und andere Stämme wurden lediglich "keltenisiert".

Wie weit dabei die Sprache erhalten bleibt, weiß ich nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Übernahme eine anderen Kultur nicht ohne Einfluss auf die Sprache bleibt, einfach, weil es in einer anderen Kultur Dinge und Sachverhalte gibt, für die es in der urtümlichen Sprache keine anderen Worte gibt. Möglicherweise existierten hier und da auch zwei Sprachen nebeneinander, eine keltische Handelssprache und eine Muttersprache, wobei sich beide natürlich gegenseitig beeinflußten.
Fraglich ist auch, ob man die ethnische Identität wirklich behalten kann, wenn man eine fremde Kultur übernimmt- viel mehr als die Abstammung zeichnet die Kultur eine Volksgruppe aus. Vielleicht ist das auch die Erklärung, warum die keltischen Sprachen so leicht verschwanden...

Die Iren beispielsweise gelten als Kelten. Kulturell sind sie es. Genetisch sind es zumindest die Männer nicht...
Die Kelten
Es ist, wie man an den Beiträgen hier auch sieht, ein überaus spannendes Thema.
Und die Forschung packt laufend neue Sensationen aus.

Ich wollte mir, angeregt von Aguyar, gestern mal näheres über die Mengen-Ennetacher Viereckschanze zu Gemüte führen (habe aber nix gefundenConfused)

Jedoch habe ich bei "Jörg Biel u.a. Die Kelten" die neuere Forschungsgeschichte der "Viereckschnzen" nachgelesen.

Bis in die 50er Jahre wusste man nix, hat aber über vieles spekuliert.
1957 hat man dann mit für die damalige Zeit ganz erheblichem Aufwand eine bayerische Viereckschanze ergraben und erforscht, da man endlich näheres dazu wissen wollte. Man kam zu dem Schluss, dass es "religiöse" Anlagen waren, mit mehreren Opferschächten, auch Menschenopfer usw. in einem Schacht fand man erhebliche Phosphormengen. In einem Schacht fand man so eine Art Totempfahl. Insgesamt hat man sich bei der Fundinterpretation sehr von dem Glastruper Kessel beieinflussen lassen.

1974 wurde man auf die Fellbach-Schmidener (bei stuttgart) Viereckschanze aufmerksam, und hat die "modern" erforscht. Die dort ebenfalls vorhandenen Schächte wurden klar als Brunnen erkannt, die gezielt vergiftet und verseucht wurden. Also auf gar keinen Fall Opfer. Der "Totempfahl" entpuppte sich als Teile einer Wasserhebeanlage, Vulgo Ziehbrunnen.
Der hohe Phosphorgehalt war, wie der einstige Ausgräber Biel erzählt hat, ein chemischer Analysefehler.

Aber erst seit da ist klar, dass die Viereckschanzen Gutshöfe waren, leicht befestigt wie es für Reichere in jenen Zeiten halt angesagt war.
(04.07.2016 09:27)Aguyar schrieb: [ -> ]
(03.07.2016 22:42)Paul schrieb: [ -> ]In ganz Hessen bis zur Adrana/Eder wurden Funde der Latenekultur gemacht und wir kennen weitgehend die Stämme, die dort gelebt haben. Wenn es konkret wird habe ich noch nirgends gelesen, das jemand die Usipeter, Tenkterer, Hermunduren und Vandalen für Kelten gehalten hat, bzw. später die Chatten. Bei den Ubiern kommt es vor, wenn sie rechtsrheinisch betrachtet werden. Kaum in Köln angekommen sehen sie alle als Germanen.
Die Archäologen schauen sich die Bodenfunde in Bad Nauheim an und sagen, hier haben Kelten gelebt. Wir wissen aber, das es die Usipeter waren und die hält keiner für Kelten. Die Chronisten berichten darüber, das 800 Tenkterer-Reiterkrieger die 5000 Mann starke keltische Reiterei Cäsars in die Flucht getrieben haben. Danach hat Cäsar germanische Reiter angeworben.

Zuerst einmal die Definition aus Wikipedia:
Die Latènekultur entwickelte sich unter mediterranem Einfluss zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. aus der nordwestalpinen Hallstattkultur zu einer eigenständigen Kunst- und Kulturform. Diese war zwischen 450 v. Chr. und 40 v. Chr. in Frankreich, der nordalpinen Schweiz, Süddeutschland bis zu den Mittelgebirgen, Österreich, der Tschechischen Republik und Teilen Ungarns verbreitet. Die Genese der Latènezivilisation vollzog sich im sogenannten „Westhallstattkreis“.
Träger der Latènekultur sind die seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. in griechischen, später auch in römischen Quellen genannten Kelten.


