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Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Druckversion

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Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Marek1964 - 14.05.2014 21:57

Eine Frage, die ich auch schon kontorvers diskutiert habe, ist ob es aus sowjetischer Sicht Sinn machte, das westliche Ufer der Wolga um jeden Preis zu halten. War es nicht ein sinnloses Verheizen eigener Soldaten? Ein Rückzug an das östliche Ufer wäre doch sinnvoller gewesen, dort hätte man eine gute Abwerstellung aufbauen können? Oder machte es doch Sinn einen auch noch so schmalen Streifen zu halten, z.B. wegen der Schiffahrt (Versorgungsweg für Hilfslieferungen der Alliierten)?

Ähnlich ist die für mich die Frage zu stellen, ob auch der ganze Häuserkampf sinnvoll war, der doch extrem verlustreich war und es doch um nichts als eine Steinwüste gegangen war.

Wie denkt Ihr darüber?


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Sansavoir - 14.05.2014 23:31

Deine rationalen, nüchternen und sicher militärisch richtigen Betrachtungen spielten bei Stalin und seinen Generälen keine Rolle.

Ich denke, dass von sowjetischer Seite es nur darum ging, Stalingrad - Stalins Stadt - nicht dem Gegner zu überlassen, koste es, was es kosten möge. Aus diesem Grund wurden die Soldaten nicht an das Ostufer verlegt, stattdessen wurden sie in den Häuserkampf geschickt. Das unbarmherzige Kämpfen um die Stadt begründet sich einerseits dadurch, dass Hitler unbedingt die Stadt Stalins erobern wollte, andererseits aber auch, dass Stalin diese Stadt nie und nimmer aufgegeben hätte. Die "Rechnung" zahlten die deutschen, italienischen, rumänischen, ungarischen, kroatischen und sowjetischen Soldaten, mehrere Hunderttausend davon mit ihrem Leben.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Suebe - 15.05.2014 15:21

Es ist wohl so, dass,
wenn eine geregelte Absetzbewegung nicht möglich ist,
es zu weniger Verlusten führt, wenn eine eigentlich "unhaltbare Stellung" doch versucht wird zu halten.
Bis zumindest ein gereglter Rückzug möglich ist.

So vor Moskau Dezember 41 bis Feb. 1942, Demjansk und an etlichen anderen Stellen des Ostkrieges.

Aber hier ist es natürlich auch so, dass, wenn man ein im Grundsatz richtiges Verhalten zur Weltanschauung macht, es sich ins Gegenteil verändert.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Triton - 15.05.2014 17:28

Weiß ja nicht, ob das alles stimmt, was hier vermutet wird.

Mein Kenntnisstand ist der, dass bei der gesamten "Operation Blau", also der Sommeroffensive 1942, keine großen Verbände der Roten Armee mehr eingekesselt wurden wie noch ein Jahr zuvor. Sondern sie zogen sich immer weiter zurück, was die deutschen Truppen naturgemäß ermüdete und Material verschliß, und die Versorgungswege auf unverantwortliche Weise ausdehnte. Dazu kam noch, dass der scheinbar schwache Widerstand die OHL so optimistisch stimmte, dass sie ihren ursprünglichen Angriffsplan aufgab und die gesamte Heeresgruppe Süd aufteilte, die 6.Armee nach Stalingrad und die Wolga abriegeln, der Rest zu den Ölfeldern des Kaukasus.

Während des Sommers wurde Material und Truppen für eine Gegenoffensive in die schwachen Flanken des Feindes formiert und deshalb musste Stalingrad verteidigt werden, um die besten Truppen der Deutschen nicht freizugeben und sich im Hinterland aufzufrischen. Um den Nachschubweg Wolga ging es wohl erst in zweiter Linie, weil die Deutschen den Schiffsverkehr längst unter Feuer nahmen.

Die Sowjets hatten nämlich inzwischen ein Jahr Zeit, von der Deutschen Blitzkriegtaktik zu lernen und vor allem zu lernen, wie man ganze Armeen einkesselte.

Rein von den Opferzahlen, das stimmt auf der anderen Seite bestimmt, hätten mehr Sowjets überlebt, wenn sie sich auch aus Stalingrad rasch zurückgezogen hätten. Aber dann wäre die Heeresgruppe Süd noch im Sommer 1943 in Stalingrad gesessen.

