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Revolutionen der Weltgeschichte - Druckversion

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Revolutionen der Weltgeschichte - Maxdorfer - 14.07.2012 16:17

Hier ist Platz, um über Revolutionen zu diskutieren und ein bisschen theoretisches auszutauschen. Natürlich darf auch die Praxis nicht zu kurz kommen. Ein paar Fragen als Leitfaden:

- Gibt es Gemeinsamkeiten bei allen Revolutionen?
- Gibt es einen gewissen Ablauf, den alle Revolutionen durchmachen?
- Gibt es eine Art "Geheimrezept" für das Gelingen einer Revolution?
- Welche der gescheiterten Revolutionen (Franz. Rev., 1848/40 etc.) hatte die besten Erfolgsaussichten?

Wer irgend eine Meinung zu dem ganzen (oder anderen Fragen) hat - nur raus damit!


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Maxdorfer - 14.07.2012 16:19

In einem anderen Thread, dem zur neolithischen Revolution schrieb ich gestern:

(13.07.2012 13:33)Maxdorfer schrieb:  
(01.07.2012 12:48)Renegat schrieb:  Der Begriff "Neolithische Revolution" suggeriert eine plötzliche Erkenntnis und einen daraus folgenden umfassenden Wandel der Lebensgewohnheiten. An dieser Schnittstelle beginnt die Jungsteinzeit, auch in diesem Forum.

Eine Revolution ist nicht ein plötzlicher Vorgang: Eine Revolution bereitet sich vor - über Jahre oder Jahrzehnte, in früheren Zeiten über Jahrhunderte und Jahrtausende - entläd sich dann eines Tages in irgend einer Weise und braucht, um ihre volle Wirkung zu entfalten, wiederum eine längere Zeit. Zum Beispiel die Revolution 1848/49: sie bereitete sich im - sogar nach diesem Fakt benannten - Vormärz vor, sie entlud sich in relativ (Betonung auf RELATIV) kurzer Zeit und wirkte dann noch ein paar Monate. Bei der neolithischen Revolution ist das ein bisschen vielschichtiger, aber ich denke, relativ ähnlich. Über lange Zeit sammelten sich die Erkenntnisse der Menschen, biss sie dann eines Tages "zum Ausbruch kamen". Das kann ja gar nicht anders sein, denn eines Tages muss ja das erste Mal Ackerbau betrieben worden sein. Es muss einen ersten Tag gegeben haben.

Nun kann man natürlich sagen - die neolithische Revolution umfasst ja, zumindest im nahen Osten, das erwähnte "neolithische Paket", also gleich vier bis fünf Neuerungen. Aber ich bin der Meinung, dass diese Dinge, geschliffenes Steinwerkzeug, Ackerbau + Viehzucht, sesshaftes Wohnen und Keramik ungefähr zur gleichen Zeit auftraten. Natürlich nicht am selben Tag, aber in vergleichsweise kurzem Zeitraum, gemessen an dieser Zeit, in der die geschichtlichen Entwicklungen noch viel langsamer verliefen als heute oder auch in der Antike oder im Mittelalter. Es handelt sich hier um Jahrhunderte Entwicklung, die aber in der noch viel länger andauernden Steinzeit schon eine relativ schnelle Entwicklung bedeuten.
Und genau zu einem Zeitpunkt bricht eine Revolution ja sowieso nicht aus: 1848/49 starteten die Revolutionen in Paris, in Wien, in Berlin auch nicht genau zum gleichen Zeitpunkt. So wird es auch bei der neolithischen Revolution gewesen sein, bloß wie eben gesagt in viel größerem Maßstab.
Wie lange es gedauert hat, bis dieser RELATIV schnell verlaufende Erkenntnisprozess umgesetzt wurde, und ob er überhaupt umgesetzt wurde, ist eine Frage, die alle Revolutionen gemein haben. Manche Revolutionen brauchten Jahre, bis sie wirksam wurden, andere wirkten schneller, andere überhaupt nicht, da sie sofort wieder rückgängig gemacht wurden.



RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Renegat - 14.07.2012 16:57

Meine Güte, Maxdorfer, du bist ja schneller als die Polizei erlaubt.Smile
Dann stelle ich meine beiden Punkte aus dem anderen Thread, die du wohl noch nicht gelesen hast, auch hier rein.

1. Warum hat Childe die neolithische mit der industriellen Revolution verglichen?
2. Wie verlaufen Revolutionen im Unterschied zu Entwicklungen?


