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Normale Version: Kriegsgräul 1914?
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Im August 1914 marschieren die deutschen Heere durch Belgien und Nordfrankreich.
Schlieffenplan
Frankreich sollte geschlagen werden bevor Russland seine Massenheere in Gang setzen konnte.

Für notwendig um dieses Ziel zu erreichen wurde der Bruch der belgischen Neutralität angesehen.

In Belgien und im Grenzgebiet zu Nordfrankreich kam es zu zahlreichen Aktionen deren Opfer belgische Zivilisten wurden.
Gräueltaten laut den Kriegsgegnern, zulässige Reaktionen auf durch die Haager Landkriegsordnung verbotene Franktireur-Angriffe lt. deutscher Quellen.
Vor 15 Jahren haben Horne und Kramer ein weitgehend auf Zustimmung treffendes Standwartwerk verfasst, Tenor, die deutschen Reaktionen wären auf übertriebene Nervosität und damit verbundenes "friendlyFire" beschuss durch eigene Truppe entstanden.
Es hätte keine belgischen Franktireur-Angriffe gegeben.

Auch den württembergischen Truppen, die aktiven Regimenter bildeten des XIII. (königlich württ.) Armeekorps denen solche Kriegsverbrechen, 1915 sprach man von Gräueln, im luxemburgisch-belgisch-franz. Grenzgebiet um Longwy zwischen dem 21. und 24. August vorgeworfen werden.
Während ein Großteil der deutschen Heeresakten im April 1945 bei einem britischen Bombenangriff im preußischen Heeresarchiv in Potsdam vernichtet wurden, sind die des XIII. Armeekorps fast vollständig vorhanden, sie liegen im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart.

In den letzten beiden Jahren sind 2 Publikationen entstanden, die die bisherige Sicht sehr in Frage stellen.

Bei Interesse könnte ich hierzu etwas schreiben.
Im ländlichen Frankreich und wallonischen Belgien ist auch heute noch jeder hitzköpfige Vollpfosten mit einem Jagdgewehr bewaffnet und die frz./belg. Heeresleitung rief auch zur Bildung von Franktireurs auf, ganz in der Tradition von 1870/71. Es soll mir also keiner erzählen, dass niemals aus dem Hinterhalt geschossen wurde.
Das Wildern ist dort noch Volkssport, deshalb die Ausrüstung.
(15.02.2018 21:06)Suebe schrieb: [ -> ]In den letzten beiden Jahren sind 2 Publikationen entstanden, die die bisherige Sicht sehr in Frage stellen.
Was ist denn die bisherige Sicht?

Eigentlich sind solche Kriegsgräuel nichts Besonderes, deswegen glaubhaft. Einzelne Aktionen gegen die Besatzer mag es gegeben haben, aber ganz sicher nichts im großen Stil. Vor allem nichts, was der wohl stärksten Landstreitkraft der Welt gefährlich hätte werden können. Belgien 1914 war nicht Russland 1943.

Ich vermute sehr stark, dass die bekannten Kriegsverbrechen nur die Spitze des Eisbergs sind.
(17.02.2018 00:31)Triton schrieb: [ -> ]
(15.02.2018 21:06)Suebe schrieb: [ -> ]In den letzten beiden Jahren sind 2 Publikationen entstanden, die die bisherige Sicht sehr in Frage stellen.
Was ist denn die bisherige Sicht?

Eigentlich sind solche Kriegsgräuel nichts Besonderes, deswegen glaubhaft. Einzelne Aktionen gegen die Besatzer mag es gegeben haben, aber ganz sicher nichts im großen Stil. Vor allem nichts, was der wohl stärksten Landstreitkraft der Welt gefährlich hätte werden können. Belgien 1914 war nicht Russland 1943.

Ich vermute sehr stark, dass die bekannten Kriegsverbrechen nur die Spitze des Eisbergs sind.


aber klar Triton,
die Deutschen mit ihren Mörder-Genen haben da voll zugeschlagen.
die bairischen Grenadiere die Kinder geschlachtet und gefressen haben,
alles wahr und wahrhaftig.

Was soll ich mir auch Mühe machen.
Triton weiß es doch schon vorher und besser sowieso.

Dein Urgroßvater war bestimmt bei den 125ern - das waren die wildesten Mörder und Menschenfresser....
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland?
Nö. Kriegsverbrechen während der ersten Tage der Besatzung sind oder besser waren nicht ungewöhnlich. Das machten die Japaner so, die Russen, usw. Selbst die Amis plünderten und schossen schon mal sehr schnell aus Angst vor den Werwölfen. Eine Verwandte von mir ist in der Küche durchs Fenster erschossen worden, wahrscheinlich aus Versehen.

