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Normale Version: Weshalb beginnt 'Geschichte' nicht mit den ersten Werkzeugfunden?
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(05.12.2012 22:57)Bunbury schrieb: [ -> ]Somit müßte sich jemand, der sich mit einer Legende beschäftigt, eigentlich erst einmal mit der zeit auseinandersetzen, in der die Legende niedergeschrieben wurde, um gewissermaßen herauszufiltern, was hinter der Niederschrift steckt... Da geht dann gewöhnlich der Streit los....


Und plötzlich, siehe Presseschau, wird aus dem amputierten "Bein" lediglich ein amputierter "Fuss".

Gelesen habe ich, dass die Auseinandersetzung mit Quellen der Antike sehr oft das Problem aufwirft, dass die damaligen "Leser" sehr gebildet waren, die Schreiber sich deshalb oftmals lediglich auf Andeutungen zu Werken anderer Autoren beschränkten, das Wissen um diese Werke eben voraussetzten.
Aber genau diese Werke dann evt. nicht erhalten geblieben sind, und der Forscher von heute vor einer Gleichung mit etlichen Unbekannten sitzt.

Er beginnt zu interpretieren, was soll er auch sonst tun? und der nächste Interpretiert dann anders
Interessant finde ich dabei den gedanken, daß die aufgeschriebene Legende am Ende mehr über die Zeit verrät, in der sie aufgeschrieben wurde als darüber, worüber sie berichtet...
(05.12.2012 22:57)Bunbury schrieb: [ -> ]Was bei Sagen und Legenden erschwerend hinzukommt, ist die Tatsache, daß sie in der Regel erst einige Jahrunderte nach ihrer Entstehung aufgeschrieben werden.
Derjenige, der sie aufschreibt, ist dabei natürlich von den Wert- und Moralvorstellungen seiner zeit geprägt, und dementsprechend bewertet er die Überlieferung- was mit Unter vielleicht zu einer gewaltigen verzerrung führt.
Da liegst du wohl richtig.

Die gleiche Problematik besteht aber auch des öfteren bei einschlägig bekannten Geschichtsschreibern, wie Herodot, Tacitus, Einhard oder Geoffrey of Monmouth.
Hinzu kommen dann, die vom Sueben erwähnten Quellen, auf die der Schreiber zur damaligen Zeit noch zugreifen konnte, die heute aber vernichtet oder verschollen sind.
Die Erwartungen an einen Chronisten waren in früheren Zeiten sicherlich auch oft ganz anders als heute. Heute erwartet man, dass die angeführten Daten vollständig, richtig und belegbar sind. In anderen Zeiten ging es darum, den "Auftraggeber" möglichst in einem guten Licht darzustellen. Manchmal aber ging es anscheinend auch nur darum, überhaupt eine Chronik zu haben.

Beispiel ist hierfür der Abt Trithemius von Sponheim, der als Visitator der Bursfelder Reform unter Anderem damit beauftragt wurde, die Chronik der Hirsauer Klöster zu verfassen (annales hirsaugiensis 1509 und chronicon Hirsaugiense 1495). Für seine eigene Zeit kann man seine Annalen als relativ vollständig und richtig annehmen, für die Jahrhunderte davor ist äußerste Vorsicht geboten. Er gilt nicht umsonst als der "Münchhausen der Chronisten".

Anscheinend stand er unter dem Druck, eine vollständige Chronik abliefern zu müssen, ohne jedoch die dafür nötigen Informationen und Quellen zu besitzen. Also füllte er seine Lücken kurzerhand mit allerhand überlieferten Legenden und auch mit selbst Erfundenem. Heutige Historiker stehen nun vor der Schwierigkeit, die Fakten von seiner Phantasie trennen zu müssen.

So wie ich das sehe, ist Trithemius bei Weitem kein Einzelfall.
Ich bin zwar nicht vom Fach, aber ich glaube, man muss sich immer fragen, von wem eine Chronik verfasst wurde, von wem sie in Aufrag gegeben wurde und was überhaupt der Zweck dieser Aufzeichnungen war.
(06.12.2012 13:59)Bunbury schrieb: [ -> ]Interessant finde ich dabei den gedanken, daß die aufgeschriebene Legende am Ende mehr über die Zeit verrät, in der sie aufgeschrieben wurde als darüber, worüber sie berichtet...
Stimmt. Bei King Arthur z.B.
Da liegen zwischen dem wahrscheinlichem historischen Kern der Artus-Geschichte, der in der Völkerwanderungszeit liegt und in die Spätantike datiert werden kann und dem Aufschreiben durch Geoffrey of Monmouth, locker mal sechs Jahrhunderte.

