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Normale Version: Der Meisterschütze und der "Apfel"
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Ich hoffe, Aguyar, dass es für Dich in Ordnung ist, wenn ich Deinen Beitrag aus dem Jux-Rätsel-Thread hier als Einleitung zitierte. Aber ich finde das Thema um Meisterschützen sehr interessant und eine bessere Zusammenfassung von Tokos und Tells "Verwandten" hätte ich auch nicht geben können. Zudem ist es schade, wenn dieses Posting in der Versenkung des Rätselthreads enden würde.

(14.04.2016 21:48)Aguyar schrieb: [ -> ]Nur zur ergänzenden Info, neben Toko und Tell gab es noch weitere "Apfelschüsse":

Egil und Nidung
Die zweitälteste Erwähnung eines Apfelschusses findet sich im Wielandroman der Dietrichssage, die um 1250 / 1260 als Import aus den höfischen Kreisen des europäischen Kontinents in Bergen aufgezeichnet worden ist. Bei der norwegischen Version des Schützenkunststücks heisst der böse König Nidung, der Meisterschütze Egil. Im Verlauf der Geschichte erscheint Egil, der Bruder von Wieland dem Schmied, am Königshof wo der König erproben will, ob dieser ein so guter Schütze ist, wie das Gerücht sagt. Nidung legt dem dreijährigen Sohn Egils, Eigl, einen Apfel auf den Kopf und verlangt vom Vater, dass er ihn beschiesse. Der Schütze nimmt drei Pfeile und trifft – wie könnte es anders sein – natürlich auf Anhieb sein Ziel. Der König zeigt sich dabei sehr beeindruckt von der Treffsicherheit Egils und nimmt ihm die Antwort, dass bei einem Fehlschuss die königliche Brust das nächste Ziel gewesen wäre, ebenfalls nicht weiter übel. Offenbar hatte der Mann Sinn für Humor.

Heming und Harald III der Harte
Um 1360 entstand ein auf der isländischen Insel Flatey im Breitifjord aufgefundenes grosses Sammelwerk von Erzählungen, die sogenannten Flateyjarbok, in denen sich zwei weitere Meisterschüsse finden worunter einer das absolute Nonplusultra darstellt: der Nuss-Schuss ! Der Schütze der ihn ausführt heisst Heming und lebt unter dem norwegischen König Harald dem Harten (1047 - 1066). Mit diesem äusserst zähen Sportlerkönig muss sich nun Heming auf eine Marathon-Olympiade einlassen. Die beiden messen sich von früh bis spät im Bogenschiessen und Speerwerfen, bis es dem König plötzlich zu dumm wird, von diesem "Naturburschen" ständig besiegt zu werden. Er hängt die Fairplay-Regeln an den Nagel und kehrt plötzlich den bösen Tyrannen hervor. Er befiehlt Heming, eine Nuss vom Haupte seines Bruders zu schiessen. Um die Sache noch etwas zu würzen, droht der dem Schützen bei einem Fehlschuss natürlich ebenfalls mit dem Tod.
Mutig spannt Heming darauf seinen Bogen und bittet den König lakonisch, sich doch neben den Bruder zu stellen, um sich gleich aus erster Hand von seinen Schützenfähigkeiten zu überzeugen. Das ist dem Herrscher aber offensichtlich viel zu gefährlich, denn er zieht es vor, neben Heming und nicht neben dessen Ziel zu stehen. Wie das in solchen Fällen oft zu geschehen pflegt, delegiert er lieber einen seiner Untergebenen zu diesem Himmelfahrtskommando. Seine Furcht war natürlich völlig unbegründet, denn Hemings Hand zittert auch diesmal nicht im geringsten. Ja, er gibt dabei sogar ein Bravourstücken zu besten, das die Forderung des Königs noch weit übertrifft: Er durchbohrt die Nuss nämlich nicht (das wäre für ihn viel zu einfach), sondern schiesst so haargenau zwischen dem Scheitel des Bruders und der Nuss hindurch, dass die Nuss zu Boden rollt und dem Bruder nicht der kleinste Kratzer zugefügt wird. Auch Harald der Harte kann natürlich die Frage nach dem Sinn der restlichen Pfeile, die Heming zu sich steckte, nicht unterdrücken; er erhält die gleiche Antwort wie bisher alle seine Kollegen, was das sportliche Klima zwischen den beiden auch nicht gerade verbessert. Bei der nächsten Disziplin, die nun auf dem Programm steht, einem gefährlichen Wettschwimmen, versucht der königliche Marathon-Olympionike seinen Konkurrenten denn auch unter Wasser zu erstechen, was ihm aber nicht gelingt. Zu guter oder wohl besser zu schlechter Letzt folgt auch hier als Höhepunkt des Mehrkampfes ein Skilauf, bei dem Heming wegen einer erneuten Hinterlist des Königs über eine Felswand abstürzt. Da der Held jedoch ein geweihtes Tuch um den Leib trägt, kann ihm auch diesmal nicht viel passieren. Er bleibt an einem Felsvorsprung hängen und wird durch ein Wunder des Heiligen Olaf gerettet. Aber auch Wunder haben ihren Preis. Olaf (Olaf II der Heilige, 1016 - 1030) ist nämlich der Halbbruder des bösen Königs, und Heming muss dem Heiligen deshalb versprechen, sich nie an seinem Herrscher zu rächen, weshalb die ganze Geschichte schliesslich ebenso wunderbar wie unmotiviert im Sande verläuft.

