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Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 13.06.2012 18:12

Es gibt sie. Nicht oft, aber es gibt sie.

Die freiwilligen Abdankungen.

Hier sollen sie gesammelt und beschrieben werden.


RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 13.06.2012 18:13

SULLA

Lucius Cornelius Sulla Felix (138 oder 134 – 78 v. Chr.) war ein Feldherr und Politiker in der Spätzeit Roms. Aus einer patrizischen Familie stammend, brachte er es im jugurthinischen Krieg durch sein Verhandlungstalent dazu, dass der Hauptfeind Jugurtha, (König Numidiens), ausgeliefert wurde. Damit begann eine steile Karriere – um die Jahrhundertwende war Sulla Statthalter im Osten, später Führer der Verhandlungen mit Persien, im Bundesgenossenkrieg (91 – 88 v. Chr.) war er Legat, und 88 v. Chr. wurde er Konsul. Doch als Staatsoberhaupt errichtete er ein Terrorregiment, zog widerrechtlich seine Legionen nach Rom, verjagte alle seine Gegner – und ließ sich schließlich 82 v. Chr. zum Diktator ernennen. Dieses Amt hatte es schon in der Republik gegeben: In Notzeiten konnte ein Mensch für ein halbes Jahr zum Alleinherrscher gemacht werden, um die Krise zu beseitigen. Doch Sulla übte die Diktatur ohne zeitliche Einschränkung – also quasi lebenslänglich – aus, wobei er eine eher senatsfreundliche Politik betrieb.

Doch 79 v. Chr. trat Sulla sehr überraschend zurück. Er teilte seinen Entschluss Anfang des Jahres der Volksversammlung mit. Die Gründe sind nicht genau bekannt, aber es handelte sich auf jeden Fall um einen freiwilligen Rücktritt, denn Sullas Herrschaft war zwar nicht legitim, aber der Diktator hatte keine Gefahren zu befürchten, da er den Staat kontrollierte. Vielleicht war Sulla die Streitigkeiten unter seinen Anhängern leid. Diese bereicherten sich durch ihre Anhängerschaft unermesslich. Die Folgen waren Rivalitäten, Streit und Neid sowie Hecheln nach Beliebtheit bei Sulla. Solche Machtverdrossenheit ist bei freiwilligen (und auch bei weniger freiwilligen Rücktritten) allgemein häufig.
Der antike Autor Plutarch berichtete, dass Sulla einst vorausgesagt worden war, er müsse auf „dem Gipfel des Glücks“ sterben. Dies könnte Sulla dazu veranlasst haben, seine „Regierungs“ – Zeit abzuschließen, um noch einen kurzen Lebensabend zu haben.

Auf jeden Fall verließ er Rom und zog sich auf seinen Landsitz zurück. Schon ein Jahr nach seinem Rücktritt starb Sulla nach einer schlimmen Krankheit. Doch dieses Jahr hat er anscheinend noch recht glücklich und friedlich verbracht.



RE: Freiwillige Abdankungen - Suebe - 13.06.2012 20:19

Karl der V. hat auch freiwillig abgedankt.
Für die Neuzeit vermutlich der spektakulärste Rücktritt.

Der Herrscher eines wahren Weltreiches.


Es ist doch logisch, dass s freiwillige Abdankungen gibt. - Gotthelf - 13.06.2012 23:15

(13.06.2012 18:12)Maxdorfer schrieb:  Es gibt sie. Nicht oft, aber es gibt sie.

Die freiwilligen Abdankungen.

Hier sollen sie gesammelt und beschrieben werden.

Es ist doch logisch, dass es freiwillige Abdankungen gibt.


RE: Es ist doch logisch, dass s freiwillige Abdankungen gibt. - Maxdorfer - 14.06.2012 14:57

(13.06.2012 23:15)Gotthelf schrieb:  
(13.06.2012 18:12)Maxdorfer schrieb:  Es gibt sie. Nicht oft, aber es gibt sie.

Die freiwilligen Abdankungen.

