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Untergang Ostroms. Warum? - Druckversion

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RE: Untergang Ostroms. Warum? - Maxdorfer - 21.06.2012 15:57

(21.06.2012 14:54)Dietrich schrieb:  Die Existenz des Byzantinischen Reichs hatte auf jeden Fall für Europa eine immense Bedeutung. Das wird allerdings von der modernen Geschichtsforschung durchaus erkannt und gewürdigt: vor allem, was die Abwehr der Araber betrifft, die einen schwächeren Staat sicher überrannt hätten und nach Europa vorgestoßen wären. Wie weit sie dabei gekommen wären, lässt sich nur spekulativ beabtworten. Ein gutes Beispiel ist die Iberische Halbinsel, die die Araber nach der Schlacht bei Jerez im Jahr 711 innerhalb kürzester Zeit nahezu komplett besetzten und noch bis ins Frankenreich vorstießen. Allerdings hatten sie dabei wenig Glück - ganz abgesehen von Karl Martell - und ich bezweifle, ob die arabischen Unternehmungen über den Charakter von Plünderungs- und Raubzügen hinausgingen.
Die moderne Forschung behandelt Byzanz tatsächlich, aber lange galt seine Geschiche als ein einziger Verfallsprozess.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - WDPG - 21.06.2012 23:52

(21.06.2012 14:54)Dietrich schrieb:  [Die Existenz des Byzantinischen Reichs hatte auf jeden Fall für Europa eine immense Bedeutung.

Das Stimmt absolut, nicht nur wegen der Abwehr der Araber, die du bereits erwähnt hast. Man muss bedenken das Byzanz über weite Teile seiner Geschichte dem Westen zivilisatorisch (städtebauerisch, kulturell usw.) überlegen war.
Byzanz hatte auf viele Völker, Gebiete und Staaten vor allem im Süden und Osten Europas Einfluss und beeinflusste somit auch ihre Geschichte.

Die beiden Kaiser die wohl den größten Einfluss auf die Weltgeschichte hatten waren wohl Justinian I, dem es kurzfristig gelang das Römische Reich wiederherzustellen und Alexios I Komnenos, dadurch das er die Kreuzzüge auslöste. Das soll jetzt nicht heißen das nicht andere auch von Bedeutung waren (würde z.B. Heraklaios als mindestens genauso bedeutend sehen, wie die beiden) aber ich denke das sind die Kaiser, auf die man am ehesten stößt, wenn man sich mit der allgmeinen Geschichte Europas beschäftigt.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - Arkona - 22.06.2012 13:49

Viele geschichtsinteressierte Leute haben ein Byzanz-Bild, das von den alten Mosaikheften ("Ritter Runkel") geprägt wurde. Da stellt sich das Reich samt Kaiser (Andronikos II.) als eine Karikatur dar, machtlos und dekadent.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - Dietrich - 22.06.2012 14:04

(22.06.2012 13:49)Arkona schrieb:  Viele geschichtsinteressierte Leute haben ein Byzanz-Bild, das von den alten Mosaikheften ("Ritter Runkel") geprägt wurde. Da stellt sich das Reich samt Kaiser (Andronikos II.) als eine Karikatur dar, machtlos und dekadent.

Dass die byzantinische Kultur im Verlauf der Jahrhunderte tatsächlich einem Prozess der Erstarrung unterlag, kann jeder Kunsthistoriker bestätigen. Das mindert den Wert der byzantinischen Kunst keineswegs, ist aber insofern interessant, als die wachsende "Bunkermentalität" des byzantinischen Staates damit zusammenfällt. Umgeben von existenzbedrohenden Feinden und einem ständig schrumpfenden Territorium waren alle Kräfte des Staates darauf gerichtet, das vorhandene zu bewahren. Das brachte diese sprichwörtliche Erstarrung in gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht hervor.

Man muss immer wieder den Hut vor der Leistung dieses Staates ziehen, der unter solchen Umständen Jahrhunderte überlebte und sogar noch am Ende seiner staatlichen Existenz das Reich der Rum-Seldschuken, die Eroberung von Konstantinopel und das Lateinische Kaiserreich überstand.

