Forum für Geschichte

Normale Version: Der Henker als Romanfigur
Sie sehen gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Die Lebensläufe von Franz Schmidt (um 1555, Hof - vor dem 14, Juni 1634, Nürnberg) und Josef Lang (1855-1925) machen deutlich, dass ein Henker keineswegs ein "Paria" sein musste.

In der Literatur allerdings ist die Außenseiterrolle von Henker mehr oder weniger das eigentliche Thema, wenn diese dort (meistens ohnehin nur in Nebenrollen) auftauchen.

Hier findet sich z. B. das Motiv des "dankbaren" Henkers. Im historischen Unterhaltungsroman "Das Heiligenspiel" von Ursula Niehaus beispielsweise wird in Abweichung der historischen Fakten um Anna Lamintel diese in letzter Minute durch den Henker gerettet, der die Hinrichtung nur zum Schein durchführt, nicht zuletzt deshalb, weil sie immer nett zu ihm war. Originell ist diese Idee sicher nicht, denn sie findet sich bereits bei Alexandre Dumas d. Ä. In "La Reine Margot" / "Die Bartholomäusnacht" gibt Coconnas dem Henker die Hand, der revanchiert sich für diese Geste später, in dem er Coconnas nur zum Schein foltern lässt.

Am bekanntesten ist vielleicht der Pariser Henker Charles-Henri Sanson (1739-1806) aus der Zeit der Französischen Revolution, der es im 19. und 20. Jahrhundert als "Henker wider Willen" zum tragischen Romanhelden brachte, so z. B. in dem heute vergessenen Roman "Monsieur de Paris" (anderer Titel: "Der Kavalier von Paris") von H. M. Mons (publ. um 1950), wo die Außenseiterrolle des Henkers eine sehr ergreifende Darstellung findet. (Es ist eines jener Bücher, wo sich für mich letztlich die Frage nach der Historizität nicht mehr gestellt hat, und dem ich gerne abnehme: "So könnte es vielleicht wirklich gewesen sein".) In diesem Roman findet sich auch die Anekdote einer zufälligen Begegnung Sansons mit Napoléon, nachdem sein Sohn seine Nachfolge als Henker angetreten hat. Napoléon fragt hier Sanson, ob er noch ruhig schlafen könne, da er doch mehr als dreitausend Menschen hingerichtet habe. Sanson antwortete daraufhin: "Wenn die Kaiser, Könige und Diktatoren ruhig schlafen können, warum soll's nicht auch der Henker können?" (Im Kontext des Romans dient die Anekdote dem Autor dazu, um zu zeigen, dass Sanson offensichtlich mit sich selbst Frieden geschlossen hat, was auch dadurch unterstrichen ist, als er ihn bei dieser Szene in Begleitung seines einzigen Freundes (den er während der Revolution vor der Hinrichtung retten konnte) und dessen Ehefrau auftreten lässt, beide nun wieder aus der Emigration nach Frankreich zurückgekehrt.

In der Unterhaltungs- und Trivialliteratur gibt es mehrere Kriminalromane von Edgar Wallace, in denen die Täterfigur als Rächerfigur und selbst ernannter Henker dargestellt ist, so z. B. in "Der Hexer" oder in den Romanen um die "4 Gerechten". In einem weiteren Roman, dessen deutsche Ausgabe unter dem Titel "Der Rächer" publiziert wurde, ist der Mörder ein Nachfahre von Sanson und im Besitz einer Guillotine, von ihm zärtlich "Die Witwe" genannt, mit der er seine Opfer tötet.

In einem weiteren Kriminalroman findet sich bei ihm auch die Figur des "Henkers wider Willen". In "Der Frosch mit der Maske" droht dem leichtsinnigen Ray durch Machenschaften des bösen "Oberschurken" die Hinrichtung. Zwar gelingt es dem netten Staatsanwalt, der zusammen mit dem Oberschurken um die Gunst von Rays Schwester rivalisiert, in letzter Minute gerichtliche Verfügung zu erwirken, doch als er mit dieser zum Schafott fährt, um so die Hinrichtung in letzter Minute zu verhindern, wird er durch weitere Machenschaften des Oberschurken aufgehalten und schafft es nicht mehr zeitgerecht dort zu erscheinen. Ray wird in letzter Minute doch noch gerettet. Sein Retter ist der Henker, der sich plötzlich weigert, die Hinrichtung auszuführen und nun noch dafür sorgt, dass die Hinrichtungsgeräte unverwendbar sind, damit auch kein anderer sie statt ihm ausführen kann. Das Motiv des Henkers, für das übrigens die Herren vom Gericht letztlich noch Verständnis haben und daher von sich aus, die Hinrichtung vorläufig aussetzen. Er ist Rays eigener Vater, den materielle Not dazu gebracht hat, diesen für ihn peinlichen Job seit Jahren auszuüben, wobei er nicht nur seinen Kindern gegenüber auf größte Geheimhaltung geachtet hat.

