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Normale Version: Kultur im Mittelalter/Völkerwanderung
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In vielen Artikeln kann man lesen, das es im heutigen Deutschland einen kulturellen Rückschlag in der kulturellen Entwicklung gegeben hätte, welcher durch die Völkerwanderung ausgelöst worden sei.

Die Einwohnerzahl der größten Stadt nördlich der Alpen hielt sich in der Völkerwanderungszeit einigermaßen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Einwohnere..._von_Trier

Köln halbierte seine Einwohnerzahl von 30000 auf 15000 Einwohner. Es gab also in dieser dicht besiedelten Region einen Bevölkerungsrückgang z.B. durch Krieg und Abwanderung nach Gallien. Die Handwerke erhielten sich aber. So wurden in Köln und Trier und möglicherweise auch im Taunus weiter Glas hergestellt, welches im römisch-germanischen Museum zu bestaunen ist.

In den Städten an der Lahn ist kein Bevölkerungsrückgang o. kriegerische Phasen zu erkennen. Diese Region schloss sich wohl friedlich dem Frankenreich an und prosperierte eher. Der Bedarf an Eisenprodukten wuchs stetig und wurde in dieser Montanregion zwischen Sieg und Lahn hergestellt.
Die nördlichen germanischen Regionen entwickelten sich durch Einflüsse aus dem Frankenreich und dem Thüringerreich immer mehr und beeinflußten dann auch die Ostelbischen Gebiete. Unter dem Strich gab es in Deutschland eine positive kulturelle Entwicklung.
(03.12.2016 12:38)Paul schrieb: [ -> ]In vielen Artikeln kann man lesen, das es im heutigen Deutschland einen kulturellen Rückschlag in der kulturellen Entwicklung gegeben hätte, welcher durch die Völkerwanderung ausgelöst worden sei.

Natürlich gab es einen Rückschlag nach dem Untergang Westroms und zwar im römischen Germanien links des Rheins und südlich der Donau.

Gut belegt ist die Besetzung und teilweise Zerstörung linksrheinischer Städte wie Köln, Mainz oder Trier durch fränkische Raub- und Plünderungszüge. Die gesamte römische Infrastrukzur brach zusammen oder wurde verwüstet: römische Verwaltungsgebäude, Wohnbauten, Straßen, Brücken, Kastelle und Legionslager.

Die Germanen siedelten zunächst außerhalb der Römerstädte und begannen erst langsam die alten römischen Stadtkerne zu bevölkern. Doch längst nicht immer gab es eine derartige Siedlungskontinuität. Manche Römerorte verschwanden auch endgültig von der Bildfläche.

Das ganze Geschehen beruhigte sich erst im 6./7. Jh. Südlich der Doanu entstand das Herzogtum der Agilolfinger, die vormals römischen Gebiete westlich des Rheins wurden fest in das entstehende Frankenreich eingebunden, das nach den Römern neue staatliche Strukturen aufbaute.
Zwischen der anriken Stadtmauer und dem Hafen entstand in der Spätantike eine Handwerkersiedlung/Gewerbegebiet. Dort wurde z.B. auf hohem Niveau kontinuierlich Glas und vieles andere produziert.

http://www.spp-haefen.de/de/die-projekte...r-glaeser/
(03.12.2016 17:28)Paul schrieb: [ -> ]Zwischen der anriken Stadtmauer und dem Hafen entstand in der Spätantike eine Handwerkersiedlung/Gewerbegebiet. Dort wurde z.B. auf hohem Niveau kontinuierlich Glas und vieles andere produziert.

http://www.spp-haefen.de/de/die-projekte...r-glaeser/

Natürlich bestanden Städte wie Mainz, Köln oder Trier fort. Aber der gewaltige Kulturbruch zwischen dem spätkaiserlichen römischen Rheinland und dem frühmittelalterlichen fränkisch-germanischem Umbruch ist offensichtlich.

Es gab überall einen Wechsel der Bevölkerung, denn die römischen oder romanisierten Bewohner verschwanden in großer Zahl und wichen einer neuen fränkischen Siedlerschaft. Andere romanisierte Guppen aus unteren Ständen blieben und verschmolzen mit den Franken. Es gab also einen großen Schmelztiegel der eines nicht mehr enthielt: römische Kultur und Zivilisation. Die waren nur noch fragmentarisch vorhanden.
Es gab alles weiterhin. Es wurden weiter Häuser gebaut - nunmehr mit Steinsockel o. ganz aus Stein, Tonwaren u. Glas hergestellt, Textilien aller Art, Schiffe, Eisenprodukte. Die Landwirtschaft behielt ihre Fruchtwechselwirtschaft bei und nahm dabei viele römische Anregungen auf. So breitete sich der Weinanbau aus. Die Fruchtwechselwirtschaft breitete sich unter dem Begriff Dreifelderwirtschaft aus. Mühlen wurden weiter betrieben. Der Deichbau entwickelte sich.

Es wurde etwas weniger geschrieben. Es wurden möglicherweise weniger Feigen angepflanzt. Dafür wurden immer mehr Kulturäpfel, Birnen und Zwetschgen angepflanzt.

Bei uns fanden Archäologen die erhaltenen Fundamente alter Kirchen, die als Fachwerkhäuser auf Steinfundamenten gebaut wurden, also nicht mehr als reine Holzhäuser u. nicht mehr als offne Freiluftgebetshaine.
(03.12.2016 19:43)Dietrich schrieb: [ -> ]Es gab überall einen Wechsel der Bevölkerung, denn die römischen oder romanisierten Bewohner verschwanden in großer Zahl und wichen einer neuen fränkischen Siedlerschaft. Andere romanisierte Guppen aus unteren Ständen blieben und verschmolzen mit den Franken. Es gab also einen großen Schmelztiegel der eines nicht mehr enthielt: römische Kultur und Zivilisation. Die waren nur noch fragmentarisch vorhanden.


Es ist halt so, dass die "romanisierten Bewohner" die in großer Zahl "verschwanden" seit langem allüberall im römischen Machtbereich gesucht werden.
Leider bis heute vergeblich.