Erst nach einem kleinen Emir namens Osman war Schluss - leider. Sad


RE: Untergang Ostroms. Warum? - Maxdorfer - 22.06.2012 15:48

Sehr dicht mit dieser "Bunkermentalität" zusammen hängt aber noch ein andereres, positives Wesen von Byzanz. Es sah sich ja bekanntlich als DAS römische Reich und bewahrte, ohne allzu viele Einflüsse von außen aufzunehmen, das antike Erbe / Kulturgut für die Neuzeit. Teilweise wurde es übrigens auch von den Arabern übernommen.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - Dietrich - 22.06.2012 16:18

(22.06.2012 15:48)Maxdorfer schrieb:  Sehr dicht mit dieser "Bunkermentalität" zusammen hängt aber noch ein andereres, positives Wesen von Byzanz. Es sah sich ja bekanntlich als DAS römische Reich und bewahrte, ohne allzu viele Einflüsse von außen aufzunehmen, das antike Erbe / Kulturgut für die Neuzeit. Teilweise wurde es übrigens auch von den Arabern übernommen.

Der byzantinische Staat sah sich immer als das fortlebende Imperium Romanum und bekanntlich ist der Name "Byzantinisches Reich" lediglich eine Erfindung der Neuzeit. Der Staat nannte sich offiziell stets Βασιλεία τῶν Ῥωμαίων, also "Kaiserreich der Römer".

Kulturell beeinflusst wurde zunächst der gesamte Balkan, sei es religiös durch die byzantinisch-orthodoxe Reichskirche oder kulturell in den Bereichen Architektur, Malerei sowie der Kunst des Mosaiks.

Ein starker kultureller Einfluss berührte nach dem Untergang des Reichs Italien, wohin zahlreiche byzantinische Wissenschaftler und Künstler geflohen waren.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - Maxdorfer - 22.06.2012 16:31

(22.06.2012 16:18)Dietrich schrieb:  Der byzantinische Staat sah sich immer als das fortlebende Imperium Romanum und bekanntlich ist der Name "Byzantinisches Reich" lediglich eine Erfindung der Neuzeit. Der Staat nannte sich offiziell stets Βασιλεία τῶν Ῥωμαίων, also "Kaiserreich der Römer".
Das schrieb ich ja.
(22.06.2012 16:18)Dietrich schrieb:  Kulturell beeinflusst wurde zunächst der gesamte Balkan, sei es religiös durch die byzantinisch-orthodoxe Reichskirche oder kulturell in den Bereichen Architektur, Malerei sowie der Kunst des Mosaiks.

Ein starker kultureller Einfluss berührte nach dem Untergang des Reichs Italien, wohin zahlreiche byzantinische Wissenschaftler und Künstler geflohen waren.
Das sowieso...


RE: Untergang Ostroms. Warum? - WDPG - 25.06.2012 12:00

(22.06.2012 13:49)Arkona schrieb:  Da stellt sich das Reich samt Kaiser (Andronikos II.) als eine Karikatur dar, machtlos und dekadent.

Machtlos und Schwach war Kaiser Andronikos II tatsächlich. Noch unter seinem Vater konnte es Großmachtspolitik betreiben und auch die Geschichte andere Länder beeinflussen.
Unter ihm gings extrem bergab. OK man muss sehen, das die Rahmenbedingungen sehr schwierig waren, es war kein Geld mehr da, aber Einsparungen mussten dem Byzantinischen Reich fast schaden. Andronikos II agierte in dieser Sitution ziemlich Hilflos und total erfolglos. Ein Schlag folgte auf den anderen, viele Gebiete (vor allem in Anatolien gingen verloren).

Andronikos III (Enkel des Andronikos II) agierte in einer ähnlich schwierigen Lage, finde ich, wesentlich geschickter.

Die von dir erwähnten Hefte kenne ich leider nicht.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - WDPG - 25.06.2012 12:34

(22.06.2012 15:48)Maxdorfer schrieb:  Sehr dicht mit dieser "Bunkermentalität" zusammen hängt aber noch ein andereres, positives Wesen von Byzanz.

