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Jörg von Stain - erfolgloser Karrierist und Politiker im Spätmittelalter? - Druckversion

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Jörg von Stain - erfolgloser Karrierist und Politiker im Spätmittelalter? - Teresa C. - 02.02.2022 23:11

Ich halte den Herren, der vor kurzem in einem Rätsel gesucht war, für eine recht interessante Persönlichkeit, über den wir vielleicht ein wenig diskutieren könnten. Deswegen übertrage ich die dortige Beschreibung als Einleitung in einen eigenen Thread.

Quellen sind im Wesentlichen der Artikel auf der deutschsprachigen Wikipedia und der Artikel auf Regiowiki.AT (beide als Georg von Stein betitelt.) und dazu einige eigenen Entdeckungen.

Ich selbst habe diesen Georg von Stein unter dem Namen Jörg von Stain im Zusammenhang mit der "Puchheimer Fehde" kennen gelernt. Diese Fehde ist nach Wilhelm von Puchheim, einem Adligen des Herzogtums Österreich, benannt und fand in den 1460er-Jahren statt. Unter den vielen Fehden, die Adelige des Herzogtums Österreich gegen Kaiser Friedrich III. führten, hat es die Puchheimer Fehde in die populärwissenschaftlichen Bücher geschafft, weil sich Wilhelm von Puchheim einen besonders dreisten Coup erlaubte, der vor allem für reißerische Darstellungen und Habsburger-Bashing einiges hergibt. Wilhelm von Puchheim ließ die Gepäckwagen der Kaiserin rauben. Die

seinen Hauptgelernt und zwar las der auf Wikipedia als Georg von Stein zu finden ist. (Zumindest im "österreichischen" Raum ist Jörg von Stain geläufiger.) Das Interessante an dem Wikipedia-Artikel ist, dass erst vor wenigen Jahren jemand Jörgs Tätigkeit für Erzherzog Albrecht VI. von Österreich in den Wikipedia-Artikel eingebaut hat, dort geht es nämlich vor allem um seine Funktionen unter Matthias Corvinus). Der Artikel auf der Regiowiki.AT gibt zwar eine knappe Zusammenfassung der wesentlichen Stationen des Lebens von Jörg von Stain, ist aber nur ausführlich für seine Zeit im heutigen Österreich (inklusive seine Rolle als Sagenfigur, eine Folger der "Puchheimer Fehde") eingeht. (Eine sachliche Zusammenfassung zu diesem Wilhelm von Puchheim findet sich unter folgendem Link: https://www.regiowiki.at/wiki/Wilhelm_von_Puchheim).

Als der eigentlich Drahtzieher dieser Fehde gilt allerdings Jörg von Stain, dem die Feste und Herrschaft Steyr verpfändet war. (Aus der Feste Steyr wurde später das bei der Stadt Steyr gelegene Schloss Lamberg.) Kaiser Friedrich III. hatte offensichtlich vor, die Feste wieder an sich zu bringen. Jörg von Stain dürfte zunächst mit der Lösung der Pfandschaft einverstanden gewesen sein und sogar eine Reduktion der ursprünglichen Pfandsumme akzeptiert haben. Ob er dann damit doch nicht einverstanden war und dem Kaiser deswegen die Fehde ansagte oder ob dieser dann doch die Möglichkeit fand, die Feste ohne Zahlungen wieder zurückzubekommen, lässt sich aus der aktuellen Forschungslage nicht eindeutig klären.

Fakt ist jedenfalls, dass Jörg von Stain schließlich die Feste Steyr verlor und seine Zelte, wie man so schön sagt, im heutigen Oberösterreich abbrach. Übrigens verkaufte er seine Pfandrechte wenig später an einen böhmischen Adeligen und überließ es diesem, sich mit Kaiser Friedrich auseinanderzusetzen.

Allerdings war Jörg von Stain nicht einfach ein "Raubritter", als den ich ihn kennen gelernt habe.

