Forum für Geschichte

Normale Version: Historische Abweichungen von Fakten - wie weit darf das gehen?
Sie sehen gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.
Eines bitte vorweg, hier geht es mir keineswegs darum, eine Rezension bei Amazon irgendwie bewerten zu wollen, und ich habe das Buch, um das es geht, auch nicht selbst gelesen, bin also wirklich nicht berechtigt, über das Buch selbst irgendwie zu urteilen.

Aber als Demonstrationsbeispiel für eine Frage, über die ich mir schon länger Gedanken gemacht habe, inwieweit in einem historischen (Unterhaltungs-)Roman bei historisch belegten Figuren Hinzugedichtetes zulässig ist, ist diese Rezension, die ich gestern zufällig bei Amazon gefunden habe, ideal.

Was den Rezensenten an diesem Buch lt. seiner Rezension entscheidend gestört hat, ist Folgendes: [...] Jan Hus war bekennender Christ seiner Zeit..., schon allein der Umgang mit seiner erdichteten Freundin enstammt dem Mindset des 21. und nicht des 15. Jahrhunderts! HALLO! Ihm ein uneheliches Kind anzudichten ist meiner Meinung nach unakzeptabel und geht darüber hinaus, "menschliche Schwächen" miteinzubeziehen ! Auch wenn die betreffende Person schon recht weit in der Vergangenheit gelebt hat, hat man nicht das "Recht" solche Fiktionen einzubauen! Leider kann sich der arme Jan Hus nicht dazu äußern ! [...]

Quelle: aus einer Einsterne-Rezension zu Tanja Douglas: Jan Hus, der Feuervogel von Konstanz

Wie seht ihr das?
Einerseits finde ich es im Sinne dichterischer Freiheit in einem Roman eigentlich schon zulässig, dass auch historische Figuren als Menschen gezeigt werden, und dafür bieten sich gerade Beziehungen zu anderen Figuren an. Anderseits aber frage ich mich, wie weit hier gegangen werden darf, ohne dass es auf eine "Verfälschung" der Fakten, der Figur oder der beschriebenen Zeit herausläuft.

Bei dem konkreten Beispiel hier, drängt sich außerdem für mich mit Blick auf den Zeitgeist (und einigen Trivial- bzw. Unterhaltungsromanen mit ähnlichem "Problem" / Protagonist/in wird hingerichtet) noch eine andere Überlegung auf.) Ist die Idee mit dem unehelichen Kind und der Geliebten vielleicht dem Umstand geschuldet, der Geschichte so etwas wie das obligatorische "Happyend" zu geben?

Mich würde sehr interessieren, wie ihr das seht.
Ich sehe das so: Bei einem Roman oder Erzählung, welche sich nicht auf historische Ereignisse beruhen, darf natürlich eine dichterisch freie Handlungsweise erfolgen; doch bei einem Roman mit historischen Hintergrund sollte der Autor schon sich mit der Geschichte der handelnden Personen im voraus beschäftigt haben!
Natürlich kann nicht jede Einzelheit beschrieben werden, aber zu sehr abweichen sollte der Autor wirklich nicht.
Das Gleiche sieht man auch oft bei historischen Filmen, die manchmal oft nicht den historischen Tatsachen entsprechen. Da denke ich z. B. an "Gladiator" (obwohl der Film nicht schlecht ist). Aber da stimmt auch so einiges nicht.
(09.07.2016 11:17)Teresa C. schrieb: [ -> ]Was den Rezensenten an diesem Buch lt. seiner Rezension entscheidend gestört hat, ist Folgendes: [...] Jan Hus war bekennender Christ seiner Zeit..., schon allein der Umgang mit seiner erdichteten Freundin enstammt dem Mindset des 21. und nicht des 15. Jahrhunderts! HALLO! Ihm ein uneheliches Kind anzudichten ist meiner Meinung nach unakzeptabel und geht darüber hinaus, "menschliche Schwächen" miteinzubeziehen ! Auch wenn die betreffende Person schon recht weit in der Vergangenheit gelebt hat, hat man nicht das "Recht" solche Fiktionen einzubauen! Leider kann sich der arme Jan Hus nicht dazu äußern ! [...]

Quelle: aus einer Einsterne-Rezension zu Tanja Douglas: Jan Hus, der Feuervogel von Konstanz

Wie seht ihr das?
Einerseits finde ich es im Sinne dichterischer Freiheit in einem Roman eigentlich schon zulässig, dass auch historische Figuren als Menschen gezeigt werden, und dafür bieten sich gerade Beziehungen zu anderen Figuren an. Anderseits aber frage ich mich, wie weit hier gegangen werden darf, ohne dass es auf eine "Verfälschung" der Fakten, der Figur oder der beschriebenen Zeit herausläuft.

Bei dem konkreten Beispiel hier, drängt sich außerdem für mich mit Blick auf den Zeitgeist (und einigen Trivial- bzw. Unterhaltungsromanen mit ähnlichem "Problem" / Protagonist/in wird hingerichtet) noch eine andere Überlegung auf.) Ist die Idee mit dem unehelichen Kind und der Geliebten vielleicht dem Umstand geschuldet, der Geschichte so etwas wie das obligatorische "Happyend" zu geben?

Mich würde sehr interessieren, wie ihr das seht.

Persönlich finde ich, sind dichterische Erfindungen in einem historischen Roman sogar ein Muss, denn es braucht schon sehr viel Kreativität, einen historischen Roman ausschliesslich auf beweisbaren Fakten aufzubauen. Dichterische Erfindungen und Freiheiten dürfen - alles meine Meinung - allerdings nicht dem entspr. aktuellen Forschungsstand widersprechen. Auch starke Indizien dürfen im hist. Roman nicht ignoriert werden und der Zeitgeist - d.h. die Wertvollstellungen der Epoche sollten berücksichtigt werden und nicht unsere eigenen in die Epoche transferiert werden.

Im vorliegenden Fall ist die die Erfindung eines unehelichen Kindes und einer Geliebten von Jan Hus historisch eigentlich sogar passend. Unehliche Kinder waren im Mittelalter zwar diskriminiert, insbesondere nicht erbberechtig, aber ein grosser Skandal wie in späteren Zeiten waren sie nicht. Bei Geistlichen war dies etwas anderes, aber im Vergleich hielt sich die gesellschaftliche Empörung auch in solchen Fällen meist in Grenzen.

Soweit man die Wertvorstellungen und Lebenfsformen mittelalterlicher Gesellschaften nach vollziehen kann, waren uneheliche Kinder zweitweise regelrecht an der Tagesordnung - und nicht nur beim Adel. Jan Hus war Magister und lehrte an der Universität, er war als eigentlich, zum Mindesten ursprünglich, nicht einmal Kleriker. Ein unehliches Kind hätte seinem Ansehen keinen Abbruch getan. Insofern ist nach meiner Einschätzung nicht nur nichts gegen ein unehl. Kind einzuwenden, sondern es ist, unter Berücksichtigung der damaligen Gegebenheiten, sogar noch sinnvoll und würde die "historische Realität" erhöhen. Allerdings dürfte im Roman dann die Existenz des Kindes nicht nach unseren Massstäben beurteilt werden.

Vielleicht wollte der Autor mit der Geliebten etwas mehr Dramatik in die Geschichte bringen und es schwebte ihm das Vorbild von Abaleard (der war auch gelehrter Magister und hatte sich mit dem Klerus, u.a. mit Bernahrd von Clairvaux angelegt) und Heloise vor.