Eindridi Breitferse und Olaf Tryggvason
Die Überlieferung des Meisterschusses des Eindridi Breiferse entstammt ebenfalls dem nordischen Sagenkreis, trägt aber dabei bereits die ausgeprägten Züge einer christlichen Bekehrungslegende. Im gleichen Flateyjarbok, dass die Sage von Heming enthält, findet sich auch die Geschichte des Grossbauern Eindridi Breitferse, der vom ersten Bekehrerkönig Norwegens, Olaf I Tryggvason (955 - 1000), wiederum mittels eines sportlichen Wettbewerbes zum Christentum bekehrt werden soll. Nach einem Schwimmwettkampf, den der König mit einer List für sich entscheidet, fordert dieser Eindridi auch zum Bogenschiessen heraus. Um ihm zu zeigen, wie mächtig der Gott des Christentums ist, schiesst diesmal der Herrscher selbst einen Brettspielstein vom Haupte eines grossbäuerlichen Neffen. Eindridi, von seiner Mutter und seiner Schwester eindringlich darum gebeten, im wahrsten Sinne des Wortes um Gottes Willen dieses Kunststück nicht auch noch zu versuchen, weigert sich deshalb, den geforderten Meisterschuss zu tun. Als darauf der König auch beim Dolchspiel wahrhaft wunderbare Taten vollbringt, gibt sich Eindridi geschlagen und tritt dem Christentum bei.

William of Cloudesly
In einer Ballade, welche im Jahre 1536 gedruckt wurde, schiesst der Engländer William of Cloudesly vor dem König auf genau zwanzig mal zwanzig Schritte einen Apfel vom Haupte seines Sohnes, wobei er zur Abwechslung diese Probe dem Herrscher sogar selber vorschlägt. Das nicht näher datierte Volkslied des Apfelschusses von Cloudesly ist eine Art Robin-Hood-Ballade, die von den drei Geächteten, in den Wald gegangen Schützen William of Cloudesly, Adam Bell und Clim of the Clough erzählt. Im Verlauf der Handlung wird William gefangen, befreit und zieht dann mit seinen Gefährten zum König, um Gnade zu erbitten. Die Königin erwirkt ihre Begnadigung. Der König erfährt frühere Übeltaten und verlangt Schiessproben. Nach erfolgreichem Abschluss der Schiessproben erklärt William, dass er die Ziele zu gross fände. Die zweite der daraufhin vom Schützen selbst vorgeschlagene Prüfung betrifft den Apfelschuss. William schiesst dabei ebenfalls einen Apfel vom Haupte seines Sohnes und zwar auf die Entfernung von genau zwanzigmal zwanzig Schritt. Unter dem Eindruck von Williams Schiesskunst nehmen der König und die Königin den Geächteten in ihren Dienst, der jedoch mit seinen beiden Gefährten zuvor nach Rom zieht, um Vergebung der früheren Sünden zu erlangen. Das der Vorname von Cloudesly ebenfalls Wilhelm lautete, mag ein Zufall sein.

Henning Wulf und Christian I
Auch an der Elbemündung, in Dammedocht in der holsteinischen Wilstermarsch, muss der Marschenhauptmann und Meisterschütze Henning Wulf das Apfelkunststück Christian I von Dänemark vorführen, das er allerdings schon einige Male zuvor, und stets mit dem Kopf des eigenen Sohnes als Einsatz, ausprobiert hatte. Der König will sich eigentlich nur an einem Paradestück der Schiesskunst ergötzen. Als er jedoch auf die Frage nach den weiteren Pfeilen die übliche, wenig liebenswürdige Antwort bekommt, erklärt er Henning Wulf für vogelfrei, und der Marschenhauptmann wird auch prompt auf der Flucht erschlagen. Problematisch ist diese Legende, die zwei historischen Persönlichkeiten angehängt wurde, weil sie nicht durch eine genau datierbare Handschrift, sondern nur durch ein heute nicht mehr erhaltenes Bild in der Kirche von Wevelsfleht überliefert wurde, das schwierig zu datieren ist.

Punker von Rohrbach
In dem Freischützen Punker aus Rohrbach, heute ein Vorort von Heidelberg, begegnet man dem leibhaftigen Gegenteil des guten Königs Olaf aus der Geschichte von Eindridi Breitferse. Punker schiesst nicht mit Gottes Hilfe wie der fromme König, sondern mit dem Beistand des Teufels diesmal sogar ein Geldstück vom Sohneshaupt. Wie jeder richtige Freischütz hat er nach der Sage an einem Karfreitag während der Messe drei Pfeile in das Kruzifix gejagt. Darauf sind ihm von Teufel täglich drei „sichere“ Pfeile verliehen worden, die ihr Ziel niemals verfehlen. Wo der erste gelandet ist, weiss man bereits. Die übrigen brauchte Punker bei der Belagerung der Burg Lindenbrunn durch den Pfalzgrafen, in deren Verlauf er täglich drei Verteidiger herunterschoss. Dieser Methode mangelte natürlich jede Effizienz, aber sie führte schliesslich doch noch zum Erfolg. Einen der letzten Pfeile verwendete er dazu, seinem Knaben zum Beweis seiner Schützenkunst auf zwanzig Fuss Entfernung eine Münze von der Mütze zu schiessen. Schliesslich nimmt auch Punker ein böses Ende. Im letzten Satz der Sage erfährt man, dass er über Bauern regierte, die er so lange unterdrückte, bis sie ihn eines Tages überfielen und mit Hacken und Schaufeln erschlugen. Enthalten ist die ganze diabolische Geschichte im Hexenhammer

Ich habe gar nicht gewusst, dass der "gute" Harald "der Harte" als so übler Typ in manchen Sagas rüberkommt.

Was die Nidung-Wieland-Beziehung betrifft, in die auch die Egil-Nidung-Episode, habe ich den Eindruck, dass sich da zwar wirklich nichts "schuldig" bleiben und sich gegenseitig schaden, aber ich hatte beim Lesen auch den Eindruck, dass die beiden Gegenspieler eine gewisse Sympathie für einander haben, und wenn sie das nicht zugeben würden.