Übrigens: Auf der Ostseite der Wolga fängt die Steppe an, da kommt nicht mehr viel bis Wladiwostock, so ungefähr. Wahrscheinlich wäre die 6.Armee nicht ans Ostufer gegangen, der Auftrag, die Wolga zu sperren, war erfüllt.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Triton - 15.05.2014 20:41

Nachtrag: Ein Endpunkt des Russlandfeldzugs war bekanntlich Astrachan. Und das liegt wo? Richtig, an der Wolga. Wenn man sich den Verlauf des Flusses ansieht, kann man daraus schließen, dass die Wolga zumindest vorerst Endziel der Offensive war.
Hätten sich die Sowjets ans Ostufer zurückgezogen, wäre zumindest dort nichts mehr passiert, d.h. die Wehrmacht hätte ihre Kampftruppen zu großen Teilen aus der Stadt rausziehen und zum Beispiel einer sowjetischen Gegenoffensive entgegenwerfen können.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Suebe - 16.05.2014 09:35

(15.05.2014 20:41)Triton schrieb:  Nachtrag: Ein Endpunkt des Russlandfeldzugs war bekanntlich Astrachan. Und das liegt wo? Richtig, an der Wolga. Wenn man sich den Verlauf des Flusses ansieht, kann man daraus schließen, dass die Wolga zumindest vorerst Endziel der Offensive war.
Hätten sich die Sowjets ans Ostufer zurückgezogen, wäre zumindest dort nichts mehr passiert, d.h. die Wehrmacht hätte ihre Kampftruppen zu großen Teilen aus der Stadt rausziehen und zum Beispiel einer sowjetischen Gegenoffensive entgegenwerfen können.

Die AA-Linie Archangelsk-Astrachan

Astrachan ist übrigens ein gutes Stichwort.
Entlang des Kaspischen Meeres verlief eine leistungsfähige zweispurige Eisenbahnlinie nach Astrachan, die der deutschen Aufklärung bis August 42 völlig entgangen war.
Die in den Planungen für die Südoffensive des Jahres 42 auch überhaupt keine Rolle spielte.
Wenn man die Zahlen der Lend and Lease Lieferungen sich anschaut, der Löwenanteil kam über Persien, also genau da hoch.

Schaut man sich weiter die Literatur an, herrscht eigentlich Konsens, dass die L+L Lieferungen für den Ostkrieg entscheidend war.
Als historisch Interessiertem ist einem bekannt, dass der Ostkrieg 14-18 lediglich gewonnen wurde, weil das Zarenreich während des ganzen Krieges blockiert werden konnte. Dardanellen und Skagerrak

Deshalb: Warum um alles in der Welt haben die 41-44 nicht viel nachhaltiger versucht diese Versorgungslinien zu unterbrechen???

Es sind keineswegs alle Fragen zur Geschichte des 2. WK beantwortet



RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Triton - 16.05.2014 20:40

Es wurde doch versucht, die Versorgungslinien zu unterbrechen. Hitler hatte in seiner berühmten Rede geprahlt, dass er genau das geschafft habe: "Es kommt kein Schiff mehr die Wolga hinauf". Es ging nicht nur um lend&lease sondern auch um das eigene Erdöl.

1941 gab es den Versuch, die Eisenbahnlinie Murmansk-Moskau zu unterbrechen, was mehr an der Landschaft als an der Truppe lag. General Dietl hatte vorausgesagt, soweit im Norden "könne man eigentlich keinen Krieg führen" und behielt Recht. Dann wurde die Flotte nach Norwegen verlegt, um die Konvois zu unterbinden, was zeitweise nur allzu gut gelang.

Der dritte Versorgungsweg durch den gesamten asiatischen Teil Russlands war zwar sicher, aber unökonomisch und langwierig.

Soviel ich weiß, dauerte es eine Woche, einen Valentine-Panzer von England über Murmansk an Rote Armee zu liefern. Über Persien dauerte es 6 Wochen.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Suebe - 16.05.2014 22:19

(16.05.2014 20:40)Triton schrieb:  Es wurde doch versucht, die Versorgungslinien zu unterbrechen. Hitler hatte in seiner berühmten Rede geprahlt, dass er genau das geschafft habe: "Es kommt kein Schiff mehr die Wolga hinauf". Es ging nicht nur um lend&lease sondern auch um das eigene Erdöl.

./.