Geliebte und uneheliche Kinder kann man historischen Persönlichkeiten des Mittelalters eigentlich immer unterstellen (historisch würde es passen), es sei denn, die Fakten- und Indizienlage liesse das eindeutig nicht zu. So wäre es beispielsweise nicht so eine gute Idee, dem kastilischen König Heinrich IV (g. 1474), der mit den Beinamen "der Unvermögende" oder "der Impotente" in die Geschichte eingegangen ist, uneheliche Kinder unterzujubeln.
Mal vom Beispiel Jan hus losgelöst - die Kunst bei einem historischen Roman, der sich um eine historische Figur dreht, ist es m.E., die Figur so zu gestalten, dass sie den historische gesicherten Fakten entspricht und dann so viel dazu zu dichten, dass die Figur nicht verfälscht wird (es hätte also auch nach Faktenlage so sein können wie im Roman beschrieben), dabei aber trotzdem in einen belletristischen Trivialroman hineinpasst, also in eine spannende Handlung, denn anders verkauft sich ein Buch ja wohl nicht.

Der hier im Forum schon einmal (mehrmals?) erwähnte Walther-Roman ist so ein Beispiel. Wir wissen über Walther von der Vogelweide so wenig, dass diese Figur geradezu dazu einlädt, belletristisch "aufgeladen" zu werden, denn niemand kann sagen, ob es nicht tatsächlich so gewesen sein könnte, die Quellen geben einfach nicht mehr her. Was aber über Walther bekannt ist, wird im roman auch so dargestellt, wie es wahrscheinlich war...
Autoren historischer romane gehen allerdings oft auch so vor, dass sie eine komplett erfundene Figur in den Mittelpunkt ihres romans stellen und diese Figur dann mit historisch belegten Figuren umgeben. Da die historischen Figuren dann ja nur in der Rahmenhandlung vorkommen, kann man sich die historisch belegten Ereignisse herauspicken und sie aus sicht der erfundenen Figur so darstellen, wie die Historiker glauben, dass sie passiert sind. Und schon hat man einen glaubwürdigen historischen Roman - solang die fiktive Figur auch in die historischen Rahmenbedingungen passt. Rebecca Gablés Rosenkrieg-Romane sind für diese Art Roman das Beispiel, das mir momentan zuerst einfällt...Wink
Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, wie weit so etwas gehen kann. Ich weiß, dass ich einmal ein Buch in die Ecke geworfen habe, weil die in London einziehenden Normannen 1066 mit kartoffeln beworfen wurde, und mich an dem an sich reizvollen "Sherlock Holmes und jack the ripper" wundgerieben habe, weil der Autor die Ripper- morde völlig durcheinander geworfen hat. Also wenn ich weiß, dass es falsch ist, dann stört es mich.
Andererseits sind historische Romane oftmals eine gute Gelegenheit, unkonventionelle Theorien zu bearbeiten, für die die historische Faktenlage zu dünn ist.
Aber für mich macht der Reiz eines historischen Romanes aus, dass man sich versucht, in die Denkweise von Menschen früherer Zeiten zu versetzen, auch wenn man letztendlich nicht weiß, ob es stimmt.
Es kommt also darauf an, ob es in sich stimmig ist...
Ich finde Eure Überlegungen sehr interessant. Dichterische Freiheit kann relativ großzügig interpretiert werden. Wie weit darf Autor/in gehen, zudem oft genug, das, was historisch belegter Fakt gilt, sich bei näherer Überprüfung von Quellen / Ursprung eigentlich fragwürdig ist.

Wahrscheinlich ist auch ausschlaggebend, warum es Abweichungen von dem, was überliefert ist, gibt und was mit diesen Änderungen (Abweichungen / (Dazu-)Erfindungen beabsichtigt wurde. Weiter ist entscheidend, wie diese Änderungen eingebaut bzw. umgesetzt wurden und letztlich zählt das Endergebnis.

Handelt es sich bei den Abweichungen um Fehler oder Schlamperei oder fehlendes Hintergrundwissen bzw. mangelndes Einfühlungsvermögen in den historischen Kontext. Eine Ursache kann eine schlechte / oberflächliche Recherche sein, vielleicht auch Bequemlichkeit sein. Populärwissenschaftliche Sachbücher sind nun einmal einfacher zu kriegen als wissenschaftliche, quellenfundierte Sachbücher und leichter zu lesen.

Allerdings kann es auch damit zusammenhängen, dass es zu dem Thema keine Sekundärliteratur (mit einem gewissen, objektiven und wissenschaftlichen Anspruch) gibt, die neueren Datums ist, und die vorhandene Literatur einfach veraltet oder von der Entstehungszeit geprägt.

Dann gibt es noch eine undurchsichtige oder nur scheinbar objektive Quellenlage. Schon die Berichte der Zeitgenossen/innen können unzulässig sein, da parteiisch (bis zur Propaganda) oder auch, weil diese eben zu wenig über tatsächliche Umstände informiert waren oder ihnen schlicht der Überblick fehlte.

Hinzu kommen noch dramaturgische Gründe, ein gutes Buch lebt z. B. von der Interaktion seiner Figuren miteinander.

Der Hauptgrund aber dürften wohl doch Zugeständnisse an den aktuellen deutschen Buchmarkt sein.
Das Thema ist nicht einfach zu beantworten. Da es sich um einen Roman (oder einen Film) handelt, sollte dichterische Freiheit gestattet sein. Manche Autoren weisen ihre Leser daraufhin. Ich finde das okay, wenn man im Falle dichterischer Freiheiten dann über die tatsächlichen Geschehnisse informiert wird.

Ich denke aber, dass das Problem nicht nur beim Produzenten (Autor / Drehbuchautor, Regisseur) liegt, sondern auch beim Konsumenten (Leser, Filmgucker) liegt. Man ist halt nur bereit die Unterhaltung anzunehmen und nicht bereit, sich in Fachbüchern oder Fachzeitschriften zu informieren. Seit Dan Brown sind viele Leute überzeugt, dass Jesus und Maria Magdalena ein Liebespaar waren und Nachkommen hatten. Das Bild Neros ist wohl von Sinkiewiczs Roman oder besser von Peter Ustinovs Darstellung geprägt und Historiker können schreiben, was sie wollen, das Image Neros lässt sich wohl nicht mehr so leicht ändern. Das zeigt, was gute schauspielerische Leistungen ausmachen können. Peter O'Toole und Katherine Hepburn prägen seit "Der Löwe im Winter" das Bild von Heinrich II. von England und Eleonore von Aquitanien und Richard Löwenherz gilt seitdem als homosexuell, was eher dem Zeitgeist um 1970 geschuldet ist, als historischen Fakten.

Dies sprengt nicht unbedingt den Rahmen der dichterischen Freiheit und kleine Abweichungen von den Fakten sind durchfall sinnvoll. Im 1994 gedrehten französischen Film "Die Bartholomäusnacht" (nach Alexander Dumas "Die Königin Margot" und nicht zu verwechseln mit "Die Bartholomäusnacht" von Prosper Merimee) sind z.B. die Darsteller von Margot, Heinrich von Navarra oder Karl IX alle um die 40 Jahre alt, während die historischen Vorbilder im Jahre 1572 zwischen 18 und 21 Jahre alt waren. Es wäre deshalb interessant, ob dies aus Unachtsamkeit geschah oder ganz bewusst negiert wurde. Andererseits: Hätte damals eine neunzehjährige Schauspielerin die Rolle der Margot so ausgefüllt, wie Isabelle Adjani, die zu Zeiten der Dreharbeiten 39 Jahre alt war! Oder hätte ein 18-jähriger den späteren Heinrich IV. so spielen können, wie der damals 44-jährige Daniel Auteil.