Ich will also mal die These wagen: Die "romanisierte Bevölkerung" nahmen recht schnell das erstaunlich erfolgreiche "germanische Kulturmodell" an.
Übernahmen es so vollständig, dass die Archäologie bis heute gewisse Probleme hat diese ehemals Romanisierten aufzufinden.

Was ich mit folgendem Untermauern kann:
Es ist keineswegs so, dass die Archäologie bei ihrem Bemühen erfolglos geblieben wäre, in den letzten Jahrzehnten gab es an allerlei Plätzen den Nachweis eines Weiterbestehens Vorgermanischer Siedlungen.
2.
Im allgemeinen werden Bestattungen "Romanisierter" durch die Sitte identifiziert, ihnen römische Kleinmünzen mit ins Grab zu geben. Diese Sitte wurde aber schon deutlich vorher aufgegeben, mangels Kleingeld! Auch in römisch Italien!
3.
Seit langem schon gibt es Spekulationen, dass die römische Herrschaft rechtsrheinisch nach Aufhebung des Limes weiterbestand, auf anderer Basis.
Inzwischen wurde auf dem "Runden Berg" bei Urach eine Allemannen-Festung identifiziert, die offensichtlich, vermutlich mit anderen ähnlichen Befestigungen, die Vorfeldsicherung für die Römer übernahm.
4.
Ein weiters Kriterium ist der Steinbau. Aber auch dieser endet in der "kritischen Zeit" auch in Gallien.
Sicherlich gibt es Berichte, das unter Odoaker Römer sich nach Italien zurückzogen. Ein Teil der Römer und Romanisierten aus verschiedenen Ethnien blieben. Es blieb vor allem auch die Germanische Bevölkerung dieser Gebiete, die teilweise romanisiert war und sich schon in römischer Zeit ansiedelten.
In den linksrheinischen Gebieten dominierte die germanische Bevölkerung schon vor der "Frankeneroberung".
Die linksrheinischen Sugambrer gehörten sogar zum Kern der Franken, aber auch die Ubier und germanisierten Keltischstämmigen z.B. Treverer und die Reste der Eburonen wurden in den Franken integriert. Wahrscheinlich siedelte sich ein Teil der linksrheinischen Bevölkerung mit den anderen Franken auch in Gallien nördlich der Saale an, einem Gebiet in welchem der Anteil der germanischen Einwanderer sehr hoch war.
(03.12.2016 20:16)Paul schrieb: [ -> ]Es gab alles weiterhin. Es wurden weiter Häuser gebaut - nunmehr mit Steinsockel o. ganz aus Stein, Tonwaren u. Glas hergestellt, Textilien aller Art, Schiffe, Eisenprodukte. Die Landwirtschaft behielt ihre Fruchtwechselwirtschaft bei und nahm dabei viele römische Anregungen auf.

Du kannst überall nachlesen, dass Köln und andere Städte im römischen Germanien im 4. und 5. Jh. schwere Zerstörungen erlitten.

"Nach dem Tod des Silvanus brachen Franken, Alemannen und Sachsen in breiter Front in Gallien ein und richteten schwere Verwüstungen an. Köln fiel nach zweimonatiger Belagerung den Feinden in die Hände und wurde nach zeitgenössischen Quellen mit Ausnahme eines Turmes zerstört ... 456 unternahm der Feldherr Ägidius einen letzten Versuch, Köln gegen die Franken zu verteidigen; die Kämpfe spielten sich bereits innerhalb der Stadt ab und hinterließen eine zerstörte Römerstadt."
(Handbuch der historischen Städten Deutschlands, Bd. 3 Nordrhein- Westfalen, S. 408)

(03.12.2016 20:16)Paul schrieb: [ -> ]So breitete sich der Weinanbau aus. Die Fruchtwechselwirtschaft breitete sich unter dem Begriff Dreifelderwirtschaft aus. Mühlen wurden weiter betrieben. Der Deichbau entwickelte sich.

Du skizzierst die Entwicklung bis zum Hohen Mittelalter. Das war aber hier nicht die Ausgangsfrage. Beim Vorstoß der Germanen wurden alle römischen Gutshöfe links des Rheins audgelassen. Die römischen Gutsbesitzer wanderten ab, sofern sie nicht von den vordringenden Germanen erschlagen wurden, die Gutshöfe wurden von den Germanen geplündert, zerstört oder verfielen; es gab nirgendwo Kontinuität.
(vgl. hierzu: Jürgen Kunow, Die Militärgeschichte Niedergermaniens, in: Die Römer in Nordrhein-Westfalen, S. 27 f.)
Die Dimensionen dieses "Niedergangs" sollte man sich einmal klar machen.

Mit dem Untergang des Römischen Reichs im 5. Jh. verließen die meisten Römer - Beamte, Kaufleute, Gutsbesitzer, Soldaten - die Provinzen und kehrten in ihre Heimat zurück. Die Römerstädte an Rhein, Donau und Rhone verödeten, römische Gutshöfe verschwanden, Straßen und Brücken zerfielen. Der Untergang der römischen Zivilisation führte bei den germanischen Völkern zu einem Niedergang des Wissens und der Kultur und bewirkte einen Rückfall in barbarische Verhältnisse.

Dieser Verfallsprozes war so tiefgreifend, dass Karl der Große und seine Berater den Plan fassten, alle Bereiche des Wissens und der Kunst zu erneuern, was mit einem modernen Begriff als Karolingische Renaissance bekannt ist. In diesem Zusammenhang kam es u.a. zu einer Erneuerung des Gottesdienstes und der Liturgie und eine erneuerte Fassung der Bibel, da sich in die zahlreichen lateinischen Bibelabschriften Fehler eingeschlichen hatten, die manche Bibelstellen völlig entstellten.