Was mich im Drama von Schiller ursprünglich immer ein wenig gewundert hat, war, dass Tell den Apfel ganz "heimlich" hinunterschießt, so nebenbei, während Rudenz gerade Miene macht, auf Gessler los zu gehen. Mir wurde erst später klar, dass das dramaturgische Gründe hatte. Zuseher/innen sind abgelenkt, sodass der Schuss nur simuliert werden kann und Tell gar nicht schießen oder gar treffen muss.

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Interessant ist auch, die "Internationalität" der "Apfelschussgeschichten", obwohl das Motiv ursprünglich ein altnordisches Motiv gewesen sein dürfte.
(25.05.2016 14:26)Teresa C. schrieb: [ -> ]./.

Was mich im Drama von Schiller ursprünglich immer ein wenig gewundert hat, war, dass Tell den Apfel ganz "heimlich" hinunterschießt, so nebenbei, während Rudenz gerade Miene macht, auf Gessler los zu gehen. Mir wurde erst später klar, dass das dramaturgische Gründe hatte. Zuseher/innen sind abgelenkt, sodass der Schuss nur simuliert werden kann und Tell gar nicht schießen oder gar treffen muss.

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"Es lockt der See, er ladet zum Bade"
Was zum einen beweist, dass um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert das Bad im See durchaus üblich war.

Man findet ja rings um den Vierwaldstätter See die meisten Örtlichkeiten von Schillers Schauspiel ohne weiteres, der hat demnach sehr ordentlich und umfassend, nicht zuletzt zum Segen des Fremdenverkehrs, recherchiert.
Wo hat er denn gewohnt während seiner Ortstermine dort?
Müsste ja auch Spuren hinterlassen haben.
Der bewusste Gasthof schlachtet das doch heute garantiert werblich aus.

Hier wohnte der grße Dichter Friedrich von Schiller vom ... bis .... während er an seinem Schauspiel Wilhelm Tell arbeitete mit dem er den Freiheitskampf der Eidgenossenschaft verewigte.
Wobei wir vielleicht nicht übersehen sollten, dass Schillers Drama weniger ein Geschichtsdrama ist (obwohl viele Schweizer Freilichtbühnen Tell-Festspiele veranstalten, in denen Schillers Drama als historisches Spektakel inszeniert ist), sondern ein "Zeitstück": der Kampf gegen Napoleon, der in Schillers historischen Stoff sehr wohl eingeflossen ist. (Nicht uninteressant ist hier übrigens der Vergleich mit berüchtigten "Hermannsschlacht" von Heinrich von Kleist, wo der Widerstandskampf gegen die gar nicht so bösen Römer (Franzosen) als durchaus fragwürdige Angelegenheit gezeigt wird. Ganz anders bei Schiller, wo Gessler und seine Leute (Schillers Franzosen) eindeutig nur das bekommen, was sie verdient haben und alles Mögliche aufgeboten ist, dass Publikum das auch eindeutig kapiert.)

Ich habe das Stück relativ jung (und damals aus persönlichen Interesse) gelesen. Wie Shakespeares Triologie "Henry VIII." meine erste Begegnung mit den "Rosenkriegen" damals war, war der "Tell" damals eben eine spannende Geschichte über tapfere, redliche Bürger, die sich gegen böse Schurken zur Wehr setzen, und das letztlich mit großem Erfolg.

Damals sah ich als Kind noch keineswegs die Brutalität und Grausamkeit, die in der "Apfelschuss-Szene" steckt, dass hier nämlich ein Vater zu einer Probe gezwungen wird, bei der er sein eigenes Kind töten könnte, sondern für mich war Tell der Held, der eine schwierige Aufgaben lösen muss, und es war natürlich klar, dass ein "richtiger" Held das auch schafft. (Sonst wäre er für mich damals kein "richtiger" Held gewesen.)

Die Sicht auf die Tat des Helden, bei der die Gefährdung des eigenen Kindes in den Hintergrund tritt, wird übrigens in einigen anderen "Apfelschuss-Versionen" noch deutlicher vermitteln, ein gutes Beispiel ist z. B. eben von Aguyar so anschaulich beschriebene "Nuss-Schuss".

Eines habe ich allerdings damals auch schon gefühlsmäßig seltsam bei Schiller gefunden. Dass Tell den Hut nicht grüßt, wird in Schillers Drama damit begründet, dass er von dieser Verordnung nichts weiß. Anders als in Schillers Vorlagen gerät Tell also mit dem "bösen" Gessler und seinem Regime aneinander, weil er eine Order nicht erfüllt hat, von der er nicht einmal gewusst hat. Da hat es mich damals schon überrascht, dass Gessler überhaupt keine Chance gibt, das "Versäumnis" mit dem Hut "wiedergutzumachen". Ich war schon erstaunt, dass er nicht erst einmal z. B. meint: "Also gut, Tell, du hast diese Order nicht beachtet, weil sie dir nicht bekannt war. Jetzt weißt du es besser, also grüß den Hut, und für das nächste Mal, sei ein wenig aufmerksamer, was unsere Befehle betrifft."

Dass Schiller hier nur die Absicht hatte, Gessler und sein Regime als besonders böse darzustellen, in dem er Tell hier eben nicht als entschlossenen Freiheitskämpfer zeigt, der mit Absicht demütigende Befehle missachtet, sondern als Opfer präsentiert, dem sogar die Entscheidung zum Widerstand abgenommen wird. (In wie weit hier auch für Schiller ausschlaggebend war, dass er Tell nicht als einen "Rabenvater" rüberbringen wollte, der das Leben seines Sohnes leichtfertig aufs Spiel setzt, um als Widerstandskämpfer zu reüssieren, wäre hier ebenfalls zu überlegen.)