Sein Geburtsdatum ist unbekannt. Mit Blick auf seine ersten urkundlichen Nennung wird in der Geschichtsforschung davon ausgegangen, dass er um oder vor 1430 geboren wurde. Jörg von Stain stammte aus der Reichslandschaft Schwaben und hatte ein eher bewegtes Leben, dass er 1497 im im "Grauen Kloster" in Berlin beschloss. Obwohl er recht viel erreichte, sollte er letztlich nichts von Dauer schaffen. Seine Karriere im Dienst eines Fürsten endete gewöhnlich mit dessen Tod, was jedes Mal zur Folge hatte, dass er wieder von Neuen beginnen musste. Inwieweit dabei seine Familienverhältnisse, über die kaum etwas bekannt ist, eine Rolle gespielt haben, wäre vielleicht noch näher zu erforschen.

Jörg von Stain wurde vermutlich im Südwesten des heutigen Deutschland geboren und starb viele Jahre später im Nordosten des heutigen Deutschland. Sein bewegter Lebensweg führte ihn nach einer Romreise, wobei er mehrere Jahre im heutigen Italien verblieb, von Schwaben ins Herzogtum Österreich und von dort in das böhmische Königreich und seine Nebenländer. Zuletzt findet er sich in der Mark Brandenburg.

Jörg von Stain dürfte über Familienmitglieder bereits früh Kontakt mit den Habsburgern gehabt haben. Vielleicht bereits während des Romzugs, aber spätestens nach seiner Rückkehr aus Italien war er im Dienst von Herzog Albrecht VI. von Österreich, dem jüngeren Bruder von Kaiser Friedrich III. (Im Forum vermutlich besser bekannt als zweiter Ehemann der Pfalzgräfin Mechthild bei Rhein.) Er brachte es dort bis zu dessen Kanzler und folgte dem Erzherzog, der zunächst in den "Vorderen Landen" wirkte, nach dem Tod von König Ladislaus Postumus ins Herzogtum Österreich, zunächst an dessen Hof in Linz und später nach Wien. In Wien war er an der Niederschlagung des sogenannten "Holzer-Aufstandes" beteiligt und wurde von Erzherzog Albrecht VI. zum Ritter geschlagen. Dieser verpfändete ihm die Burg und Herrschaft Steyr und später auch die heute als Raubritterburg berüchtige Feste Aggstein.

Soweit es sich nach der aktuellen Forschung beurteilen lässt, dürfte Jörg von Stain nach dem plötzlichen Tod des Erzherzogs (1463) zunächst Herzog Siegmund von Österreich, Graf von Tirol, besser bekannt als "Siegmund der Münzreiche" unterstützt haben. Dieser war der Cousin von Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Albrecht VI., und der Erzherzog hatte ihn in seinem letzten Testament zu seinem Erben eingesetzt. Allerdings kam es zwischen diesem und Kaiser Friedrich III. zu einer raschen Einigung, wodurch das gesamte Herzogtum Österreich (das umfasste damals nur die Stadt Wien sowie das Bundesland Niederösterreich und große Teile des heutigen Bundeslandes Oberösterreich) an den Kaiser kam. Wegen der Herrschaft Steyr musste sich Jörg von Stain also mit Kaiser Friedrich III. einigen. Offensichtlich konnte oder wollte sich Jörg von Stain mit dem Kaiser nicht arrangieren. Wenig später findet er sich im Dienst von König Georg von Böhmen. Pfänder und Pfandschaften im Herzogtum Österreich, welche er vom Erzherzog Albrecht erhalten hatte, musste er aufgeben, wobei sich die Übergabe der Herrschaft Steyr als besonders schwierig gestaltete. D

Jörg von Stain war dann im Dienst von König Georg und nach dessen Tod für König Matthias Corvinus tätig, wobei ihn dieser in jenen Teilen des böhmischen Königreiches und dessen Nebenländern einsetzte, welche Matthias an sich gebracht hatte. (Das Kernland Böhmen war nach dem Tod von König Georg an den polnischen König Wladyslaw gefallen, der ein Neffe von König Ladislaus Postumus war. Es spricht einiges dafür, dass Matthias und er sich wegen der böhmischen Kurstimme darauf geeinigt hatten, dass Wladyslaw über diese verfügte. Bei der Wahl von Maximilian I. zum römischen König war der Umstand, dass es zwei böhmische König gab, aber neben einem angeblichen Prävedenzfall das Hauptargument für Kaiser Friedrich III. die böhmische Kurstimme Kraft seiner Position als Kaiser für diese Wahl "auszuschließen".)