Der bekannte Historiker Henri Pirenne betont in einem vor Jahrzehnten geschriebenen aber immer noch aktuellen Werk:

"Obwohl die Kirche so tief gesunken war, blieb sie die einzige kulturelle Macht ihrer Zeit. Durch sie allein setzte sich die römische Tradition fort und dies verhinderte Europas Rückfall in völlige Barbarei. Die weltliche Macht wäre unfähig gewesen, die kostbare Erbschaft der Antike aus sich selbst heraus zu bewahren. Trotz des guten Willens der Könige war ihre rohe Verwaltung den Aufgaben nicht gewachsen ... Die Kirche blieb also inmitten der Anarchie ihrer Umgebung, und trotz der zersetzenden Wirkung, welche diese Anarchie auch auf sie selbst ausübte, unzerstört".
(Henri Pirenne, Geschichte Europas, Frankfurt 1961, S. 47)

Der Untergang des Imperium Romanum markiert auch das Erlöschen der Spätantike, wobei hier natürlich kein festes Datum zu nennen ist. Es gibt einen allmählichen Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter, der von Historikern meist als breiter Grenzsaum gesehen wird, der von der Teilung des Römischen Reichs in einen Westen und Osten über das faktische Ende Westroms bis hin zur Expansion des Islam im 7. Jh. reicht. Manche sprechen dabei auch von einem "Transformationsprozess" der Antike.

Nach Auflösung der römischen Staats- und Ordnungsstrukturen erfolgte neben einem kulturellen Niedergang auch eine wirtschaftliche Verödung. Henri Pirenne berichtet vom Verschwinden der Städte und des Handels als Folge dieser Entwicklung:

"Vom sozialen Gesichtspunkt aus ist das bedeutendste Phänomen, das in die Zeit zwischen den muslimischen Eroberungen und der Herrschaft der Karolinger fiel, die schnelle Verminderung und nachher das fast völlige Verschwinden der städtischen Bevölkerung ... Die soziale und verwaltungsmäßige Struktur verlor nun ihren dem städtischen Charakter des römischen Staates entsprechenden Charakter: ein Phänomen, das in Westeuropa ganz neu und sehr erstaunlich war. Das Ende des städtischen Typus im frühen Mittelalter ergab sich zumindest für die Verwaltung daraus, dass die Eroberer des Römischen Reiches außerstande waren, dessen Institutionen in der alten Form weiterfunktionieren zu lassen; denn nur die Institutionen des römischen Staates hatten in den durch Barbaren eroberten Provinzen - in Gallien, Spanien, Italien, Afrika und Britannien - einst die Existenz der Städte gesichert. Nur noch einige Städte an den Küsten des Mittelmeers trieben auch noch nach den Völkerwanderungen einen mehr oder weniger bedeutenden Seehandel."
(Henri Pirenne, a.a.O., S. 81)

Pirenne beschreibt sehr eindringlich, dass Wirtschaft und Handel nach den Eroberungen des Islam im Mittelmeerraum völlig versandeten:

"Daraus aber musste sich ein fast vollkommener Stillstand des Handels ergeben; auch das Gewerbe verschwand fast ganz, wenn man von einigen lokalen Erscheinungen wie der in Flandern noch aufrechterhaltenen Tuchweberei absieht. Der Umlauf von Geld hörte beinahe auf. Seitdem verfielen in den fast entvölkerten Städten die verlassenen Viertel und dienten den wenigen Einwohnern, die sich auf einen Winkel des früheren Stadtinnern beschränkten und dort hausten, als Steinbrüche ... In Gallien erlosch das städtische Leben so völlig, dass die Herrscher nicht mehr in den Städten residierten, denn der vollkommenen Mangel eines Handelsverkehehrs ermöglichte es ihnen nicht mehr, dort genügend Lebensmittel für den Unterhalt des Hofes zu finden. Sie verbrachten das Jahr auf den Domänen und zogen von einer zur anderen."
(Henri Pirenne, a.a.O., S. 83)

Große Teile des einst von Römern beherrschten Europas verödeten zwischen dem 5. und 8. Jh., der Handel versiegte und man kehrte zur Naturalwirtschaft zurück. Es entstanden besonders in Gallien riesige Domänen, die nahezu autark waren, da der Fernhandel weithin zum Erliegen gekommen war. Es waren also "Dark Ages", die weite Teile Europas nach dem Untergang des römischen Imperiums erfassten, was auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen ist, die einander bedingen und immer neue Auswirkungen haben. Dieser Zustand beginnt sich erst mit den Karolingern und später den Ottonen und Kapetingern zu wandeln.
(04.12.2016 19:44)Dietrich schrieb: [ -> ]
(03.12.2016 20:16)Paul schrieb: [ -> ]Es gab alles weiterhin. Es wurden weiter Häuser gebaut - nunmehr mit Steinsockel o. ganz aus Stein, Tonwaren u. Glas hergestellt, Textilien aller Art, Schiffe, Eisenprodukte. Die Landwirtschaft behielt ihre Fruchtwechselwirtschaft bei und nahm dabei viele römische Anregungen auf.

Du kannst überall nachlesen, dass Köln und andere Städte im römischen Germanien im 4. und 5. Jh. schwere Zerstörungen erlitten.

"Nach dem Tod des Silvanus brachen Franken, Alemannen und Sachsen in breiter Front in Gallien ein und richteten schwere Verwüstungen an. Köln fiel nach zweimonatiger Belagerung den Feinden in die Hände und wurde nach zeitgenössischen Quellen mit Ausnahme eines Turmes zerstört ... 456 unternahm der Feldherr Ägidius einen letzten Versuch, Köln gegen die Franken zu verteidigen; die Kämpfe spielten sich bereits innerhalb der Stadt ab und hinterließen eine zerstörte Römerstadt."
(Handbuch der historischen Städten Deutschlands, Bd. 3 Nordrhein- Westfalen, S. 408)

(03.12.2016 20:16)Paul schrieb: [ -> ]So breitete sich der Weinanbau aus. Die Fruchtwechselwirtschaft breitete sich unter dem Begriff Dreifelderwirtschaft aus. Mühlen wurden weiter betrieben. Der Deichbau entwickelte sich.

Du skizzierst die Entwicklung bis zum Hohen Mittelalter. Das war aber hier nicht die Ausgangsfrage. Beim Vorstoß der Germanen wurden alle römischen Gutshöfe links des Rheins audgelassen. Die römischen Gutsbesitzer wanderten ab, sofern sie nicht von den vordringenden Germanen erschlagen wurden, die Gutshöfe wurden von den Germanen geplündert, zerstört oder verfielen; es gab nirgendwo Kontinuität.
(vgl. hierzu: Jürgen Kunow, Die Militärgeschichte Niedergermaniens, in: Die Römer in Nordrhein-Westfalen, S. 27 f.)