Hier sollen sie gesammelt und beschrieben werden.

Es ist doch logisch, dass es freiwillige Abdankungen gibt.

Danke, dass du das so logisch herausgefunden hast.

Trotzdem verstehe ich deine Bemerkung nicht. Die freiwilligen Abdankungen sollen hier gesammelt und beschrieben werden.


RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 14.06.2012 20:09

Philippus Arabs

Hierbei geht es um keinen richtigen Rücktritt, aber eine Situation, bei der ein Rücktritt beinahe geschehen wäre – und um eine sehr interessante Geschichte voller Tragik.

Philippus Arabs (204 – 249, römischer Kaiser 244 – 249) war einer der für die Reichskrise des 3. Jahrhunderts typischen „Soldatenkaiser“. Als Sohn eines Araberscheichs stieg er in der Armee bis zum Prätorianerpräfekten auf, bis er die Soldaten zum Aufstand gegen den Kaiser Gordian III. bringen konnte. Er wurde als Kaiser anerkannt und verbrachte darauf die meiste Zeit seiner Herrschaft mit Kämpfen gegen äußere Feinde.

Doch während der Festlichkeiten zum tausendsten Jahrestag der römischen Stadtgründung wurde die Regierung Philippus’ durch drei Usurpationen erschüttert:
– Am Oberrhein erhob sich, wie Münzfunde belegten, ein gewisser Silbannacus.
– Die mächtigen Donaulegionen riefen einen ihrer Offiziere, Pacatianus, zum Kaiser aus.
– Vermutlich im nördlichen Syrien lehnten sich Soldaten – unter dem von ihnen zum „Augustus“ ausgerufenen Iotapianus – gegen das strenge Regiment des „Regenten des Ostens“, Philippus’ Bruder Priscus, auf.

Überzeugt, dass diese Aufstände das Auseinanderbrechen des Reiches bedeuteten, stürzte Philippus Arabs in eine Nervenkrise. Völlig verzweifelt bot er dem Senat seinen Rücktritt an. Doch dieser reagierte nicht auf das Angebot, erst Roms Stadtpräfekt Decius konnte Philippus davon überzeugen, dass Pacatianus und Iotapianus als Kaiser nicht geeignet seien und deshalb bald fallen würden.
Er sollte Recht behalten, beide wurden bald darauf von den Soldaten ermordet. Auch die Usurpation eines gewissen Uranius in Syrien brach rasch zusammen.

Doch Philippus Arabs war immer noch über die Lage im Donauraum besorgt, und so übertrug er Decius den Oberbefehl über die moesischen und pannonischen Legionen. Innerhalb kürzester Zeit konnte dieser wieder für Ruhe und Ordnung sorgen. Die begeisterten Soldaten riefen ihn schon bald darauf zum Kaiser aus.

Decius beteuerte immer wieder, er wolle gar nicht Herrscher über das römische Weltreich werden, doch Philippus Vertrauen in das Gute im Menschen (so kann man es wirklich nennen) war endgültig verschwunden, hatte sich in Paranoia umgewandelt. So zog er gegen Decius ins Feld, obwohl er körperlich und militärisch viel schwächer war. Als es bei Verona zur Schlacht kam, erlitt Philippus’ Armee eine vernichtende Niederlage. Er selbst kam in der Schlacht um, genauso sein Sohn. Decius wurde Nachfolger und allgemein anerkannt.



RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 14.06.2012 20:18

Justin II.

Kaiser Justin II. (Iustinus II.) war byzantinischer Kaiser von 565 bis 578 und somit Nachfolger des großen Kaisers Justinian. Seine Herrschaft war geprägt durch wirkungslose Reformen und Konflikte mit den Persern. Als 573 jedoch ein entfernter Verwandter (ein Großneffe seines Onkels) namens Justinian das byzantinische Reich auf Kosten des Perserreiches zwar vergrößern konnte, die wichtigste Festung der gesamten Ostfront, Dara – Anastasiopolis, jedoch an die Perser verloren ging, stürzte dies Justin II. in eine schwere Nervenkrise, die sich im Folgejahr zu einer echten Geisteskrankheit ausweitete. Als sich diese verschlimmerte, adoptierte er Flavius Tiberius Constantinus, einen bedeutenden General und Gardekommandeur, und ernannte im zum Caesar (Mitherrscher). Dies war zwar kein wirklicher Rücktritt, doch Tiberius führte von da an quasi alleine die Regierungsgeschäfte – und das bedeutend erfolgreicher als Justin. Als dieser 578 starb, folgte er ihm ohne Probleme nach, obwohl er sich gerade auf einem Feldzug befand.


