Forum für Geschichte

Normale Version: Recht kurioses Rechts im Mittelalter
Sie sehen gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Hier sollten kuriose Rechtsfälle,Urteile und Rechtsbräuche zusammengetragen werden,wie sie in den mittelalterlichen Rechtstraditionen möglich waren und das Rechtsverständnis,was dahinter stand soll beleuchtet werden-
Und da mach ich mal gleich den Anfang
Im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit war es möglich ,gegen Tiere und nicht nur gegen deren Halter einen Prozess zu führen;

Berühmt wurde z.B. der Prozess den im Jahr 1519 Stilfser Bauern gegen die Mäuse führten, die ihre Felder verwüsteten. Gerichtsstand war Glurns. Am 2. Mai 1520 erging das salomonische Urteil, die Mäuse müssten das Gebiet von Stilfs innert 14 Tagen für immer und ewig verlassen. Denen jedoch, die noch zu jung oder krank seien, müsse für ihren späteren Auszug freies Geleit garantiert werden.

Man sieht also,dass in jener Zeit das römische Recht -mit der Vorstellung von Tieren als Sachen,für die der Halter verantwortlich ist- den Rechtsalltag noch keineswegs durchdrungen hatte- die Mäuse wurden hier als reguläre Prozesspartei und als soziale Gemeinschaft betrachtet-
Bei aller Skurrilität, die dieser "Mäuseprozess" für uns heutige zeigt, nur eine Überlegung:
Gegen welche Person hier hätte geklagt werden sollen? Die Mäuse werden sicher keine/n Besitzerin bzw. Halter/in gehabt haben.

Das erscheint mir die Anklage gegen die Mäuse (als die tatsächlichen Schadensverursacher/innen) noch wesentlich sympathischer, als wenn gleich gegen eine/n "angebliche" Hexe/r als Verursacher/in der Mäuseplage bzw. vermeintliche/n Mäusehalter/in vorgegangen worden wäre.
(24.04.2016 22:39)zaphodB. schrieb: [ -> ]Berühmt wurde z.B. der Prozess den im Jahr 1519 Stilfser Bauern gegen die Mäuse führten, die ihre Felder verwüsteten. Gerichtsstand war Glurns. Am 2. Mai 1520 erging das salomonische Urteil, die Mäuse müssten das Gebiet von Stilfs innert 14 Tagen für immer und ewig verlassen. Denen jedoch, die noch zu jung oder krank seien, müsse für ihren späteren Auszug freies Geleit garantiert werden.

Ist auch überliefert, wie das Urteil vollstreckt wurde?
(24.04.2016 22:39)zaphodB. schrieb: [ -> ]Und da mach ich mal gleich den Anfang
Im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit war es möglich ,gegen Tiere und nicht nur gegen deren Halter einen Prozess zu führen;

Berühmt wurde z.B. der Prozess den im Jahr 1519 Stilfser Bauern gegen die Mäuse führten, die ihre Felder verwüsteten. Gerichtsstand war Glurns. Am 2. Mai 1520 erging das salomonische Urteil, die Mäuse müssten das Gebiet von Stilfs innert 14 Tagen für immer und ewig verlassen. Denen jedoch, die noch zu jung oder krank seien, müsse für ihren späteren Auszug freies Geleit garantiert werden.

Man sieht also,dass in jener Zeit das römische Recht -mit der Vorstellung von Tieren als Sachen,für die der Halter verantwortlich ist- den Rechtsalltag noch keineswegs durchdrungen hatte- die Mäuse wurden hier als reguläre Prozesspartei und als soziale Gemeinschaft betrachtet-

Das hatte mit der Religiosität des Mittelalters zu tun. Tiere wurden in einem Mass und Umfang als in die göttliche Ordnung eingebunden betrachtet, dass sich gemäss damaligem Rechsdenken in bestimmten Fällen tatsächlich als schuldfähig erschienen. Zwar gehörten Prozesse gegen Tiere nicht gerade zum juristischen Alltag, kamen aber dennoch gelegentlich vor. Dein Beispiel von Stifls ist also kein Einzelfall:

In Oppenheim warf 1456 der Henker zwei Schweine, die ein Kind so heftig attackiert hatten, dass es daran gestorben war, in eine Grube, damit sie dort verendeten. In Lausanne ist ein erster Tierprozess - gegen Aale und Blutsauger - bereits für das 13. Jahrhundert belegt. Und 1474 musste der Basler Scharfrichter einen Hahn hinrichten, weil dieser ein Ei gelegt haben soll. Der Hahn wurde einerseits verurteilt, weil er sich damit eines Verbrechens gegen die Natur schuldig gemacht hat, andererseits auch deshalb, weil man befürchtete, dass aus so einem Ei ein greulicher Basilisk (das inofzielle Wappentier von Basel) ausschlüpfen könne.