Die russische Ölpipeline von "Baku" kommend endete in Rostow.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Triton - 16.05.2014 22:46

Ach, Pipelines gab es damals auch schon. Danke, das war mir neu.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Suebe - 17.05.2014 08:41

(16.05.2014 22:46)Triton schrieb:  Ach, Pipelines gab es damals auch schon. Danke, das war mir neu.

Aber natürlich.
Worüber ich noch nie Infos gefunden habe, inwiefern diese Pipeline zwischen Dezember 41 und Juli 42 wieder in Betrieb war oder nicht.
Wobei ich eher davon ausgehe, dass der Betrieb wieder aufgenommen war.

Wobei es Pipelines schon lange gab, die Britische in Persien wurde 1915 von unter deutschem Kommando stehenden iranischen Freischärlern mehrfach unterbrochen, die RN stand während der Dardanellen-Schlachten ohne Öl da.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Arkona - 18.05.2014 17:52

Man mag das heute aus dem Sessel nüchtern betrachten. Ohne den scheinbar sinnlosen Durchhaltebefehl hätte es ein "Super-Stalingrad" gegeben und die komplette HG Süd, beschäftigt am Kaukasus, wäre kassiert worden.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Marek1964 - 18.05.2014 18:45

(18.05.2014 17:52)Arkona schrieb:  Man mag das heute aus dem Sessel nüchtern betrachten. Ohne den scheinbar sinnlosen Durchhaltebefehl hätte es ein "Super-Stalingrad" gegeben und die komplette HG Süd, beschäftigt am Kaukasus, wäre kassiert worden.

Gemeint war Stalins Durchhaltebefehl an seine Leute.

Das andere wäre aber auch ein interessantes Thema.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Triton - 18.05.2014 23:01

Marek hat Recht, Hitlers Aushaltebefehl mitsamt seinen Auswirkungen (Görings übertriebenen Versprechen, Mansteins Entsatzversuch etc.) ist schon x-mal durchgekaut worden. Heute bin ich der Ansicht, dass ein Ausbruch der 6.Armee zuerst an einer Unterschätzung der sowjetischen Offensive und später an der Schwäche der Truppe scheiterte. Man hat noch viele Soldaten ausgeflogen, mehr war wohl nicht drin. Von den Opferzahlen, das wurde hier schon erwähnt, ist der großartige Sieg der Roten Armee schlichtweg eine Verdrehung der Tatsachen. Was die reorgansisierte Wehrmacht im Frühjahr 43 eindeutig zeigte.
Und es stimmt: Der Rückzug der Heeresgruppe Süd war eine verschenkte Entscheidung von historischem Ausmaß.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Suebe - 19.05.2014 08:11

(18.05.2014 23:01)Triton schrieb:  Marek hat Recht, Hitlers Aushaltebefehl mitsamt seinen Auswirkungen (Görings übertriebenen Versprechen, Mansteins Entsatzversuch etc.) ist schon x-mal durchgekaut worden. Heute bin ich der Ansicht, dass ein Ausbruch der 6.Armee zuerst an einer Unterschätzung der sowjetischen Offensive und später an der Schwäche der Truppe scheiterte. Man hat noch viele Soldaten ausgeflogen, mehr war wohl nicht drin. Von den Opferzahlen, das wurde hier schon erwähnt, ist der großartige Sieg der Roten Armee schlichtweg eine Verdrehung der Tatsachen. Was die reorgansisierte Wehrmacht im Frühjahr 43 eindeutig zeigte.
Und es stimmt: Der Rückzug der Heeresgruppe Süd war eine verschenkte Entscheidung von historischem Ausmaß.


Das war bei Kursk wieder so. Seit man die tatsächlichen Verlustzahlen der Roten Armee kennt, muss man das Ergebnis ganz anders bewerten.

Was bei Stalingrad dazu kommt, es sollen ja um die 10.000 Rotarmisten


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Triton - 19.05.2014 22:21

Noch eine Ergänzung zu den Zielen des Ostfeldzugs. Geplant war die Erweiterung des Reichs um 4 "Provinzen": Ostland, Ukraine, Moskovetien und Kaukasien. Stalingrad bzw. die Wolga war also wirklich kein Etappenziel sondern Endpunkt und eine neue, sowjetische Verteidigungsstellung am Ostufer wäre sinnlos gewesen, weil die Wehrmacht gar nicht angegriffen hätte. Wahrscheinlich war die Verteidigung des letzten Zipfels am Westufer deshalb wichtig, um dem Gegner keinen motivierenden Erfolg zu gönnen.
Weiter nach Osten zu gehen, dafür hätten der Wehrmacht nun wirklich alle Mittel gefehlt. Schon den Kaukasus erklärten deutsche Generäle für auf Dauer nicht besetzbar, womit sie sicher richtig lagen.