Als Kind der DDR musste wir uns die Ernst-Thälmann-Filme anschauen. Die Titelrolle wurde von Günther Simon gespielt, einen damals beliebten Schauspieler. Der hat die Rolle so ausgefüllt, dass es einen nach der Wende schwergefallen ist, das Bild des historischen Thälmanns von der Darstellung Simons zu lösen. Und irgendwie bleibt die Legende vom guten "Teddy" Thälmann, der seine Frühstückschnitten hungrigen Arbeitern gab hängen. Und das sind halt die Folgen von Propaganda ...
Gestern Abend hab ich mir den Film "Julius Caesar" von Uli Edel angesehen. Ich will auch nicht sagen, das der Film schlecht ist. Er ist sogar gut unterhaltsam, aber der Zuschauer darf in Hinsicht historischer Ereignisse keine großen Erwartungen stellen. Was mich gestört hat an dem Werk, ist, das eine erhebliche Menge in Hinsicht historischer Fakten dem Drehbuch bzw. in der Dramaturgie zum Opfer gefallen sind - oder einfach vertauscht wurden. So liefert "Julius Caesar" ein recht dürftiges Zeugnis von wahren Begebenheiten ab.

1. Das römische Staatswesen wird sehr vereinfacht dargestellt;
2. Caesars Aufstieg wird nur begrenzt behandelt;
3. Das Triumvirat (Bündnis des Caesar mit Pompeius und Crassus) wird erst gar nicht erwähnt!
4. Das Sulla in seiner Wanne stirbt, ist ein totaler Witz; denn nach historischen Quellen verstarb er nach seiner Abdankung auf seinem Alterssitz bei Puteoli erst im Jahr 78 v. Chr.
5. Es kommt noch schlimmer: Pompeius und Caesar waren entgegen der Darstellung des Films niemals gleichzeitig Konsuln;
6. Caesars Aufenthalt als Militärbefehlshaber in Iberien wurde in dem Film einfach vergessen - und Cato wird sogar als Senator dargestellt, der aber NACH Caesar geboren wurde und somit wäre er in der Zeit des Sulla noch ein Kind!
7. Cleopatra erscheint verkleidet im Palast - einfach so! Obwohl Ptolomaios ihr den Zugang verwehrt hatte.
Nach historischen Ereignissen wurde Cleopatra in einem Teppich oder großen Tuch (?) gewickelt und hinein geschmuggelt.
8. Weder Caesars Adoptivsohn Octavian, Marcus Licinius Crassus noch Cicero kommen vor (beziehungsweise letzterer nur sehr kurz am Rande), die wesentliche Schlüsselfiguren in Cäsars politischem Leben darstellten.

Das sind nur so einige historische Fehler, die ich hier erwähne...

Das hat mich doch sehr gestört an dem Film. Da frage ich mich doch, ob sich dieser Regisseur keine großen Gedanken gemacht hat, oder es nicht besser wusste? Oder war es ihm nicht so wichtig, sich zumindest an ganz entscheidenden Fakten zu halten? Natürlich kann ein Film von historischen Fakten abweichen und muss auch kein "wissenschaftliches Werk" sein , aber solche gravierenden Fehler sollte sich doch ein Filmemacher sehr gut überlegen.
(11.07.2016 23:56)Sansavoir schrieb: [ -> ]Ich denke aber, dass das Problem nicht nur beim Produzenten (Autor / Drehbuchautor, Regisseur) liegt, sondern auch beim Konsumenten (Leser, Filmgucker) liegt. Man ist halt nur bereit die Unterhaltung anzunehmen und nicht bereit, sich in Fachbüchern oder Fachzeitschriften zu informieren. Seit Dan Brown sind viele Leute überzeugt, dass Jesus und Maria Magdalena ein Liebespaar waren und Nachkommen hatten.

Das ist insofern ein schlechtes Beispiel, weil diese Geschichte nicht der Phantasie von Dan Brown entstammte und nicht nur in Sakrileg zu lesen ist. Der hat sie nur aufgegriffen. Ich kenne auch andere Bücher, die diese Geschichte aufgreifen. Auch z.B. der Roman "Die Kinder des Grals" von Peter Berling beschäftigt sich mit den Nachkomemn von Jesus und Maria Magdalena und ist ungefähr 15 bis 20 Jahre älter als Browns Machwerk. Das meiste, was Brown schreibt, hat er aus einem Buch abgekupfert, das als Sachbuch Forure machte- "Der heilige Gral und seine Erben". Hier sind zwei Journalisten und ein dritter Autor einem großen Betrug aufgesessen. Es ist gar nicht so einfach, diese Theorie zu widerlegen- sie hat schon so weite Kreise gezogen, dass man, wenn man nach den Hintergründen sucht, doch immer wieder genau auf diese Behauptung stößt- und sie geht weit über dieses eine Buch hinaus.


Ich würde aber nicht ganz so hart mit den ganzen Romanen ins Gericht gehen. Auch die klassischen Autoren haben nicht geschrieben, um die objektive Wahrheit für alle Zeiten festzuhalten. Ein Julius Caesar hat seinen gallischen Krieg nicht objektiv geschildert.
Jeder Mensch, der etwas erzählt, verfolgt eine Absicht. Und selbst eine sachliche Darstellung ist niemals die Wahrheit- auch der sachlichste Autor wird nur die Dinge erwähnen, die er für relevant hält- und hat damit schon die Wahrheit verfälscht.
Viele Romane sind doch nur Versuche, das weggelassene zu ersetzen- und zwar nach den maßstäben der Zeit, in der der Roman geschrieben ist.
(19.07.2016 00:08)Bunbury schrieb: [ -> ]Das ist insofern ein schlechtes Beispiel, weil diese Geschichte nicht der Phantasie von Dan Brown entstammte und nicht nur in Sakrileg zu lesen ist. Der hat sie nur aufgegriffen. Ich kenne auch andere Bücher, die diese Geschichte aufgreifen. Auch z.B. der Roman "Die Kinder des Grals" von Peter Berling beschäftigt sich mit den Nachkomemn von Jesus und Maria Magdalena und ist ungefähr 15 bis 20 Jahre älter als Browns Machwerk.

Dabei lässt Brown, soweit ich mich glaube erinnern zu können, die Idee von der Verballhornung des "Sang real" zum "Gral" aus. Und auch sonst wäre noch zu erwähnen, dass bei Berling (zum Mindesten beim "Kinder des Grals") historisch mehr Fleisch am Knochen ist.

Berling bringt dabei noch die okzidanische Gesellschaft, und damit verbunden die Albigenser (Katharer) ins Spiel und lässt einige von ihnen zu Helfern der "königlichen Kindern" werden. Und auch auf Nebenschausplätzen ist Berling interessant - so z.B. wenn er im Engadin in Pontresina ein Lager sarazenischer Piraten (Ponte saracina) in die Handlung einbaut. Historisch gesehen gibt es starke Indizien, dass es dort tatsächlich ein Sarazenenlager gegeben hat. Auch in der geschichtsintressierten Öffentlichkeit ist dies nicht allgemein bekannt - Berling hat da also sehr gut recherchiert.