Gelegentlich hatte man sogar Verständnis für die tierischen Verbrecher. Das Kirchengericht St. Jean de Mourienne beispielsweise bot gefrässigen Käfern, die einen Weinberg verwüstet hatten, einen Vergleich ein: Zwecks Nutzung auf ewige Zeit sollte ihnen eine Wiese zum Verzehr überlassen werden. Der anderen Partei, geschädigten Weinbauern, wurden dagegen ein Durchgangsrecht, die Nutzung der Quellen sowie ein Recht auf Zuflucht im Kriegsfalle offeriert.
Mitte des 16. Jahrhunderts machte man sich in Württemberg daran ein einheitlich geltendes Zivilrecht zu schaffen.
Zu der Zeit galt eigentlich überall ein anderes "gemeines Recht".

Auf die Initiative der Landstände sollte dieses allgemein verbindliche Recht auf Basis des bisherigen "Gemeinen Rechts" entstehen.
So wurden bei Städten und Gemeinden landauf, landab die Rechtsbräuche erhoben.

Mit dem Ergebnis, dass die eingesetzte Kommission sich außerstande erklärte auf dieser Basis etwas schaffen zu können, die Rechtsbräuche waren zu enterschiedlich und konträr.
Sie forderten den Herzog auf, auf Basis des "Römischen Rechts" ein allgemein verbindliches Landrecht zu schaffen.

Dies geschah, wurde 1555 verkündet, noch zweimal überarbeitet, und galt bis zur Einführung des BGB im Jahre 1900.
Das "Württembergische Landrecht" hatte in der Folge eine erhebliche Wirkung auf die deutsche Rechtsgeschichte, nicht zuletzt sind weite Strecken des wenig später erlassenen "Pfälzischen Landrechts" wörtlich übernommen.


Dies betrifft, wie geschrieben, das Zivilrecht, für das Strafrecht war die "Carolina" in der selben Zeit entstanden, im ganzen HRR gültig.
das inoffzielle Wappentier von Basel - nun vom Ende des 15. bis ins 19. Jahrhundert wurde der Basilik als Schildhalter des Baseler Wappenschildes gebraucht und war damit als Heroldsstück Wappenbestandteil

Was ich nach wie vor erstaunlich finde ist,dass die Urteile gegen die Mäuse und Käfer von einer gewissen willentlichen Organisationsform, heute würde man wohl von Schwarmintelligenz sprechen, ausging -anders sind die Vergleichs - und Geleitsangebote nicht zu verstehen, - über die tatsächliche Vollstreckung ist wohl in beiden Fällen nichts bekannt.


Interessant ist übrigens auch, dass selbst auf dem Schafott noch Standesunterschiede aufrecht erhalten wurden, So berichten mehrere Quellen,von der Hinrichtung von Louis de Luxembourg ,Connetable von St Pol, am 19. Dezember 1475 dass ncht nur der Richtblock mit gestickten Lilien geschmückt und Betkissen und Augentuch waren aus purpurnem Samt, sondern der Mann hatte auch das zweifelhafte Vergnügen von einem Henker geköpft zu werden, der noch nie eine Hinrichtung vollzogen hatte,
Wenn ich eure Texte so lese, bekomme ich den Eindruck, dass mein Gesetzblatt aus dem Mittelalter gar nicht hier reinpasst. Ich hatte vermutet, das auch neben Kurioses auch was uns heute ungewöhnlich erscheint. Daher hab ich das mal aus meinem Album kopiert und hier rein geschrieben.
Ich könnte das auch löschen...

lg Aurora
Unter Bauern, welche die Mehrheit der Bevölkerung ausmachten, waren Zweikämpfe eigentlich nicht mehr üblich. Man versuchte Blutfehden durch Blutgeld zu vermeiden.
Waren Zweikämpfe überhaupt unter Bauern üblich oder nicht doch eher die Ausnahme? Wenn wir z. B. als Orientierungshilfe die Islandsagas hernehmen (die allerdings in der Zeit des Frühmittelalters spielen und deren schriftlich überlieferte Fassungen aus dem 13. und 14. Jahrhundert stammen, findet sich hier doch immer wieder der Versuch von Seiten derer, die an der Macht sind, eine Auseinandersetzung nicht in einer Fehde ausarten zu lassen oder wenigstens zuletzt auf dem Thing zu einer gütlichen Lösung zu gelangen.
Das war der Eröffnungsbeitrag:

(24.04.2016 22:29)zaphodB. schrieb: [ -> ]Hier sollten kuriose Rechtsfälle,Urteile und Rechtsbräuche zusammengetragen werden,wie sie in den mittelalterlichen Rechtstraditionen möglich waren und das Rechtsverständnis,was dahinter stand soll beleuchtet werden-

insofern denke ich, dass das was du

(26.04.2016 10:34)Aurora schrieb: [ -> ]Wenn ich eure Texte so lese, bekomme ich den Eindruck, dass mein Gesetzblatt aus dem Mittelalter gar nicht hier reinpasst. Ich hatte vermutet, das auch neben Kurioses auch was uns heute ungewöhnlich erscheint. Daher hab ich das mal aus meinem Album kopiert und hier rein geschrieben.
Ich könnte das auch löschen...

lg Aurora

und auch ich geschrieben haben, schon hier rein gehört.
Also bloß nicht löschen.
Zu den "kuriosen" Urteilen:

Bei uns am Amtsgericht gab es vor etlichen Jahren einen Richter, der die Anschnallpflicht im Auto als Freiheitsberaubung betrachtete, und, zog einer vor Gericht, entsprechende Urteile ablieferte.
(in einer Urteilsbegründung verkündete er zusätzlich, dass sMn das Problem darin liege, dass die heutigen Autos (ca. 1985) zu schnell wären, eine gesetzliche Höchstgrenze vin 75 PS die Lösung aller Probleme wäre)

Schön, aber was passierte mit den Urteilen?

Dasselbe wie mit Dodels Urteilen, die bis heute zu Lachsalven Anlass sind,
Die Gegenseite zog vor das Landgericht, und der Kittel war geflickt.

Der Thread-Ersteller ist Jurist.
Man darf also gespannt sein, was da noch alles kommt
(26.04.2016 14:54)Suebe schrieb: [ -> ]
(26.04.2016 10:34)Aurora schrieb: [ -> ]Wenn ich eure Texte so lese, bekomme ich den Eindruck, dass mein Gesetzblatt aus dem Mittelalter gar nicht hier reinpasst. Ich hatte vermutet, das auch neben Kurioses auch was uns heute ungewöhnlich erscheint. Daher hab ich das mal aus meinem Album kopiert und hier rein geschrieben.
Ich könnte das auch löschen...

lg Aurora

und auch ich geschrieben haben, schon hier rein gehört.
Also bloß nicht löschen.

oh, hab ich vor einigen Stunden schon gelöscht, weil ich den Eindruck hatte, es passt hier nicht rein. Ich könnte aber einen neuen Thread öffnen mit:
"Gesetzte im Mittelalter" (wenns recht ist).
Noch ein makabres Urteil. (Bei Bedarf suche ich näheres heraus)
nicht Mittelalter, aber vielleicht interessiert es.

In Zillhausen im Herzogtum Wirtenberg wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Frau wegen mehrfachem Ehebruch zum Tod verurteilt.
Die vollstreckung des Urteils wurde ausgesetzt, bis das Kind (des letzten Ehebruchs) ein bestimmtes Alter erreicht hatte. Wobei die Frau immer in Freiheit blieb.
Die Aussetzung der Vollstreckung ist eigentlich schon die Aufhebung des Urteils, denn von Zillhausen aus ist die damalige wirtenbergische Grenze in einem 10 minütigen Fussmarsch zu erreichen.

Die Frau ist später in einen anderen Ort des Herzogtums gezogen, wo sie eine Eheverbindung eingehen konnte.
Von dem Urteil ist anscheinend nie mahr die Rede gewesen.