RE: Freiwillige Abdankungen - Suebe - 14.06.2012 21:10

(14.06.2012 20:18)Maxdorfer schrieb:  Justin II.
Dies war zwar kein wirklicher Rücktritt, doch Tiberius führte von da an quasi alleine die Regierungsgeschäfte – [/size]


Da gibt es ein modernes Pedant.
Das in Deutschland allerdings relativ unbekannt ist.

Der US-Amerikanische Präsident Woodrow Wilson erlitt im Oktober 1919 einen Schlaganfall, und war von diesem Zeitpunkt an nicht mehr handlungsfähig. Blieb aber die gesamte Amtszeit bis in den März 1921 Präsident. Die Amtsgeschäfte führte von diesem Zeitpunkt an faktisch seine Frau Edith. Die Öffentlichkeit wird über den Gesundheitszustand des Präsidenten getäuscht. Der Vizepräsident, der in so einem Fall laut Verfassung die Amtsgeschäfte übernehmen müsste, hält sich selbst für ungeeignet und nimmt die Situation so hin.

So ist es nicht übertrieben davon zu reden, dass die USA vom Oktober 1919 bis zum März 1921 erstmals eine Frau zur Präsidentin hatte.


RE: Freiwillige Abdankungen - Sansavoir - 16.06.2012 11:31

Ramiro II., König von Aragón

Ramiro II. (* ca. 1075; † 16. August 1157 in Huesca) – genannt „der Mönch“ – war von 1134 bis zu seiner Abdankung im Jahr 1137 König von Aragón. Er war der jüngste Sohn des aragonesischen Königs Sancho I. (1042–1094) und dessen zweiter Ehefrau Felicitas sowie der jüngere Bruder der Könige Peter I. (1068–1104) und Alfons I. von Aragón (1073–1134).

Als jüngerer Sohn wurde Ramiro für den geistlichen Stand bestimmt. Er wurde Mönch und 1112 Abt des Klosters Sahagún. Nachdem dieses Kloster wenig später von den Truppen der kastilischen Königin Urraca I. (1080–1126) erobert wurde, flüchtete Ramiro nach Aragón, wo er 1114 zum Bischofselekt von Burgos gewählt wurde. 1134 ernannte ihn sein Bruder – König Alfons I. – zum Bischof von Roda-Barbasto.

Im gleichen Jahr verstarb jedoch König Alfons. Er hatte testamentarisch bestimmt, sein Land den geistlichen Ritterorden zu übertragen. Dies lag nicht im Interesse der Stände Aragóns. Sie erhoben deshalb Ramiro II. zum König und versprachen den Ritterorden großzügige Entschädigungen.

Ramiro II. heiratete schließlich am 13. November 1135 die verwitwete Agnes/Inés von Aquitanien, die eine Tochter des „Königs der Troubadoure“ Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien (1071–1126) und somit auch Tante der Eleonore von Aquitanien (1122–1204) war. Am 29. Juni 1136 (oder 11. August 1136) wurde die einzige gemeinsame Tochter Petronella von Aragón († 1173) geboren.