Ein Rückgang der Bevölkerung auf die Hälfte in Köln ist ein drastischer Niedergang, aber kein totaler Ausfall. Die Ubier hatten Köln gegründet und Trier war eine Treverer Metropole, die germanisiert und romanisiert wurde. Die Gutshöfe wurden nicht weiter betrieben, aber die germanischen Bauern, die eine entwickelte Landwirtschaft hatten, nahmen weitere Inspirationen der Römer auf, insbesondere neue Kulturpflanzen. Für die germanischen Handwerker änderte sich wenig, ihre Produkte wurden mehr denn je nachgefragt, da weniger dazu importiert wurde. Der Fortzug betraf insbesondere Verwaltungsleute. Die Soldaten waren zum großen Teil Germanen, Straßen wurden schon vor den Römern gepflegt. Eine städtische Selbstverwaltung gab es auch schon vor den Römern. Vermutlich bestand neben der römischen Verwaltung eine parralele Stammesselbstverwaltung der Ubier u. Sugambrer. Es gab eine starke Händlerschaft der Ubier, welche die römischen Händler leicht kompensieren konnten. Der Handel mit Rom wird aber gelitten haben.

Das römische Germanien verlor in den Großstädten etwas Einwohner, die anderen Teil Germaniens gewannen an Einwohnern.
In der Archäologie ist in den letzten Jahrzehnten so veil gegangen, nicht zuletzt durch "Neuuntersuchungen" und Bewertungen älterer Funde, dass Pirenne einfach überholt ist.
(04.12.2016 20:45)Paul schrieb: [ -> ]Das römische Germanien verlor in den Großstädten etwas Einwohner, die anderen Teil Germaniens gewannen an Einwohnern.

Das römische Germanien war im 5./6. jh. zunächst durch Plünderung- und Raubzüge der Franken, Alemannen und Sachen verwüster. Du kannst das oben nachlesen. Aus dem Chaos ging erst allmählich eine neue Kultur und staatliche Struktur hervor.
(05.12.2016 10:25)Suebe schrieb: [ -> ]In der Archäologie ist in den letzten Jahrzehnten so veil gegangen, nicht zuletzt durch "Neuuntersuchungen" und Bewertungen älterer Funde, dass Pirenne einfach überholt ist.

Mit zu der Neubewertung gehört auch, dass sich die Definition von "römisch" allmählich verändert. In der Vergangenheit orientierte sich der Begriff vor allem auch daran, was die Römer an Schriftlichem hinterließen. Mittlerweile häufen sich die Hinweise, dass sich die Römer im wahrsten Sinne Dinge zugeschrieben haben, die in Wahrheit andere Wurzeln haben...
(04.12.2016 20:45)Paul schrieb: [ -> ]Die Soldaten waren zum großen Teil Germanen, Straßen wurden schon vor den Römern gepflegt.

Dann kannst Du sicher wenigstens eine germanische, vorrömische Strasse nennen, welche ausgegraben wurde. Strassen, die ihren Namen verdienen hinterliessen zum Mindesten in Teilstücken Spuren - Karrenwege nicht. Und die römischen Strassen nördlich der Alpen verfielen zum allergrössten Teil. Nur die Strassen über die Alpenpässe wurden weiter benutzt, da sie offenbar zu wertvoll waren, um sie verfallen zu lassen. Aber auch dort gibt es keine "vorrömische Strassen" (und wenn es sie gegeben hätten, wären es keltische und nicht germanische gewesen). Und noch im Frühmittelalter benutzte man nördlich der Alpen vornehmlich die Flüsse als Handelswege - gerade weil eben vernünftige Strassen fehlten. Nicht einmal Karl dem Grossen gelang, dies zu ändern.

Die germanischen Kulturen waren nun einmal definitiv keine antiken Hochkulturen.
Eine der ältesten Straßen Germaniens war die von der Wetterau über Butzbach, Wetflaria bis ins Eburonengebiet, zum späteren Köln(Wellerstraße). Die Quelle zählt viele Straßen auf - Hohe Straßen/Altwege.

http://www.altwege.de/roemer-und-kelten/...karte.html

http://www.altwege.de/roemer-und-kelten/...Keltenwege

http://www.altwege.de/mittelalter-handel...assen.html


Für Wetzlar(Wetflaria) waren natürlich die Wege nach Weilburg, zum Dünsberg, zum Stoppelberg-Opidium, nach Butzbach besonders wichtig. Im heutigen Wald von Finsterloh liegt ein riesiges Hügelgräberfeld.
Die Eisenprodukte wurden aber auch auf der Lahn Richtung Rhein verschifft, während Holz und Erze über die Dill nach Wetflaria-Dahlheim angeliefert wurden.

http://www.altwege.de/roemer-und-kelten/...telle.html
Deine Links erwähnen "Römerstrassen" und "Keltenwege" - von "Keltenstrassen" ist nicht die Rede, und schon gar nicht von "Germanenstrassen". Soweit ist alles korrekt dargestellt, wenn auch die ein oder andere Römerstrasse (z.B. Lukmanierpass) fehlt.
(05.12.2016 23:47)Aguyar schrieb: [ -> ]Deine Links erwähnen "Römerstrassen" und "Keltenwege" - von "Keltenstrassen" ist nicht die Rede, und schon gar nicht von "Germanenstrassen". Soweit ist alles korrekt dargestellt, wenn auch die ein oder andere Römerstrasse (z.B. Lukmanierpass) fehlt.


Wobei in dem Zusammenhang erwähnenswert ist, dass die germanisch/allemannische Aufsiedelung Südwestdeutschlands genau den Römerstraßen folgte.
Allemannische Siedlungen des 3.+4. Jahrhunderts eigentlich nur entlang von Römerstraßen nachzuweisen sind.
(06.12.2016 11:21)Suebe schrieb: [ -> ]Wobei in dem Zusammenhang erwähnenswert ist, dass die germanisch/allemannische Aufsiedelung Südwestdeutschlands genau den Römerstraßen folgte.
Allemannische Siedlungen des 3.+4. Jahrhunderts eigentlich nur entlang von Römerstraßen nachzuweisen sind.

