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Normale Version: Britannien - Elitetransfer oder Masseneinwanderung
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Seit den 1960er Jahren gibt es eine erbitterte Auseinandersetzung unter englischen Historikern und Archäologen, ob lediglich ein Elitetransfer oder eine Masseneinwanderung germanischer Gruppen erfolgte. Von einer "ethnischen Säuberung" spricht in diesem Zusammenhang niemand mehr.

Aber es bleibt die Frage, ob der Einwanderungsprozess nur von einer geringen Zahl von Einwanderern getragen wurde, deren kulturelle Normen große Teile der einheimischen Bevölkerung übernahmen und somit eine überwiegend gewaltlose Ausbreitung stattfand. Das würde dann für einen Elitetransfer sprechen, dem eine kulturelle Nachahmung folgte.

Die andere Fraktion glaubt an eine beträchtliche Zahl germanischer Zuwanderer aus dem norddeutschen Raum und dem Gebiet der heutigen Benelux-Staaten, die im 5. und 6. Jh. eine gewaltsame Übernahme ins Werk setzten und die angelsächsische Kultur im englischen Tiefland verbreiteten.

Zwischen diesen beiden kultur- und bevölkerungsgeschichtlichen Modellen gibt es eine große Spannbreite, die im wesentlichen hypothetisch bleibt, da die Quellenlage dürftig ist. Zuweilen wurde angeführt, dass die englischen Ortsnamen überwiegend angelsächsischen Ursprungs sind, was auf eine Masseneinwanderung hindeuten könne. Doch hat sich gezeigt, dass die meisten Namen erst einige Jahrhunderte nach der angelsächsischen Invasion entstanden, und somit kein hinreichender Beleg für diese These sein können. Im Verlauf von zwei Jahrhunderten hätte sich die germanische Sprache auch allein durch kulturelle Assimilation durchsetzen können, d.h. die unterschiedlich romanisierte keltische Bevölkerungsbasis hätte lediglich einen Sprachwechsel vollzogen.

Peter Heather schreibt [1], dass die Bevölkerunsgeschichte archäologisch etwas besser dokumentiert ist. Informationen liefern u.a. 30 000 Gräber aus der frühen angelsächsischen Epoche, die die Überreste von 10-15 Generationen aus der Zeit vom 5. bis zum späten 7. Jh. enthalten. Die Gesamtbevölkerung Britanniens soll nach konservativen Schätzungen etwa 1 Million betragen haben.

Die Frage, ob "Masseninvasion" oder "Elitetransfer mit kultureller Nachahmung", bleibt somit unbeantwortet. Die Wahrheit wird vermutlich in der Mitte liegen. Beispiele gibt es für jede dieser Hypothesen. So wurde z.B. die normannische Eroberung Englands von einem Elitetransfer getragen, während es bei der Eroberung des byzantinischen Kleinasiens im 11./12. Jh. zu einer turkstämmigen Masseninvasion kam.

[1] Peter Heather, Invasion der Barbaren, Stuttgart 2011 (englische Ausagbe von 2009)
Ich denke, man muss auch unterscheiden zwischen Süd-, Mittel- und Nordengland.
In Mittelengland ("5 Städte"/"Danelag") wurde eine angelsächsische Invasion wahrscheinlich (?) so sehr von den dänischen Einflüssen überlagert, dass man hier keine gesicherten Aussagen mehr machen kann.
In Nordengland hatten die Angeln das Reich Northumbria gegründet, das allerdings von Anfang an gekennzeichnet war von einer Vermischung anglischer und einheimischer Elemente. Hier kann man mit Sicherheit von einer Elitenherrschaft ausgehen, wobei sich auch die Eliten von Angeln und Einheimischen vermischt haben dürften.
In Südengland könnte (!) es eine Masseneinwanderung gegeben haben bzw. eine Einwanderung mit anschließender weitgehender Verdrängung der Briten nach Osten (Cornwall, Wales).