Politisch erlebte Ramiro II. nur Fehlschläge. Er musste die vollzogene Abtrennung Navarras als eigenständiges Königreich unter Garcia IV. (1112–1150) akzeptieren und die Oberhoheit Kastiliens über Aragón anerkennen. Ebenso verlor er Erwerbungen seiner Vorgänger, so z.B. die Stadt Saragossa an den kastilischen König Alfons VII. (1104–1157). In dieser Situation stellte sich auch der aragonesische Adel gegen ihn, so dass sich Ramiro II. an seinem 2. Hochzeitstag (13. November 1137) entschloss, die Amtsgeschäfte an den Grafen von Barcelona – Raimund Berengar IV. (1113–1162) – abzugeben und als König zurück zu treten. Ramiro II., der zwar den Königstitel weiterhin trug, zog sich in das Kloster San Pedro el Viejo in Huesca zurück, wo er bis zu seinem Tod 1157 lebte und wo er auch begraben wurde.

Der Thronwechsel verlief ohne Komplikationen, da Ramiro II. formal seine einjährige Tochter Petronella als seine Nachfolgerin bestimmte und sie mit Raimund Berengar IV. verheiratete. Dies erwies sich als kluge Politik, der Graf von Barcelona erwies sich als fähiger Herrscher, der der Dominanz Kastiliens Einhalt gebot. Er schuf aus dem Königreich Aragón und der Grafschaft Barcelona einen neuen, dualistischen Staat, die so genannte „Krone Aragoniens“, der unter seinen Nachfolgern zu einer bedeutenden Macht im Mittelmeerraum aufstieg und bis zu seiner Eingliederung in Spanien im Jahr 1516 eigenständig blieb.

Die Ehe zwischen Raimund Berengar IV. und Petronella wurde 1151 vollzogen. Beide hatten fünf gemeinsame Kinder, darunter Alfons II., König von Aragón (1157–1181), Raimund Berengar IV., Graf der Provence (1158–1181) und Dulce, Königin von Portugal (1160–1198).

Zitat von Maxdorfer
Wobei der Rücktritt ja anscheinend etwas damit zu tun, dass sich der Adel gegen den erfolglosen Mann stellte.
Wie freiwillig dann noch die Abdankung war, weiß ich nicht. Hast du da genauere Anhaltspunkte?
Trotzdem ein großes Lob für deinen Beitrag!


Offensichtlich wollte Ramiro nie König werden. Er trat zurück, weil er sich nach seinem früheren Leben im Kloster zurücksehnte und mit den Aufgaben eines Königs völlig überfordert war. Aber er war zumindest klug genug, dies zu erkennen und er fand eine Lösung, den Grafen von Barcelona als Regenten einzusetzen. Diese Entscheidung erwies sich letztlich als richtig. Ramiro lebte dann ja noch 20 Jahre im Kloster und wurde über 80 Jahre alt. Damit erreichte er ein für die damalige Zeit sehr hohes Alter. Sein Rücktritt als König von Aragón erfolgte sicher aus der Einsicht zur Notwendigkeit und war demnach auch freiwillig.


RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 19.06.2012 17:41

BERMUDO I. VON ASTURIEN

Bermudo I. von Asturien war Sprössling der asturischen Königsfamilie (Asturien liegt im Norden Spaniens) und wurde 788 zum Herrscher gewählt (was anscheinend üblich war).
Da er jedoch schon die kirchliche Laufbahn eingeschlagen hatte, war seine Regierung von religiöser Seite her nicht legitim.
Daher (oder vielleicht wegen einer Niederlage gegen die Muslime) ernannte er Alfons II., auch ein Mitglied der royalen Sippe, zum Mitregenten.
Im folgenden Jahr dankte er endgültig ab, Alfons II. wurde Alleinherrscher und Bermudo lebte noch sechs Jahre im „Ruhestand“.



Isaak I Komnenos: - WDPG - 20.06.2012 14:23

Auch mir fällt eine interessante freiwillige Abdankung ein, die von Kaiser Isaak I Komnenos der von 1057-1059 regiert hatte. Hier mal eine kurze Beschreibung.


Isaak I Komnenos war der Sohn von Manuel Komnenos eines Heerführers von Kaiser Basileios II. Nach dem frühen Tod seines Vaters kam Isaak I Komnenos in die Obhut des Kaisers. Später machte er Karriere beim Heer. Er war Vertreter der sogenannten Militäraristokratie.