Donnersberg und Glauberg - nur um zwei berühmte zu nennen - sind keltische Relikte (am Glauberg haben später auch die Alemannen ihre Spuren hinterlassen) welche der Latène-Kultur zugewiesen wurden. Der berühmte Keltenfürst mit den "Mickymaus-Ohren" vom Glauberg wird um 500 v. Chr. in die Latènezeit datiert und wurde meines Wissens noch von niemandem als "Germanenfürst" bezeichnet. Und zwar deshalb nicht, weil dort eben zum Mindesten bis zur Hoch-Latène Kelten und nicht Germanen gesiedelt haben.

Usipeter und Tenkterer siedelten am Niederrhein, als sie zu Zeiten Cäsars/Ariovists erstamls in Erscheinung traten. Zum Zeitpunkt, als sie in die keltisch besiedelten Regionen Süddeutschlands eindrangen, war die Latène-Kultur verschwunden oder lag zum Mindesten in den letzten Zügen.
Die Vandalen siedelten, so wird vermutet, im ersten Jahrhunderten nach. Chr. (Tacitus, Plinius) noch östlich der Oder - zu einem Zeitpunkt, als die Latène-Kultur längst verschwunden war.
Die Hermunduren siedelten am Oberlauf der Elbe, bevor Teile von ihnen um die Zeitwende von Ahenobarbus an den Main umgesiedelt wurden. Auch dies zu einem Zeitpunkt, als die Latène-Kultur nicht mehr existenz war.

Die von Dir genannten Germanenstämme tauchten im Latène-Kulturgebiet Süddeutschlands erst auf, als die Kultur selbst bereits verschwunden war. Also können sie wohl nicht die "Kulturträger" gewesen sein. Dies waren die Kelten, welche später gebietsweise zu "gallorömisch" wurden Big Grin oder, in anderen Fällen (wie vermutlich eben in Hessen) die Region bereits verlassen hatten. Das ganze ist eine Frage der Datierung - und auch die verschiedenen "Keltenwälle" kannst Du nicht zu "Germanenwällen" machen.

Die Latene kultur verschwand nicht. Sie entwickelte sich zu unserer mittelalterlichen Kultur weiter. In der Landwirtschaft wurden römische Einflüsse aufgenommen. Die Handwerke wurden weiter betrieben, mit wenigen Ausnahmen. Die Glas- und Münzhersteller zogen vom Dünsberg letztlich nach Köln. Die Metallverarbeitung wurde etwas stärker dezentral in Waldschmieden weiter geführt. Opida wurden keine mehr errichtet, aber die meisten Städte z.B. im Lahngebiet Wetflaria hatten sowieso keine Ringwälle.
Die Vandalen lebten in Schlesien /Südpolen und hatten dort Latene Kultur. Die Hermunduren lebten in Sachsen-Anhalt und Thüringen und hatten dort ebenfalls Latene Kultur. Sie breiteten sich dann nach Bayern und Böhmen aus. Der sich in Hessen entwickelnde Neustamm der Chatten behielt die Latene Kultur der Ubier, Usipeter und Tenkterer.
(06.07.2016 08:47)Paul schrieb: [ -> ]Die Latene kultur verschwand nicht. Sie entwickelte sich zu unserer mittelalterlichen Kultur weiter.

Nach Latène kamen die Römer und romaniserten den Kontinent und die Britischen Inseln.

Die Kultur des Mittelalters baut also mitnichten auf der Keltenkultur auf.
(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb: [ -> ]Soweit ich weiß, geht die Forschung ohnehin davon aus, dass von den Stämmen, die den Kelten zugerechnet werden, nicht alle der gleichen Volksgruppe entstammen.

Wer einen Stamm als "keltisch" bezeichnet sagt damit, dass seine Angehörigen keltisch sprechen, sich der keltischen Kultur zugehörig fühlen und eine keltische Identität besitzen. Bei einigen Stämmen ist sich die Forschung hinsichtlich der ethnischen Identität allerdings unsicher. Wenn keine Berichte antiker Schriftsteller vorliegen und lediglich Bodenfunde ausgewertet werden können, ist die Interpretation der materiellen Hinterlassenschaft zuweilen problematisch.