VG
Christian
Aus der Hand:

Es ist als "Massenabwanderung" anscheinend jedenfalls nicht nachzuweisen.
Wobei allerdings zB Feddersen Wierde ziemlich sicher als Folge dieser Auswanderung verlassen wurde.
Sowas ist scheinbar allgemein schwer nachzuweisen. Hab grad bei SdW (http://www.spektrum.de/alias/mittelalter...r/1120983) gelesen, dass nach der archäologischen Dokumentation die Normandie NICHT von einer größeren Zahl Skandinaviern besiedelt wurde. Wir wissen aber definitiv, dass es so war. Wir wissen, dass die Nordmänner der Normandie sehr wohl ihren Stempel aufdrückten. sie taten es nur auf eine Art und Weise, die sich archäologisch nicht nachweisen lässt...

VG
Christian
(19.11.2014 12:48)913Chris schrieb: [ -> ]Sowas ist scheinbar allgemein schwer nachzuweisen. Hab grad bei SdW (http://www.spektrum.de/alias/mittelalter...r/1120983) gelesen, dass nach der archäologischen Dokumentation die Normandie NICHT von einer größeren Zahl Skandinaviern besiedelt wurde. Wir wissen aber definitiv, dass es so war. Wir wissen, dass die Nordmänner der Normandie sehr wohl ihren Stempel aufdrückten. sie taten es nur auf eine Art und Weise, die sich archäologisch nicht nachweisen lässt...

Die Normannen akzeptierten die höhere Kultur ihres Umfelds und nahmen sehr rasch und freudig die neuen kulturellen Gepflogenheiten an. Archäologen können daher keine oder nur sehr wenige typisch skandinavische Überreste finden.
(18.11.2014 19:56)Dietrich schrieb: [ -> ]Die Frage, ob "Masseninvasion" oder "Elitetransfer mit kultureller Nachahmung", bleibt somit unbeantwortet. Die Wahrheit wird vermutlich in der Mitte liegen.

In den Sachbüchern zum Thema König Artus, die ich gelesen habe, wird immer wieder darauf verwiesen, daß es wohl tatsächlich ärchäologisch nachweisbar ist, daß sich die sächsische Kultur für 20 Jahre nicht weiter ausbreitete und stellenweise auch zurückwich. So soll bsp. das Königreich Sussex für 20 Jahre aufgehört haben zu existieren. (In der Artus Forschung giltdas als beweis dafür, daß König Artus die Schlacht bei Badon tatsächlich schlug.)
Das könnte auf eine gemischte Geschichte hinweisen. Dass das Königreich Sussex für 20 Jahre nicht mehr nachweisbar ist, deutet darauf hin, daß vor allem die angelsächsische Fürhung wieder verschwand. Dort wo die Invasion zum Stillstand kam, könnte man eher von einer breitgefächerten Einwanderung ausgehen, die -in ihrer Führung geschwächt- nicht weiter expandierte, aber auch nicht zurückwich.
Andererseits entsinne ich mich, in irgendeinem (norddeutschen) Museum mal gelesen zu haben, daß sich die Einwohnerzahl Norddeutschlands und Süd-Dänemarks im ensprechenden zeitraum deutlich verringert habe.
Nun gbt es zwar keinen archäologischen Beweis dafür, daß die "verschwunden" gen Britannien entschwunden sind, aber man muss ja nicht wirklich alles igniorieren, nur weil es vielleicht nicht bewiesen ist...
(19.11.2014 21:43)Bunbury schrieb: [ -> ]In den Sachbüchern zum Thema König Artus, die ich gelesen habe, wird immer wieder darauf verwiesen, daß es wohl tatsächlich ärchäologisch nachweisbar ist, daß sich die sächsische Kultur für 20 Jahre nicht weiter ausbreitete und stellenweise auch zurückwich. So soll bsp. das Königreich Sussex für 20 Jahre aufgehört haben zu existieren. (In der Artus Forschung giltdas als beweis dafür, daß König Artus die Schlacht bei Badon tatsächlich schlug.)
Das könnte auf eine gemischte Geschichte hinweisen. Dass das Königreich Sussex für 20 Jahre nicht mehr nachweisbar ist, deutet darauf hin, daß vor allem die angelsächsische Fürhung wieder verschwand. Dort wo die Invasion zum Stillstand kam, könnte man eher von einer breitgefächerten Einwanderung ausgehen, die -in ihrer Führung geschwächt- nicht weiter expandierte, aber auch nicht zurückwich.