Das Werk wurde ja später noch etwas "ergänzt und aufgepeppt", und wir kennen alle die Filme über Artus, wie er in seiner silberglänzenden Rüstung mit dem Blick auf das festungsartige, im Lichte erstrahlende Camelot, den Nebeln von Avalon entsteigt.
Natürlich immer Excalibur zur Hand und - zu seiner rechten - Lancelot, den alten Schwerenöter.

Alles im Stil der hochmittelalterlichen Ritterkultur gehalten, genau die Zeit, in der Geoffrey of Monmouth geschrieben hat.
(06.12.2012 16:31)Wallenstein schrieb: [ -> ]
(06.12.2012 13:59)Bunbury schrieb: [ -> ]Interessant finde ich dabei den gedanken, daß die aufgeschriebene Legende am Ende mehr über die Zeit verrät, in der sie aufgeschrieben wurde als darüber, worüber sie berichtet...
Stimmt. Bei King Arthur z.B.
Da liegen zwischen dem wahrscheinlichem historischen Kern der Artus-Geschichte, der in der Völkerwanderungszeit liegt und in die Spätantike datiert werden kann und dem Aufschreiben durch Geoffrey of Monmouth, locker mal sechs Jahrhunderte.

Das Werk wurde ja später noch etwas "ergänzt und aufgepeppt", und wir kennen alle die Filme über Artus, wie er in seiner silberglänzenden Rüstung mit dem Blick auf das festungsartige, im Lichte erstrahlende Camelot, den Nebeln von Avalon entsteigt.
Natürlich immer Excalibur zur Hand und - zu seiner rechten - Lancelot, den alten Schwerenöter.

Alles im Stil der hochmittelalterlichen Ritterkultur gehalten, genau die Zeit, in der Geoffrey of Monmouth geschrieben hat.


Es gibt von Mark Twain einen Artus-Roman, da erfindet Lancelot die Dampfmaschine das Dampfschiff die Eisenbahn usw. usf.
bringt alles auf den Stand von 1850.
Ein Yankee am Hofe des Königs Artus!?
Man braucht übrigens nicht mal bis zu König Artus zurückgehen.

Die "Schlacht auf dem Peipussee" ist auch, zumindest, ein Rätsel.
Unter Wiki gibt es einen großen Bericht.
Historisch nachgewiesen ist aber sehr wenig.
Es gibt ein russisches Heldenlied, weiter aber gar nichts.
In Ordensquellen, in dänischen Quellen, Estland war zdZ dänisch, Fehlanzeige.
Ein Ordenshochmeister hat 200 Jahre nach den Ereignissen vor Ort nachforschen lassen. Nichts kam heraus.
Wobei man dem Orden zugute halten muss, dass Niederlagen durchaus kritisch aufgearbeitet wurden.

Vermutlich ein Scharmützel, keine große Schlacht.
Da gibt es auch ein bekanntes Bild. Das hatten wir, glaube ich irgendwann in der 8. Klasse Kunsterziehung.
Das Drumrum wurde da aber nicht behandelt. Oder ich hab's vergessen.
(06.12.2012 20:58)Wallenstein schrieb: [ -> ]Ein Yankee am Hofe des Königs Artus!?


stimmt, so ähnlich heißt das Buch.
Stop: Ein Yankee aus Connecticut am Hofe des König Artus

Danke.
Man kann es wohl immer noch kaufen.
Bei mir müsste es aber irgendwo im schrank stehen.
Manche Informationen, die wir aus der Vorgeschichte erhalten, sind genauer als verschiedene schriftliche Quellen. Die Archäologie, Genetik und Sprachwissenschaft bieten gute Informationen und können sich ergänzen. Von der heutigen Situation kann man Rückschlpsse auf die Vergangenheit ziegen.
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