Da es eine völlige Entvölkerung nicht gab, ist das eigentlich logisch. Selbst im ungepflegten Zustand war es eine hilfreich vorhandene Infrastruktur. Und da man den Römern vor allem Effizienz nachsagen kann, ist eigentlich auch anzunehmen, dass sie ihre Straßen so gebaut haben, wie es nach den geologischen Gegebenheiten am günstigsten war.
Wäre ziemlich dämlich und ressourcenvergeudend gewesen, Siedlungen abseits dieser Straßen zu bauen, nur weil es römische waren...Wink
(06.12.2016 11:21)Suebe schrieb: [ -> ]
(05.12.2016 23:47)Aguyar schrieb: [ -> ]Deine Links erwähnen "Römerstrassen" und "Keltenwege" - von "Keltenstrassen" ist nicht die Rede, und schon gar nicht von "Germanenstrassen". Soweit ist alles korrekt dargestellt, wenn auch die ein oder andere Römerstrasse (z.B. Lukmanierpass) fehlt.


Wobei in dem Zusammenhang erwähnenswert ist, dass die germanisch/allemannische Aufsiedelung Südwestdeutschlands genau den Römerstraßen folgte.
Allemannische Siedlungen des 3.+4. Jahrhunderts eigentlich nur entlang von Römerstraßen nachzuweisen sind.

Auch die Römerstraßen folgten schon den vorgegebenen keltischen und germanischen Wegen. Die Siedlungen lagen oft an wirtschaftlich günstigen Orten, die besiedelt blieben z.B. Wetflaria am Zusammenfluß von Lahn und Dill in einem fruchtbaren Tal, mit günstiger Rohstoffanlieferungsmöglichkeit.
Warum die germanischen Wege in Mittelhessen in der Literatur als keltische Wege bezeichnet werden verstehe ich allerdings nicht.
Ich nehme an, das schon vor den Römern zwischen Bonn und Köln eine aufwendig hergestellte Straße der germanischen Ubier bestand, also eine germanische Straße zwischen 2 germanischen Großstädten.
(06.12.2016 11:35)Bunbury schrieb: [ -> ]./.
Wäre ziemlich dämlich und ressourcenvergeudend gewesen, Siedlungen abseits dieser Straßen zu bauen, nur weil es römische waren...Wink

Genau.
Je moderner die Methoden der Archäologie werden, desto mehr Funde werden gemacht, die den bisherigen Lehrmeinungen widersprechen.
So findet man in immer mehr längst bekannten Villen Spuren von nachrömischen Holzbauten, die eine Weiternutzung belegen.

Und, siehe oben, die müssten ja auch einen "Riß in der Schüssel" gehabt haben, hätten sie dies nicht getan.
(06.12.2016 11:35)Bunbury schrieb: [ -> ]Da es eine völlige Entvölkerung nicht gab, ist das eigentlich logisch.

Die spät- und nachrömische Besiedlng des Rheinlands im 5. Jh. ist erst in groben Umrissen bekannt. Die regionalen und wenigen überregionalen Zentren am Rhein und an den wichtigsten Römerstraßen blieben zum größten Teil erhalten, einige verschwanden und wurden nicht wieder besiedelt. Der germanische Bevölkerungsteil verdrängte allmählich den romanischen, was zu ethnischen Assimilationen und Fusionen führte. Die neuen Herren waren klug genug, sich in die politischen und wirtschaftlichen Zentren zu setzen und diese zu nutzen.

Das Leben ging also weiter, wenn auch für den einzelnen unter anderen Voraussetzungen.

Anders sah es im ländlchen Bereich aus. Hier lässt sich nirgendwo eine kontinuierlche Weiterentwicklung beobachte. Die wenigen römischen Gutshöfe, die wir noch im 4. Jh. kennen (anderswo brach die Besiedlung schon Ende des 3. Jh. ab), hören Ende des 4. und zu Beginn des 5. Jh. auf zu existieren. Mit einer Unterbrechung von mindestens einer oder zwei Generationen setzt dann in fränkischer Zeit wieder eine langsame Aufsiedlung altrömischen Nutzlandes ein, wobei erst im Mittelalter die Bevölkerungsdichte der römischen Epoche wieder erreicht wurde.

Kulturell und zivilisatorisch gab es nach dem Zusammenbruch der Römerherrschaft einen Niedergang. Was die Römer einst an Straßen, Brücken, Aquädukten, steinernen Verwaltungs- und Wohnbauten, Thermen und Stadien errihtet hatten, zerfiel oder wurde nur an wenigen Stellen notdürftig repariert. Für die Germanen war die römische Herrschaftsarchitektur ein Fremdkörper. Es brach eine überwiegend schriftlose Zeit an, das Münzwesen wich dem Tauschhandel. Dieser Verfallsprozes war so tiefgreifend, dass Karl der Große und seine Berater den Plan fassten, alle Bereiche des Wissens und der Kunst zu erneuern, was mit einem modernen Begriff als Karolingische Renaissance bekannt ist.
Der aktuelle Gedanke der Forschung ist, dass sich die "Germanen" und die Bevölkerung im Römischen Reich soweit einander anglichen, dass sie mit den derzeitigen Forschungsmethoden nicht verlässlich auseinander gehalten werden können. Noch nicht.

Es wollte doch keiner der Stammesführer der Völkerwanderung das Römische Reich zerstören.
Und hat es auch nicht zerstört. Die wollten Teil haben am Römischen Reich und Wohlstand. Und haben es oft auch geschafft.

Die mit einem "Tabu" belegten römischen Städte in Germanien, das ist doch längst alles widerlegt.

Die Städte auf ältestem Römischen Reichsboden, in Italien sind in der Spätantike zunehmen kleiner geworden, auch dort hat der Steinbau eine Pause eingelegt.