Es leuchtet ein, dass sich die romanisierten britischen Kelten nicht kampflos unterdrücken ließen. Ein solcher Widerstand wird vom legendären König Artus verkörpert, der angeblich um 500 einen großen Sieg am Mons Badonicus über die Angelsachesen davontrug. Dennoch bleibt unklar, ob mit einer großen germanischen Völkerwoge oder eher mit einem Elitetransfer zu rechnen ist.

Ich sagte ja oben schon: Peter Heather schreibt, dass die Bevölkerunsgeschichte archäologisch etwas besser dokumentiert ist. Informationen liefern u.a. 30 000 Gräber aus der frühen angelsächsischen Epoche, die die Überreste von 10-15 Generationen aus der Zeit vom 5. bis zum späten 7. Jh. enthalten. Die Gesamtbevölkerung Britanniens soll nach konservativen Schätzungen etwa 1 Million betragen haben.

So ganz gering kann demnach die Zahl der einwandernden Angeln und Sachsen nicht gewesen sein. Auf jeden Fall zeigt sich das anders als bei der Normannenherrschaft, die mit William the Conqueror beginnt. Da kann man zweifellos von einem Elitetransfer reden, der u.a. die Einführung des Französischen als Amtssprache in England brachte. Das nutzte allerdings wenig, denn in den Jahren 1250 bis 1400 ersetzte Englisch überall das Französische; allerdings wurden etwa 40 % des Gesamtanteils französischer Wörter ins Englische übernommen.

(19.11.2014 21:43)Bunbury schrieb: [ -> ]Andererseits entsinne ich mich, in irgendeinem (norddeutschen) Museum mal gelesen zu haben, daß sich die Einwohnerzahl Norddeutschlands und Süd-Dänemarks im ensprechenden zeitraum deutlich verringert habe.
Nun gbt es zwar keinen archäologischen Beweis dafür, daß die "verschwunden" gen Britannien entschwunden sind, aber man muss ja nicht wirklich alles igniorieren, nur weil es vielleicht nicht bewiesen ist...

Folgt man der alten Tante Wiki, war der Bevölkerungsrückgang in Schleswig-Holstein/Angeln im 5. und 6. Jh. vor allem auf eine Klimaverschlechtetung zurückzuführen, bevor eine Abwanderung nach Britannien einsetzte. Allerdings misstraue ich dem populären Klimaargument, dass immer gern dann verwendet wird, wenn man nicht so recht weiter weiß.

Zitat:Die Siedlungsdichte verringerte sich in Angeln im 5. und 6. Jahrhundert offenbar außerordentlich; viele Dörfer verfielen. Ein starker Rückgang der Getreidepollen lässt auf eine Verödung ehemaliger Äcker schließen. Verlassen wurden dabei zunächst Standorte mit schweren, lehmigen Böden. Da auf einigen Standorten der Geest zeitgleich mehr Pollen gefunden werden, geht man davon aus, dass sich das Klima verändert hatte. Erhöhte Regenmengen könnten dieses Ausweichen auf die sandigen Geestflächen erklären. Als weiterer Grund für das Verlassen küstennaher Siedlungen werden Angriffe von der See her vermutet. Dieses zunächst regionale Ausweichen würde auch ein weiteres Phänomen erklären: Es gilt heute als wahrscheinlich, dass zwischen dem Ende der Siedlungszeit in der heutigen Landschaft Angeln und dem Eintreffen der Angeln in Ost- und Mittelengland und der Sachsen in Südengland (= Angelsachsen) bis zu 100 Jahre vergingen.[1] Zunächst wären die Angeln demnach auf die Geest ausgewichen, bevor sie ihre Heimat ganz verließen.
(20.11.2014 15:56)Dietrich schrieb: [ -> ]Es leuchtet ein, dass sich die romanisierten britischen Kelten nicht kampflos unterdrücken ließen. Ein solcher Widerstand wird vom legendären König Artus verkörpert, der angeblich um 500 einen großen Sieg am Mons Badonicus über die Angelsachesen davontrug. Dennoch bleibt unklar, ob mit einer großen germanischen Völkerwoge oder eher mit einem Elitetransfer zu rechnen ist.