Im Vergleich zu Schillers Vorlagen ist das sehr deutlich zu erkennen, denn da finden wir z. B. eine Version, in welcher der gute Tell mehrmals über den Platz marschiert, ohne den Hut zu grüßen, hier also leistet Tell nicht nur Widerstand gegen aus seiner Sicht demütigende und unsinnige Gesetze, sondern er provoziert Gesslers Leute zusätzlich.
so kommt der Tell in die -freiheitssage
Zitat:1472 taucht Tell im "Weißen Buch von Sarnen" als "Thall" zum ersten Mal auf, allerdings ohne Jahresangabe. Zeitgleich wird er im "Lied von der Entstehung der Eidgenossenschaft" erwähnt. Gelebt haben soll er um 1300, auch weil der Rütlischwur auf 1307 datiert wurde, aber erst Jahrhunderte später und ohne Belege. 1354 soll Tell bei der Rettung eines Kindes aus einem Bach gestorben sein. Um 1570 setzt der Chronist Aegidius Tschudi die Tell-Sage aus verschiedenen mündlichen und schriftlichen Quellen zusammen und formt so die bekannte Geschichte.

Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern .....

welche gewaltige Relvnz hat das noch vor 25 Jahren im "Großen Kanton" (so nennen die Eidgenossen zuweilen Deutschland) gehabt.

Der oftmals schwülstige Schiller hat oft sehr treffende Worte gefunden.

Was frappierend ist, die Geografie in Schillers Schauspiel trifft zu 100% zu.
Die Gegend um den Vierwaldstätter See ist 1:1 ztreffend abgebildet. Dem müssen umfassende Recherchen vor Ort vorausgegangen sein.

Und, ich will den kleinen Spass den ich mir hier erlaubt habe, nicht zu weit treiben.
der Schwabe Schiller war niemals n der Schweiz!

Die Material-Sammlung zu Wilhelm Tell hatte Goethe zusammengestellt, der sie Schller überließ.
Ich dachte, das würden mir die Germanisten hier sofort um die Ohren hauen.
(26.05.2016 21:36)Suebe schrieb: [ -> ]Und, ich will den kleinen Spass den ich mir hier erlaubt habe, nicht zu weit treiben.
der Schwabe Schiller war niemals n der Schweiz!

Das Schwabe Schiller war aber Historiker und wusste, wie man recherchiert...Wink
(27.05.2016 15:03)913Chris schrieb: [ -> ]
(26.05.2016 21:36)Suebe schrieb: [ -> ]Und, ich will den kleinen Spass den ich mir hier erlaubt habe, nicht zu weit treiben.
der Schwabe Schiller war niemals n der Schweiz!

Das Schwabe Schiller war aber Historiker und wusste, wie man recherchiert...Wink

Das ist zweifellos richtig.

MMn hat der Wilhelm Tell für die Innerschweiz seit mindestens 150 Jahren eine zentrale touristische Bedeutung .
Und die kommt ganz klar von den überaus präzisen Ortsangaben und Beschreibungen, die Schiller so kaum aus "Eigenem" leisten konnte.
Insbesondere da hat die Goethesche Vorarbeit schon einen ganz großen Anteil.
Der Schiller war übrigens auch Knochenflicker. Vulgo Militärarzt.

Eben mit Goethe zusammen eines der letzten Universal-Genies.


OT: Wir hatten mal einen Deutsch-Pauker der konnte sich manchesmal kaum fassen, dass er "wegen dem längst überholten Humboldtschen Bildungsideal" aus uns Flachköpfen "kleine Universalgenies" machen musste.
Ob ers geschafft hat? Shade
Wobei das historische Vorbild tatsächlich der Punker aus Rohrbach gewesen sein könnte,
Der soll nämlich nicht nur eine Sagengestalt sondern ein Gefolgsmann vom Kurfürsten Ludwig IV dem Bärtigen gewesen und bei der Belagerung der Burg Lindelbrunn durch seine Schießkunst eine besondere Rolle gespielt haben, Die Erzählungen über den Punker kursierten also besonders in der Kur-Pfalz
Bedenkt man dass Schiller gute Kontakte nach Mannheim unterhielt, dann ist es wahrscheinlich,dass er dort auch die Geschichten vom Punker mitgekriegt hat.
Sein Problem dürfte nun gewesen sein,dass er die Geschichte vom Tyrannenmord nicht ins Pfälzische verlegen wollte- weil er da ja Schutz und Förderung erhoffte und teilweise auch bekam-
da war die Eidgenossenschaft schon geeigneter
(03.06.2016 23:07)zaphodB. schrieb: [ -> ]Wobei das historische Vorbild tatsächlich der Punker aus Rohrbach gewesen sein könnte,
Der soll nämlich nicht nur eine Sagengestalt sondern ein Gefolgsmann vom Kurfürsten Ludwig IV dem Bärtigen gewesen und bei der Belagerung der Burg Lindelbrunn durch seine Schießkunst eine besondere Rolle gespielt haben, Die Erzählungen über den Punker kursierten also besonders in der Kur-Pfalz
Bedenkt man dass Schiller gute Kontakte nach Mannheim unterhielt, dann ist es wahrscheinlich,dass er dort auch die Geschichten vom Punker mitgekriegt hat.
Sein Problem dürfte nun gewesen sein,dass er die Geschichte vom Tyrannenmord nicht ins Pfälzische verlegen wollte- weil er da ja Schutz und Förderung erhoffte und teilweise auch bekam-
da war die Eidgenossenschaft schon geeigneter


da muss ich dir leider in allerlei hinsicht widersprechen.

der apfelschuss war zu der zeit längst eng verortet in der schweizer mytologie
und die freiheit, zaphod, die freiheit haben die päälzer halt weder im 13. noch im 19. Jahrhundert erstritten. die 48er revolution in der paaalz soll laut Zeitzeuge Fr. Engels ja lediglich eine solene sauferei gewesen sein.
so erkämpft man nicht mal gegen die bajuwaren hehre güter wie die freiheit eines ist. Angel