Was die "historische Qualität" angeht, schlägt m.E. nach Berling Brown um Längen. Im Vergleich zu ihm hat Brown keine Ahnung vom Mittelalter.
(19.07.2016 13:51)Aguyar schrieb: [ -> ]Berling bringt dabei noch die okzidanische Gesellschaft, und damit verbunden die Albigenser (Katharer) ins Spiel und lässt einige von ihnen zu Helfern der "königlichen Kindern" werden. Und auch auf Nebenschausplätzen ist Berling interessant - so z.B. wenn er im Engadin in Pontresina ein Lager sarazenischer Piraten (Ponte saracina) in die Handlung einbaut.

Da hatte ich das Buch schon zur Seite gelegt, weil ich es ziemlich zäh fand. Aber auch Brown habe nicht mehr weitergelesen, nachdem mir klar war, worum es in dem Buch ging.

Was mir halt nicht klar ist, ist, ob Berling auch das gräßliche "Der Heilige Gral und seine Erben" gelesen hat oder ob die Geschichte der Kinder des Grals auf eine andere Quelle zurückgeht. Ich hatte einiges über die Schrifttollen vom Toten meer gelesen und die Behauptung, dass die Idee dort zuerst auftauchte ( aber das kann bei Baigent und Leigh gewesen sein- das Buch hatte ich vorher gelesen und fand es ziemlich gut... Hat mich dazu gebracht, mich mit den Apokryphen zu beschäftigen...). Zumindest hatte Berling auch andere Quellen als Dan Brown. Ich habe nie ganz verstanden, warum Lincoln, Baigent und Leigh den Plagiatsprozess gegen Brown verloren hatte- Brown hat ja offensichtlich nur ihr Buch als Vorlage benutzt und sich weitere Recherchen geschenkt...
Soweit ich weiss, hat Berling neben seinen eigenen Recherchen (die ziemlich gut sind, was z.B. die sarazenischen Piraten im Alpenraum betrifft) Ideen von politisch äusserst fragwürdigen Leuten benutzt. Inwieweit er "der heilige Gral und seine Erben" verwendet hat, kann ich nicht überblicken.

Bei der Verbindung zwischen Katharer und Gral hat Berling die Ideen des Esoterikers (und SS-Offizier) Rahn und des Antroposophen Roche, welche eine Verbindung zwischen Albigenser und dem Budhismus konstruierten, die Katharer aber gleichzeitig zu Nachfahren einer gnostischen "Untergrundreligion" der Westgoten erklärten, den Gral als Schatz der Katharer interpretierten und den sie in den Höhlen der Ariège suchten, verarbeitet. In der Höhenburg der Albigenser Montségur vermuteten sie die von Wolfram von Eschenbach erfundene Gralsburg Montsalvatsch.
Das Geschwurbel von Rahn geht im Übrigen noch weiter: So seien die Katharer zusätzlich auch noch Abkömmlinge von bekehrten Druiden gewesen. Und der Gral der Albigenser soll zudem noch irgendwie etwas mit dem Kalachakra-Tantra des tibetanischen Buddhismus zu tun haben (ich blicke da nicht durch - ich habe dieses esoterische Nazi-Gedöhns nicht gelesen).

Dieses ganze fantastsiche Konstrukt wurde so nur von Berling verarbeitet, Brown hat es nicht verwendet (wenn er überhaupt etwas davon gewusst hat).

Die heimliche Genealogie der Merowinger, d.h. das Konstrukt, dass die fränkischen Merwoinger nicht ausgestorben sind, geht auf Pierre Plantard (der von sich selbst behauptete, ein Abkömmling der Merowinger zu sein), dem Gründer der Prieuré von Sion, zurück.

Die Idee, die "geheime" Genealogie der Merowinger mit konstruierten Nachkommen von Jesus und Maria Magdalena und diese wiederum als "königliches Blut" (sang real) zum Gral zu machen, geht offenbar tatsächlich auf Lincoln und Baigent mit ihrem "Der heilige Gral und seine Erben) zurück.

Berling hat in seinen Romanen (lange vor Brown) Lincolns/Baigents Gral als "königliche Blutlinie der Nachkommen von Jesus/Magdalena und der Merowinger (das/die Kinder von Jesus und Maria Magdalena sind zusammen mit Jopseph von Arimathäa nach Europa geflohen und haben sich dort mit den Merowingern vermischt) aufgegriffen und das Thema mit
den esoterischen Ideologien über den "Katharer-Gral" von Rahn in Verbindung gebracht.
Die Verschwörungstheorien um angebliche Machenschaften der Prieuré von Sion hat Berling nicht theamtisiert, da er schliesslich lediglich Mittelalter-Romane schrieb. Dafür hat er weitere - tatsächliche und vermutete - zeitgenössische Geschenisse in seinen Romanen eingebaut.

Brown griff das Thema, rund 20 Jahre nach Berling, auf und bezieht sich ganz offensichtlich auf Lincoln und Baigents von denen er nicht nur die mitttelalterliche Handlung übernimmt sonndern auch die Verschwörungstheorien rund um die Prieuré von Sion. Rahns Esoterik über den "Gral und Katharer", die Berling mit einbezieht, scheint er nicht gekannt zu haben.

Der Versuch, hier eine kleine Übersicht über den ganzen Kompelx zu geben ist mangelhaft, unvollständig und vermutlich in einzelnen Punkten auch falsch. Ich habe mich früher mal nur oberflächlich damit befasst, wobei es mir darum ging, die mittelalterlichen Überlieferungen (keltische und oriental. Sagen, Werke der Troubadoure und Minnesänger) des Themenkreises Artus-Tafelrunde-Gral vom neuzeitlichen und modernen Geschwurbel sauber zu trennen.

(19.07.2016 17:29)Bunbury schrieb: [ -> ]Was mir halt nicht klar ist, ist, ob Berling auch das gräßliche "Der Heilige Gral und seine Erben" gelesen hat oder ob die Geschichte der Kinder des Grals auf eine andere Quelle zurückgeht. Ich hatte einiges über die Schrifttollen vom Toten meer gelesen und die Behauptung, dass die Idee dort zuerst auftauchte ( aber das kann bei Baigent und Leigh gewesen sein- das Buch hatte ich vorher gelesen und fand es ziemlich gut... Hat mich dazu gebracht, mich mit den Apokryphen zu beschäftigen...). Zumindest hatte Berling auch andere Quellen als Dan Brown. Ich habe nie ganz verstanden, warum Lincoln, Baigent und Leigh den Plagiatsprozess gegen Brown verloren hatte- Brown hat ja offensichtlich nur ihr Buch als Vorlage benutzt und sich weitere Recherchen geschenkt...

Das Brown den Plagiatsprozess gewonnen hat, wundert mich auch. Warum Lincoln, Baigent und Leigh aber nicht schon früher gegen Berling prozessiert haben ? Vielleicht deshalb, weil er zu wenig erfolgreich war - oder auch weil das Thema von ihm weiter ausgebaut wurde.