Was genau meint ihr eigentlich mit Bunkermentalität?

Ich sehe das Byzantinische Reich als gar nicht mal so extrem starr an. Unter Heraklaios und seinen Nachfolgern gelang etwas was gar nicht so einfach ist, man stellte den Staat auf neue Beine. Unter Alexios I Komnenos wurden Reformen durchgeführt, die Byzanz das überleben sicherten und in die Spätzeit passte man sich (wohl unbewusst) dem Feudalwesen in Europa etwas an.
Einen Staat total zu reformieren ist schwierig, starr sind da wohl auch viele heutige Staaten.

Als Bunkermentalität würde ich eine Abschottung vom Ausland bezeichnen. Also ungefähr das was China eine Zeit lang versuchte. Würde nicht sagen das man so eine insgesamt betrieb. Die Araber standen zwar als direkte Feinde vor der Türe, aber man stand ihrer Kultur oft aufgeschlossener gegenüber als in Europa. Gegenüber Europa verhielt man sich skeptisch, zuerst sah man sich wohl als überlegen an (nicht ganz zu unrecht), später wurde das Verhältnis durch Ereignisse wie den 4. Kreuzzug getrübt. Doch selbst da würde ich Byzanz nicht als Bunkerhaft verschlossen sehen. Man muss z.B. bedenken das Venedig und Genua als See und Handelsmächte ständig in der Gegend präsent waren (oft nicht gerade zu Gunsten des Byzantinischen Reichs).
Betrachte man die Geschichte von Byzanz muss man sagen manchmal war man dem Westen gegenüber offener (z.B. unter Manuel I Komnenos), manchmal verschlossener. Gesamt sehe ich aber keine Bunkermentalität.

Und das zivilisatorischen Anpassen an das Europa des 14. oder 15. Jahrhunderts hätte Byzanz wohl kaum gerettet.

Oder verstehe ich da den Begriff: Bunkermentalität falsch?


RE: Untergang Ostroms. Warum? - WDPG - 25.06.2012 12:36

(22.06.2012 15:48)Maxdorfer schrieb:  Teilweise wurde es übrigens auch von den Arabern übernommen.

Kein Wunder, große Teile der Araberreiche erstreckten sich ja über früher Oströmisches Territiorium.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - WDPG - 25.06.2012 12:40

(22.06.2012 16:18)Dietrich schrieb:  Kulturell beeinflusst wurde zunächst der gesamte Balkan, sei es religiös durch die byzantinisch-orthodoxe Reichskirche oder kulturell in den Bereichen Architektur, Malerei sowie der Kunst des Mosaiks.

Stimmt vollkommen, aber da gibt es noch andere Gebiete, etwa Russland (damals Kiewer Reich) und auch bei Italien sehe ich schon vor dem Ende von Byzanz einen gewissen Einfluss. So war Venedig, bei seiner Gründung eigentlich ja ein Teil von Byzanz. Gerade in Süditalien war man lange Zeit ein wichtiger Machtfaktor und selbst lange Zeit danach spiele man auf dem Politischen Gebiet nochmals ein Rolle, da man ja die Sizilianische Vesper gegen Karl von Anjou im Hintergrund unterstützte.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - Dietrich - 25.06.2012 12:49

(25.06.2012 12:34)WDPG schrieb:  Ich sehe das Byzantinische Reich als gar nicht mal so extrem starr an.

Dazu sagte ich bereits in einem anderen Thread:

Auch bei positiver Betrachtung ist eine gewisse Erstarrung der byzantinischen Institutionen sowie der byzantinischen Kunst und Gesellschaft nicht zu übersehen. Sie wurzelt in einem ideologischen Beharrungsvermögen, das um so stärker wurde, je mehr sich gegnerische Fronten um das Byzantinische Reich schlossen. Staatsräson war somit der Rückgriff auf das antike Rom und die Beharrung auf den überkommenen politischen, künstlerischen, geistigen und gesellschaftlichen Strukturen.