MM: Das Urteil erging auf Wunsch der örtlichen Moralapostel, an einer Vollstreckung hatten aber auch die kein Interesse. Aber die unter "Hormondruck" Leidenden hatten eine Angst mehr auszustehen. Was vermutlich der Hintergrund des Urteils war.
(25.04.2016 20:26)zaphodB. schrieb: [ -> ]das inoffzielle Wappentier von Basel - nun vom Ende des 15. bis ins 19. Jahrhundert wurde der Basilik als Schildhalter des Baseler Wappenschildes gebraucht und war damit als Heroldsstück Wappenbestandteil

Im Spätmittelalter war man ja auch überzeugt, dass der Name von Basel vom "Basilisk" abgeleitet sei, insofern erklärt sich Schildhalter. Mit "inoffiziellem Wappen" meinte ich auch eher die heutige Situation - die "Basiliskenbrunnen" (welche meist aus der Neuzeit stammen) fehlen in keinem Reiseführer und das Emblem der städtischen Verkehrstriebe ist ebenfalls der Basilisk Teeth

(25.04.2016 20:26)zaphodB. schrieb: [ -> ]Was ich nach wie vor erstaunlich finde ist,dass die Urteile gegen die Mäuse und Käfer von einer gewissen willentlichen Organisationsform, heute würde man wohl von Schwarmintelligenz sprechen, ausging -anders sind die Vergleichs - und Geleitsangebote nicht zu verstehen, - über die tatsächliche Vollstreckung ist wohl in beiden Fällen nichts bekannt.

Interessant ist übrigens auch, dass selbst auf dem Schafott noch Standesunterschiede aufrecht erhalten wurden, So berichten mehrere Quellen,von der Hinrichtung von Louis de Luxembourg ,Connetable von St Pol, am 19. Dezember 1475 dass ncht nur der Richtblock mit gestickten Lilien geschmückt und Betkissen und Augentuch waren aus purpurnem Samt, sondern der Mann hatte auch das zweifelhafte Vergnügen von einem Henker geköpft zu werden, der noch nie eine Hinrichtung vollzogen hatte,

Vielleicht war ja das der Lehrling, der hier sein Gesellenstück abliefern musste ? Dass man dazu aber gleichen einen Adligen verwendete ....

Abstufungen gab es im Übrigen nicht nur nach Ständen sondern auch in der Hinrichtungsart, wobei das Enthaupten als „ehrlichste“ Todesstrafe galt. Als Schändlichste hingegen galt das Erhängen, was schon daraus ersichtlich ist, dass man Geköpfte sofort nach der Hinrichtung christlich, d.h. in "geweihter" Erde begrub, während die Leichen der Erhängten am Galgen hängen gelassen wurden, bis sie von Wind und Wetter zersetzt und von Raben zerhackt und aufgezehrt waren.

Bemerkenswert am Deinem Beispiel finde vor allem tatsächlich, dass der Henker noch nie ene Hinrichtung durchgeführt hatte. War der Henker tatsächlich ein solcher, oder hat im vorliegenden Fall ein adliger Standesgenosse von Saint Pol die Henkersarbeit übernommen ? Das wäre dann wohl als eine besonders "ehrenhafte" Hinrichtung gewesen (Henker waren Standeslose) und würde auch das geschmückte Kissen und Augentuch erklären.

Ich habe jedenfalls mal gelesen, dass es Verordnungen gab, wonach der Henker den Kopf des Verurteilten so abschlagen musste, dass ein Wagenrad zwischen dem Kopf und dem Leib hindurchfahren konnte. Sonst nämlich – hiess es – wäre der Tote in der Lage wieder zurückzukehren, ums sich für seine Bestrafung zu rächen. Es wurden also durchaus gewisse Anforderungen an das Können des Henkers gestellt.
(26.04.2016 16:24)Suebe schrieb: [ -> ]Noch ein makabres Urteil. (Bei Bedarf suche ich näheres heraus)
nicht Mittelalter, aber vielleicht interessiert es.

In Zillhausen im Herzogtum Wirtenberg wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine Frau wegen mehrfachem Ehebruch zum Tod verurteilt.
Die vollstreckung des Urteils wurde ausgesetzt, bis das Kind (des letzten Ehebruchs) ein bestimmtes Alter erreicht hatte. Wobei die Frau immer in Freiheit blieb.
Die Aussetzung der Vollstreckung ist eigentlich schon die Aufhebung des Urteils, denn von Zillhausen aus ist die damalige wirtenbergische Grenze in einem 10 minütigen Fussmarsch zu erreichen.

Die Frau ist später in einen anderen Ort des Herzogtums gezogen, wo sie eine Eheverbindung eingehen konnte.
Von dem Urteil ist anscheinend nie mahr die Rede gewesen.