Ich sagte ja oben schon: Peter Heather schreibt, dass die Bevölkerunsgeschichte archäologisch etwas besser dokumentiert ist. Informationen liefern u.a. 30 000 Gräber aus der frühen angelsächsischen Epoche, die die Überreste von 10-15 Generationen aus der Zeit vom 5. bis zum späten 7. Jh. enthalten. Die Gesamtbevölkerung Britanniens soll nach konservativen Schätzungen etwa 1 Million betragen haben.

So ganz gering kann demnach die Zahl der einwandernden Angeln und Sachsen nicht gewesen sein. Auf jeden Fall zeigt sich das anders als bei der Normannenherrschaft, die mit William the Conqueror beginnt. Da kann man zweifellos von einem Elitetransfer reden, der u.a. die Einführung des Französischen als Amtssprache in England brachte. Das nutzte allerdings wenig, denn in den Jahren 1250 bis 1400 ersetzte Englisch überall das Französische; allerdings wurden etwa 40 % des Gesamtanteils französischer Wörter ins Englische übernommen.

Ich neige zu der Annahme, daß es im Südosten (und natürlich nicht im Südwesten) zu einer recht großen Einwanderung kam und daß hier die romanisierten Briten tatsächlich verdrängt wurden.
Ich frage mich halt, welche Rolle es bei der schnellen Ausbreitung der angelsächsischen Kultur gespielt hat, daß die romanisierten Kelten Britanniens gewissermaßen "nicht Fisch, nicht Fleisch" waren. Sie waren nicht vollständig romanisiert, aber sie waren in weiten Teilen Englands eben auch keine wirklichen Kelten mehr. In den Gebieten, in denen zuvor die Römer nicht so stark vertreten waren (Westen, Norden), hielt sich auch der widerstand gegen die Angelsachsen länger.
Von daher könnte es durchaus sein, daß sich die angelsächsiche Kultur unter einer zwischen zwei Welten hin- und hergerissenen Kultur leichter durchsetzte als sie es bei einer geefestigten Kultur getan hätte.




(20.11.2014 15:56)Dietrich schrieb: [ -> ]Folgt man der alten Tante Wiki, war der Bevölkerungsrückgang in Schleswig-Holstein/Angeln im 5. und 6. Jh. vor allem auf eine Klimaverschlechtetung zurückzuführen, bevor eine Abwanderung nach Britannien einsetzte. Allerdings misstraue ich dem populären Klimaargument, dass immer gern dann verwendet wird, wenn man nicht so recht weiter weiß.

Eine gesunde Distanz auf dieses Argument ist sicherlich nötig. Andererseits waren es bäuerliche Kulturen, die nach ein paar Mißernten wegen schlechten Wetters durchaus den Umzug erwogen haben könnten. Ob das dann nun wirklich ein "Klimawandel" war oder nur ein paar Jahre schlechtes Wetter, darüber läßt sich streiten...
(20.11.2014 16:38)Bunbury schrieb: [ -> ]Ich frage mich halt, welche Rolle es bei der schnellen Ausbreitung der angelsächsischen Kultur gespielt hat, daß die romanisierten Kelten Britanniens gewissermaßen "nicht Fisch, nicht Fleisch" waren.