Nach Kursk war die Wehrmacht zu keiner Offensive im Osten mehr fähig, nach Stalingrad sehr wohl. v.Manstein zeigte, dass die Rote Armee taktisch doch erhebliche Defizite hatte, wenn man sie nicht mehr gnadenlos unterschätzte.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Marek1964 - 19.05.2014 23:13

(19.05.2014 08:11)Suebe schrieb:  Das war bei Kursk wieder so. Seit man die tatsächlichen Verlustzahlen der Roten Armee kennt, muss man das Ergebnis ganz anders bewerten.

Was bei Stalingrad dazu kommt, es sollen ja um die 10.000 Rotarmisten

Ist hier nicht was verlorengegangen?


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Suebe - 20.05.2014 13:03

(19.05.2014 22:21)Triton schrieb:  ./.
Nach Kursk war die Wehrmacht zu keiner Offensive im Osten mehr fähig, nach Stalingrad sehr wohl. v.Manstein zeigte, dass die Rote Armee taktisch doch erhebliche Defizite hatte, wenn man sie nicht mehr gnadenlos unterschätzte.

Das Problem war nicht Kursk, das Problem war Italien.
Als die Kursker Schlacht abgebrochen wurde, war sie eigentlich gewonnen. Nur, was soll ein mehr oder weniger taktischer Sieg in Russland, wenn idZz Italien verlorengeht?

(19.05.2014 23:13)Marek1964 schrieb:  
(19.05.2014 08:11)Suebe schrieb:  Das war bei Kursk wieder so. Seit man die tatsächlichen Verlustzahlen der Roten Armee kennt, muss man das Ergebnis ganz anders bewerten.

Was bei Stalingrad dazu kommt, es sollen ja um die 10.000 Rotarmisten

Ist hier nicht was verlorengegangen?

Bingo, die Rotarmisten fielen den Stalinschen Standgerichten zum Opfer! Nur während der Schlacht um Stalingrad.
maW: Die Rotarmisten schnallten sehr wohl, dass sie verheizt wurden.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Triton - 22.05.2014 20:00

(20.05.2014 13:03)Suebe schrieb:  Das Problem war nicht Kursk, das Problem war Italien.
Als die Kursker Schlacht abgebrochen wurde, war sie eigentlich gewonnen. Nur, was soll ein mehr oder weniger taktischer Sieg in Russland, wenn idZz Italien verlorengeht?
Bist Du da nicht dem üblichen Schwarzen Peter -Spiel der deutschen Generalität auf den Leim gegangen? Wir haben alles richtig gemacht, aber Hitler und natürlich diese schlamperten Südländer haben uns am Siegen gehindert. In Stalingrad waren es die Rumänen, in Afrika die Italiener.
Die Schlacht im Kursker Bogen wurde abgebrochen, als klar war, dass die erhoffte Wiedererlangung der strategischen Initiative und eine erneute Attacke auf Moskau illusorisch waren. Nicht mal die geplante Frontverkürzung durch die Beseitigung des Bogens war erreicht. Da die Sowjets Gegenoffensiven starteten, wurden die mobilen Verbände Mansteins sowieso im Norden gebraucht. Da spielte es keine Rolle mehr, einige Eliteverbände nach Italien zu verlegen, was sowieso sehr lang dauerte und sicher kein akuter Grund für die Aufgabe einer vielversprechenden Sommeroffensive in der Sowjetunion war.

(20.05.2014 13:03)Suebe schrieb:  maW: Die Rotarmisten schnallten sehr wohl, dass sie verheizt wurden.
Wenn man ohne Waffe in den Fleischwolf Stalingrad geschickt wird , was kein Hollywood-Filmmärchen ("enemy at the gate") sondern Realität war, ist das auch nicht schwer zu erraten. Die Lebenserwartung dieser armen Schweine, egal ob Standgericht oder als taktisches Opfer, dürfte sich nur um wenige Stunden unterschieden haben.
Der Erfolg gab Stalin und Chruschtschov am Ende Recht.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Marek1964 - 22.05.2014 23:42

(22.05.2014 20:00)Triton schrieb:  Der Erfolg gab Stalin und Chruschtschov Recht am Ende Recht.