Das hat nichts mit den Nazi-Vollpfosten zu tun, die sich für bessere Menschen hielten und von oben abgesegnet hausten wie die Barbaren.
(17.02.2018 13:39)Triton schrieb: [ -> ]Der Tod ist ein Meister aus Deutschland?
Nö. Kriegsverbrechen während der ersten Tage der Besatzung sind oder besser waren nicht ungewöhnlich. Das machten die Japaner so, die Russen, usw. Selbst die Amis plünderten und schossen schon mal sehr schnell aus Angst vor den Werwölfen. Eine Verwandte von mir ist in der Küche durchs Fenster erschossen worden, wahrscheinlich aus Versehen.

Das hat nichts mit den Nazi-Vollpfosten zu tun, die sich für bessere Menschen hielten und von oben abgesegnet hausten wie die Barbaren.

-dann mach dich mal schlau.
Das ist der derzeitige Stand der Wissenschaft
https://books.google.de/books/about/Germ...edir_esc=y



2016 hat Gunther Spraul unter "Franctireur Krieg Verfall einer Wissenschaft"
ein 700 Seiten Werk veröffentlicht in dem er Horne + Kramer widerspricht.
Die Rezension in HSozKult
https://www.hsozkult.de/publicationrevie...cher-26029

und 2017 hat Prof. Ulrich Keller unter "Schuldfragen" ein weiteres Werk dazu veröffentlicht. Es gibt eine Leseprobe als pdf (kannst ja googeln)
sehr interessant das Vorwort von Prof. Krumeich
auf welches dünne Eis man sich da in diesem unserem Lande begibt, und dass Keller vermutlich Glück hatte, dass sein Vorhaben nicht früh bekannt wurde.

und ein gewisser Triton hat das dann gleich noch bestätigt. Angry


... aber von wegen Keller, die Wissenschaft hatte Glück, dass Keller sein Vorhaben durchzog.

Dann gibt es in der Zeitschrift vom Württ. Geschichts- und Altertumsverein einen Aufsatz speziell zu den Vorwürfen gegen das XIII. (württ) Armeekorps n der Schlacht von Longwy mit dem Hinweis, dass die vorhandenen Aktenbestände im HStArchiv zum XIII. Armeekorps (in denen die Franctireur-Kämpfe zweifelsfrei belegt sind) bisher lediglich von Spraul teilweise ausgewertet wurden.
Vielleicht noch eine wichtige Info.
Es geht keineswegs darum, irgendwelche dt. Kriegsgräul zu leugnen.

Es geht darum festzuhalten, dass die von der Nachkriegswissenschaft uniso behauptete völlig grundlose Reaktion deutscher Truppen in Belgien in den letzten Augusttagen 1914 so nicht richtig ist.
Spraul und Keller kommen mit unterschiedlichen Ansätzen zum selben Ergebnis:
Die Gräul entstanden als Reaktion auf "Franctireurangriffe" belgischer Zivilisten und belgischer Soldaten, die sich als Zivilisten tarnten.
Und waren mindestens zum Teil vom damaligen Kriegsrecht gedeckt.

Spraul hält sich an sächsische und württ. Militärakten und Regimentsgeschichten. Keller vorrangig an die Akten der Nachkriegs-Kriegsverbrecher-Prozesse in Leipzig, die den 2. Weltkrieg (im Gegensatz zu den preußischen Heeresakten) überstanden haben.

Es ist auch völlig unlogisch, quer durch Belgien bis zur franz. Grenze Kriegsverbrecher á gros, dann von sofort auf gleich eine disziplinierte Truppe die nicht mehr als "üblich" an Verbrechen begangen hat.
Zumindest war das alles 1914 ein Vorwand, um Deutschland in die tiefste Barbarenecke zu stellen. An die weißen, weichen belgischen Babies auf den Bajonetten und die abgehackten Frauenhände glauben auch heute noch anscheinend viele.
Da ist es doch viel "harmloser" und völlig in Ordnung, dass übereifrige Amerikaner 1944 in der Normandie sich "Ohrentrophäen" abschnitten und Halsketten daraus machten...Big Grin
Von den Russen reden wir lieber erst gar nicht, übrigens schon 1914 kurzzeitig in Ostpreussen.
(20.02.2018 18:38)Arkona schrieb: [ -> ]Zumindest war das alles 1914 ein Vorwand, um Deutschland in die tiefste Barbarenecke zu stellen. An die weißen, weichen belgischen Babies auf den Bajonetten und die abgehackten Frauenhände glauben auch heute noch anscheinend viele.
Da ist es doch viel "harmloser" und völlig in Ordnung, dass übereifrige Amerikaner 1944 in der Normandie sich "Ohrentrophäen" abschnitten und Halsketten daraus machten...Big Grin
Von den Russen reden wir lieber erst gar nicht, übrigens schon 1914 kurzzeitig in Ostpreussen.