Im Laufe des 11. Jahrhunderts eskalierte in Byzanz zunehmend ein Machtkampf zwischen dem Beamtenadel auf der einen und dem Militäradel auf der anderen Seite. Die Kaiser die vom Beamtenadel stammten förderten eher Leistungen im kulturellen Bereich, verhalfen Leute aus dem Beamtentum auf wichtige Posten und waren dem Militär gegenüber eher misstrauische eingestellt. Die Position ist nicht ganz so unverständlich wie es auf dem ersten Augenblick aussieht. Byzanz war in dieser Zeit nicht wirklich existenziell bedroht und der Militäradel war auch schon in Gegnerschaft von großen Kaisern wie Basileios II getreten.

Ein Vertreter des Beamtenadels namens Michael VI beerbte die letzte Kaiserin der Makedonischen Dynastie (Theodora, die Tochter des Bruders von Kaiser Basileios II). Seine Stellung war von Anfang an nicht ganz unbestritten, Versuche von Gegenkaisern wie etwa von Theodoisos Monomachos (Verwandter des früheren Kaisers Konstantin IX Monomachos, ein Ehemann von Theodora). Aber richtig bedrohlich wurde es erst als Michaels Politik den Machtkampf mit dem Militäradel eskalieren lies. Es kam zum Aufstand des Militäradels, an dessen Spitze sich Isaak I Komnenos befand, dem Aufstand schlossen sich weitere Gruppen an und so blieb Michael IV nichts andere übrig als Abzudanken.

Isaak I Komnenos wurde Kaiser, er schlug sowohl eingefallene Petschenegen als auch angreifende Ungarn und versuchte Reformen. Einerseits versuchte er das Militär wieder zu alter Stärke zu führen, andererseits die Staatseinkünfte zu vermehren. Sicher wird bei Postenbesetzungen der Militäradel gut davon gekommen sein, aber in den höheren Rängen gab es auch jetzt noch viele Personen aus dem Beamtenadel, eine Maßvolle Politik also. Am ersten Blick war Isaak I Komnenos also ein durchaus fähiger Kaiser.

Aber er hatte es nicht leicht, bei seinem Versuch die Staatseinkünfte zu erhöhen zog er sich mit dem Patriarchen von Konstantinopel einen mächtigen Gegner zu. Den Beamtenadel konnte er wohl nicht wirklich für sich gewinnen und durch den Machtkampf mit dem Patriarchen zog er sich auch noch den Zorn des Volkes zu. Eine Art Dauerkampf bei dem Isaaks einzige verlässliche Machtbasis also der Militäradel war. In dieser schwierigen Lage wurde er auch noch schwer Krank. Isaak I nutzte das um freiwillig abzudanken, er wurde zwar wieder gesund, wollte jedoch nicht mehr auf den Kaiserthron zurück, sondern bevorzugte ein Leben als Mönch.

Noch erstaunlicher als das freiwillige Abdanken eines so tatkräftigen Kaisers, war die Wahl seines Nachfolgers Konstantin X Dukas. Dieser kam weder aus der Familie der Komnenen, noch aus dem Militäradel, sondern aus der Beamtendynastie. Es wird vermutet das bei dieser Wahl Michael Psellos, ein Intellektueller und Vertreter des Beamtenadels, der zu Isaak I übergelaufen war beeinflusst haben könnte.
Im Nachhinein betrachtet war die Wahl nicht gerade eine gute für das Reich, die Komnenen kamen später wieder an die Macht, jedoch war das Reich da schon extrem geschwächt.


RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 20.06.2012 20:03

ERIK III. VON DÄNEMARK

Erik III. von Dänemark war seit 1137 dänischer König. Seine Regierungszeit war friedlich, sieht man von Kämpfen gegen einen Usurpator ab.
Er stand sowohl verwandtschaftlich als auch durch seine Erziehung stark unter deutschem Einfluss, bekannte sich zu dem mitteleuropäischen Ritterideal.
1146 trat er (als einziger dänischer König) zurück, für eine erzwungene, erpresste oder geforderte Abdankung gibt es keine Belege. Vielleicht wollte er sich dem Klosterleben zuwenden (das tat er dann auch), vielleicht spürte er den Tod nahen (der kam dann auch noch im selben Jahr).
Nach seinem Tod kam es zu Thronfolgekämpfen.



RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 20.06.2012 20:04

CHRISTINA VON SCHWEDEN

Christina von Schweden (1626 – 1689, Königin von Schweden 1632 – 1654) war die zweite Tochter des schwedischen Königs Gustav II. Adolf. Schon als sie fünf Jahre alt war, starb ihr Vater und sie wurde Regentin. Ihren Regierungsantritt als eigenständige Monarchin beginn sie 1644, als sie 18 Jahre alt war. Während ihrer Regierungszeit gewann Schweden einige Gebiete hinzu – unter anderem im Westfälischen Frieden 1648. Christina führte einen Hof voller Prunk, in dem Wissenschaften, Kunst und Kultur gefördert wurden und baute und unterstützte Bibliotheken, Universitäten und Theater. Dies machte zwar Eindruck, war aber auch teuer, und zudem wandte sich Christina weniger der Politik und mehr den schönen Dingen im Leben zu.
1651 erklärte sie, sie bräuchte Ruhe und das Land eine starke Spitze. Dies waren nicht die einzigen Gründe: Sie sollte ihren Vetter heiraten, lehnte aber eine Ehe grundsätzlich ab. Nach einigem Hin und Her und der Hinrichtung eines ihrer Kritiker (Arnold Johan Messenius) wurde sie immer unbeliebter wegen ihrer verschwenderischen Politik und dem ebenso verschwenderischen Verteilen von Adelstiteln. Doch Christina machte das wenig aus, sie wollte ja sowieso zurücktreten. Als sie dies 1654 erneut ankündigte, konnte sie sich durchsetzen. Ihr wurden Reichslehen als neue Einkommensquelle angeboten, die Schulden übernahm die Staatskasse. Am 16. Juni 1654 wurde im Schloss Uppsala die Abdankungsurkunde verlesen. Nachfolger wurde ihr Cousin Karl X. Gustav, mit dem sie eigentlich hatte heiraten sollen.
Christina konvertierte schon bald darauf zum katholischen Glauben und floh über Holland nach Rom, wo sie sich fortan Maria Alexandra nannte. Sie widmete sich der Kunst und wirkte als Mäzenin. Am 19. April 1689 starb Christina von Schweden, jetzt Maria Alexandra, in Rom und wurde in den Vatikanischen Grotten im Petersdom beigesetzt.
Man kann sich natürlich streiten, wie freiwillig Christina zurückgetreten war. Ein Grund war natürlich, dass sie nicht heiraten wollte (es gibt Vermutungen, dass sie homo- oder bisexuell war). Doch es ist sehr, sehr wahrscheinlich, dass sie sich lieber der von ihr heiß geliebten Kunst, dem Theater, der Literatur und dem Briefwechsel zuwenden als die langweiligen politischen Aufgaben eines Staatsoberhauptes zu erledigen.



RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 21.06.2012 20:24

FERDINAND I. VON ÖSTERREICH

Ferdinand I. (1793 – 1875) war König von Böhmen, Ungarn und Kroatien, aber hauptsächlich der zweite der vier österreichischen Kaiser (in der Nachfolge der Kaiser des HRR).

Seit 1835 Kaiser, gab er in der Revolution 1848 dem Volkswillen ein Stück weit nach, doch den Aufständischen war das nicht genug. Schon bald hatte er kaum noch Macht, aus dem Regieren über das Volk war ein Reagieren auf das Volk geworden (frei nach Wikipedia).
Er wusste ganz und gar nicht, was er tun sollte, und setzte im Laufe des Jahres sechs neue Ministerpräsidenten ein und alle bis auf den letzten nach kurzer Zeit wieder ab – Anton Freiherr von Doblhoff – Dier war sogar nur zehn Tage im Amt!