Unter König Matthias Corvinus war Jörg von Stain Landeshauptmann des böhmischen Erbfürstentums Schweidnitz-Jauer, Hauptmann der niederschlesischen Herzogtümer und Landvogt der Oberlausitz sowie der Verwalter mehrerer im böhmischen Königreich gelegenen Herrschaften. Nach dessen Tod konnte er sich jedoch in keiner Position halten.

Insgesamt dürfte Jörg von Stain eine beachtliche Karriere gemacht haben, die ihm allerdings letztlich nichts einbrachte, was von Dauer gewesen wäre. Ob er tatsächlich ein so übler Zeitgenosse war, wie ADB und die bisher einzige wissenschaftliche Arbeit (eine Dissertation von der Jahrhundertwende, die auf einer Website mit Bezug zur Stadt Steyr abgerufen werden kann) behaupten, wäre allerdings kritisch zu hinterfragen. Soweit es sich beurteilen lässt, war Jörg von Stain offensichtlich ein sehr energischer und durchaus rücksichtsloser Zeitgenosse, der allerdings für seine Arbeitgeber recht erfolgreich agierte. Ob seine Rücksichtslosigkeit und Brutalität allerdings wirklich schlimmer waren als bei seinen Zeitgenossen, wäre kritisch zu hinterfragen.

Eine gewisse Berühmtheit hat Jörg von Stain, da er beim recht plötzlichen Tod von Erzherzog Albrecht persönlich anwesend war. Dass er tatsächlich etwas damit zu tun hatte oder gar in eine Verschwörung gegen diesen verwickelt gewesen war, was im 19. Jahrhundert als Fakt gesehen wurde, wird in der neueren, halbwegs seriösen Forschung eher verneint. Zumindest nach den zurzeit gesicherten Fakten entsteht der Eindruck, dass der Tod von Erzherzog Albrecht für Jörg von Stain nur Nachteile brachte. Auch dass er zunächst die Nachfolge von dessen Cousin unterstützt haben dürfte (zumindest nach dem bisherigen Forschungsstand), spricht dagegen.

Angebliche Verdachtsmomente, so verließ Jörg von Stain die Stadt Wien sofort nach dem Tod des Erzherzog und er soll während dessen Krankheit ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt auf Latein geführt haben, auch anders erklären.
(Mehr zum Bericht von Hanns Hierszmann unter folgendem Link: https://regiowiki.at/wiki/Hans_Hierszmann%E2%80%99s,_Th%C3%BCrh%C3%BCthers_Herzog_Albrecht%E2%80%99s_VI._v​on_Oesterreich,_Bericht_%C3%BCber_Krankheit_und_Tod_seines_Herrn_1463_und_1464)

Habt ihr eigentlich schon einmal etwas von diesem Jörg von Stain gehört? Oder kennt ihr vielleicht ähnliche historische Persönlichkeiten, deren Leben zum Vergleich einladen dürfte.


RE: Jörg von Stain - erfolgloser Karrierist und Politiker im Spätmittelalter? - Sansavoir - 02.02.2022 23:57

Ich kannte Jörg von Stain bisher nicht. Zumindest ist er mir nicht so aufgefallen, dass ich mich mit ihm ausführlich beschäftigt habe. Man lernt halt nie aus: Mit Georg von Podiebrad und Matthias Corvinus hatte ich schon des Öfteren beschäftigt ...

Nun muss ich mal überlegen, ob mir ähnlich historische Persönlichkeiten einfallen.