(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb: [ -> ]Bei einigen Gruppen geht man z.B. davon aus, dass es sich lediglich um einen Elitentransfer handelte-

Welche sollen das sein?

(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb: [ -> ]darauf spielte wohl auch Suebe an. Und andere Stämme wurden lediglich "keltenisiert".

Das hat es sicher gegeben, so wie es auch Stämme gab, die germanisiert wurden.

(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb: [ -> ]Fraglich ist auch, ob man die ethnische Identität wirklich behalten kann, wenn man eine fremde Kultur übernimmt- viel mehr als die Abstammung zeichnet die Kultur eine Volksgruppe aus. Vielleicht ist das auch die Erklärung, warum die keltischen Sprachen so leicht verschwanden...

Ein keltisch sprechender Stamm wird von Archäologen und Ethnologen als "keltisch" klassifiziert. Als was denn sonst?

In der Regel sind dabei Sprache und keltische Sachkultur identisch. Stämme mit nichtkeltischer Sprache gelten nicht als keltisch, auch wenn sie Elemente einer anderen Kultur übernommen haben. So hat z.B. die Latène-Kultur die Germanen stark beeinflusst. Im Bereich der Jastorfkultur wurden keltische Gürtelschließen, Armreifen, Waffen und scheibengedrehte keltische Keramik gefunden. Dennoch sind die in diesem Raum siedelnden Menschen keine Kelten, sondern Germanen. Die Jastorf-Kultur gilt sogar als Entstehungsraum der Germanen.

Ein anderes Beispiek ist der Hellenismus. Die hellenistische Kultur breitete sich im gesamten östlichen Mittelmeerraum aus, ohne dass indes die dort lebenden Völker zu "Hellenen" bzw. "Griechen" wurden.

Dass es Grenzfälle gibt, will ich gerne zugeben. Aber wir können die Ausnahmen nicht zur Regel machen.
(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb: [ -> ]Wer einen Stamm als "keltisch" bezeichnet sagt damit, dass seine Angehörigen keltisch sprechen, sich der keltischen Kultur zugehörig fühlen und eine keltische Identität besitzen.

Damit hast du aber schon ein schwieriges Thema angesprochen. Die Kelten haben keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen- und damit ist überhaupt nicht bewiesen, dass die keltische Sprache auch die "muttersprache" war- das keltische kann genauso gut auch eine Art Lingua Franca gewesen sein. Wir entwicklen uns derzeit zum Englischen hin, das Englische zieht immer mehr ins Deutsche ein. ich wünshce späteren Sprachforschern in 1000 Jahren viel Spaß beim Enträtseln, ob die Sprache, die hier gesprochen wurde, nun deutsch oder englisch war.
Es gibt ein keltisches Kerngebiet, innerhalb dessen ganz sicher keltisch gesprochen wurde, aber in den Randgebieten....
Deswegen sind mir in den letzten Jahren immer mehr Berichte untergekommen, wo das keltische eindeutiger an der Kultur und den Bräuchen festgemacht wird als an der Sprache.




(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb: [ -> ]
(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb: [ -> ]Bei einigen Gruppen geht man z.B. davon aus, dass es sich lediglich um einen Elitentransfer handelte-

Welche sollen das sein?

Sagte ich doch schon- bsp. Irland. Die irische Bevölkerung stammt männlicherseits von Indogermanen ab, die vor der Entstehung der Kelten vor ca. 4000 Jahren nach Irland einwanderten. Und diese Iren sind im übrigen eng verwandt mit den Walisern und Basken.

(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb: [ -> ]
(05.07.2016 18:36)Bunbury schrieb: [ -> ]darauf spielte wohl auch Suebe an. Und andere Stämme wurden lediglich "keltenisiert".

Das hat es sicher gegeben, so wie es auch Stämme gab, die germanisiert wurden.

Stimmt. Und das eine dürfte vom anderen nicht immer leicht zu unterscheiden sein.


(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb: [ -> ]Ein keltisch sprechender Stamm wird von Archäologen und Ethnologen als "keltisch" klassifiziert. Als was denn sonst?