MM: Das Urteil erging auf Wunsch der örtlichen Moralapostel, an einer Vollstreckung hatten aber auch die kein Interesse. Aber die unter "Hormondruck" Leidenden hatten eine Angst mehr auszustehen. Was vermutlich der Hintergrund des Urteils war.

Das Interesse ist nicht überwältigend.
Ich habe es trotzdem nachgelesen, und es eröffnet einige Einblicke in Rechtsbräuche der freuen Neuzeit. (obiges ist aus dem "Kopf" das anschließend geschriebene aus den Akten)

Für Todesurteile in Württemberg musste das zuständige Gericht ein Rechtsgutachten höherer Stelle einholen. In der Regel der Universität Tübingen.
Die Frau (der Name ist bekannt, ein bis heute häufiger in der Gegend) hatte 4 Jahre vorher schon ein Kind aus einer anderen "ehebrecherischen" Beziehung bekommen, was sich nun strafverschärfend auswirkte.
Die Tübinger Juristen erkannten auf Enthauptung, das Balinger Stadtgericht fällte dieses Urteil, mit der Maßgabe, dass die Vollstreckung 6 Wochen nach der Geburt des Kindes zu erfolgen habe. Der Balinger Vogt legte das Urteil dem Herzog vor, mit der Bemerkung, dass er es für gerecht haölte. Der Herzog bestätigte es, und gab dem Vogt auf, für die Vollstreckung zu sorgen.

Jetzt schaltete sich die Mutter der Delinquentin ein. Sie brachte über ihre Anwälte vor:
Bei dem ersten ehebrecherischen Verhältnis sei überhaupt keine Strafe erfolgt, ihre Tochter hätte also gar keine Gelegenheit gehabt sich zu bessern,
der Anwalt der Tochter, "ein junger Handwerksbursche" hätte sich überhaupt keine Mühe gegeben strafmildernde Punkte vorzubringen. Außerdem wäre ihre Tochter "blödsinnig".

Dies wurde den selben Tübinger Juristen vorgelegt, die daraufhin empfahlen, die Frau zur Abschreckung an den Pranger zu stellen und dann des Landes zu verweisen. Vom Todesurteil keine Rede mehr.
Das Urteil erging dann auch so, ohne Landesverweisung.

Zehn Jahre später musste sich das Stadtgericht nochmals und mit dem gleichen Delikt mit der Frau befassen. Wobei sie das 4. Kind aus einer ehebrecherischen Beziehung erwartete. Ergo, bei dem 3. Fall gab es keine Strafverfolgung, warum auch immer.
Diesmal erging das Urteil, sie noch 4 Wochen in Haft zu halten, dann an den Pranger zu stellen, und sie anschließend mit ihren 4 Kindern des Landes zu verweisen.
Sie weigerte sich vehement das 4. Kind mitzunehmen, indem sie erklärte sie würde es am nähsten Feldstein totschlagen oder sie ginge mit ihm "ins Wasser". Daraufhin nahm man ihr das Kind weg, und gab es einer "rechtschaffenen Frau".
Die Landesverweisung erfolgte diesmal, die Ehebrecherin zog nach Bisingen, ins hohenzollerische, wo sie den kath. Glauben annahm.
Die verkaufte Fehde

im Mittelalter gab es einvöllig anderes Vehältnis zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatpersonen Sokonnten Privatpersonen gegenüber Städten per Absagebrief die Fehde erklären und diese Fehden auch an Dritte verkaufen oder übertragen.ein offenbar durchaus beliebtes spiel zur Durchsetzung von Ansprüchen

Am bekanntesten ist wohl in diesem Zusammenhang der Auftakt zum Sechsplappert-Krieg im Elsass 1466-1470._damals erhielt der Müllersknecht Herrmann Klee von seinem Meister in Mühlhausen zu geringen Lohn-es fehlten 6 Pfennige (Plappert) Klee schlug daraufhin einen Absagebrief an das Stadttor von Mühlhausen, verstand es aber im Anschluss,die Übergabe des Geldes an ihn zu verhindern, Stattdessen verkaufte er seinen Anspruch und sein Fehderecht an den Ritter Peter von Regisheim,der den Adel des Südelsass sammelte um gegen Mühlhausen vorzugehen,Unterstützung fand er dabei auch von Seiten der Habsburger ,des schwäbischen Ritterbundes und der Grafen v, Lupfen, Auf Seiten Mühlhausens traten die Städte Türkheim und ,Kaysersberg, Friedrich I von der Pfalz als elsässischer Reichsvogt, die Wildgrafen von Dhaun und die Eidgenossen, Der Krieg endete nach vier Jahren mit der Zerstörung der vier Burgen bei Eguisheim,der Unterwerfung der Grafen v.Lupfen und Peters v,Regisheim,der nur knapp dem Strick entging