RE: Jörg von Stain - erfolgloser Karrierist und Politiker im Spätmittelalter? - Sansavoir - 03.02.2022 00:15

Jetzt ist mir gerade Wilhelm von Grumbach (1503–1567) eingefallen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_von_Grumbach


RE: Jörg von Stain - erfolgloser Karrierist und Politiker im Spätmittelalter? - Suebe - 03.02.2022 16:19

Selbstzitat:
Zitat:Tja,
die Stein waren tatsächlich eine Adelsfamilie aus dem Oberschwäbischen.
Zeitweilig weitverzweigt, über 30 Linien, inzwischen, seit den 30ern des 20. Jahrhunderts, aber allesamt ausgestorben
Ihr Wappen mit den Wolfsangeln findet sich in zahlreichen späteren Allianzwappen anderer oberschwäbischer Adelsfamilien.
Zwischen Alb und Donau und auch am oberen Neckar waren sie begütert.

Aber: Von dem Georg/Jörg hatte ich noch nie gehört/gelesen

Die Herren von Stain(Stein) stammen von da
[Bild: 220px-Rechtenstein_-_Kirche_und_Burg_%C3..._Donau.JPG]

das selbe Wappen führen etliche andere oberschwäbische Adelsfamilien
darunter die Herren von Pflummern, die ursprünglichen Erbauer dieser Motte
[Bild: emotionheader4370251.jpg?1619700637.920px.374px]

und wie ich gerade in Wiki lese ist der letzte Reichsfreiherr von Stain zu Rechtenstein erst 2018 verstorben,
Begraben in Rottweil - das Schloss Harthausen in der Nähe von Rottweil am Neckar war auch einst Besitz der Stain
Seelenmesse in Rechtenstein und Ichenhausen - gehörte alles den Stain.
https://trauer.sueddeutsche.de/todesanzeige/ernst-friedrich-vonstainzumrechtenstein


ach ja, die Franziska Herzogin von Württemberg Ehefrau des Carl Eugen ist auch in deren Ahnenliste zu finden.


RE: Jörg von Stain - erfolgloser Karrierist und Politiker im Spätmittelalter? - Teresa C. - 08.02.2022 00:01

Ich kannte eigentlich bisher nur den Jörg von Stain, andere Familienmitglieder sagen mir überhaupt nichts.


RE: Jörg von Stain - erfolgloser Karrierist und Politiker im Spätmittelalter? - Suebe - 10.02.2022 15:54

(08.02.2022 00:01)Teresa C. schrieb:  Ich kannte eigentlich bisher nur den Jörg von Stain, andere Familienmitglieder sagen mir überhaupt nichts.

Nicht einmal Franziska?
Die genießt in Württemberg den Ruf einer Heiligen!


RE: Jörg von Stain - erfolgloser Karrierist und Politiker im Spätmittelalter? - Teresa C. - 10.02.2022 20:45

Franziska von Hohenheim - Schubarth und Schiller lassen grüßen - aber ich wusste nicht, dass die Dame mit dem Jörg von Stain verwandt war.


RE: Jörg von Stain - erfolgloser Karrierist und Politiker im Spätmittelalter? - Suebe - 11.02.2022 15:43

(10.02.2022 20:45)Teresa C. schrieb:  Franziska von Hohenheim - Schubarth und Schiller lassen grüßen - aber ich wusste nicht, dass die Dame mit dem Jörg von Stain verwandt war.

bei Wiki
https://de.wikipedia.org/wiki/Herren_vom_Stain

ist ein Auszug der Ahnentafel enthalten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit
Stauffenberg, Papenheim, Leutrum und und und
ein richtiger Querschnitt des Oberschwäbischen Adels.


RE: Jörg von Stain - erfolgloser Karrierist und Politiker im Spätmittelalter? - Teresa C. - 12.02.2022 20:35

ich bin gerade in einem Fachbuch auf einen weiteren Herrn von Stein gestoßen, Burkhard von Stein, ein öffentlicher Notar im Dienste der Kanzlei eines Habsburgers (2. Hälfte des 14. Jahrhunderts). Nur musste ich gleich entdecken, dass der Herr Burkhard nicht mit der Familie von Stein / Stain verwandt war, sondern sich sein "Stein" seinem Herkunftsort verdankt: Stein am Rhein. "Zwinkern"