(11.08.2016 17:07)Dietrich schrieb: [ -> ] (07.08.2016 12:39)Sansavoir schrieb: [ -> ]Ich habe mich in den letzten Tagen mit einigen Biografien von SS-Offizieren beschäftigt, die um 1910 bis 1915 geboren wurden und stellte trotz der unterschiedlichen Lebenswege nach dem 2. Weltkrieg einige Gemeinsamkeiten fest.
Das ist ja das erschütternde, dass all die kleinen und auch großen Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zur Verantwortung gezogen wurden und trotz dramatischer Menschenrechtsverletzungen und rassistischer Machenschaften weiterhin ein bequemes Leben an Universitäten, Kliniken, Betrieben, Lehrstühlen, Gerichten und öffentlichen Einrichtungen führten.
Lediglich einige wenige wurden Jahrzehnte später in den Frankfurter Auschwitzprozessen verurteilt, meist zu lächerlich geringen Strafen. In den Nachkriegsjahren verurteilte man lediglich Täter, deren Mordbeteiligung unmittelbar nachgewiesen werden konnte. Heute werden noch einige Greise verurteilt, die aber das totale Versagen unserer Justiz nicht verdecken können.
Tausende andere Nazi-Verbrecher blieben ungeschoren. Ein gutes Beispiel ist Dietrich Klagges, SS-Obergruppenführer und Ministerpräsident des Freistaats Braunschweig (meine Heimat), der Hitler 1933 nach Deutschland einbürgerte. Er brachte zahlreiche Andersdenkende ins Gefängnis, ist für eine Reihe Morde verantwortlich und ließ ab 1941 die Braunschweiger Juden ins KZ deportieren. Ein gegen ihn von Generalstaatsanwalt Fritz Bauer 1950 verhängtes Urteil auf lebenslange Haft wurde bereits 1955 vom Bundesgerichtshof aufgehoben.
Zu seiner Verteidigung brachte Klagges vor, dass er von alldem nichts gewusst habe, da er nur vom Schreibtisch aus agiert habe; er sei von seinen Untergebenen über die tatsächlichen Ausmaße des nationalsozialistischen Terrors getäuscht worden.
Das ist allerdings nicht der Höhepunkt der Schamlosigkeit, denn Klagges erstritt sich auch eine Beamtenpension und dazu noch eine Nachzahlung von 100 00 DM. Er lebte hinfort geruhsam im Rentnerparadies Bad Harzburg wo er friedlich 1971 starb.
Ähnliches geschah in Deutschland tausendfach und dafür muss man sich in Grund und Boden schämen.
(11.08.2016 19:38)Suebe schrieb: [ -> ] (11.08.2016 17:07)Dietrich schrieb: [ -> ]./.
Mordbeteiligung unmittelbar nachgewiesen werden konnte. Heute werden noch einige Greise verurteilt, die aber das totale Versagen unserer Justiz nicht verdecken können.
./.
Das ist allerdings nicht der Höhepunkt der Schamlosigkeit, denn Klagges erstritt sich auch eine Beamtenpension und dazu noch eine Nachzahlung von 100 00 DM. Er lebte hinfort geruhsam im Rentnerparadies Bad Harzburg wo er friedlich 1971 starb.
Ähnliches geschah in Deutschland tausendfach und dafür muss man sich in Grund und Boden schämen.
Ist eigentlich bekannt, wie der erste Bundesrepublikanische NS-Prozess entstand?
Ein Ex-Kriminalbeamter, im Juni 1941 verantwortlich für die Morde von Memel, wollte vom Land BW die Wiedereinstellung in den Staatsdienst erreichen. Gegen die ablehnenden Bescheide legte er Rechtsmittel ein.
So kam es zum Ulmer-Einsatzgruppenprozess. Nur so.....
Wobei, ein Freund meiner Familie war als damals junger Richter mit dem Hechinger KZ-Prozess befasst.
Er ist über die maßlosen Verbrechen mit denen er da zu tun bekam ein Fall für die Klapse geworden, wenn ich das mal so ausdrücken darf.