Das ist ein ganz entscheidender Aspekt. Die ethnische Identität der britischen Kelten war geschwächt, denn die Romanisierung war nicht durchgreifend: stärker in den Städten, schwächer auf dem Land. Zudem hatten die Römer komplett die Verteidigung übernommen, sodass nach deren Abzug kein militärisches Kontingent zur Verfügung stand - jedenfalls nicht sofort. Die diesbezügliche Bitte der Briten an den römischen Kaiser wurde nie beantwortet, Britannien sich etwa ab 410 selbst überlassen.
Das sind die zentralen Gründe für die rasche Germanisierung Britanniens.

Ein weiteres Zeichen für die schwach ausgeprägte Identität ist die Tatsache, dass sich nahezu kein keltisches Substrat im Englischen findet. Normalerweise wäre mit der Übernahme von zahlreichen keltischen Begriffen oder Entlehnungen zu rechnen, doch das ist nicht der Fall.
Vielleicht gibt es noch ein anderes Problem? Könnte es sein, das einige Stämme, die als keltisch aufgezählt werden, gar keine Kelten waren, sondern Picten mit einer keltischen Oberschicht, so das die Germanen nur die Oberschicht vertreiben mußten und die Bevölkerung die sich auf 3 Sprachgruppen aufteilte Kelten, Romanen und Picten sich deshalb leichter assimilieren ließen?
Diese Vermutung gibt es ja auch bei den Treverern, wo das keltische so schnell unterging.
(20.11.2014 19:55)Paul schrieb: [ -> ]Vielleicht gibt es noch ein anderes Problem? Könnte es sein, das einige Stämme, die als keltisch aufgezählt werden, gar keine Kelten waren, sondern Picten mit einer keltischen Oberschicht, so das die Germanen nur die Oberschicht vertreiben mußten und die Bevölkerung die sich auf 3 Sprachgruppen aufteilte Kelten, Romanen und Picten sich deshalb leichter assimilieren ließen?
Diese Vermutung gibt es ja auch bei den Treverern, wo das keltische so schnell unterging.

Nein, das kann so nicht sein. Denn die "Pikten" sind kein einheitliches Volk. "Pikten" ist eine Bezeichnung, die den Stämmen nördlich des Antoninuswalls von den Römern gegeben wurden. Heute ist man weitestgehend einig darin, daß es sich bei den "Pikten" um Stämme unterschiedlicher Herkunft gehalten hat. Dabei waren natürlich auch keltische Stämme, aber eben auch Überreste der Stämme, die vor der zweiten keltischen Einwanderung nach Britannien heimisch waren. Diese wiederum waren eine Mischung aus vorindoeuropäischen Stämmen und keltischen Stämmen der ersten keltischen Einwanderungswelle.
Im Groam House Museum in Rosemwarkie wird im übrigen behauptet, ein Teil der Pikten der gegend sei um Christi Geburt vom Kontinent gekommen- über Norddeutschland.... (Das muss dir doch jetzt gefallen...Wink)
Es hat wohl in den "Abwanderungsgebieten" vom 4. Jahrhundert beginnend über cy. 300 Jahre einen Bevölkerungsrückgang gegeben.
Im höchsten in "Angeln", das in der Folge auch weiter relativ dünn bevölkert blieb.
Andererseits hat man Angesichts der geringen Größe von "Angeln" Probleme dem einen größeren, biologischen Einfluss auf die Bevölkerung Englands einzuräumen.

Da es aber auf gar keinen Fall eine "Auswanderer-Generation" im sinn des Wortes gegeben hat, sind Nachweise wirklich schwer zu finden.
Ein erheblicher gegenseitiger Einfluss der östlichen und westlichen Küste der Nordsee aber ist auf alle Fälle für diese Zeit gegeben.