Ein guter Kenner der byzantinischen Geschichte, der Byzantinist Ralph-Johannes Lilie, sagt dazu:

Zitat:So wirkt Byzanz, trotz aller Änderungen im einzelnen, insgesamt statisch; es blieb zeit seiner Existenz auf die Vergangenheit fixiert. Die wenigen Versuche, Erstarrung und Verkrustung zu durchbrechen - etwa der Bilderstreit (Ikonoklasmus) im 8. Jh, die angestrebte Westöffnung des Reiches unter Manuel Komnenos im 12. oder die Bemühungen während des 14. Jahrhunderts, das westliche Denkgebäude der Scholastik für Byzanz zu erschließen - brachten nicht den gewünschten Erfolg und führten im Gegenteil eher zu einem härteren Widerstand gegen solche Neuerungen: Byzanz versuchte um so verzweifelter, die Vergangenheit wiederzubeleben, um sich seiner Identität zu versichern, je trostloser die zeitgenössische Realität wurde. [...]

Dieses ideologische Beharrungsvermögen wird durch die Kontinuität der staatlichen Institutionen erleichtert: Byzanz hat nie eine echte Revolution erlebt, sondern seine Entwicklung vollzog sich in winzigen, unmerklichen Schritten. Die Trägheit dieser Prozesse förderte das Weiterbestehen und die Erstarrung in Tradition bis hin zum Selbstbetrug ... Unbestreitbar ist, dass die Begrenztheit und Langsamkeit der Entwicklung den Eindruck von Statik vermittelt. Die Fassade von Byzanz blieb gleich, und zwar deshalb, weil die Byzantiner wollten, dass sie gleich blieb.

(Ralph-Johannes Lilie, Byzanz. Geschichte des Oströmischen Reiches, München 1999, S. 10 f.)

Der letzte Satz dieser Einschätzung fasst den Tatbestand gut zusammen: Angesichts der bedrohlichen äußeren Entwicklung war Byzanz nur noch ein kleiner römischer Vorposten inmitten eines Meers von Arabern, Türken und Slawen. Deshalb koppelte es seine Identität fest an das antike Rom und die byzantinische Gesellschaft folgte diesem Staatskonzept bis zur Erstarrung - und zwar bewuss!


RE: Untergang Ostroms. Warum? - Maxdorfer - 25.06.2012 17:23

(25.06.2012 12:34)WDPG schrieb:  
(22.06.2012 15:48)Maxdorfer schrieb:  Sehr dicht mit dieser "Bunkermentalität" zusammen hängt aber noch ein andereres, positives Wesen von Byzanz.

Was genau meint ihr eigentlich mit Bunkermentalität?

Ich sehe das Byzantinische Reich als gar nicht mal so extrem starr an. Unter Heraklaios und seinen Nachfolgern gelang etwas was gar nicht so einfach ist, man stellte den Staat auf neue Beine. Unter Alexios I Komnenos wurden Reformen durchgeführt, die Byzanz das überleben sicherten und in die Spätzeit passte man sich (wohl unbewusst) dem Feudalwesen in Europa etwas an.
Einen Staat total zu reformieren ist schwierig, starr sind da wohl auch viele heutige Staaten.

Als Bunkermentalität würde ich eine Abschottung vom Ausland bezeichnen. Also ungefähr das was China eine Zeit lang versuchte. Würde nicht sagen das man so eine insgesamt betrieb. Die Araber standen zwar als direkte Feinde vor der Türe, aber man stand ihrer Kultur oft aufgeschlossener gegenüber als in Europa. Gegenüber Europa verhielt man sich skeptisch, zuerst sah man sich wohl als überlegen an (nicht ganz zu unrecht), später wurde das Verhältnis durch Ereignisse wie den 4. Kreuzzug getrübt. Doch selbst da würde ich Byzanz nicht als Bunkerhaft verschlossen sehen. Man muss z.B. bedenken das Venedig und Genua als See und Handelsmächte ständig in der Gegend präsent waren (oft nicht gerade zu Gunsten des Byzantinischen Reichs).
Betrachte man die Geschichte von Byzanz muss man sagen manchmal war man dem Westen gegenüber offener (z.B. unter Manuel I Komnenos), manchmal verschlossener. Gesamt sehe ich aber keine Bunkermentalität.