Ende der 50er hat man sich mit Frankreich darauf verständigt, dass sich die beiderseitigen Armeen im jeweiligen Feindesland nicht völlig korrekt verhalten haben, dies aber letztlich den besonderen Umständen eines Krieges geschuldet wäre und damit vergeben und vergessen sei.
So beendet man Erbfeindschaften!

Die Besonderheit des belgischen Franctireur-Krieges ist seine völlige Leugnung durch die Belgier und Entente.
Und dass diese Leugnung in die Geschichtswissenschaft Eingang gefunden hat. Seit den 40er Jahren als allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft.
Wobei die vehementesten Vertreter PC-Historiker mit Bundesdeutschem Pass sind/waren.
(20.02.2018 19:17)Suebe schrieb: [ -> ]Die Besonderheit des belgischen Franctireur-Krieges ist seine völlige Leugnung durch die Belgier und Entente.
Und dass diese Leugnung in die Geschichtswissenschaft Eingang gefunden hat. Seit den 40er Jahren als allgemein anerkannter Stand der Wissenschaft.
Wobei die vehementesten Vertreter PC-Historiker mit Bundesdeutschem Pass sind/waren.

Das wird bis in unsere Zeit aber immer wieder hochgekocht und nicht etwa von Belgiern. Suchen die Angelsachsen etwa immer noch einen Grund für ihr Eingreifen in Flandern, was eine Generation auf der Insel fast auslöschte? Das Trauma haben sie noch heute.
Das glaubt Keller als Grund für die belgischen Vertuschungen ausgemacht zu haben.
Belgien hätte unmittelbar nach Kriegsbeginn ein "Amt für die Aufklärung von Kriegsgräueln" installiert. Also bevor es überhaupt welche gab.

Belgien hätte als Voraussetzung für das Überleben als Staat die Legende von "poor little Belgium" gesehen. Weltweit verbreitet und akzeptiert.

Dieser Staat zusammengesetzt aus zweierlei Ethnien, nur zusammengehalten durch die Religion.
Wobei die Religion dann auch noch gleich als Grund für die deutschen "Gräuel" genannt werden.
Kann man ja greifen, die deutschen Heere des Jahre 1914 hatten mindestens 40% Katholiken.........
Noch nicht einmal durch die Relegion. Belgien ist bis heute quasi zweigeteilt, der flämisch-protestantische Nordwesten und wallonisch-katholische Südosten. Anscheinend hat noch niemand versucht, die angeblichen Kriegsverbrechen regional genauer aufzudröseln.
(21.02.2018 13:41)Arkona schrieb: [ -> ]Noch nicht einmal durch die Relegion. Belgien ist bis heute quasi zweigeteilt, der flämisch-protestantische Nordwesten und wallonisch-katholische Südosten. Anscheinend hat noch niemand versucht, die angeblichen Kriegsverbrechen regional genauer aufzudröseln.

Die Bewohner der einstigen spanischen später österreichischen Niederlande sind (1914) Stockkatholisch. Egal ob Flamen oder Wallonen.
Was in den 1830ern der Grund war, für die Abspaltung von den Niederlanden.

Aber bis heute schwirren immer mal wieder Gedankenspiele umher, Flamen zu den Niederlanden, Wallonen zu Frankreich. Und Anno 14 hätte der Willem Secondo allem nach beide gerne eingesackt...
und wer weiß, vielleicht hatte Frankreich 14-18 zumindest zeitweilig die Wallonie auf dem Wunschzettel.
Aber "poor little Belgium" ging natürlich nicht. Da hat die belgische Staatsführung nicht falsch spekuliert.

Keller bestätigt übrigens deine obige These, dass das bis heute in Britannien gepflegte Geschichtsmythen sind, dass die Kriegstoten von 14-18 für die Befreiung der Belgier aus der Hand der Hunnen starben....
Ich habe jetzt den Keller das erstemal durch.