Mit den Schriftrollen vom Toten Meer meinst Du die Qumran-Rollen ? Mir ist nicht bekannt, dass dort etwas bez. Nachkommen von Jesus angedeutet würde. Das wäre, meine ich, auch nicht nötig, denn die Idee einer Verbindung zwischen Jesus und Maria Magdalena ist eigentlich recht naheliegend, wenn sie sich nicht geradezu aufdrängt. Nikos Kazantzsakis jedenfalls setzt dies bereits in seinem 1951 erschienen Jesus-Roman "Die letzte Versuchung" literarisch um. Bei der "letzten Versuchung" handelt es sich um eine Vision Jesus' als er am Kreuz hing, in welcher er mit Maria Magdalena Kinder zeugt und ein patriarchalisches Familienleben führt.
(18.07.2016 23:18)Aurora schrieb: [ -> ]Gestern Abend hab ich mir den Film "Julius Caesar" von Uli Edel angesehen. Ich will auch nicht sagen, das der Film schlecht ist. Er ist sogar gut unterhaltsam, aber der Zuschauer darf in Hinsicht historischer Ereignisse keine großen Erwartungen stellen. Was mich gestört hat an dem Werk, ist, das eine erhebliche Menge in Hinsicht historischer Fakten dem Drehbuch bzw. in der Dramaturgie zum Opfer gefallen sind - oder einfach vertauscht wurden. So liefert "Julius Caesar" ein recht dürftiges Zeugnis von wahren Begebenheiten ab.

1. Das römische Staatswesen wird sehr vereinfacht dargestellt;
2. Caesars Aufstieg wird nur begrenzt behandelt;
3. Das Triumvirat (Bündnis des Caesar mit Pompeius und Crassus) wird erst gar nicht erwähnt!
4. Das Sulla in seiner Wanne stirbt, ist ein totaler Witz; denn nach historischen Quellen verstarb er nach seiner Abdankung auf seinem Alterssitz bei Puteoli erst im Jahr 78 v. Chr.
5. Es kommt noch schlimmer: Pompeius und Caesar waren entgegen der Darstellung des Films niemals gleichzeitig Konsuln;
6. Caesars Aufenthalt als Militärbefehlshaber in Iberien wurde in dem Film einfach vergessen - und Cato wird sogar als Senator dargestellt, der aber NACH Caesar geboren wurde und somit wäre er in der Zeit des Sulla noch ein Kind!
7. Cleopatra erscheint verkleidet im Palast - einfach so! Obwohl Ptolomaios ihr den Zugang verwehrt hatte.
Nach historischen Ereignissen wurde Cleopatra in einem Teppich oder großen Tuch (?) gewickelt und hinein geschmuggelt.
8. Weder Caesars Adoptivsohn Octavian, Marcus Licinius Crassus noch Cicero kommen vor (beziehungsweise letzterer nur sehr kurz am Rande), die wesentliche Schlüsselfiguren in Cäsars politischem Leben darstellten.

Das sind nur so einige historische Fehler, die ich hier erwähne...

Das hat mich doch sehr gestört an dem Film. Da frage ich mich doch, ob sich dieser Regisseur keine großen Gedanken gemacht hat, oder es nicht besser wusste? Oder war es ihm nicht so wichtig, sich zumindest an ganz entscheidenden Fakten zu halten? Natürlich kann ein Film von historischen Fakten abweichen und muss auch kein "wissenschaftliches Werk" sein , aber solche gravierenden Fehler sollte sich doch ein Filmemacher sehr gut überlegen.

Ich zitiere mich mal selbst und habe eine Frage bitte:

Im Film wird auch gezeigt, das Cleopatra dem Caesar das Baby (Caesarion) gezeigt hat und er es anerkannte. Doch soviel mir bekannt ist, hatte Caesar seinen Sohn gar nicht gesehen bzw. kennen gelernt. Sie soll, nachdem Caesar ermordet wurde, danach entbunden haben.
Weiß hier jemand näheres und könnte mich mal diesbezüglich aufklären?
Danke schonmal

lg Aurora
(20.07.2016 09:53)Aurora schrieb: [ -> ]Im Film wird auch gezeigt, das Cleopatra dem Caesar das Baby (Caesarion) gezeigt hat und er es anerkannte. Doch soviel mir bekannt ist, hatte Caesar seinen Sohn gar nicht gesehen bzw. kennen gelernt. Sie soll, nachdem Caesar ermordet wurde, danach entbunden haben.
Weiß hier jemand näheres und könnte mich mal diesbezüglich aufklären?
Danke schonmal

lg Aurora

Caesarion wurde 47 geboren, Cäsar wurde 44 ermordet. Ob Kleopatra bei ihrem Rombesuch das Kind mitgenommen hat, ist unbekannt, darf aber wohl angenommen werden.
Danke für deine Antwort. Da hab ich jetzt die Zeiten verwechselt.
Bei Tante Wiki steht, das Cleopatra ihn mitgenommen hat. Wiederum habe ich in einem anderen Text gelesen, das es nicht stimmt. Das hatte mich verwirrt.
Also nehme ich jetzt an, das hierüber keine exakte Quelle gibt...

Könntest du mir evtl. ein Buch zu diesem Thema empfehlen bitte?
(20.07.2016 09:33)Aguyar schrieb: [ -> ]Berling hat in seinen Romanen (lange vor Brown) Lincolns/Baigents Gral als "königliche Blutlinie der Nachkommen von Jesus/Magdalena und der Merowinger (das/die Kinder von Jesus und Maria Magdalena sind zusammen mit Jopseph von Arimathäa nach Europa geflohen und haben sich dort mit den Merowingern vermischt) aufgegriffen und das Thema mit
den esoterischen Ideologien über den "Katharer-Gral" von Rahn in Verbindung gebracht.

danke für die Info. Das wußte ich so nicht. Ich habe nur, als ich gelesen kapiert habe, worum es bei Brwon ging, sofort daran gedacht, dass das auf Lincoln/Baigent/leigh zurückgeht und daran, dass das mit der geschützten nachkommenschaft von Jesus Christus schon bei berling zu finden war. Deswegen auch meine Frage, ob es noch eine andere Quelle gab...


(20.07.2016 09:33)Aguyar schrieb: [ -> ]Der Versuch, hier eine kleine Übersicht über den ganzen Kompelx zu geben ist mangelhaft, unvollständig und vermutlich in einzelnen Punkten auch falsch. Ich habe mich früher mal nur oberflächlich damit befasst, wobei es mir darum ging, die mittelalterlichen Überlieferungen (keltische und oriental. Sagen, Werke der Troubadoure und Minnesänger) des Themenkreises Artus-Tafelrunde-Gral vom neuzeitlichen und modernen Geschwurbel sauber zu trennen.

Ich finde das gar nicht mangelhaft und unvollständig, es hat mir auf jeden Fall weitergeholfen, vielen Dank. Vielleicht begegnen wir uns ja noch mal beiM Artus wieder- ich habe mich mit den historischen Hintergründen der Sage befaßt, aber auch das Buch der Literaturprofessorien Norma Lorre Goodrich über die mittelalterliche Dichtung gelesen....



(20.07.2016 09:33)Aguyar schrieb: [ -> ]Das Brown den Plagiatsprozess gewonnen hat, wundert mich auch. Warum Lincoln, Baigent und Leigh aber nicht schon früher gegen Berling prozessiert haben ? Vielleicht deshalb, weil er zu wenig erfolgreich war - oder auch weil das Thema von ihm weiter ausgebaut wurde..
Ja, ich glaube dass letzteres der Grund ist. ich habe zwar Buch "Sakrileg" nie weitr gelesen, aber den Film geseehen- und das ist doch total abgekupfert. Aber Berling hat durchaus etwas eigenes aus dem Buch gemacht. (Und das dritte Buch, dass ich zu dem Thema gelesen habe war das sehr erheiternde, aber bisweilen unsinnige "Die Suche nach dem Regenbogen" von Judith Merkle Riley... Aber auch sie hat nur die Grundthese in eine eigene Geschichte eingebaut....)