Der Gedanke eines "Rückschritts" von der Antike zum Mittelalter trifft es insofern schon nicht, dass die Menschen bis zur beginnenden Neuzeit ganz anders dachten.
Weder an Fortschritt noch an Wissenschaft irgendwelche Gedanken verschwendeten
(06.12.2016 18:32)Dietrich schrieb: [ -> ]
(06.12.2016 11:35)Bunbury schrieb: [ -> ]Da es eine völlige Entvölkerung nicht gab, ist das eigentlich logisch.

Die spät- und nachrömische Besiedlng des Rheinlands im 5. Jh. ist erst in groben Umrissen bekannt. Die regionalen und wenigen überregionalen Zentren am Rhein und an den wichtigsten Römerstraßen blieben zum größten Teil erhalten, einige verschwanden und wurden nicht wieder besiedelt. Der germanische Bevölkerungsteil verdrängte allmählich den romanischen, was zu ethnischen Assimilationen und Fusionen führte. Die neuen Herren waren klug genug, sich in die politischen und wirtschaftlichen Zentren zu setzen und diese zu nutzen.

Das Leben ging also weiter, wenn auch für den einzelnen unter anderen Voraussetzungen.

Anders sah es im ländlchen Bereich aus. Hier lässt sich nirgendwo eine kontinuierlche Weiterentwicklung beobachte. Die wenigen römischen Gutshöfe, die wir noch im 4. Jh. kennen (anderswo brach die Besiedlung schon Ende des 3. Jh. ab), hören Ende des 4. und zu Beginn des 5. Jh. auf zu existieren. Mit einer Unterbrechung von mindestens einer oder zwei Generationen setzt dann in fränkischer Zeit wieder eine langsame Aufsiedlung altrömischen Nutzlandes ein, wobei erst im Mittelalter die Bevölkerungsdichte der römischen Epoche wieder erreicht wurde.

Kulturell und zivilisatorisch gab es nach dem Zusammenbruch der Römerherrschaft einen Niedergang. Was die Römer einst an Straßen, Brücken, Aquädukten, steinernen Verwaltungs- und Wohnbauten, Thermen und Stadien errihtet hatten, zerfiel oder wurde nur an wenigen Stellen notdürftig repariert. Für die Germanen war die römische Herrschaftsarchitektur ein Fremdkörper. Es brach eine überwiegend schriftlose Zeit an, das Münzwesen wich dem Tauschhandel. Dieser Verfallsprozes war so tiefgreifend, dass Karl der Große und seine Berater den Plan fassten, alle Bereiche des Wissens und der Kunst zu erneuern, was mit einem modernen Begriff als Karolingische Renaissance bekannt ist.

Gerade für die ubischen u. sugambrischen Bauern im Rheinland änderte sich noch weniger als für die Städter. Die Gutshöfe hatten doch keinen großen Anteil an der landwirtschaftlichen Produktion.

Der römische Denar(Pfennig)galt in den Frankenreichen weiter.

file:///C:/Users/Paul/AppData/Local/Opera/Opera%20x64/temporary_downloads/01%20Der%20Denar%20auch%20im%20Mittelalter%20die%20Basis%20des%20Alltagsgeldes.p​df
(06.12.2016 22:37)Suebe schrieb: [ -> ]Der aktuelle Gedanke der Forschung ist, dass sich die "Germanen" und die Bevölkerung im Römischen Reich soweit einander anglichen, dass sie mit den derzeitigen Forschungsmethoden nicht verlässlich auseinander gehalten werden können. Noch nicht.

Ehrlich gesagt, bezweifle ich, dass es jemals dazu kommen wird, dass es eine verlässliche Kategorieeinteilung geben wird. Einfach, weil eine Kategorisierung immer eine bestimmte Prioritätsreihenfolge vorher festgelegter Ordnungskriterien bedingt.
Jede neue Denkweise wird neue Ordnungskriterien und neue Priortätsreihenfolgen nach sich ziehen. Und jede alte Kategorisierung über den Haufen werfen.... Ohne daß sich die Menschen, die da irgendwo einsortiert werden, auch nur das geringste bißchen verändert hätten... Aber das wäre vielleicht auch mal einen eigenen Thread wert...
(07.12.2016 11:39)Bunbury schrieb: [ -> ]
(06.12.2016 22:37)Suebe schrieb: [ -> ]Der aktuelle Gedanke der Forschung ist, dass sich die "Germanen" und die Bevölkerung im Römischen Reich soweit einander anglichen, dass sie mit den derzeitigen Forschungsmethoden nicht verlässlich auseinander gehalten werden können. Noch nicht.

Ehrlich gesagt, bezweifle ich, dass es jemals dazu kommen wird, dass es eine verlässliche Kategorieeinteilung geben wird. Einfach, weil eine Kategorisierung immer eine bestimmte Prioritätsreihenfolge vorher festgelegter Ordnungskriterien bedingt.
Jede neue Denkweise wird neue Ordnungskriterien und neue Priortätsreihenfolgen nach sich ziehen. Und jede alte Kategorisierung über den Haufen werfen.... Ohne daß sich die Menschen, die da irgendwo einsortiert werden, auch nur das geringste bißchen verändert hätten... Aber das wäre vielleicht auch mal einen eigenen Thread wert...


Da habe ich mißverständlich geschrieben.
Natürlich haben sich die Menschen nicht geändert.
Die Kulturen haben hin und her vieles übernommen, so dass es anHand der Funde zZt keine verläßlichen Unterscheidungsmerkmale gibt.

Letztlich sind die Historiker des 19. Jahrhunderts da in eine Falle gelaufen, indem sie von einem ständigen Fortschritt in Technologie, Forschung und Wissenschaft als Normalzustand ausgegangen sind.

Das "Normalmodell" des Mittelalters war aber anders, "es ist alles bekannt, man kann durch Studium der Propheten etcetera pp alles erfahren, was man wissen will."
(07.12.2016 13:04)Suebe schrieb: [ -> ]Da habe ich mißverständlich geschrieben.
Natürlich haben sich die Menschen nicht geändert.

Ne, hast du nicht. Ich habe nur vergessen, den zwinkersmiley dazu zu setzen. Big Grin

(07.12.2016 13:04)Suebe schrieb: [ -> ]Die Kulturen haben hin und her vieles übernommen, so dass es anHand der Funde zZt keine verläßlichen Unterscheidungsmerkmale gibt.