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Maxdorfer - 14.07.2012 17:34

(14.07.2012 16:57)Renegat schrieb:  Meine Güte, Maxdorfer, du bist ja schneller als die Polizei erlaubt.Smile
Würde ich Auto fahren, würde ich mich immer an Tempo Hundert halten...

(Zumindest in geschlossenen Ortschaften... Big Grin Wink Cool )
(14.07.2012 16:57)Renegat schrieb:  Dann stelle ich meine beiden Punkte aus dem anderen Thread, die du wohl noch nicht gelesen hast, auch hier rein.

1. Warum hat Childe die neolithische mit der industriellen Revolution verglichen?
2. Wie verlaufen Revolutionen im Unterschied zu Entwicklungen?

Ich werde mir mal Gedanken zu den beiden Fragen machen.


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Viriathus - 14.07.2012 17:40

Ich glaube es ist schwierig, wenn nicht zwischen kulturellen Revolutionen und gesellschaftlichen getrennt wird.
Worum soll es gehen?


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Renegat - 14.07.2012 18:17

(14.07.2012 17:40)Viriathus schrieb:  Ich glaube es ist schwierig, wenn nicht zwischen kulturellen Revolutionen und gesellschaftlichen getrennt wird.
Worum soll es gehen?
Guter Einwurf, bei mir ging es um kulturelle, wir kamen ja von Childe und seinem Vergleich der industriellen mit der neolithischen R.. Arkona hat in dem anderen Thema eben noch auf die zur Zeit laufende, digitale R. hingewiesen.
(14.07.2012 16:30)Arkona schrieb:  Was wir als Neolithische Revolution bezeichnen, dauerte doch letztendlich viele Generationen, aber durch unsere Brille gesehen, geschah das rasend schnell. Die Industrielle Revolution nahm auch einige Jahrzehnte in Anspruch und wurde von den Zeitgenossen bestimmt nicht als solche empfunden. Genauso leben wir gerade in der Digitalen Revolution. Was wir gar nicht richtig wahrnehmen, werden unsere Nachfahren einmal mit offenem Mund ob der Geschwindigkeit bestaunen. Die werden dann ihre eigene technologische Revolution, welche auch immer, haben und das als selbstverständlichen Alltag sehen.

Maxdorfer hat die beiden kulturellen allerdings mit den gesellschaftlichen R.s verglichen, der franz. und der gescheiterten 48. Ich denke auch, dass man zumindest getrennt definieren muß.


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Wallenstein - 14.07.2012 18:35

Nur als kurzer Einwurf.
Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn man bei diesem Thema auch den philosophischen Aspekt nicht aus den Augen verliert.
Es könnte bei diesem Thema von Vorteil sein, sich mit Teilen des dialektischen Materialismus zu beschäftigen.
Die Hegelsche Dialektik, aufbauend auf Heraklit und anderen Vordenkern, wurde wenig später von Marx und Engels aufgenommen, weiter- und fortentwickelt.
Ich führe hier vorerst nur kurz einige Sätze aus Wiki an:
Zitat:Zu diesen Grundlagen kommen drei elementare Entwicklungsgesetze.
  • Das Gesetz von der Einheit und vom Kampf der Gegensätze
    (Die Triebkraft der Entwicklung ist der Widerspruch zwischen dualen Polen, der natürlichen und sozialen Prozessen grundsätzlich inhärent ist und aus deren Kampf
    eine neue Lösung hervorgeht. Analog dazu: These + Antithese = Synthese)
  • Das Gesetz von der Negation der Negation (Die Entwicklung auf eine höhere Ebene bewahrt die positiven Elemente der vorhergehenden. Sie negiert in ihrer Weiterentwicklung die vorhergehende Ebene also nicht als Ganzes.)
  • Das Gesetz vom Umschlagen von einer Quantität in eine neue Qualität (Nach einer Kumulation quantitativer Veränderungen über längere Zeit kommt es zu einer sprunghaften qualitativen Veränderung.)
Wie schon angemerkt, nur einige kurze Gedanken in welcher Richtung auch diskutiert werden könnte.

Wobei man Marx und Engels - in einer fast schon zwanghaften Assoziation - nicht gleichzeitig als die Gründerväter einiger Diktaturen des 20. Jahrhunderts ansehen sollte. Damit tut man ihnen nämlich unrecht.
Die das verbockt haben, waren andere Menschen.