Es ist eigentlich klar.
Die deutschen Kriegsgräul im August 1914 in Belgien entstanden als Reaktion auf einen "Franktireur" Krieg Belgiens.
Nochmals wohlgemerkt: Die deutschen Reaktionen waren des öfteren vom Völkerrecht nicht gedeckt. Aber der Auslöser halt auch nicht.
Keller ist sich sicher, ohne allerdings den letzten Beweis antreten zu können, dass die belgische Regierung diese "Franktireurs" auf die deutschen Armeen losgelassen hat.
Wobei es der Regierung klar sein musste, dass diese "Feierabendkrieger" nichts gegen eine reguläre Armee erreichen konnte, in ihr Verderben laufen mussten. Mit vorhersehbar schlimmen Folgen für die Zivilbevölkerung. (für Nahschüsse mit Schrot, DummDumm oder Glasplittern statt Schrot hat man erwischte schon 30jährigen Krieg aufgehängt)
Der einzige sehr geringe Erfolg war, dass der deutsche Angriff an der Sambre auf die 5. franz. Armee um ca. 20 Stunden verzögert wurde. Wobei die versuchte Umfassung der Franzosen da wohl aus anderen Gründen misslungen ist.

Aber irgendwo ist mir das ganze noch nicht so richtig "'rund" irgendwas fehlt mir da, habe ich was überlesen? ist mir was entgangen? ich weiß es noch nicht.
Ich nehme mir den Keller nochmals vor, und den Spraun und den WGAV

Vielleicht kann mir auch hier einer helfen.
Das wallonische Belgien einzusacken, ist vermutlich auch heute noch ein feuchter Traum von Macron mit Tradition seit Ludwig XIV...

Was wollte Wilhelm von Belgien? Im Grunde nix, war nur Durchmarschgebiet laut Schlieffenplan. Wenn er gewonnen hätte, wären vermutlich ganz Holland und Flandern bis an die Kanalküste fällig gewesen.
(24.02.2018 18:00)Arkona schrieb: [ -> ]Das wallonische Belgien einzusacken, ist vermutlich auch heute noch ein feuchter Traum von Macron mit Tradition seit Ludwig XIV...

Was wollte Wilhelm von Belgien? Im Grunde nix, war nur Durchmarschgebiet laut Schlieffenplan. Wenn er gewonnen hätte, wären vermutlich ganz Holland und Flandern bis an die Kanalküste fällig gewesen.

So stellten sich das deutsche Nationalisten dann vor:

[Bild: 123.jpg]
da habe ich einen Extra-Thread aufgemacht.
http://www.forum-geschichte.at/Forum/sho...p?tid=7833

diskutieren wir dort die Kriegsziele.
Ich glaube ich weiß jetzt, was mir seltsam erschien.
Alle 3, Keller, Spraul und der Aufsatz in der WGAV-Zeitschrift sind als Widerlegung von Horne und Kramer angelegt.

Nachdem ich aber nun die Widerlegungen kenne, muss ich mir dann auch noch den H+K antun?
Es gibt, folgt man Keller, Spraul und dem WGAV überhaupt keinen Zweifel, dass Belgien 1914 einen Franctireur-Krieg führte.
Trotz aller belgischen Dementis und Notlügen (Keller)

Bei den Verhandlungen zur Haager Landkriegsordnung von 1907 hat die Schweiz und pikanterweise Belgien gegen insbesondere das Deutsche Reich Regeln für "Freischärler" in bewaffneten Konflikten durchgesetzt.
UA:
deutlich sichtbare Kennzeichnung, unter verantwortlicher Führung, die Waffen dürfen nicht "verdeckt" getragen werden. Ein "Freischärlerkrieg" in bereits besetzten Gebieten ist grundsätzlich verboten
unter Berücksichtigung dieser Regeln hätte Belgien im August 1914 ohne weiteres einen Freischärlerkrieg führen können.
Man hat es jedoch in keinem einzigen Fall versucht. Ging den illegalen Weg. Mit verhängnisvollen Folgen für die belgische Zivilbevölkerung.

Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Reaktionen des deutschen Militärs nicht unprovoziert erfolgten!
Wenn auch öfter überreagiert wurde.

Der bekannteste Fall dürfte Löwen sein. Löwen war seit 6 Tagen deutsch besetzt. Eine Freischärleraktion also grundsätzlich verboten.
Diese erfolgte im Zusammenhang mit einem belgischen Ausfall aus der Festung Antwerpen, der allerdings weit entfernt von Löwen schon abgeschlagen wurde.
Soldaten reagieren überaus "allergisch" wenn sie aus Häusern, in denen sie zum Teil einquartiert waren, eingekauft haben usw. beschossen werden.
Sehr häufig mit Jagdgewehren, aus den Schrotpatronen wurde zT der Schrot entfernt und durch Glassplitter ersetzt, usw. usf. (dafür wurden Erwischte schon im 30jährigen Krieg aufgehängt)
Nur deswegen ein paar hundert Leute zu erschießen, vermutlich die meisten Unschuldige, und die halbe Stadt abbrennen ist halt auch überreagiert.
Aber halt nicht unprovoziert.
Wie zuletzt von Horne + Kramer plus ein paar andere behauptet.
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