Kultur ist letztendlich ein ständig in alle Richtungen fließender Prozess. Er ist ebenso Moden unterworfen wie anderen Einflüssen. Wenn ein Dorf von sagen wir 40 Leuten mit fünf verschiedenen Fremden in Kontakt kommt, werden alle 40 daraus etwas anderes machen, je nach Veranlagung und Prägung. Vielleicht wird sich eine Sache durchsetzen, die ab da zur Dorfkultur gehört. Gehen die gleichen fünf Fremden in das nächste Dorf, wird dort etwas anderes zurückbleiben. Aber auch die fünf Fremden sind, wenn sie das Dorf wieder verlassen, nicht mehr die gleichen Fremden wie zuvor.

Kulturelle Einschneidungen lassen sich nur dann wirklich nachweisen, wenn etwas geschehen ist, was zu massiven Veränderungen in weiträumigen Landstrichen geführt hat. Eine gleichzeitige Übernahme bestimmter Sitten, das gleichzeitige Verschwinden einer bestimmten Kulturtechnik oder so etwas in der Art.

Von daher bezweifle ich, dass sich irgendwann kategorien ergeben, in die sich die Bevölkerungsgruppen in der Völkerwanderungszeit eindeutig zuweisen lassen.

(07.12.2016 13:04)Suebe schrieb: [ -> ]Letztlich sind die Historiker des 19. Jahrhunderts da in eine Falle gelaufen, indem sie von einem ständigen Fortschritt in Technologie, Forschung und Wissenschaft als Normalzustand ausgegangen sind.

Das "Normalmodell" des Mittelalters war aber anders, "es ist alles bekannt, man kann durch Studium der Propheten etcetera pp alles erfahren, was man wissen will."

Jeder geht erst einmal von dem aus, was er kennt. Wäre mal interssant zu wissen, für welche Einfaltspinsel uns die Leute in 200 Jahren halten....Wink
(07.12.2016 13:48)Bunbury schrieb: [ -> ]./.

Jeder geht erst einmal von dem aus, was er kennt. Wäre mal interssant zu wissen, für welche Einfaltspinsel uns die Leute in 200 Jahren halten....Wink

Eine Disziplin die in der Historik schmerzlich fehlt.
Die Sichtweise auf die Jetztzeit in der vollendeten Zukunft

InnocentDevil
(07.12.2016 13:04)Suebe schrieb: [ -> ]Da habe ich mißverständlich geschrieben.
Natürlich haben sich die Menschen nicht geändert.
Die Kulturen haben hin und her vieles übernommen, so dass es anHand der Funde zZt keine verläßlichen Unterscheidungsmerkmale gibt.

Gerade deshalb ist es immer etwas problematisch, wenn man in Ermangelung anderer Quellen notgedrungen allein aufgrund von Bodenfunden kulturelle Zuordnungen machen muss und anhand dieser Funde eine Kultur (mit einheitlicher Sprache, Religion, Lebensgewohnheiten, hierarchische Systeme etc) definiert. Und je älter die Funde, desto fragwürdiger. Mit einem protoindogermanischen Urvolk beipsielweise kann ich deshalb rein gar nichts anfangen und Spekulationen über Gebräuche, Wertvorstellungen, Religion oder Sprache eines solches hypothetisches Volkes halte ich deshalb für sinnlos.

Ich habe das schon mal in einem anderen Forum erwähnt: Wenn wir selbst mal ausgegraben werden sind unsere PCs und Labtops alle entmagnetisiert. Wir hinterliessen somit auch keine direkte Quellen, da Papier und Bücher der Digitalisierung weichen mussten. Die Archäologen die uns ausgraben werden also gezwungen sein, auch uns nach unseren hinterlassenen Gebrauchsgegesntänden zu beurteilen. Analog der "schnurkeramischen Becherkultur" werden wir dann wohl als ein von Europa bis China (Verbrauch und Herstellung) sidelndes Volk der "henkelplastischen Klobürstenkultur" mit einheitlicher Sprache, Regierungsform, Gesellschaftsstruktur, Religion und Ritualen charakterisiert werden. Und vielleicht finden Sie sogar meine Knochen und ich komme als typischer Vertreter der Klobürsten-Leute ins Museum.
(06.12.2016 22:37)Suebe schrieb: [ -> ]Der Gedanke eines "Rückschritts" von der Antike zum Mittelalter trifft es insofern schon nicht, dass die Menschen bis zur beginnenden Neuzeit ganz anders dachten.
Weder an Fortschritt noch an Wissenschaft irgendwelche Gedanken verschwendeten

Vom sozialen Gesichtspunkt aus ist das bedeutendste Phänomen, das in die Zeit zwischen den muslimischen Eroberungen und der Herrschaft der Karolinger fiel, die schnelle Verminderung und nachher das fast völlige Verschwinden der städtischen Bevölkerung. Die soziale und verwaltungsmäßige Struktur verlor nun ihren dem städtischen Charakter des römischen Staates entsprechenden Charakter: ein Phänomen, das in Westeuropa ganz neu und sehr erstaunlich war.

Das Ende des städtischen Typus im frühen Mittelalter ergab sich zumindest für die Verwaltung daraus, dass die Eroberer des Römischen Reiches außerstande waren, dessen Institutionen in der alten Form weiterfunktionieren zu lassen; denn nur die Institutionen des römischen Staates hatten in den durch Barbaren eroberten Provinzen - in Gallien, Spanien, Italien, Afrika und Britannien - einst die Existenz der Städte gesichert. Nur noch einige Städte an den Küsten des Mittelmeers trieben auch noch nach den Völkerwanderungen einen mehr oder weniger bedeutenden Seehandel."

Daraus aber musste sich ein fast vollkommener Stillstand des Handels ergeben; auch das Gewerbe verschwand fast ganz, wenn man von einigen lokalen Erscheinungen wie der in Flandern noch aufrechterhaltenen Tuchweberei absieht. Der Umlauf von Geld hörte beinahe auf. Seitdem verfielen in den fast entvölkerten Städten die verlassenen Viertel und dienten den wenigen Einwohnern, die sich auf einen Winkel des früheren Stadtinnern beschränkten und dort hausten, als Steinbrüche.