Im 21. Jahrhundert hat dann der bayrische Schriftsteller Oliver Poetzsch, nach eigener Aussage Nachfahre einer Henkerdynastie das Thema aufgegriffen und einen seiner Vorfahren mit dessen Familie zur Hauptfigur einer in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts spielenden historischen Kriminalroman-Serie gemacht, von der inzwischen mehrere Bände erschienen sind. Die Benennung nach der weiblichen Hauptfigur dürfte allerdings Marketinggründe haben.

Bisher erschienen:
- Die Henkerstochter (geheimnisvolle Morde an Kindern und einer unter Mordverdacht stehende Hebamme, die als Hexe überführt werden soll, Schauplatz Schongau, typisch für eine Romanserie: im ersten Buch sind die Protagonisten/innen noch sozusagen "zu Hause")

- Die Henkerstochter und der schwarze Mönch (als Ausgangspunkt ein mysteriöser Todesfall in einer Kirche, für weitere Verwicklungen sorgt eine Räuberbande, mit einer "Schnitzeljagd" als Teil der Kriminalhandlung durch den bayrischen Pfaffenwinkel)

- Die Henkerstochter und der König der Bettler (diesmal verschlägt es den Henker, seine Tochter und ihren Verehrer nach Regensburg, wo alle drei mit der Vergangenheit der Familie konfrontiert werden.)

- Der Hexer und die Henkerstochter (eine Wallfahrt ins Kloster Andechs, allerdings ist der Kriminalfall, wenn man Kenntnisse zu Stoffen der Weltliteratur hat, sehr leicht zu durchschauen)

- Die Henkerstochter und der Teufel von Bamberg (Ausflug zur Hochzeit des Bruders von Jakob Kruisl nach Bamberg, mit Bezug auf die Bamberger Hexenprozesse)

- Die Henkerstochter und das Spiel des Todes (Ausflug nach Oberammergau)

Pötzsch lässt in seinen sehr unterhaltsamen Büchern, in denen allerdings auch die Schattenseiten der Henker-Existenz beleuchtet werden und die eindeutig auch eine (gelungene) Werbung für den bayrischen Fremdenverkehr sind, neben der Familie Kruisl auch andere, zum Teil recht unterschiedliche Henkerfiguren vorkommen, die (mit einer Ausnahme) alle Sympathieträger sind.
(22.05.2016 09:55)Teresa C. schrieb: [ -> ]Pötzsch lässt in seinen sehr unterhaltsamen Büchern, in denen allerdings auch die Schattenseiten der Henker-Existenz beleuchtet werden und die eindeutig auch eine (gelungene) Werbung für den bayrischen Fremdenverkehr sind, neben der Familie Kruisl auch andere, zum Teil recht unterschiedliche Henkerfiguren vorkommen, die (mit einer Ausnahme) alle Sympathieträger sind.
Mehrere Beiträge über sympathische, gutherzige Henker...

Manchmal ist man ganz froh, dass man im Internetzeitalter mit Menschen kommuniziert, die räumlich hoffentlich ganz weit weg sind.
(22.05.2016 13:35)Triton schrieb: [ -> ]Manchmal ist man ganz froh, dass man im Internetzeitalter mit Menschen kommuniziert, die räumlich hoffentlich ganz weit weg sind.

Ganz ehrlich, ich kann mit deiner Antwort nichts anfangen.

Wenn du etwas an meinem Beitrag über Unterhaltungsromane zum Thema Henker auszusetzen hast, dann poste das doch gleich hier und wenn Du der Meinung bist, dass mein Beitrag die Forumsregeln verletzt, dann schalte bitte die Admin ein, damit sie überprüfen und gegebenenfalls halt löschen.
Referenz-URLs