Die Mitglieder der Kaiserfamilie rieten Ferdinand I. zur Abdankung. Er war kinderlos, aber seinen Bruder Franz Karl wollte man auch nicht auf dem Thron sehen.
Daher entschied man sich für dessen Sohn, Ferdinands Neffen, Franz Joseph. Dem stimmte Franz Karl durch Verzicht auf die Thronfolge zu.
Aber das wichtigste:

Ferdinand I. legte am 2. 12. 1848 im Palais des Erzbischofs von Olmütz seine Regierung nieder.
Wie der kaiserliche Protokollchef Alexander von Hübner berichtete, sagte er dabei zu seinem Nachfolger: „Gott segne dich, sei brav, es ist gern geschehen.“ (Den ganzen Bericht, der nicht zu lang ist, könnt ihr hier: http://www.museumonline.at/1996/schulen/pinka/regantr.htm lesen).

Man muss allerdings bemerken, dass Ferdinand bis zu seinem Tod den Kaisertitel führte und nur die Regierungsgeschäfte abgegeben hatte.
Er zog sich nach Prag und Mähren zurück, wo er noch 27 Jahre lebte und ein erstaunliches Verwaltungs- und Organisations-talent für die Privatgüter entwickelte. Am 29. Juni 1875 starb er in Prag.



RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 21.06.2012 20:35

WILHELM I. VON PREUSSEN / MILAN I. VON SERBIEN

Auch wenn es nicht um Beinahe – Abdankungen geht, hier noch eine:

Wilhelm I. war König von Preußen.
Als das Abgeordnetenhaus die finanziellen Mittel für eine von ihm geplante (und teilweise schon durchgeführte) Heeresreform nicht gewährte, begann ein Verfassungskonflikt.

Wilhelm I. sah seine Macht im Staate, ja, sogar sein Amt als souveräner Herrscher, infrage gestellt und hielt krampfhaft an seinen Plänen fest.
Doch auch die Abgeordneten blieben stur. Deshalb fasste Wilhelm den Plan, zurückzutreten und seinen Sohn an die Macht zu lassen.

Die Abdankungsurkunde war schon unterzeichnet, als Wilhelm I. von Bismarck und seinem Sohn von der Abdankung abgebracht wurde.
Bismarck setzte die Heeresreform darauf auch ohne genehmigte finanzielle Mittel durch.
Wilhelm I. regierte noch bis zu seinem Tod im hohen Alter 1888.

Erfolgreich hingegen war in einer solchen Situation und in derselben Zeit Milan I., seit 1882 König von Serbien.

Nach einem Konflikt zwischen König und Regierung über die Befugnisse der beiden Parteien danke er 1889 zugunsten seines Sohnes Aleksandar Obrenović ab.



RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 22.06.2012 18:45

DEUTSCHE POLITIKER

Einige Politiker traten durchaus (mehr oder weniger) freiwillig zurück, was im weiteren Sinne auch zu Abdankung zählt. Ich zähle ein paar deutsche Politiker auf:

- Richard von Weizsäcker trat 1983 von seinem Amt als Regierungschef Berlins zurück – und das ganz sicher freiwillig, nämlich, um Bundespräsident zu werden.

- Hans-Dietrich Genscher trat 1992 von seinem Amt als deutscher Außenminister zurück. Als Grund gab er Amtsmüdigkeit an, was man verstehen kann – schließlich war er Europas dienstältester Außenminister und hatte 23 Jahre lang der Bundesregierung angehört.

- Sabine Leutheusser – Schnarrenberger trat 1996 von ihrem Amt als Justizministerin der BRD zurück, nachdem sich die Mehrheit der FDP für den „Großen Lauschangriff“ ausgesprochen hatte, der, wie später befunden wurde, teilweise die Menschenwürde verletzt.

- Franz Müntefering trat 2007 von seinen Ämtern als Stellvertreter der Bundeskanzlerin und als Bundesminister für Arbeit und Soziales zurück – soweit erkennbar, einzig und allein aus familiären, privaten Gründen.