Woher weißt du, welche Sprache z.B. die Bewohner des Altkönigs 500 v Chr. gesprochen haben? Schriftliche Aufzeichnungen existieren nicht, schriftliche Berichte der Römer liegen auch nicht vor. Also ist die Sprache letztendlich unbekannt...
Wonach wird der Altkönig den Kelten zugerechnet? Aufgrund seiner Kultur.
Der nahegelegene Bleibiskopf ist vorkeltisch, noch nicht keltisch. Aber es besteht Siedlungskontinuität.
Also- was ist passiert? Sind Kelten eingewandert? Hat sich die keltische Sprache verbreitet? Oder erst einmal nur die Kultur?


(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb: [ -> ]Ein anderes Beispiek ist der Hellenismus. Die hellenistische Kultur breitete sich im gesamten östlichen Mittelmeerraum aus, ohne dass indes die dort lebenden Völker zu "Hellenen" bzw. "Griechen" wurden.

Das ist ein ganz schlechtes Beispiel, einfach, weil die Griechen sich ja selbst als Griechen bezeichnet und von den anderen abgegrenzt haben. Und weil sie viel schriftliches- also Sprache- hinterlassen haben.
Bei den Kelten gilt das nicht.
Hier wird oft von der Kultur auf die Sprache geschlossen. Wenn die Griechen keine geschriebenen Sprache hinterlassen hätten, würdest du heute nicht so sicher sagen können, dass die dort lebenden Völker keine Griechen wurden. Wink

(06.07.2016 14:22)Dietrich schrieb: [ -> ]Dass es Grenzfälle gibt, will ich gerne zugeben. Aber wir können die Ausnahmen nicht zur Regel machen.

Mir geht es gar nicht darum Ausnahmen zur Regel zu machen, sondern ich mache darauf aufmerksam, dass die üblichen Defintionen bei den Kelten nicht gelten.
Durch den Mangel an schriftlichen Zeugnissen entziehen sie sich der klaren Einteilung und Definition. Man hat ein Kerngebiet, in dem man davon ausgehen kann, dass Sprache, Kultur und Bräuche rein keltisch waren- aber je weiter man nach außen geht, um so unsicherer wird es. Und - wo war diese Grenze? Auch das ist nicht klar...
Der Historiker liebt nichts so sehr wie die Schriftlichkeit.
Und die Hauptaufgabe des Archäologen ist die Schriftquellen nochmals zusätzlich zu beweisen. Es sind die Sternstunden der Historie, wenn die Archäologen irgend einen Satz des Käsar zB aus dem Gallischen Krieg mit neuen Funden in Deckung zu bringen.

Nur, es ist immer eine gewisse Gefahr, wenn man weiß was man zu finden hat.
maW: man kennt was man findet. Ein Problem der Fund
Noch ein interessantes Detail zu dieser Germanen/Kelten-Diskussion.

Jörg Biel schreibt aaO, dass der Reichtum Manchings durch Sklavenhandel entstanden wäre. Der Preis für einen Sklaven lag zdZ in Manching wohl bei einer Amphore Wein.

Der verhältnismäßig niedrige Preis veranlasst Biel zu der These, dass die Kelten in der Hauptsache Germanen handelten. Von denen es "reichlich" gegeben hätte.

Sorry, aber der Gedanke an keltische Sklavenjäger-Züge durch Nord- und Mitteldeutschland amüsiert mich hier in dem 3nd doch sehr....
(06.07.2016 19:13)Suebe schrieb: [ -> ]Noch ein interessantes Detail zu dieser Germanen/Kelten-Diskussion.

Jörg Biel schreibt aaO, dass der Reichtum Manchings durch Sklavenhandel entstanden wäre. Der Preis für einen Sklaven lag zdZ in Manching wohl bei einer Amphore Wein.

Der verhältnismäßig niedrige Preis veranlasst Biel zu der These, dass die Kelten in der Hauptsache Germanen handelten. Von denen es "reichlich" gegeben hätte.

Sorry, aber der Gedanke an keltische Sklavenjäger-Züge durch Nord- und Mitteldeutschland amüsiert mich hier in dem 3nd doch sehr....

In der Bronzezeit hat es diese Sklavenjagden sicherlich gegeben. Später werden die Kelten wohl überwiegend über Handel an Sklaven gekommen sein, Schwerter gegen Sklaven. Die Sueben werden wohl die meisten Sklaven an die Kelten verkauft haben. Kelten und Ubier haben auch mit Skandinavien Handel getrieben. Normale Produkte brauchten die Kelten nicht aus Skandinawien beziehen. Da waren Sklaven, Frauenhaar, Felle, Bernstein und Stockfisch wohl bevorzugte "Güter".
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