Und das zivilisatorischen Anpassen an das Europa des 14. oder 15. Jahrhunderts hätte Byzanz wohl kaum gerettet.

Oder verstehe ich da den Begriff: Bunkermentalität falsch?

Damit gemeint ist sicherlich das Beharren auf antiken Traditionen, römischer Politik, griechischer Kultur, und orientalischer Religiosität.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - Maxdorfer - 15.09.2012 15:06


Zusammengefasst die wichtigsten Gründe für den Untergang Ostroms:
  • - Konstantinopel lag am Bosporus, an einem Nadelöhr, wie es sonst nur selten auf der Welt vorkommt, dem Berührungspunkt von Schwarzem Meer und Mittelmeer, von Kleinasien und Europa. Das brachte es mit sich, dass das Byzantinische Reich sowohl von asiatischen und vorderasiatischen (Parther, Araber, Türken) als auch von europäischen Völkern (Bulgaren, Slawen) mit begehrlichen Blicken betrachtet wurde, zumal dort ein außergewöhnlicher Reichtum herrschte. Daraus resultierte ein Zweifrontenkrieg mit sich ständig regenerierenden Gegnern: Waren die Parther beispielsweise niedergerungen, traten die Araber an ihre Stelle. In solch einer Situation kann kein Großreich dauerhaft zu außenpolitischer Stabilität gelangen.
  • - Natürlich spielte es auch einen Grund, dass immer wieder die gegnerischen Reiche militärisch überlegen waren. Selbst eine offene Feldschlacht mit den Türken wäre Anfang der 1450er Jahre einer sicheren Niederlage gleichgekommen. Die Feinde hatten riesige Kanonen, bessere Waffen und unerschrockene Krieger.
  • - Sicher spielten auch Schicksalsschläge eine Rolle, wie verlorene Schlachten oder verlustig gehende Provinzen. Damit verbundene Einbußen an Soldaten oder Steuereinnahmen waren nicht leicht wettzumachen. Das spätbyzantinische Reich hatte sicher einige nicht unfähige Kaiser, doch die Umstände ließen es so geschehen, dass Ostrom einen stetigen Niedergang erlitt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt war es deshalb eh nicht mehr möglich, das Reich zu neuer Blüte aufsteigen zu lassen.
  • - Dass die Kreuzfahrer 1204 Byzanz eroberten, plünderten und schließlich das Lateinische Kaiserreich (unter Kaiser Balduin) gründeten, war ein Akt von Machtgier, bedeutete für Byzanz aber nicht nur kurzfristig den Todesstoß. Da die verschiedenen Kaiserhäuser ihre eigenen Kleinstaaten gründeten, ging das verloren, was man im Heiligen Römischen Reich „Zentralmacht“ nannte. Ab diesem Zeitpunkt waren die Grundvoraussetzungen völlig andere – und für Ostrom schlechtere.
  • - Byzanz sah sich weiterhin als das einzige römische Reich, also als ein antiker Staat. Als schließlich die Neuzeit langsam begann, kam es zu weiteren Schwierigkeiten. Das sich ausbreitende neue Finanzsystem passte nicht mehr zu der religiös geprägten absolutistischen Monarchie in Konstantinopel. Aber auch bei der Taktik und den Waffen überholten andere modernere Staaten das Reich schließlich. Allgemein erstarrte Ostrom während dem mittelbyzantinischen Reich und besann sich nur noch auf alte Werte. Dies ist zwar ein wichtiger Faktor für jede Expansionspolitik, doch im dortigen Ausmaß lähmte sie die Kaiser und auch die Staatskasse nur und trug ihren Teil zum Niedergang von Byzanz bei.
  • - An sich waren es außenpolitische Probleme wie der Zweifrontenkrieg und einige Niederlagen, die schließlich zum Untergang Ostroms führten. Man darf aber als weitere Ursachen die innenpolitischen Probleme nicht unterschätzen, die teilweise außenpolitische Probleme zur Folge hatten. Dazu zählen nicht nur die bereits beim Aspekt des Provinzverlustes erwähnten dramatischen wirtschaftlichen Einbußen, sondern auch gesellschaftliche und soziale Veränderungen.