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Annatar - 14.07.2012 20:00

(14.07.2012 16:17)Maxdorfer schrieb:  - Gibt es Gemeinsamkeiten bei allen Revolutionen?
Vor der Revolution herrscht großer Unmut/Wut in der Bevölkerung über den existierenden Zustand.
(14.07.2012 16:17)Maxdorfer schrieb:  - Gibt es einen gewissen Ablauf, den alle Revolutionen durchmachen?
Nein. Jede Revolution hat einen anderen Ablauf.
(14.07.2012 16:17)Maxdorfer schrieb:  - Gibt es eine Art "Geheimrezept" für das Gelingen einer Revolution?
Auch hier nein, denn es gibt zu viele Faktoren, die bestimmen ob eine Revolution gelingt oder nicht.
(14.07.2012 16:17)Maxdorfer schrieb:  - Welche der gescheiterten Revolutionen (Franz. Rev., 1848/40 etc.) hatte die besten Erfolgsaussichten?
Die Französische Revolution.


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Arkona - 14.07.2012 20:09

Dumme Frage: Kann man die frz. Revolution denn als wirklich gescheitert betrachten?


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Viriathus - 14.07.2012 20:28

(14.07.2012 20:09)Arkona schrieb:  Dumme Frage: Kann man die frz. Revolution denn als wirklich gescheitert betrachten?

Hatte ich mich auch gefragt, als sie aufgeführt wurde.


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Maxdorfer - 15.07.2012 09:24

(14.07.2012 17:40)Viriathus schrieb:  Ich glaube es ist schwierig, wenn nicht zwischen kulturellen Revolutionen und gesellschaftlichen getrennt wird.
Worum soll es gehen?

Stimmt, das fiel mir auch heute morgen ein.

Es soll um beide gehen, um Vergleiche zwischen denen und um ihre Charakteristiken.


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Maxdorfer - 15.07.2012 14:19

(14.07.2012 20:00)Annatar schrieb:  
(14.07.2012 16:17)Maxdorfer schrieb:  - Gibt es einen gewissen Ablauf, den alle Revolutionen durchmachen?
Nein. Jede Revolution hat enen anderen Ablauf.
Ich schrieb dazu ja schon:
"Eine Revolution bereitet sich vor - über Jahre oder Jahrzehnte, in früheren Zeiten über Jahrhunderte und Jahrtausende - entläd sich dann eines Tages in irgend einer Weise und braucht, um ihre volle Wirkung zu entfalten, wiederum eine längere Zeit. Zum Beispiel die Revolution 1848/49: sie bereitete sich im - sogar nach diesem Fakt benannten - Vormärz vor, sie entlud sich in relativ (Betonung auf RELATIV) kurzer Zeit und wirkte dann noch ein paar Monate."
(Post 2 dieses Threads)


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Maxdorfer - 15.07.2012 14:32

(14.07.2012 20:09)Arkona schrieb:  Dumme Frage: Kann man die frz. Revolution denn als wirklich gescheitert betrachten?

Was die Ideale der französischen Revolution angeht, kann man das tatsächlich in Frage stellen.
Aber die französische Revolution als Umkremplung des Machtgefüges in Frankreich ist trotzdem definitiv gescheitert. Erst kam da so ein Korse, der das ganze Land zur Aushebungsstätte für Armeen und dann zum Verlierer eines europaweiten Krieges gemacht hat, und im Anschluss wurden die Bourbonen wieder eingesetzt. Nicht wirklich ein Erfolg.


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Wallenstein - 15.07.2012 14:55

Wie ich schon sehe, haltet ihr beide (Annatar und Maxdorfer) nichts von den dialektischen Grundgesetzen und strickt euren eigenen Stiefel weiter.
Bei Arkona könnte es schon anders aussehen, vielleicht auch bei Viriathus.

Diese dialektischen Grundgedanken sind nicht nur in der naturwissenschaftlichen Welt essentiell, sondern gelten auch auf gesellschaftlicher Ebene.


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Renegat - 15.07.2012 14:57

Sollten wir nicht erstmal definieren?