Was bisher ein Geheimnis geblieben ist, warum die Provinzialromanische Bevölkerung Englands, die man eher als überlegen unterstellen müsste, das Angelsächsische Kulturmodell übernahm.
In Frankreich, bei einer vermutlich deutlich höheren Zahl der germanischen Invasoren, war das Gegenteil der Fall.

Aber, im östlichen Mitteleuropa setzte sich das slawische Kulturmodell durch, geschah etwas ähnliches wie in England.
(21.11.2014 12:54)Suebe schrieb: [ -> ]Es hat wohl in den "Abwanderungsgebieten" vom 4. Jahrhundert beginnend über cy. 300 Jahre einen Bevölkerungsrückgang gegeben.
Im höchsten in "Angeln", das in der Folge auch weiter relativ dünn bevölkert blieb.
Andererseits hat man Angesichts der geringen Größe von "Angeln" Probleme dem einen größeren, biologischen Einfluss auf die Bevölkerung Englands einzuräumen.

Der biologische Einfluss dürfte im Südosten recht stark gewesen sein und sich dann nach Westen und Norden hin abgeschwächt haben. Aber Großbritannien ist letztendlich nun mal eine "Insel der Eroberer", und wenn bei heute lebenden Briten z.B. Haplogruppen (das war doch die Bezeichnung, mit der man die Zugehörigkeit zu Volksgruppen nahcweisen will, oder?) nachgewiesen werden, die auch bei Dänen heute festzustellen sind, ist das ja nicht unbedingt auf die Einwanderung im 500 Jhdt. zurückzuführen. In geringerem Umfang kam es ja immer wieder zu Einwanderungen aus der gegend....



(21.11.2014 12:54)Suebe schrieb: [ -> ]Was bisher ein Geheimnis geblieben ist, warum die Provinzialromanische Bevölkerung Englands, die man eher als überlegen unterstellen müsste, das Angelsächsische Kulturmodell übernahm.

ich weiß nicht, ob das wirklich so rätselhaft ist. Die römische Kultur haben die Kelten nicht ganz freiwillig übernommen, und so sehr sich die Römer auch bemüht haben, ist die keltische Kultur nicht völlig aus dem Bewußtsein der Briten verschwunden. Als die Römer nach 400 Jahren Britannien wieder verließen, war noch genug keltisches vorhanden, daß in vielen Stämmen Streitigkeiten ausbrachen, ob man romanisiert bleiben oder "back to the roots" der keltischen Kultur sollte. Andererseits hatte man in 400 Jahren römischer Herrschaft auch viel keltisches verloren.
Das keltische und germanische weisen in dem einen oder anderen Punkt durchaus Ähnlichkeiten auf. Von daher finde ich es nicht wirklich erstaunlich, daß die Überbleibsel der Kelten so viel von den Angelsachsen übernahmen. Man fühlte sich am Ende ja auch von den Römern im Stich gelassen, und wollte vor allem das loswerden...
(21.11.2014 12:54)Suebe schrieb: [ -> ]Was bisher ein Geheimnis geblieben ist, warum die Provinzialromanische Bevölkerung Englands, die man eher als überlegen unterstellen müsste, das Angelsächsische Kulturmodell übernahm.

Die letzten regulären römischen Truppen verließen die Insel im Jahr 410. Mit ihnen ging die römische Oberschicht, d.h. Beamte, römische Kaufleute und Grundbesitzer. Zurück blieb die nur schwach romanisierte autochthone britische Bevölkerung, die ohne militärischen Schutz oder eine eigene Militärorganisation den eindringenden Germanen relativ hilflos ausgeliefert war. Die Zivilverwaltung löste sich rasch auf, was durch das Vordringen der Sachsen, Pikten und Scoten noch beschleunigt wurde.