Bei der Urteilsverkündung ist dies den Verteidigern "aufgefallen" und sie haben tatsächlich eine Neuauflage des Prozesses erreicht.
Genützt hat es den Angeklagten aber nichts.
maW: "Gewusst" haben die alle, aber das ganze Ausmass war wohl kaum einem so richtig klar.
Dietrich hat dieses Thema aufgegriffen.
Und ich denke es ist einen 3nd wert.
Hier mal ein Schnipsel aus dem Spiegel
Zitat: Im Bundestag verteidigte der Kanzler im Herbst 1952 seine Personalpolitik:
"Wenn Sie sich die Dinge einmal in Ruhe überlegen, dann werden Sie nicht sagen können, dass man anders hätte verfahren können. Man kann doch ein Auswärtiges Amt nicht aufbauen, wenn man nicht wenigstens zunächst an den leitenden Stellen Leute hat, die von der Geschichte von früher her etwas verstehen ... Ich meine, wir sollten jetzt mit der Nazi-Riecherei Schluss machen."
von da
http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspe...64826.html
Artikel 131 des Grundgesetzes sah die Übernahme von Personen des öffentlichen Dienstes aus den Vertreibungsgebieten pp. wiederum in den öffentlichen Dienst der Bundesrepublik vor.
Dies sollte ebenso für solche gelten, die auf grund ihrer Tätigkeit während der "verhängnisvollen 12 Jahre" aus dem öffentlichen Dienst entfernt worden waren.
Dazu wurde im Mai 1951 folgendes Gesetz vom Bundestag abgesegnet
Zitat:Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen
für uns hier interessant ist, dass das Gesetz besagte, dass alle die im Entnazifizierungsverfahren nicht als Hauptschuldige oder Belastete eingestuft worden waren, wieder eingestellt werden konnten.
Das Gesetz wurde ohne! Gegenstimme verabschiedet. Es gab lediglich 2 Enthaltungen. Und, man höre und staune, auch die KPD-Abgeordneten stimmten zu.
Und hier ist wohl auch der Schlüssel zum Verständnis der bundesrepublikanischen Wirklichkeit der 50er und 60er zu finden.
Angesichts der immensen Zahl von mehr oder weniger involvierten Ex-Nazis ging es gar nicht anders.
Dass diese "131er", so nannte sie der Volksmund, kein irgendwie geartetes Interesse an der Verfolgung von NS-Verbrechen hatten, ist klar. Die "Schlussstrich" Mentalität da viele Befürworter hatte, ist klar.
Und der Pragmatiker Adenauer mit seinem Satz "man muss die Menschen nehmen wie sie sind" wird verständlicher.
Man kann nicht ein paar Hundertausend mit der Schaufel in den Straßenbau schicken, die eigentlich knapp wissen, dass es eine Schaufel gibt.
Das erträgt die Volkswirtschaft auch nicht
"20jährige Generäle wird mir die Nato nicht abnehmen."
So Adenauer auf Vorwürfe ehemalige Wehrmachtsoffiziere und sogar Generäle in die Bundeswehr integriert zu haben. Wobei, das muss man dazusagen, die wirklichen Verbrecher schon außen vor blieben.
Natürlich musste man mit den vielen Mitläufern etwas Sinnvolles anstellen, aber die Schlußstrichmentalität erlaubte es eben auch wirklichen Schwerverbrechern wieder unbehelligt und in Würde zu leben als wäre nichts gewesen.
Heute scheint es auch merkwürdig, warum man auf die Arbeitskraft von Menschen Wert legte, die scheinbar beliebig loyal sein können - was im Staatsdienst ja verlangt wird.
Die ehemaligen Berufsoldaten in Waffen-SS und Wehrmacht, die belastet waren, mussten sich übrigens alle einen neuen Beruf suchen. Mit gutem Willen ging das schon.
Mir hat mal einer der 131er erzählt, Postbeamter, am Tag als er wieder bei der Post eingestellt wurde, wären ein paar Tonnen kohlen angeliefert worden.