RE: Untergang Ostroms. Warum? - WDPG - 19.09.2012 13:33

(15.09.2012 15:06)Maxdorfer schrieb:  [*]- Konstantinopel lag am Bosporus, an einem Nadelöhr, wie es sonst nur selten auf der Welt vorkommt, dem Berührungspunkt von Schwarzem Meer und Mittelmeer, von Kleinasien und Europa. Das brachte es mit sich, dass das Byzantinische Reich sowohl von asiatischen und vorderasiatischen (Parther, Araber, Türken) als auch von europäischen Völkern (Bulgaren, Slawen) mit begehrlichen Blicken betrachtet wurde, zumal dort ein außergewöhnlicher Reichtum herrschte. Daraus resultierte ein Zweifrontenkrieg mit sich ständig regenerierenden Gegnern: Waren die Parther beispielsweise niedergerungen, traten die Araber an ihre Stelle. In solch einer Situation kann kein Großreich dauerhaft zu außenpolitischer Stabilität gelangen.

Meiner Meinung nach wohl langfristig gesehen der wichtigste Faktor. Betrachtet man die Anzahl von existenzbedrohenden Gegnern, ist es erstaunlich das sich Byzanz überhaupt so lange halten konnte.

Übrigens: Die Parther hörten sich schon zur Zeit der Römer auf, die Sassaniden waren es, die von den Arabern (und zwar extrem schnell) abgelöst wurden.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - Maxdorfer - 19.09.2012 17:05

(19.09.2012 13:33)WDPG schrieb:  Übrigens: Die Parther hörten sich schon zur Zeit der Römer auf, die Sassaniden waren es, die von den Arabern (und zwar extrem schnell) abgelöst wurden.

Danke, das ist etwas unübersichtlich mit den Persern, Neupersern, Parthern und Neuparthern...


RE: Untergang Ostroms. Warum? - WDPG - 19.09.2012 21:19

(15.09.2012 15:06)Maxdorfer schrieb:  [*]- Dass die Kreuzfahrer 1204 Byzanz eroberten, plünderten und schließlich das Lateinische Kaiserreich (unter Kaiser Balduin) gründeten, war ein Akt von Machtgier, bedeutete für Byzanz aber nicht nur kurzfristig den Todesstoß. Da die verschiedenen Kaiserhäuser ihre eigenen Kleinstaaten gründeten, ging das verloren, was man im Heiligen Römischen Reich „Zentralmacht“ nannte. Ab diesem Zeitpunkt waren die Grundvoraussetzungen völlig andere – und für Ostrom schlechtere.

Ein Akt der Machtgiert. OK, sicher kann man das so sagen, aber ich sagen dennoch das jede Macht ihre Hintergründe hat warum sie so handelte oder handeln musste.
Venedig, hatte extrem viel aufs Spiel gesetzt, alles Riskiert und dann seine Chancen genutzt. Der kleine Kreuzritter wollte viel lieber wo anders hin und die Kreuzzugsführer wollten wohl auch zuvor nach Ägypten, gerieten aber da irgendwie auch rein. Alexios IV könnte man die Schuld geben, aber er wollte nur den Thron (koste es was es wolle).

Also ein grausamer Akt ja, aber die beteiligten Mächte gerieten alle irgendwie in das ganze rein.

Bei dem mit der Zentralmacht muss ich sagen das es eher eine Episode war, wo das Probleme machte. Eine bedeutende, aber eine die so nicht ganz bis zum Schluss anhielt:

Thessalonike fiel schon bald wieder an Nikea/Byzanz. Epiros blieb noch einige Zeit lang selbstständig fiel dann doch an Byzanz (das es bald wieder verlor). Blieb noch das Kaiserreich von Trapezunt. Dieses war selbstständig, ein gewisser Ausgleich fand schließlich statt. Eine Vereinigung hätte die Lage wohl nicht groß verändert.