- Horst Köhler trat 2010 von seinem Amt als Bundespräsident Deutschlands zurück, weil eine seiner Äußerungen bezüglich nicht im Grundgesetz legitimierter militärischer Aktionen missverstanden worden war. Ein Großteil der Bevölkerung war erschreckt.



RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 25.06.2012 20:02

Kennt jemand weitere freiwillige Abdankungen?


RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 25.06.2012 20:04

Kaiser Diokletian wäre noch ein Kandidat.


RE: Freiwillige Abdankungen - Sansavoir - 25.06.2012 21:24

(25.06.2012 20:02)Maxdorfer schrieb:  Kennt jemand weitere freiwillige Abdankungen?

König Edward VIII. von England (1936), Kaiser Karl V. (1555/56), Papst Cölestin V. (1294), die holländischen Königinnen Wilhelmine (1948) und Juliana (1980) ...


RE: Freiwillige Abdankungen - Maxdorfer - 24.09.2012 09:55

Konstantin II. von Schottland

Ich hätte da noch eine freiwillige Abdankung, die mir neulich auffiel. Nämlich die von Konstantin (in seiner Landessprache „Causantín mac Áeda“), dem König von Schottland. Geboren wurde er um 874 n. Chr. Sein Vater war der König Aedh. Über seine Kindheit und Jugend ist nichts bekannt, als sein Vater starb, war er wohl noch minderjährig. Deshalb übernahm sein Cousin Donald II. die Regierung. Als dieser starb, folgte er ihm 900 ungefähr sechsundzwanzigjährig.

1. Kämpfe gegen die Wikinger und innenpolitische Reformen
Schon in den ersten Jahren seiner Herrschaft musste er die plündernden und brandschatzenden Wikinger im Nordwesten seines Königreiches abwehren. Diese Kämpfe nahmen vier Jahre in Anspruch. Doch 904 errang er einen überragenden Sieg in der „Schlacht von Scone“. Die Wikinger wurden vernichtend geschlagen und mussten sich für die nächsten Jahre wieder in heimatliche Gefilde zurückziehen. Trotz diesem Rückzug lag die betroffene Küstenregion am Boden, quasi alles war verwüstet. Die nächsten Jahre brauchte die Region, um langsam wieder auf die Beine zu kommen.
Doch während dies geschah und sich Konstantin der Innenpolitik zuwandte (Teil 2), sammelten sich die Wikinger auch wieder. Unter ihrem König Ragnall ließen sie sich erneut in Schottland nieder. Dieses Mal siedelten sie an der Südgrenze, in Northumberland. Doch erneut konnten sie in zwei großen Schlachten geschlagen und vertrieben werden. Diese beiden Auseinandersetzungen, die 914 und 918 stattfanden und als „Schlachten von Corbridge“ in die Geschichte eingingen, hatten zur Folge, dass die Wikinger endgültig aus Südschottland vertrieben wurden.

2. Innenpolitik
Währenddessen machte Konstantin sich an eine Reform des Kirchenwesens in seinem Königreich. Schon zwischen den Kämpfen mit den Normannen hatte er damit begonnen, doch nun widmete er sich voll und ganz dieser Aufgabe. Er war ein sehr gläubiger Mensch, ihm lag das Schicksal der Kirche sehr am Herzen. Diese nahm immer mehr gälische, also einheimische, Züge an und distanzierte sich ein bisschen von Rom. 906 berief er alle bedeutenden Kirchenmänner Schottlands – und vielleicht auch einiger angrenzender Länder – zu einer Synode in Scone statt.
Später initiierte er auch weltliche Entwicklungen. So führte er den Titel des Mormaer ein. Der Träger war Herr über ein bestimmtes Stück Land und dem König verantwortlich. Das Wort „Mormaer“ lässt sich so ungefähr mit „Graf“ übersetzen.

Heute abend werde ich wohl auch die restlichen Teile der Biographie fertig haben.