(20.07.2016 09:33)Aguyar schrieb: [ -> ]Mit den Schriftrollen vom Toten Meer meinst Du die Qumran-Rollen ? Mir ist nicht bekannt, dass dort etwas bez. Nachkommen von Jesus angedeutet würde. Das wäre, meine ich, auch nicht nötig, denn die Idee einer Verbindung zwischen Jesus und Maria Magdalena ist eigentlich recht naheliegend, wenn sie sich nicht geradezu aufdrängt. Nikos Kazantzsakis jedenfalls setzt dies bereits in seinem 1951 erschienen Jesus-Roman "Die letzte Versuchung" literarisch um.

Ja, die meine ich. Nein, direkt von Nachkommen war da nicht die Rede, aber auch die Rede davon, dass Maria Magdalena vor Petrus habe fliehen müssen, zumindest wurde ein Fragment so gedeutet.
Aber wenn ich mich recht entsinne, waren die Deuter... Michael Baigent und Richard Leigh... Ach verdammt, manchmal glaube ich, ich habe zu viel gelesen....
(11.07.2016 23:56)Sansavoir schrieb: [ -> ]Das Thema ist nicht einfach zu beantworten. Da es sich um einen Roman (oder einen Film) handelt, sollte dichterische Freiheit gestattet sein. Manche Autoren weisen ihre Leser daraufhin. Ich finde das okay, wenn man im Falle dichterischer Freiheiten dann über die tatsächlichen Geschehnisse informiert wird.

Gerade damit habe ich inzwischen tatsächlich Probleme. Natürlich ist es schön, wenn Autoren/innen ihrer Leserschaft auf ihre Veränderungen hinweisen.

Und nichts finde ich ärgerlicher, wenn Autoren/innen ihre Version von Geschichte der Leserschaft als die einzige Wahre aufnötigen oder so tun, als hätten sie sich wirklich an die Fakten gehalten, obwohl dem gar nicht so ist.

Daneben habe ich inzwischen den Eindruck, dass "Autor/in, die gut recherchiert hat" zurzeit der wichtigste Marketing-Schmäh ist, und sogar leicht zu durchschauen, da die meisten dieser Autoren/innen ihre historischen Bücher (vor gewöhnlich unterschiedlicher geschichtlicher Kulisse) am laufenden Band im 1-2-Jahres-Rhythmus publizieren. Dass sie da schon aus Zeitgründen nicht für jedes Buch wirklich gut und umfassend recherchiert haben können, sollte einem der gesunde Menschenverstand sagen. Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die Leserschaft, dass der breiten Masse mit diesem Schmäh durchkommen.

Andererseits habe ich bei vielen Leser/innen den Eindruck, dass die Geschichtskenntnisse inzwischen sehr zu wünschen übrig lassen, und sie sich nur zu gerne jeglichen Bären aufbinden lassen.

Wenn Autor/in mir versucht weiszumachen, das, was in seinen historischen Romanen erzählt wird, ist richtig - wenn er oder sie das behauptet, dann sollte wirklich alles einwandfreie Fakten sein, denn sonst er oder sie mir bei mir unten durch.

Auf der anderen Seite: Ist es wirklich notwendig, dass Autor/in jede Änderung der historischen Fakten der Leserschaft gegenüber mitteilen muss, damit diese sich kein "unrichtiges" Bild von historischen Geschehnissen macht, geschweige gar, dafür rechtfertigen muss. Es ist für mich auch nicht die Lösung.

Das Ganze ist wohl ein Problem unserer Zeit, wo das Drumherum wichtiger ist, als eine gut erzählte Geschichte, die vielleicht sogar authentisch wirkt und bei der ich mir sogar vorstellen will, so könnte es vielleicht wirklich gewesen sein.

Ich gebe zu, mir sind noch immer jene Autoren/innen die liebsten bei historischen Romanen, die auf Nachwort, Geschichteunterricht etc. verzichten und es mir überlassen, wie ich ihr Buch sehen will und dass ich mich gegebenenfalls selbst über die Fakten schlau mache.

Offensichtlich haben wir am deutschen Buchmarkt noch immer einen "bildungsbürgerlichen" Rechtfertigungszwang. Ein historischer Roman darf nicht einfach nur unterhalten, er muss, wenn auch nur scheinbar, den Eindruck vermitteln, Leser/innen hätten dabei auch ihr Fachwissen verbessert.

Berücksichtigt man, dass die meisten deutschsprachigen historischen Romane aufgrund ihrer Machart Trivial- und Groschenromane sind (und das gilt gerade für viele, die angeblich gut recherchiert sind), drängt sich die Vermutung auf, dass Nachwort, Fakten, behauptete Recherche etc. wohl auch der Augenauswischerei dienen und nur dazu beitragen sollen, dass so manche/r Schundautor/in so noch rasch schnell zum/r Historiker/in befördert wird.

Das gewisse Schauspieler/innen im Film eine Figur geprägt haben, stimmt allerdings. Dabei ist Klaus Maria Brandauer z. B. in einer späteren Verfilmung von "Quo vadis" ein sehr facettenreicher Nero, aber die Vorstellung von Nero wird noch immer von Peter Ustinovs Darstellung geprägt. Eleonore von Aquitanien ist Katherine Hephurn und Peter O'Toole hat Henry II. sogar zweimal gespielt, nicht nur als "Der Löwe im Winter", sondern auch der Anouilh-Verfilmung "Beckett und die Ehre Gottes", und bei Henry V. denke ich auch sofort Kenneth Branagh.

Interessant sind natürlich Vergleiche, wenn es verschiedenen Filme / Schauspieler/innen zu einem Thema / Roman gibt. Die Bartholomäus-Nacht mit Isabelle Adjani ist nicht die erste Verfilmung von Dumas' Roman, und gerade bei einem Roman wie "Die drei Musketiere" sind die Darstellungen von König Ludwig XIII. (gewöhnlich mit einem unbekannten Schauspieler besetzt) und Kardinal Richelieu (fast immer ein bekannter Schauspieler, ob nun Vincent Price, Charlton Heston, Christoph Waltz oder Tim Curry) recht aufschlussreich.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass es gar nicht einmal die authentischste Besetzung sein muss. So habe ich bei den unterschiedlichen Mayerling-Filmen immer den Eindruck gehabt, dass James Mason als Kaiser Franz Joseph I. nicht gerade authentisch wirkte, aber seine Interpretation dieser Figur war einfach die interessanteste und schlüssigste für mich.

Apropos österreichische Geschichte - als ich die neue "Sisi"-Fernsehverfilmung gesehen habe, war ich selbst überrascht, dass ich keineswegs ständig den Vergleich mit den "berüchtigten" Sisi-Filmen gezogen habe. Ich hatte kein Problem den Schauspielern/innen ihre Rollen abzunehmen, mit einer Ausnahme: Martina Gedeck konnte ich die Erzherzogin Sophie (Sisis "böse" Schwiegermutter) nicht wirklich abnehmen, obwohl sie nicht schlecht spielte und ihre Sophie nicht nur netter, sondern auch viel differenzierter war, aber leider auch ziemlich hausbacken wirkte. Aber dennoch, mit Vilma Degischer aus den "Sisi-Filmen" konnte sie es nicht aufnehmen, alleine deren Aura fehlte mir völlig.