Also war die Aufsplitterung sicher ein wichtiger Faktor, aber nicht zu überschätzen.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - Sansavoir - 20.09.2012 12:30

Man darf aber beim Untergang von Byzanz im Jahr 1453 nicht vergessen, dass die osmanische Armee in der Mitte des 15. Jahrhunderts die modernste Armee war. Die Janitscharen waren gut ausgebildete Berufssoldaten.

Ebenso sollte beachtet werden, dass bereits im 14. Jahrhundert praktisch alle Nachbarstaaten von Byzanz in osmanischer Hand waren. Somit sind nicht nur die internen Probleme Byzanzs für dessen Untergang verantwortlich, sondern eben auch die Überlegenheit der Osmanen, die einen modernen, religiös toleranten Staat mit effektiver, leistungsorientierter zivilen Verwaltung und schlagkräftiger Armee aufgebaut haben.

Interessant ist auch, dass die Griechen relativ schnell integriert wurden. Die Fanarioten, die man durchaus als Nachfolger der alten Byzantiner bezeichnen kann, erlangten als gesellschaftliche Gruppe eine einflussreiche Stellung im Osmanischen Reich.

Weiterhin ist es überlegenswert, warum es nach der Niederlage der Osmanen in der Schlacht von Belgrad (1456) zu keinerlei Aktionen für eine Restauration Byzanzs gekommen ist. Sicher, die Osmanen waren ein starker Gegner, aber ich denke auch, niemand wollte mehr für ein veraltetes Reich kämpfen.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - WDPG - 23.09.2012 21:35

(20.09.2012 12:30)Sansavoir schrieb:  Ebenso sollte beachtet werden, dass bereits im 14. Jahrhundert praktisch alle Nachbarstaaten von Byzanz in osmanischer Hand waren. Somit sind nicht nur die internen Probleme Byzanzs für dessen Untergang verantwortlich, sondern eben auch die Überlegenheit der Osmanen, die einen modernen, religiös toleranten Staat mit effektiver, leistungsorientierter zivilen Verwaltung und schlagkräftiger Armee aufgebaut haben.............

Stimmt schon und das ist es auch, was die Sache ganz logisch macht. Aber es war ja ein Prozess der dazu führte das die Osmanen so stark und Byzanz so schwach wurden. Maxdorfer hat in seinem Posting etliche bedeutende Punkte aufgezählt, die Erklärungsansätze dazu sind.

Das sich Konstantinopel 1453 nicht halten konnte hat nicht viel geheimnissvolles. Betrachtet man die Überlegenheit der Osmanen ist es eher erstaunlich das sich die Byzantiner gar nicht so kurz wehren konnten. Doch ohne Hilfe aus dem Westen hatte man keine Chancen diese Bedrohung abzuwehren. Und wäre diese gekommen ist es auch nicht ganz klar ob man sich langfristig hätte halten können.


RE: Untergang Ostroms. Warum? - WDPG - 23.09.2012 21:39

(20.09.2012 12:30)Sansavoir schrieb:  Weiterhin ist es überlegenswert, warum es nach der Niederlage der Osmanen in der Schlacht von Belgrad (1456) zu keinerlei Aktionen für eine Restauration Byzanzs gekommen ist. Sicher, die Osmanen waren ein starker Gegner, aber ich denke auch, niemand wollte mehr für ein veraltetes Reich kämpfen.

Ich denke weniger das es um das veraltet sein ging. Aber wer hätte da Aktionen durchführen können? Irgendwelche Aufständischen Byzantiner? OK, aber das waren ja auch zum Schluss nicht mehr soo viele Leute und die Führungsschicht Konstantinopels war weg. Außerdem so lange es den Griechen im Osmanenreich gut ging, hatten sie wohl kaum einen Grund zum Aufstand.

Ohne Tatkräftige Hilfe aus dem Westen ging wohl nicht viel. Doch wer hätte diese leisten sollen und was hätte derjenige davon gehabt, wenn etwas die Palaiologiden oder die Komnenen den Thron in Konstantinopel wiedergewonnen hätten?
Europa war zu zersplittert. Alleine hätte wohl kaum wer über längere Zeit Chancen gehabt sich zu halten und eine Allianz zusammenzubekommen wurde sogar mehrfach versucht, war aber schwer und scheiterte schließlich.