Schutz und Förderung für Friedrich Schiller in der Pfalz?
Es wär so schön gewesen..., aber richtig ist das Gegenteil.Lightbulb

Nicht mal geduldet hat man ihn in Mannneem, in die fieberversuchten Rheinauen hat man ihn gehetzt, wo er sich die Malaria einfing, an der er nach sehr langem Siechtum verstarb.
Vielfach abgeschrieben und noch öfter verkündet, ist der Schutz und die Unterstützung alldem zum Trotz leider nicht wahr.
Na ja,Am 13. Januar 1782 wurden Die Räuber vom Mannheimer Theater unter der Intendanz Wolfgang Heribert von Dalbergs erfolgreich uraufgeführtebenso wie später der Fiesco und Kabale u.Liebe und ein Jahr lang war er als Theaterdichter in Mannheim angestellt, und an Euren bösen Herzog lieferte man ihn auch nicht aus -wenn das kein Schutz und keine Förderung ist dann weiss ich nicht.
Seine Reisen nach Frankfurt am Main, Oggersheim und Bauerbach in Thüringen machte er übrigens aus freien Stücken,getrieben wurde er nicht ,zumindest nicht von den Pfälzern.
Und die Malaria hat er sich in Mannheim auch nur geholt ,weil er als Schwabe alles nahm,was nix koschdBig Grin und wenn es eine Malarie ist, Meine Vorfahren haben jahrhunderte lang in den Rheinauen gewohnt ,durch die er gereist ist und in unserer Familiengeschichte ist kein einziger Fall von Malaria bekannt

Engels darf man da nicht für voll nehmen -der Mann war Junhegelianer und aus Barmen
In der Pfalz wurde keineswegs nur gesoffen-es gab Gefechte bei Kirchheim-Bolanden .Ludwigshafen, Rinnthal,Heppenheim,Waghäusel,Ladenburg,Käfertal und bei Rastatt kämpften massgeblich Pfälzer Verbände mit.

Und was den Apfelschuss betrifft,muss ich Dir auch widersprechen,oh Suebe
die Sage um den Tellschen Schuss taucht erstmals um 1472 im weissen Buch von Sarnen auf,und fast zeitgleich wird im Hexenhammer die Story vom Punker erwähnt, die sich laut dortigen Angaben um 1430 ereignet haben soll.Die Belagerung der Burg Lindelbrunn bei der der Punker seine Schießkunst gezeigt haben soll fand 1441 oder 1450 statt,also auch noch vor der Tell-Sage-
Da dürfte klar sein,wo das Vorbild und wo die Adaption liegt.
Zwar gibt es auch noch ältere Meisterschuss-Versionen in den Gesta Danorum um 1200 und der Thidrekssaga ,jedoch scheint mir auf Grund des größeren örtlichen und zeitlichen Abstands hier eine Verbindung zur Tell-Sage weniger wahrscheinlich-
Liegt ein Punker im Keller, war der Tell mal wieder schneller.

Spass beiseite zaphod,
es ging um die Freiheit,
und die hat halt außer jenem glücklicheren Teil des schwäbisch-allemannischen Stammes im Spätmittelalter niemand errungen und vor allem behalten.

Zur Malaria, die Geschwister deiner Vorfahren, die daran abgenippelt sind, hast du leider vergessen.

OT: die Malaria hatte übrigens mein Vater, nicht aus den Rheinauen sondern vom Wolchow.
Aus der Kurpfalz hatte er die Reval, die ihm den Rest gaben...


TT: Zum Despoten. Der Schiller hat auf Staatskosten studiert! Hat seinen Vater keinen Pfennig gekostet. Analog mein Neffe bei der demokratischen Bundeswehr, und auch die haben ihn für 12 Jahre unterschreiben lassen.
Ich weiß nicht, ob unsere Republik ihm beim nostalgischen "Heimat-Besuch"
nach einer Flucht während der 12 Jahre, "freies Geleit" zugesichert hätte.
Das heißt, ich weiß es schon, die Handschellen hätten geklickt.Idea
(05.06.2016 10:43)zaphodB. schrieb: [ -> ]Und was den Apfelschuss betrifft,muss ich Dir auch widersprechen,oh Suebe
die Sage um den Tellschen Schuss taucht erstmals um 1472 im weissen Buch von Sarnen auf,und fast zeitgleich wird im Hexenhammer die Story vom Punker erwähnt, die sich laut dortigen Angaben um 1430 ereignet haben soll.Die Belagerung der Burg Lindelbrunn bei der der Punker seine Schießkunst gezeigt haben soll fand 1441 oder 1450 statt,also auch noch vor der Tell-Sage-
Da dürfte klar sein,wo das Vorbild und wo die Adaption liegt.
Zwar gibt es auch noch ältere Meisterschuss-Versionen in den Gesta Danorum um 1200 und der Thidrekssaga ,jedoch scheint mir auf Grund des größeren örtlichen und zeitlichen Abstands hier eine Verbindung zur Tell-Sage weniger wahrscheinlich-

Da muss ich widersprechen: Die älteste Apfelschuss-Sage ist, wie Du gesagt hast, diejenige von Toko (Gesta Danorum), wobei es sich bei der "Dänenchronik", wie der Name sagt, um ein mittelalterliches Geschichtswerk Dänemarks handelt. Der Tyrann, mit dem es der sagenhafte Apfelschütze Toko zu tun hat, ist König Harald I Blauzahn, der wesentlich früher gelebt hat.