Interessant fand ich auch, wie Filmdarstellung auf andere Medien Auswirkungen haben. Die gängige Darstellung von Henry VIII. in der Oper "Anna Bolena" von Gaetano Donizetti (aus italienischen Romantik) orientierte sich gewöhnlich am Porträt von Holbein, was historisch betrachtet, sogar seine Richtigkeit hat, denn es entstand in etwa zu der Zeit, als Henry VIII. Anne Boleyn hinrichten ließ. Weniger authentisch war es dagegen, wenn in einem Unterhaltungsfilm der 1960er Jahre ( "Eine Prinzessin verliebt sich", eine Walt Disney-Produktion, was schon alles sagt), ein Henry VIII. nach Vorlage Holbein gezeigt wurde, spielte die Geschichte doch zu jener Zeit, als Henry VIII. in Wirklichkeit noch ein junger und offensichtlich auch fescher Mann war. (Catalina von Aragon war hier als dunkelhaarige, melancholische spanische "Madonna" zu sehen, was auch nicht gerade authentisch ist, aber für seine erste Ehefrau typisch.)

Als die Oper "Anna Bolena" vor einigen Jahren an der Wiener Staatsoper mit Anna Netrebko und Elina Garanca aufgeführt wurde (die Oper ist in erster Linie das ideale Vehikel für zwei Primadonnen), man erstaune, war Henry VIII. auch diesmal mit einem jung wirkenden feschen Bass bzw. Bariton besetzt, der eindeutig nach der Fernseh-Soap-Opera "Die Tudors" kostümiert worden war. ZufallBig Grin
Nein. Die Fersehserie "Die Tudors" ist auch so eine Sache. Jonathan Rhys Meyers stellte ja einen Henry VIII. dar, der doch vom bekannten Bild nach Holbein erheblich abwich. Das Bild wurde ca. 1536/37 gemalt, also zu einer Zeit, als es mit Henrys Gesundheit nicht mehr zum Besten stand. Möglicherweise war der 1536 erfolgte Sturz vom Pferd der Beginn von Henrys Ende (?) Deswegen hat mich die Darstellung Henrys VIII. nach einigen anfänglichen Irritationen nicht weiter gestört. Was mich an der Serie aber wirklich geärgert hat, ist der leichtsinnige Umgang mit Fakten. Zum Beispiel die Verheiratung von Henrys Schwester mit dem König von Portugal. Weder die ältere Schwester Margarete, noch die jüngere Mary waren mit dem portugiesischen König verheiratet, der in diesem Fall ja Manuel I. sein müsste.
Oder dass Henry bereits 1518 in Anne Boleyn verliebt war, da war sie ja erst 11.
Fakt ist jedenfalls, wie z. B. die Opernaufführung der "Anna Bolena" an der Wiener Staatsoper vor einigen Jahren gezeigt hat, dass Jonathan Rhys Meyers das Bild von Henry VIII. zumindest für die Folgejahre geprägt hatte. Denn für die Oper "Anna Bolena" hätte ein Henry VIII. nach dem Holbein-Porträt vom zeitlichen Rahmen her gepasst, während diese Darstellung in der Disney-Verfilmung aus den 1960er Jahren vollkommen unhistorisch war.

Die Tudors waren übrigens von der Machart gar nicht so neu, vor zwanzig Jahren gab es eine Serie über die Familie von Johann Strauss SR. und JR., die bereits diesem Schema folgte: wenig Fakten, viel Reißerisches, Sex, Crimes und Intrigen.
Der Unterschied damals: Familie Strauss á la österreichisches Dynasty wurde mit Blick auf die Historizität zumindest diskutiert und in Fachkreisen nicht zu Fakten erklärt. Heute dagegen habe ich den Eindruck, dass Serien wie "Die Tudors" den Blickwinkel auf die Geschichte bei der breiten Masse bestimmen.

Damals habe ich das Ganze mit Belustigung gesehen, warum nicht einmal ein etwas anderer Blick. Ernst nehmen konnte ich dieses fiktive Intrigenstadl mit historischen Figuren wirklich nicht. Heute dagegen habe ich den Eindruck, dass sich diese fragwürdige Darstellung von Geschichte längst bei der breiten Masse durchgesetzt hat, und ich finde diese Entwicklung doch sehr besorgniserregend.
Das stimmt.
(21.07.2016 23:08)Sansavoir schrieb: [ -> ]... Was mich an der Serie aber wirklich geärgert hat, ist der leichtsinnige Umgang mit Fakten. Zum Beispiel die Verheiratung von Henrys Schwester mit dem König von Portugal. Weder die ältere Schwester Margarete, noch die jüngere Mary waren mit dem portugiesischen König verheiratet, der in diesem Fall ja Manuel I. sein müsste.

Was diese Eheschließung mit dem König von Portugal und dessen nachfolgende Ermordung betrifft, ist für mich vor allem unbefriedigend, dass diese Änderung keinen Sinn macht. Wenn historische Fakten verändert werden, sollte das doch wenigstens etwas bewirken, sei es, dass so die Dramaturgie einer Geschichte eine Stärkung / handlungsrelevante Verbesserung erfährt (weswegen ich z. B. oft Zeitraffer oder erfundene Beziehungen zwischen historischen Figuren, solange sie nicht absolut idiotisch sind, schon tolerieren kann) oder das Ganze eine Bereicherung für die Metaebenen / symbolische Ebenen bringt.

Allerdings ist mir eines wichtig - dass Veränderungen von historischen Fakten nicht die historische "Zielrichtung" verändern.

Hätten sie im Film Henrys Schwester z. B. mit dem König Ludwig von Frankreich verheiratet, und sie hätte ihn umgebracht, hätte ich das vielleicht eher tolerieren können, denn diese Ehe gab es tatsächlich, sie dauerte ungefähr 3 Monate und die Ehe mit Brandon / Suffolk wurde relativ bald darauf geschlossen. Auch wenn der Mord eine Erfindung ist, die wesentlichen Fakten wären dabei nicht verändert worden. Intelligenter hätte ich es allerdings in diesem Fall gefunden, auf den Mord mittels Bettkisten zu verzichten und den Tod des Königs z. B. darauf zurückzuführen, dass es seine junge und temperamentvolle Frau etwas zu wild mit ihm treibt. Eventuell hätten sie es auch nur bei der Möglichkeit eines etwas beschleunigten Endes durch diese Ehe belassen können.

So wie es im Film rüberkam, wurde nicht nur die "historische" Zielrichtung gänzlich verändert, der damalige König von Portugal war nicht mit einer Schwester von Henry VIII. verheiratet, sondern mit zwei von dessen Schwägerinnen und einer von deren Nichten, und er starb auch keines gewaltsamen Todes.
Zudem hat es auch keine wirklichen Auswirkungen auf die Handlung der Fernsehserie, da in der Folge Portugal und Portugiesen keine Rolle mehr spielen.

Für mich war diese Änderung daher unnötig und dazu vollkommen unsinnig.
Ich sehe das genauso. Diese Änderungen haben nichts gebracht und die Zuschauer in die Irre geführt.

Die historischen Fakten boten durchaus Filmreifes. Mary wurde an Ludwig XII. verheiratet, der erst seit wenigen Monaten verwitwet war. Und Mary wurde m.E. von Charles Brandon nach Frankreich begleitet. Nach drei Monaten starb Ludwig XII. und Mary konnte von Brandon geheiratet werden, der von Henry VIII. vorher noch zum Herzog von Brandon erhoben wurde. Spekulativ ist natürlich, dass eine Neunzehnjährige ihren zweiundfünzigjähigen Gatten im Bett überforderte. Das kann sein, muss aber nicht. Vorstellbar ist, dass Ludwig XII. noch eigene Nachkommen zeugen wollte und sich da bestimmten Mittelchen bedienten, die seinem Herzen nicht bekam. Vorstellbar ist auch, dass der spätere Franz I. für den Tod des Königs verantwortlich ist. Er wäre ja der große Verlierer gewesen, wenn Mary einen Sohn Ludwigs geboren hätte. Dies hätte man alles in einem TV-Drama einbauen können. Dass fast alle französische Könige des Mittelalters und der frühen Neuzeit höchstens 60 Jahre alt wurden, ist ein Fakt und der Tod Ludwigs XII. mit 52 Jahren kann deshalb nicht als ungewöhnlich angesehen werden. Auch sein Nachfolger Franz I. starb mit 52 - bei den Königen von England war es ähnlich: Henry VII. wurde 52 und Henry VIII. wurde 55 Jahre alt.