Dass auch Widerstand geleistet wurde, zeigt sich am legendären Keltenfürsten Artus und seinem ebenso legendären Sieg am Mons Badonicus über die Sachsen. - Doch auf längere Sicht war das Keltentum zum Untergang verurteilt, sieht man einmal von kleinen Rückzugsgebieten wie Wales oder Cornwall ab. Das keineswegs durchgreifend romaniserte Keltentum der Insel war den eindringenden Sachsen weder Vorbild, noch war es für sie nachahmenswert. Ganz anders als z.B. die gallo-römische römische Bevölkerung in Gallien, die nach rund 500 Jahren römischer Herrschaft ein hohes kulturelles Niveau erreicht hatte. sodass die Franken Kultur und Sprache übernahmen - in einem längeren Prozess.

Die Sieger dieser Auseinandersetzung in Britannien waren die Angelsachsen und sie setzten neben ihrer Sprache auch ihre Kultur durch.

(21.11.2014 12:54)Suebe schrieb: [ -> ]Aber, im östlichen Mitteleuropa setzte sich das slawische Kulturmodell durch, geschah etwas ähnliches wie in England.

Das ist nicht vergleichbar. Der Raum zwischen Oder und Weichsel war nach Abzug der dort siedelnden germanischen Stämme im Zuge der Völkerwanderung - Vandalen, Burgunder, Rugier, Goten - zwar nicht menschenleer, aber siedlungsarm. Das beweisen archäologische Untersuchungen. Die Slawen stießen also in ein Vakuum vor, die germanische Restbevölkerung wurde assimiliert.

WDPG

(20.11.2014 17:42)Dietrich schrieb: [ -> ]Die diesbezügliche Bitte der Briten an den römischen Kaiser wurde nie beantwortet, Britannien sich etwa ab 410 selbst überlassen.
Das sind die zentralen Gründe für die rasche Germanisierung Britanniens.
......

Das vom Kaiser keine Antwort kam, kann ich mir vorstellen (410 kommt mir jetzt auf die Schnelle fast etwas spät vor, denn schon Heermeister Stilicho zog Truppen von den Außenprovinzen des Reichs ab um zumindest das Zentrum Roms zu schützen), man muss sich vorstellen das es nicht einmal mehr gelang die für das Imperium wichtigere Rheingrenze zu schützen. Das Germanen dieses Vakuum ausnutzten war klar (machten ja andere Germanenvölker in anderen Gebieten Europas auch).
Ein großer Vorteil der Germanen in Großbritanien war, das die Bevölkerung etnisch nicht einheitlich war. Sie teilte sich in Romanen, Kelten und Pikten auf und konnten so leichter assimiliert werden. Das Germanische könnte sich als Verkehrssprache leichter durchsetzen.
Elite-Tranfer natürlich! Nur wer passt, darf bleiben. Das Grundrecht auf Asyl muss besser gegen Missbrauch geschützt werden. Jeder rotgrüne Gutmensch wird verpflichtet, eine Asylantenfamilie in seiner Villa unterzubringen. Viele Grüne sind ja diesbezüglich gut aufgestellt. Im Garten werden Toilettenhäuser aufgestellt. Statt Sozialhilfe nur Fresspakete. Gesetze müssen geändert werden. Der Druck von AfD und "El Perdido" oder wie die heißen wird zunehmen. Es passt mir nicht, dass D hier die Rolle des dummen August spielt, der das ganze auch noch bezahlen muss.
(15.12.2014 23:45)WDPG schrieb: [ -> ]Das vom Kaiser keine Antwort kam, kann ich mir vorstellen (410 kommt mir jetzt auf die Schnelle fast etwas spät vor, denn schon Heermeister Stilicho zog Truppen von den Außenprovinzen des Reichs ab um zumindest das Zentrum Roms zu schützen)

um 410 nach Christus wurde die römische Verwaltung mit den letzten Truppen abgezogen. Truppen wurden schon viel früher ausgedünnt und an ihrer Stelle fremde Söldner angeworben.
Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Cunedda- Familie. Cunedda war ein votadinischer Führer, der um 350 n. Chr aus dem Raum Edinburgh mit seiner Familie nach Wales zog, um dort die Skoten zu vertreiben.Ein paar Generationen später beherrschten Cuneddas Nachkommen die wichtigsten walisischen Königshäuser wie die von Gwynedd oder Powys....