Dass aber die verschiedenen Apfel-, Nuss-und Brettspielstein-Schüsse keine Verbindung zeinander haben sollen, halte ich hingegen für unwahrscheinlich. Als Indiz dafür gilt, dass in den meisten älteren Schüssen
(Punker ausgenommen) zwei Pfeile hinaus gelegt werden, um im Fall eines Fehlschusses den jeweiligen Tyrannen zu erschiessen. Und meistens ist es auch ein Verwandter (Sohn, Neffe, Bruder) welcher den Kopf hinhalten muss. Diese Übereinstimmungen sprechen dafür, dass es sich immer wieder um dieselbe Sage, lokal variert und in andere Zusammenhänge integriert, handelt.

Und gerade auch das Beispiel von Punker spricht meiner Meinung dafür, dass es sich beim Apfelschuss um eine "Wandersage" oder ein "Wandermädchen" handelt. Und zwar, gerade hier nicht als älteste, sondern als neuste Version. Im Hexenhammer wurde ganz offensichitlich bewusst ein recht weit verbreitetes Sagenmotiv eingebaut, um Punker als teuflischer Schützen darzustellen.

Gemeinhin gilt, meines Wissens, folgende zeitliche Reihenfolge der Sagenversionen:
1) Toko, 2) Egil, 3) Heming, 4) Eindridi Breitferse, 5) Wilhelm Tell, 6) William of Cloudesley, 7) Henning Wulf, 8) Punker von Rohrbach

Das "weisse Buch von Sarnen", welches die älteste Schriftquelle Tells darstellt, entstand 1470 / 1472. Es handelt sich dabei eigentlich um eine Art Kanzleibuch des Landortes Obwalden, in welchem die Abschriften der verschiedenen Veträge und Bündnisse des Landes enthalten sind. Erst am Schluss des Buches ist die Sage aufgeführt. Die Tell-Sage - resp. die "Befreiungssage" wie es in der CH gelegentlich heisst - dürfte in ihren Ursrüngen etwas älter sein, aber wohl nicht vor dem 15. Jahrhundert liegen. Es gab allerdings noch andere Quellen wie etwa das "Burgunderlied" (entstanden in den Burgundekriegen), ganz abgesehen von der mündlichen Tradierung. Als Schiller von Goethe auf den Stoff aufmerksam gemacht wurde, war die Tellsage bereits (wie Suebe richtig bemerkt hat) als touristische Werbung im Umlauf, aber um diese Zeit war das weisse Buch von Sarnen noch völlig unbekannt resp. die Sage im hinteren Teil des Kanzleibuches hatte noch niemand bemerkt. Man "entdeckte" dies im Übrigen sogar erst nach der Urauffürhung Tells.

Die Verbindung zwischen Toko und Wilhelm Tell entdeckte man ebenfalls bereits im Zeitalter der Aufklärung. 1760 verfasste der Berner Pfarrer Uriel
Freudenberger (Mitglied der Deutschen Gesellschaft Berns) die Schrift "Wilhelm Tell, ein dänisches Märchen", welche vom Aufklärer Gottlieb Haller aufgearbeteitet und herausgegeben wurde. Wie man sich vorstellen kann brach in der Folge - vor allem in der Innerschweiz - ein Sturm der Entrüstung los. In Altdorf in Uri wurde das Büchlein sogar vom Henker verbrannt.
In der Folge einige Überlegungen Über Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Adaptionen der verschiedenen Apfelschuss-Sagen. Also spätestens ab hier kann es langweiligen werden Big Grin

Die verschiedenen überlieferten Meisterschüsse unterscheiden sich trotz aller vorhandenen Gemeinsamkeiten, die auf einen gemeinsamen Ursprung hinweisen, deutlich voneinander. Die Art des Zieles und der Verwandtschaftsgrad des Angehörigen des Helden unterscheiden sich beträchtlich. Übrig bleibt, als Gemeinsamkeit, dass es sich um einen Schuss auf einen schwer zu treffenden Gegenstand handelt, der auf dem Kopf eines nahen Verwandten placiert wird. Auch die Reaktionen des Kontrahenten auf die Drohung des Helden, die restlichen Pfeile seien bei einem Fehlschuss dem Tyrannen zugedacht, scheinen auf den ersten Blick recht unterschiedlich zu sein. Das Ende des Tyrannen wird ebenfalls recht unterschiedlich überliefert. Die Waffe, mit der der Meisterschuss ausgeführt wird, ist meistens der Bogen, während sich Tell dabei der Armbrust bedient.

Wenn man nach den Gemeinsamkeiten der verschiedenen Apfelschussgeschichten fragt, findet sich sowohl bei Toko als auch bei Heming den Apfelschuss nicht isoliert, sondern in Verbindung mit einer Skifahrt. Daraus lässt sich schliessen, dass die Heldentat des Dänen Toko der norwegischen Heming-Sage entnommen sein muss, da, um einen wichtigen Grund zu nennen, der Skilauf in Dänemark zur Zeit der Niederschrift der Chronik des Saxo Grammaticus, eine unbekannte Kunst war.

Auffallend ist, dass Toko und Heming als Höhepunkt ihrer Abenteuer eine rasante Skifahrt und nicht einen Meisterschuss zu absolvieren haben. Die Verquickung dieser beiden Proben findet sich jedoch in der Urfassung der Sage vermutlich nicht, da der Meisterschuss zum Beispiel bei Egil auch allein überliefert ist. Die Heming-Erzählung, die später Tokos Taten „beeinflusste“, wird also zur ursprünglichen Trägerin der Probe mit der Skifahrt, während sich die Geschichte vom Meisterschuss von jeder Person, die bisher aufgeführt wurde, löst. Denn auch Toko kann leider nicht zum Stammvater der Meisterschützen werden, da diese Figur auf der Heming-Erzählung basiert und ausserdem erst nach ihrem ersten literarischen Auftauchen zu ihrem Apfelschuss kam, genau wie Egil, dessen Erzählung überdies noch der Folgerichtigkeit ermangelt. Und die Geschichte von Eindridi erweist sich bei näherem Zusehen wegen der Übernahme des Wettkampfschemas eindeutig als Weiterentwicklung der Heminggeschichte. Der erste Skichampion aller Zeiten wäre also in Heming glücklicht gefunden. Der Patriarch der Apfelschützen jedoch bleibt, vorerst wenigstens, unbekannt.