Ebenso hätte das Leben der älteren Schwester Margarete Filmreifes geboten. In ihrer Kindheit waren Margaret und Henry unzertrennlich. Wie war ihr Verhältnis nach der Schlacht von Flodden? Hat sich Henry VIII. seinen Neffen James V. als Thronfolger vorstellen können? Ich könnte noch weiter fortfahren. Letztlich waren die tatsächlichen Ereignisse so interessant, dass man nichts verfälschen muss.
Und was könnte der Grund für die Verfälschungen gewesen sein, die in diesem Fall nicht einmal aus dramaturgischer Sicht notwendig gewesen wären? Das dürfte hier noch die interessanteste Frage sein.Confused
Wenn ich das wüsste! Arglosigkeit, nach dem Motto: Es wird schon niemand merken.
Es zeigt vielleicht auch, wie sehr sich die Zeiten in den letzten 25 Jahren verändert haben. Als in den 1990er Jahren die Fernsehserie "Die Strauß-Dynastie" über die Bildschirme flatterte, weiß ich, dass ich damals in meinem Bekanntenkreis die einzige war, die den Film verteidigt hat. Ich fand damals die Idee der Filmemacher lustig: Familie Strauß als österreichisches "Dallas" und "Dynasty" - mal eine andere Sicht auf geschichtliche Akteure. (In den 1980er Jahren waren "Dallas" und "Dynasty" zwei sehr beliebte Soap Operas, allerdings galten allerdings auch als ziemlich fragwürdige amerikanische Unterhaltung).

Für mich war diese vierteilige Soap Opera mit Intrigen, Sex, Inzest und andere reißerische Fragwürdigkeiten aber auch keine seriöse Unterhaltung mit wirklichen Anspruch auf Historizität oder etwa die gelungene Umsetzung eines historischen Stoffes. Die anderen waren allerdings aufgebracht darüber, wie hier geschichtliche Fakten verändert und verfälscht worden waren. (Am nettesten war da noch die Kritik, dass der Hauptdarsteller von Johann Strauss Sohn, immerhin ein erfolgreicher Komponist, Geiger und Dirigent, offensichtlich keine Ahnung hatte, wie ein Geigenbogen gehalten wird.)

Heute habe ich den Eindruck, wie eben eine Serie wie "The Tudors" zeigt, dass sich das inzwischen ins Gegenteil verkehrt hat. Oder liegt es etwa daran, dass sich die historische Bildung und das historische Wissen bei der Bevölkerung inzwischen wesentlich verschlechtert hat?
Das könnte sein. Vielleicht möchte man nur noch unterhalten werden ...
Eine Frage ist natürlich: Wieweit darf dichterische Freiheit gehen? Ich habe gerade einen Kommentar zu einer Rezension gelesen, wo kritisiert wurde, dass eine Figur aus dem frühen Mittelalter 20 Jahre vor ihrem tatsächlichen Tod (überliefert scheint nur das Todesjahr) ein gewaltsames Ende findet. Die Kritikerin war der Ansicht, dass so eine Abweichung auf Geschichtsverfälschung herausläuft. Ich selbst habe das in diesem Fall übertrieben gefunden, da gleich mit Geschichtsverfälschung zu kommen, da über die zwanzig Jahre, die diese Person noch gelebt hat, eigentlich nicht viel überliefert ist, und da seine Heirat und seine Nachkommen im Roman zumindest Erwähnung finden, fand ich nicht, dass dadurch seine Rolle als Ahnherr einer Familie einfach unterschlagen wurde.

Für mich wäre hier eher der Diskussionspunkt gewesen:
Warum muss gerade er der Schurke in dieser Geschichte sein?
(09.07.2016 11:17)Teresa C. schrieb: [ -> ]Wie seht ihr das?
Ich habe das Buch auch nicht gelesen, deshalb hier nur generell zur Andichtung von unehelichen Kindern: als Unterstellung kann man dies in einem Roman nicht bezeichnen, insbesondere wenn irgendwo ein Vermerk steht, dass die Geschichte trotz historischem Hintergrund fiktiv ist.

Wie bereits von Aguyar erwähnt, wäre die Sache halb so schlimm gewesen. Bin aber auch der Meinung, dass ein historischer Roman bekannte Begebenheiten nicht verfälschen, sondern nur ausschmücken darf. Die Frage ist also, ob ein uneheliches Kind zuviel des Ausschmückens ist, was nur sehr subjektiv, aus der eigenen Sichtweise heraus beantwortet werden kann.

Da sich Jan Hus gerade mit seinen Ansichten zur Religion einen Namen gemacht hat, ist die Sache nicht ganz unproblematisch und kann m.M.n. durchaus als Affront gegen seine Religiosität aufgefasst werden, aus einer Zeit heraus, wo Religions-Bashing zur Tagesordnung der Boulevardpresse gehört. Und genau da sehe ich den eigentlichen Haken. Devil
Ich kenne das Buch auch nicht. Ich bin aber der Meinung, - wie ich mich schon geäußert habe - das historische Ereignisse (ob Film oder Buch) oft nicht so wiedergegeben werden können. ABER... es sollte nicht zu stark abweichen, ich meine, entweder im Ablauf wichtige historische Ereignisse unerwähnt bleiben lassen, oder mehr hinzugefügt wird, was historisch überhaupt nicht stimmt, oder sogar diese völlig verdreht.
Man müsste schon m. E. "halbwegs" die Kirche im Dorf lassen...
Ich habe das Buch selbst auch noch nicht gelesen, könnte mir aber vorstellen, dass es in diesem konkreten Fall vielleicht auch von der Umsetzung abhängt. Wenn es so umgesetzt ist, wie es Aguyar als Möglichkeit beschreibt, nämlich als handlungstragendes Detail, das mit Blick auf die zeitlichen Umstände, soweit über sie einiges vorliegt, was gesichert scheint, durchaus glaubwürdig wäre und keineswegs im Widerspruch zu dem steht, was über eine historische Figur bekannt ist, könnte ich mir vorstellen, dass das Ganze mich persönlich gar nicht stören würde: ein Jan Hus, der z. B. in seiner Jugend da eine Erfahrung gemacht hat, wäre jedenfalls vorstellbar.

Mein Verdacht (da kann ich allerdings falsch liegen), ist allerdings, dass diese Idee nur verwendet wurde, um so zusagen den Schluss, der hier nun einmal nicht kein Happyend sein kann, abzumildern.

Eine weitere Möglichkeit, die vielleicht den Ärger des Rezensenten erklären könnte, wäre, dass die weibliche, offensichtlich fiktive Hauptfigur letztlich nur eingeführt wurde, um eben dem Roman auch eine typische weibliche Hauptfigur á la "Vergolderin", "Wanderhure" etc. zu geben.
Referenz-URLs