Entwicklung ist ein sehr allgemeiner Oberbegriff
Zitat aus Wiki:
der allgemeine Begriff: Entwicklung als Vorgang, als Wandel; dieser kann Entstehung, Veränderung und Vergehen umfassen. Er wird meist neutral verwendet und bezeichnet in einigen Bereichen (z. B. Produktentwicklung) einen kreativen Vorgang; http://de.wikipedia.org/wiki/Entwicklung

Revolution dagegen ist etwas klarer definiert aus http://www.bpb.de/wissen/2BO1DD

lat.] R. bezeichnet eine schnelle, radikale (i. d. R. gewaltsame) Veränderung der gegebenen (politischen, sozialen, ökonomischen) Bedingungen. Politische R. zielen i. d. R. auf die Beseitigung der bisherigen politischen Führer und die Schaffung grundsätzlich neuer Institutionen, verbunden mit einem Führungs- und Machtwechsel. Ziel der bewusst herbeigeführten, tief greifenden Veränderungen ist es, mit einem politischen Neuanfang die bisherigen Probleme und Machtstrukturen zu beseitigen und radikal Neues an ihre Stelle zu setzen (z. B. neue Machtstrukturen, neue Eliten, neue Eigentumsverhältnisse, eine neue [Verfassungs-]Ordnung etc.).


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Annatar - 15.07.2012 17:28

(15.07.2012 14:55)Wallenstein schrieb:  Wie ich schon sehe, haltet ihr beide (Annatar und Maxdorfer) nichts von den dialektischen Grundgesetzen und strickt euren eigenen Stiefel weiter.
Que ?? Huh Ich hab doch bis jetzt hier nur einen Post verfasst.


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Wallenstein - 15.07.2012 17:47

Stimmt. Da habe ich dir, Annatar, wohl etwas Unrecht getan und nicht ganz richtig hingesehen. Sorry.
Aber auch in dem einen Beitrag hattest du es nicht mit den von mir angesprochenen dialektischen Grundgesetzen, welche universell gültig sind.


Nebenbei:
Sind solche Dinge, solche (Selbst)Verständlichkeiten "heutzutage" eigentlich noch bekannt, wird so etwas noch gelehrt?


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Annatar - 15.07.2012 17:50

(15.07.2012 17:47)Wallenstein schrieb:  Stimmt. Da habe ich dir, Annatar, wohl etwas Unrecht getan und nicht ganz richtig hingesehen. Sorry.
Aber auch in dem einen Beitrag hattest du es nicht mit den von mir angesprochenen dialektischen Grundgesetzen, die universell gültig sind.


Nebenbei:
Sind solche Dinge, solche Verständlichkeiten "heutzutage" eigentlich noch bekannt, wird so etwas noch gelehrt?
Könntest du präzisieren, was du meinst?? Ich hab nämlich keine Ahnung.


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Viriathus - 15.07.2012 17:51

(15.07.2012 17:50)Annatar schrieb:  
(15.07.2012 17:47)Wallenstein schrieb:  Stimmt. Da habe ich dir, Annatar, wohl etwas Unrecht getan und nicht ganz richtig hingesehen. Sorry.
Aber auch in dem einen Beitrag hattest du es nicht mit den von mir angesprochenen dialektischen Grundgesetzen, die universell gültig sind.


Nebenbei:
Sind solche Dinge, solche Verständlichkeiten "heutzutage" eigentlich noch bekannt, wird so etwas noch gelehrt?
Könntest du präzisieren, was du meinst?? Ich hab nämlich keine Ahnung.

Same here.


RE: Revolutionen der Weltgeschichte - Maxdorfer - 15.07.2012 20:01

(15.07.2012 14:55)Wallenstein schrieb:  Wie ich schon sehe, haltet ihr beide (Annatar und Maxdorfer) nichts von den dialektischen Grundgesetzen und strickt euren eigenen Stiefel weiter. Bei Arkona könnte es schon anders aussehen, vielleicht auch bei Viriathus.
Diese dialektischen Grundgedanken sind nicht nur in der naturwissenschaftlichen Welt essentiell, sondern gelten auch auf gesellschaftlicher Ebene.

Ich habe als Threadersteller bislang nur auf die Posts geantwortet, zu denen mir auf die Schnelle etwas einfiel. Mit der Dialektik können wir gerne weitermachen, da habe ich nichts dagegen.

(15.07.2012 17:47)Wallenstein schrieb:  Sind solche Dinge, solche (Selbst)Verständlichkeiten "heutzutage" eigentlich noch bekannt, wird so etwas noch gelehrt?

Also in der soeben von mir abgeschlossenen Mittelstufe kam das nicht dran. Ich glaube die Katholiken haben das mal im Religionsunterricht angeschnitten. Die in Ethik nicht und wir Protestanten haben das nicht durchgenommen. Dafür zum zehnten Mal den Lebenslauf Luthers (nicht klischeehaft gemeint).
In anderen Fächern kommt das sowieso nicht. Mal sehen, wie es ab der 11. Klasse aussieht.