Fast man die vier Überlieferungsquellen der nordischen Meisterschuss-Sagen ins Auge, so stösst man unweigerlich auf einen weiteren gemeinsamen Punkt. Alle Mutproben spielen sich vor einem recht ähnlichen politischen Hintergrund ab, vor der Auseinandersetzung zwischen den Vertretern eines aufstrebenden Königtums und der alten grossbäuerlichen Freiheit, die sich in Norwegen im 10. und 11. Jahrhundert abgespielt hat. Diese Machtprobe zeigt sich besonders deutlich bei Toko und Heming, die durch einen reinen Willkürakt des Herrschers zum gefährlichen Schuss gezwungen werden. Überall steckt der Held – mit Ausnahme des Herrn Eindridi Breitferse, der überhaupt nicht schiesst – die Reservepfeile, mit denen er sich bei einem Versagen seiner Hand gerächt hätte, in das Göller, und spricht die berühmte Drohung gegen den König aus. Diese Drohung weist den Weg zur Lösung des Problems mit den verschiedenen Überlieferungsversionen. Es ist zu überlegen, wie sich die Apfelschussgeschichte aus ihren Voraussetzungen heraus abgespielt hat. Dabei darf getrost angenommen werden, dass eine Drohung gegen einen Herrscher, der den Schützen kurz zuvor selbst mit dem Tode bedroht hat, nicht einfach in der Luft verpuffen, dass heisst, stillschweigend übergangen werden oder sogar noch mit Beifall aufgenommen werden kann.

Ein König, der den Schützen zuerst mit dem Tode bedroht und ihn nachher dafür belobigt, dass er bei einem Fehlschuss ein Attentat auf ihn verübt hätte, ist ein Widerspruch in sich. Besonders deutlich wird die Folgerichtigkeit bei der auf Heming basierenden Geschichte von Eindridi gestört, die nun auch den Meisterschuss des Königs, der immerhin den Verwandten des Schützen in Lebensgefahr bringt, zu einer blossen Schützenprobe degradiert. Dem Zweck dieser Bekehrungslegende entsprechend kann dabei allerdings zum vornherein nichts schief gehen, da ja der Herrgott persönlich seinem König den Bogen führt, um eine heidnische Seele zum Christentum zu bekehren.

Solche inneren Widersprüche, die sich besonders bei der Heming- und der Egil-Erzählung darlegen lassen, führen zur berechtigten Vermutung, dass die Chronisten die ursprüngliche Apfelschuss-Sage den Bedürfnissen ihrer Stoffes entsprechende gestaltet und nicht unverfälscht in ihre Werke aufgenommen haben.

Alle nordischen Apfelschüsse spielen sich im Norwegen des 10. / 11. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen einem Einheitskönigtum, das seine Macht auf das ganze Land auszudehnen versucht, und einem freien Bauerntum ab, dessen Führer sich dieser Zentralisierung widersetzten. Träger der einheitlichen Reichsidee waren dabei die historisch belegbaren Könige Olaf I Tryggvason, Olaf II der Heilige und Harald III der Harte, die sich mit der christlichen Kirche verbunden hatten. Auf der Gegenseite standen die alten Geschlechter der Bauernführer in den einzelnen Talschaften oder Regionen, die sich oft nicht nur gegen das Einheitskönigtum sondern auch gegen die Christianisierung durch Bekehrerkönige sträubten. Diese recht dramatisch verlaufenden Kämpfe endeten mit dem völligen Triumph des Königtums und der mehr oder meist weniger freiwilligen Einordnung der führenden Bauerngeschlechter in die neue Staatsform. Mit dem Einzug des Christentums in Skandinavien endete gewissermassen auch das freie Bauerntum.

Auf diesem Grunde ist die von den Königen geförderte norwegische Überlieferung in erster Linie eine Königs- und gleichzeitig eine Bekehrungsgeschichte, also eine Aufzeichnung jener Partei, die sich durchsetzten konnte.

In diesen Rahmen passte nun die oft nur mündlich überlieferte bäuerliche Tradition, der ja auch die Geschichte vom bösen König und dem guten Schützen angehört, wahrhaftig wie die Faust aufs Auge. Wie sollte sich auch plötzlich das Bild eines rabenschwarzen tyrannischen Königs, der seine Untertanen zu verbrecherischen Meisterleistungen zwingt, mit den rosarot angehauchten Königsportraits vertragen, mit denen der Rest der Chronik angefüllt war ? Dieser Widerspruch blieb natürlich auch den Chronisten nicht verborgen. Da sie dennoch nicht auf die höchst interessante Geschichte mit dem Apfelschützen verzichten wollten, zimmerten sie die Sage eben nach ihren Bedürfnissen zurecht.

So wird der Schluss der Henning-Geschichte, der ja nach der inneren Folgerichtigkeit der Sage für den König tragisch ausgehen müsste, einfach dadurch abgebogen, dass der Chronist den Helden durch den Heiligen Olaf retten lässt, dem er versprechen muss, auf jede Rache zu verzichten.

Auch bei Eindridi wird der Apfelschuss christlich übermalt und bar jeder inneren Logik zu einer Bekehrerlegende umfunktioniert. Und der Chronist, der die Taten Egils in den Wielandroman der Dietrichssage einfügte, geht auch nicht gerade zimperlich mit dem Stoff um und lässt zum Beispiel den König die Antwort des Helden, dass er sich bei einem Fehlschuss an ihm gerächt haben würde, mit Beifall aufnehmen.