(15.12.2014 23:45)WDPG schrieb: [ -> ], man muss sich vorstellen das es nicht einmal mehr gelang die für das Imperium wichtigere Rheingrenze zu schützen. Das Germanen dieses Vakuum ausnutzten war klar (machten ja andere Germanenvölker in anderen Gebieten Europas auch).

Das pikante an der Geschichte ist aber, daß eigentlich die germanischen Söldner zum Schutz der britannischen Küsten angeworben wurden, um sie wegen des Abzugs der römischen Truppen als Schutz gegen die Pikten und Skoten einzusetzen.
Es war der britannische Führer Vortigern, der die Sachsen einlud, Britannien zu beschützen, und ihnen im Gegensatz dazu Land anbot. (Und Vortigern ist historisch belegt...) Die Legende erzählt aber auch, daß die Invasion Britanniens mit einem sächsischen Aufstand begann, weil Vortigern sein Versprechen gegenüber den Sachsen nicht halten wollte...
(16.12.2014 11:35)Bunbury schrieb: [ -> ]Das pikante an der Geschichte ist aber, daß eigentlich die germanischen Söldner zum Schutz der britannischen Küsten angeworben wurden, um sie wegen des Abzugs der römischen Truppen als Schutz gegen die Pikten und Skoten einzusetzen.
Es war der britannische Führer Vortigern, der die Sachsen einlud, Britannien zu beschützen, und ihnen im Gegensatz dazu Land anbot. (Und Vortigern ist historisch belegt...)

Ja, das ist wirklich eine verrückte Wendung der Geschichte: Mit den zum Schutz angeworbenen Sachsen besiegelten die Kelten ihren eigenen Untergang. Allerdings muss man zugunsten der Kelten sagen: Wer hätte sich schon um 400 vorstellen können, dass die Germanen als Krieger und Siedler in großer Zahl auf die Britischen Inseln strömen würden?

Trotz aller oben von mir genannten Gründe überrascht mich dennoch, wie wenig Widerstand die keltische Bevölkerung nebst ihren Anführern der germanischen Invasion entgegensetzte. Allerdings ist es gut möglich, dass wir wegen der mehr als dürftigen Quellenlage im 5.-7. Jh. keine Kenntnis von einer keltischen Gegenbewegung haben und auch keine Kenntnis von Schlachten, die geschlagen wurden. Das meiste was wir wissen kommt aus der legendären Überlieferung der Artussage. Und das ist etwas wenig.
Es gibt halt leider nur ein einziges zeitgenössisches Dokument aus dieser zeit, das erhalten geblieben ist. Und das ist die Streitschrift des Gildas. Gildas war ein religiöser Eiferer und ein großer Römerfreund, und er hat nun mal keine Chronik geschrieben, sondern eine Anklageschrift gegen fünf britannische Könige. Von daher ist sie eher skeptisch zu betrachten.

Allerdings liefert sie Hinweise darauf, daß die britannisch-keltischen Anführer seiner Zeit vor allem ihr eigenes Interesse im Auge hatten, und so scheint es auch nicht unvorstellbar, daß der eine oder andere Brite mit den Sachsen gemeinsame Sache gemacht hat, um seinen Nachbarn an der Expansion zu hindern, um es mal so auszudrücken. In dem Fall käme dann wohl das Sprichwort zum Tragen "Wenn zwei (Kelten) sich streiten, freut sich der dritte (Angelsachse.)"

Auch die Artus-Sage selbst liefert genügend Hinweise darauf, daß die britannischen Fürsten untereinander heillos zerstritten waren, und wenn man dem Glauben schenken darf, ist es wenig verwunderlich, daß die Sachsen leichtes Spiel hatten.
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