In Gallien erlosch das städtische Leben so völlig, dass die Herrscher nicht mehr in den Städten residierten, denn der vollkommenen Mangel eines Handelsverkehehrs ermöglichte es ihnen nicht mehr, dort genügend Lebensmittel für den Unterhalt des Hofes zu finden. Sie verbrachten das Jahr auf den Domänen und zogen von einer zur anderen. [1]

{1] Henri Pirenne, Geschichte Europas, Frankfurt 1961
Da gab es im Frühjahr in "Spektrum der Wissenschaft" einen Bericht der genau diesen Aussagen Pirennes weigehend widerspricht.

von der Website
Zitat:Die wenigen Ausnahmen wie in vom Braunkohleabbau betroffenen Regionen von Köln lassen aber bereits an etablierten Vorstellungen zweifeln. So wurde in der Spätantike offenbar häufiger wieder mit Holz gebaut. Weil davon nur geringe Reste erhalten geblieben sind, haben Archäologen solche Strukturen früher oft übersehen beziehungsweise niedriger bewertet als die Überreste steinerner Bauten. …

http://www.spektrum.de/magazin/stadt-lan...ke/1323772
(07.12.2016 18:55)Suebe schrieb: [ -> ]Da gab es im Frühjahr in "Spektrum der Wissenschaft" einen Bericht der genau diesen Aussagen Pirennes weigehend widerspricht.

von der Website
Zitat:Die wenigen Ausnahmen wie in vom Braunkohleabbau betroffenen Regionen von Köln lassen aber bereits an etablierten Vorstellungen zweifeln. So wurde in der Spätantike offenbar häufiger wieder mit Holz gebaut. Weil davon nur geringe Reste erhalten geblieben sind, haben Archäologen solche Strukturen früher oft übersehen beziehungsweise niedriger bewertet als die Überreste steinerner Bauten. …

http://www.spektrum.de/magazin/stadt-lan...ke/1323772

Das sagt doch überhaupt nichts gegen Pirenne aus.

Gut belegbar sind folgende Tatsachen: mehrfache Plünderungen der Städte an Rhein und Donau, Verschwinden der Verwaltung und Bürokratie (bis auf rudimentäre Reste), Ende der Schriftlichkeit, Ersatz des Münzsystems durch den Tauschhandel, Verfall aller Brücken, Thermen, Aquädukte, Amphitheater und aller römischen Verwalungs- und Wohnbauten, Verschwinden der römischen Gutshöfe usw. usw.

Das nenne ich einen Niedergang der Kultur und Zivilisation. Eine Zivilisationsstufe, die derjenigen der Römer glich, wurde erst wieder Jahrhunderte später erreicht.

Das alles war der Grund, warum Karl der Große die sogenannte "Karolngische Renaissance" ins Leben rief. Durch sie sollte der Niedergang der Kultur, Wissenschaft und Kunst behoben werden, der nach dem Untergang Roms eingesetzt hatte.

Dass das Leben im Rheinland nicht aufhörte, habe ich oben schon gesagt. Es ging weiter, wenn auch unter neuen Herren und neuen Voraussetzungen für den einzelnen.
Die Aussagen Pirennes sind in den letzten 55 Jahren durch neues Wissen einfach veraltet.
Ich kann nicht verstehen, dass du dies ständig negierst.

Schau mal da rein
http://www.steiner-verlag.de/uploads/tx_...8205_p.pdf

Zitat:Die großen Handelswege blieben im Wesentlichen die alten, so die
Verbindungen vom Mittelmeerraum, die einerseits über die Fernroute
Rhône, Sâone, das Becken von Langres über die Mosel und anschlie-
ßend über die Eifel oder den Flussweg an den Rhein, andererseits von
Oberitalien über den Großen St. Bernhard, Martigny und Avenches
nach Augst führten und somit den Oberrhein erreichten. Münzfunde
zeigen, dass diese Routen während des gesamten Frühmittelalters weiterhin
frequentiert wurden, auch wenn wir nur wenig über die Intensität
der Handelsbeziehungen sagen können.

und das Fazit
Zitat:Als abschließendes Fazit lässt der Überblick zu Grundzügen der
rheinisch-moselländischen Wirtschaft in Spätantike und frühem Mittelalter
einerseits Kontinuitäten erkennen, die trotz der gewaltigen Umbr
üche, die mit dem Untergang des Römischen Reiches in dieser Region
verbunden waren, nun deutlicher als noch vor zwanzig Jahren in
der Forschung hervorgehoben werden
; andererseits werden aber auch
Neuansätze deutlich, die in karolingischer Zeit einsetzen.
@Suebe, du hast es vor Jahren anderswo gut beschrieben. Blonder Franke sagt dem dunkelhaarigen Moselromanen, mehr und besseren Wein zu machen. Und klopft dabei bedeutungsvoll auf die Franziska...
(07.12.2016 20:48)Arkona schrieb: [ -> ]@Suebe, du hast es vor Jahren anderswo gut beschrieben. Blonder Franke sagt dem dunkelhaarigen Moselromanen, mehr und besseren Wein zu machen. Und klopft dabei bedeutungsvoll auf die Franziska...

Der suebe schreibt Sachen... Devil
Aber genau so muss es doch abgelaufen sein, der Franke hat doch den "Römer" gebraucht.

hier mal die Pirenne-These aus den 20ern, damit die Kolleginnen und kollegen Zugang zu Dietrichs Argumentation haben
https://de.wikipedia.org/wiki/Pirenne-These
Eine revolutionäre Veränderung für die Landwirtschaft, war das Pfropfen, welches von den Römern übernommen wurde. Es ermöglichte die Vermehrung bewährter Kultursorten, wo Stecklinge nicht möglich waren. Das steigerte die Erträge. Weinrebenvermehrung war aber über Stecklinge leicht möglich. Der Weinanbau ergänzte die Bierherstellung ohne Hopfen. Zwetschgen und Pfirsische vermehren sich auch gut kernecht.

http://www.swr.de/mittelalter-im-suedwes...index.html
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