Es besteht nun allen Grund zur Annahme, dass die Apfelschusshistorie von Wilhelm Tell, Hauptbestandteil der Befreiungssage, von der Toko-Erzählung abstammt, mit der sie zu einem wesentlichen Teil übereinstimmt. Eine direkte Übernahme des Textes des Werkes des Saxo Grammaticus in das Weisse Buch von Sarnen muss jedoch aus den verschiedensten Gründen ausgeschlossen werden. Es lässt sich kein direkter, wohl aber ein mittelbarer Einfluss nachweisen.

Möglicherweise haben wandernde Literaten oder Spielleute, Predigermönche oder Rompilger, die im 15. Jahrhundert von Norden nach Süden halb Europa durchstreiften, in ihrem Herkunftsland irgendeine an Saxo angelehnte Version der Sage gehört und sie, sei es in gereimter Form oder als einfache Erzählung, mündlich weitergegeben. Auf diese Weise könnte die nordische Sage auch in das deutschsprachige Gebiet vorgedrungen sein, wo sie bald zum allgemeinen Bildungsgut gehört haben dürfte. Wenn es sich nicht, wie andere Forscher meinen, sogar um ein Sagenmotiv handelt, das allgemein verbreitet war. Denn die Geschichte vom Meisterschützen ist damals innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne an zwei verschiedenen Orten aufgezeichnet worden: 1420 / 1470 im Weissen Buch von Sarnen und 1487 im Hexenhammer, der in Strassburg gedruckt wurde.

Allerdings lässt sich im Mittelalter zwar ein mannigfacher Kulturexport vom Süden in den Norden nachweisen. In umgekehrter Richtung jedoch reicht die Zunge der nordischen Kultur viel seltener bis in südliche Breiten hinunter. Dass trotzdem ein Austausch von Sagengut vom Norden nach Süden stattgefunden hat, beweist die Geschichte eines Eisbären in einer Sage, die sich in Norwegen nachweisen lässt. Diesen Bären lässt der norwegische König seinem dänischen Kollegen von einem wandernden Bärenführer als Geschenk überbringen. Ein ostdeutscher Dichter, wahrscheinlich Heinrich von Freiberg, hat die schwankhafte Volkssage vor 1300 in einer mittelhochdeutschen Versnovelle verwendet. Norwegisches Erzählgut ist also Hunderte von Kilometern entfernt in deutschem Gebiet dichterisch gestaltet worden.

Ein weiterer Sagenaustausch von Norden nach Süden zeigt sich in dem wachsenden Appetit eines Drachens, der sich zuerst artig erschlagen lässt, aber später Menschen zu fressen beginnt. Konrad Justinger, der Stadtschreiber von Bern, führt das Tier zum ersten Mal um 1420 in seiner Berner Chronik vor, im Zusammenhang mit der Gründungssage von Burgdorf. Die Festung Burgdorf soll laut alten Berichten von den beiden Brüdern Sintran und Baltran, beides Grafen von Lenzburg, gegründet worden sein, die dort einen Drachen erschlagen hätten. Beide Herren tauchen zusammen mit dem Lindwurm 240 Jahre später in einer Schrift des Luzerners Johann Leopold Cysat wieder auf. Zum Unterschied zur ersten Version wurde diesmal der Kronzeuge Baltran vom Drachen aufgefressen und von seinem Bruder wieder aus dem Drachenmaul herausgeholt.

Den Appetit auf Baltran hat nur der Luzerner Cysat nicht etwa dem Berner Justinger, der darüber nichts berichtet, sondern der Thidrekssage, der nordischen Version der Dietrichssaga, entnommen. Die Thidrekssaga entstand spätestens im 13. Jahrhundert. Justinger weiss 1420 noch nichts von einer Befreiung aus dem Drachen, Cysat dagegen ist 1661 bestens über das Menu des Untiers unterrichtet. Also muss das nordische Motiv vom Baltranfressenden Drachen aus der Thidrekssaga zwischen 1420 und 1661 auch in der Gegend der heutigen Schweiz Verbreitung gefunden haben. Womit auch ein weiterer Beweis für die Wanderung eines Sagenmotivs vom Norden in den Süden erbracht wäre. Die Wanderung der Apfelschuss-Sage von Norden nach Süden wird allerdings vermutlich nie mit völliger Sicherheit belegt werden können.

In der Innerschweiz traf die Apfelschuss-Sage jedenfalls gewissermassen auf den einzigen fruchtbaren Nährboden, der eine Adaptierung an die lokalen Verhältnisse ermöglichte: Auf den Boden einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Feudalherrschaft und Bauerntum. Überall, wo der „durchreisende“ Tell diese für seine Entwicklung günstigen Verhältnisse nicht vorfand, ist er verkümmert und seines eigentlichen Sinnes, Symbol für die Auflehnung gegen eine tyrannische Macht zu sein, beraubt worden. Entweder lief sein Symbolgehalt der offiziellen Version einer nordischen Königsgeschichte zuwider und ist deshalb entsprechend retouchiert worden, oder der Apfelschuss wurde zu einem blossen Paradestück, zu einer blossen Schmuckfeder, die der Chronist seinen Pfeilhelden sozusagen als Dreingabe auf den Heroenhut steckte.

Die Innerschweiz bot der Sage als einziges Gastland auch noch die Voraussetzung für eine geradezu grandiose Weiterentwicklung. Im Gegensatz zu den nordischen, englischen und deutschen Versionen, die stets interessante und volkstümliche, aber für die „Staatswerdung“ unwichtige Episoden blieben, ist der Apfelschuss des Urner Schützen zur zentralen Befreiungstat und sein Urheber zum „ersten Eidgenossen“ schlechthin geworden, dessen Lorbeerkranz die Chronisten des 15. und 16. Jahrhundert und ihre Nachfolger unverdrossen weiter vergoldet haben.
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