Und auf dem ganzen Postamt hätte es an diesem Tag keinen gegeben, der die Kohlen in den Keller schaufeln konnte, nur ihn.
Man muss die Menschen nehmen wie sie sind, sagte Adenauer.
Und kleinliche Schikanen gehören zum Menschen.
Was mich wirklich überrascht hat, dass auch die KPD diesem Gesetz zustimmte.,
Die Vermutung liegt doch nahe, dass wir Spätgeborenen dem ganzen Komplex einfach nicht so richtig gerecht werden können.
Was macht eigentlich der Erdogan mit den 80000 (?) Beamten, die er gerade entfernt hat?
"Ich schütte kein schmutziges Wasser weg solange ich noch kein sauberes habe". Man versteht schon, warum die Adenauer-Ära heute auch als beklemmend gesehen wird.
Die Menschen nehmen wie sie sind. Das hätten mal die Opfer der Belasteten sagen sollen.
Zweierlei Maß kann nicht zur Befriedung einer Gesellschaft beitragen und nach und nach wurde dann die schmutzige Wäsche eben doch gewaschen.
(01.01.2016 11:55)Suebe schrieb: [ -> ]Nachkriegskinder von Sabine Bode
Sie schreibt von den Geburtsjahrgängen 1950-1960 liege ich ja drin.
,Die weitverbreitete Schluss-Strich Mentalität wird zu Recht und gut herausgearbeitet.
Nur habe ich irgendwie das Gefühl, dass Frau Bode sehr einseitig interviewt hat. In meinem Umfeld kam zB der Typ den sie dauernd beschreibt, offensichtlich traumatisiert, der nie/fast nie über seine Kriegserlebnisse spricht, nicht vor.
Ganz im Gegenteil. "Der "Alte" ist (die Alten sind) wieder im Kessel hinter Waschlavoir"
Hieß es im Familien- und Freundeskreis, wenn die Familienoberhäuter beim Thema 1, den feldgrauen Erlebnissen angekommen waren. Und ab so 13-14 machten die Filias und Filiuse dann kontrollierte Absetzbewegungen.
OK, so weit dazu.
Auch bei den beschriebenen Frauen, den Müttern der Nachkriegskinder, kann ich Frau Bode so gar nicht folgen. Farblose, stille Hascherl, die sich nicht trauten den Mund aufzumachen...
Meine Mutter????? die Mütter meiner Freunde und Bekannten????
Von wegen und so.
Die hatten Flucht, Vertreibung, Bombennächte und Tage, Hunger und Wiederaufbau zu einem guten Teil alleine bewerkstelligt, was werden die sich vor einem Mann gefürchtet haben, oder gar vom eignen kuranzen lassen.
Nee ist nicht.
Aber es stimmt schon, auf bestimmte kritische Fragen bekam man von den meisten keine Antwort, bei "penetrantem Nachfragen" wurde man uU böse abgefertigt.
Für mich ist der Fischer-Schwedeein Musterbspiel sozusagen Prototyp. Er hat überhaupt erst die BRD-Holocaust-Prozesse ins Rollen gebracht, natürlich ungewollt. Er hat derart penetrant seine Wiedereinstellung n den staatsdienst verlangt, dass die Justiz schließlich gar nicht mehr anders konnte.
Es hat offensichtlich jedes Unrechtbewusstsein gefehlt.
Und das blieb auch so.
Das Vertuschen begann nämlich erst mit den ersten Prozessen, als die Betroffenen begriffen, dass es sehr wohl auch eine strafrechtliche Konsequenz in Deutschland haben konnte.
Und das,diese "globale" Vertuschungsaktion einer, eher zweier Generationen wurde zum Problem der "Nachkriegskinder".
Ein Fakt der Frau Bode völlig entgangen ist.
passt auch hier rein
(16.08.2016 19:23)Suebe schrieb: [ -> ]für uns hier interessant ist, dass das Gesetz besagte, dass alle die im Entnazifizierungsverfahren nicht als Hauptschuldige oder Belastete eingestuft worden waren, wieder eingestellt werden konnten.