und das alles nur wegen sechs Pfennigen und einer verkauften Fehde,
.
(13.06.2016 22:43)zaphodB. schrieb: [ -> ]Stadttor von Mühlhausen
Du meinst doch das heutige Mulhouse im Elsass? Schreibt man das nicht immer ohne h, auch im Deutschen? Nur aus Neugierde, weil eigentlich erscheint mir die Variante mit h auch logisch.
Im Jahr 1607 (wieder kein Mittelalter...) gab es in einem mir bekannten StädtchenInnocent einen Rechtsfall.
Bürgermeister, Schultheiss und das Gericht verurteilten einen zur Folterung.

Auch damals fielen bei solchen Fällen Spesen an, es "verzehrten" Schultes, Bürgermeister und Gericht 4 Gulden und etliche Kreuzer bei diesem Anlass.
Bei der Verurteilung zum Tode ging es wohl schneller, denn da wurden lediglich 2 Gulden und ein paar Kreuzer "verzehrt".
Als dann der arme Kerl das letzte Abendmahl erhielt, und vom Leben zum Tode gebracht worden war, das ging vermutlich länger...
jedenfalls fielen dann an Spesen wieder 4 Gulden aber einiges mehr an Kreuzern an, wie beim ersten Termin.
Stimmt,Triton,Du hast Recht: Mülhausen/Mulhouse schreibt man in beiden Sprachen ohne H vor dem L, alldieweil es kommt vom elsässischen Mìlhüsa und da fehlt auch das H vor dem L Smile

Suebe,bei Deiner Geschichte da fällt mir doch ein Gerichtsbrauch aus einem mir bekannten Städtchen/Dorf ein , den ich fast vergessen hätte - Im Heimatmuseum meiner Vaterstadt befindet sich eine grosse Kanne, die ca. 7 Liter fasst- die Gerichtskanne
Und die hatten die beiden Prozessparteien vor Beginn eines Prozesses vor dem Ortsgericht mit Wein zu füllen, den der Dorfrichter und die Schöffen während der Verhandlung trinken durften .Wenn die Kanne leer war ,musste sie auf Kosten der Streitparteien (die nicht mittrinken sondern nur zuschauen durften) wieder gefüllt werden-so lange bis es zum Urteil oder Vergleich kam
das hat so manchem Prozess- und Streithansel das Prozessieren nachhaltig vergällt und die Vergleichsbereitschaft mit steigender Verfahrensdauer ungemein erhöht Big Grin
Leider wurde der schöne Brauch 1803 mit der Besetzung durch die Hessen abgeschafft Sad
(15.06.2016 21:02)zaphodB. schrieb: [ -> ]./.
Suebe,bei Deiner Geschichte da fällt mir doch ein Gerichtsbrauch aus einem mir bekannten Städtchen/Dorf ein , den ich fast vergessen hätte - Im Heimatmuseum meiner Vaterstadt befindet sich eine grosse Kanne, die ca. 7 Liter fasst- die Gerichtskanne
Und die hatten die beiden Prozessparteien vor Beginn eines Prozesses vor dem Ortsgericht mit Wein zu füllen, den der Dorfrichter und die Schöffen während der Verhandlung trinken durften .Wenn die Kanne leer war ,musste sie auf Kosten der Streitparteien (die nicht mittrinken sondern nur zuschauen durften) wieder gefüllt werden-so lange bis es zum Urteil oder Vergleich kam
das hat so manchem Prozess- und Streithansel das Prozessieren nachhaltig vergällt und die Vergleichsbereitschaft mit steigender Verfahrensdauer ungemein erhöht Big Grin
Leider wurde der schöne Brauch 1803 mit der Besetzung durch die Hessen abgeschafft Sad

der Oberamtsrichter Dodel hat bei Zivilprozessen nicht vergleichsbereite Parteien auf ein Ofenbänkle sitzen lassen, wobei der Ofen zuvor schon kräftig eingeheizt war.
nach mehr oder weniger langer Zeit soll es meist "gewirkt" haben.

spätes 19. JKahrhundert.
Referenz-URLs