Das liest sich gut und Papier ist geduldig.
Tatsache war allerdings, dass den Behörden Tausende verbrecherische Nazis durch die Maschen schlüpften. Andere waren zwar schwer belastet, wurden aber wegen "mangelnder Beweislage" nicht bestraft (Tote können nicht reden) oder zu lächerlich geringen Haftstrafen verurteilt. Und selbst da kamen fast alle vorzeitig wieder frei.
Die Aufklärung von NS-Verbrechen war nach 1945 Aufgabe der Landeskriminalämter. Nur waren diese - wie die Polizei - durchsetzt mit ehemaligen Angehörigen der Einsatz- und Sonderkommandos, Mordeinheiten zur "Endlösung der Judenfrage". Stellvertretender Leiter des LKA Hessen war z.B. lange Zeit Johannes Müller, am 21.8.1942 wegen seiner Verdienste bei der Judenvernichtung von Himmler zum SS-Obersturmbannführer befördert. Sechs SS-Führer, die zur Elite des NS-Apparats gehört hatten, wurden sogar Leiter eines LKA (Georg Heuser, Friedrich Hünten, Karl Schulz, Oskar Wenzky, Kurt Zillmann, Walter Zirpins). Deren Taten waren allerdings so offensichtlich, dass z.B. Georg Heuser in den 60er Jahren in einem Kriegsverbrecherprozess verurteilt wurde (er kam schon 1969 wieder frei). Gegen andere wurde nie Anklage erhoben oder Beschuldigungen wurden niedergeschlagen.
Gerade bei Personen, die am Judenmord beteiligt waren, war es einfach, sich bei Kriegsende von NS-Dienststellen echte Pässe mit falschen Personalien ausstellen zu lassen. Und man höre und staune: Gerade diese Leute waren im Zeichen des Kalten Krieges für die Geheimdienste im Westen wie im Osten gefragte Spezialisten,
Ich empfehle hierzu allen Interessierten das Buch von Ernst Klee
Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, das 2003 bei S. Fischer erschien. Es enthüllt in erschreckender Weise, wie viele NS-Verbrecher und Mitläufer ungeschoren davonkamen und nach Kriegsende ihre alte Berufstätigkeit wieder aufnehmen konnten. Als geachtete Bürger dieser Republik.
Ich kannte einen, der ist als junger Polizist bei einer Einsatzgruppe gelandet.
Man kann bei Browning, Ganz normale Männer, nachlesen was das hieß.
1945 in Norwegen in britische Gefangenschaft, von den Briten an die Russen ausgeliefert, 5 Jahre Zwangsarbeit in den vorherigen Einsatzgebieten. Dann an die DDR überstellt, in Waldheim 25 Jahre Zuchthaus abbekommen.
Von Adenauer 55 Weihnachten "heimgeholt".
ABER, die Offiziere SD-Männer usw. usf. wurden von den Briten NICHT an die Russen ausgeliefert. Aus humanitären Gründen, da denen dort unzweifelhaft die Todesstrafe gedroht hätte. Die Briten haben sie irgendwann der deutschen Justiz überstellt, mit dem Ergebnis, dass denen Jahrzehntelang gar nichts passiert ist!
Erst in den 60er Jahren wurde denen in der BRD der Prozess gemacht. Der oben genannte wurde mehrfach als Zeuge geholt.
Die Strafen waren mit Sicherheit "kommoder" als das was die Mannschaften abbekamen.
So wird durch die "Zeitläufe" Ost- West-Konflikt usw. usf aus Recht in jedem Fall Unrecht.
Es ist jedenfalls vom Rechtsverständnis absolut nicht hinehmbar, dass für die gleichen Taten, fürchterlichen Verbrechen, zwischen Galgen und "gar nichts" alles drin war.
Aber wir reden hier halt nicht zuletzt von Politik.