Das ist eigentlich die Ausgangsfrage des Threads: Waren die Opfer der Roten Armee (in diesem Ausmasse) nötig? Konkret bei der Veteidigung des westlichen Wolga Ufers, allgemein natürlich bei allen Verheizungsmassnahmen, einschliesslich Stalins Kampf um Berlin, wo er unbedingt am 1. Mai sein wollte.

Meine Meinung ist natürlich nein.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Triton - 23.05.2014 22:33

(22.05.2014 23:42)Marek1964 schrieb:  Meine Meinung ist natürlich nein.
Meinung wozu? Zur schnellen Eroberung Berlins mit dem völlig unnötigen Wettrennen zwischen Shukov und Konev? Da gibt es wohl wenige, die Dir hier widersprechen würden.

Stalingrad war ein anderer Fall, hier band der Städtekampf die 6.Armee in den Ruinen und die Wehrmacht musste sich auf die schwachen, zweitrangigen Verbündeten zur Sicherung der langen Flanke verlassen. Weil die OHL annahm, dass der Gegner aus dem letzten Loch pfiff, waren diesbezüglich nur wenig Bedenken vorhanden, was sich im Nachhinein als Fehler erwies.

Ob es weniger Tote gekostet hätte, den Deutschen Stalingrad und damit wohl auch den Kaukasus zumindest bis zum Sommer 1943 zu überlassen, bezweifle ich. Aber genau wissen wird das wohl niemand.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Suebe - 24.05.2014 09:28

(22.05.2014 20:00)Triton schrieb:  
(20.05.2014 13:03)Suebe schrieb:  Das Problem war nicht Kursk, das Problem war Italien.
Als die Kursker Schlacht abgebrochen wurde, war sie eigentlich gewonnen. Nur, was soll ein mehr oder weniger taktischer Sieg in Russland, wenn idZz Italien verlorengeht?
Bist Du da nicht dem üblichen Schwarzen Peter -Spiel der deutschen Generalität auf den Leim gegangen? Wir haben alles richtig gemacht, aber Hitler und natürlich diese schlamperten Südländer haben uns am Siegen gehindert. In Stalingrad waren es die Rumänen, in Afrika die Italiener.
Die Schlacht im Kursker Bogen wurde abgebrochen, als klar war, dass die erhoffte Wiedererlangung der strategischen Initiative und eine erneute Attacke auf Moskau illusorisch waren.

Im Prinzip hast du recht.
Wenn man diese "Generals-Memoiren" hauptsächlich aus den 50ern liest, kann man bloß lachen...
Tenor: 5 Jahre haben sie den Hitler mit aller Kraft gehindert den Krieg zu verlieren, und sind am Schluss doch gescheitert.... Thumbs_down

Seit die russischen Archive sich öffnen, ist aber die eine oder andere Neubewertung möglich.
Zitat aus dem 3nd "Legenden um Kursk"
Zitat:Erst vor wenigen Jahren haben Historiker des Militärgeschichtlichen Forschungsamts der Bundeswehr in Potsdam nach umfassender Sichtung der deutschen und russischen Akten die tatsächlichen Vorgänge rekonstruiert. Dabei stellte sich heraus, dass die deutschen Verluste bei Kursk gerade einmal 252 Kampfwagen betrugen – gegenüber 1956 Verlusten der Roten Armee. Bei den Flugzeugen ein ähnliches Bild: 159 deutschen stehen 1961 sowjetische Maschinen gegenüber. Insgesamt betrugen die Personalverluste der Roten Armee mehr als 300.000 Soldaten, die der Wehrmacht 54.182. Ein entscheidender Sieg sieht anders aus.
http://www.forum-geschichte.at/Forum/showthread.php?tid=5274

Bei Tessier ist zB über die Schlacht an der Oder April 45 zu lesen, dass den Russen richtig gehend die Infanterie "ausgegangen" wäre, zusammengekratzt werden musste.
Die Ressource Mensch spielte in Stalin Reich nicht die Rolle.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - 913Chris - 24.05.2014 09:51

(24.05.2014 09:28)Suebe schrieb:  Bei Tessier ist zB über die Schlacht an der Oder April 45 zu lesen, dass den Russen richtig gehend die Infanterie "ausgegangen" wäre, zusammengekratzt werden musste.
Die Ressource Mensch spielte in Stalin Reich nicht die Rolle.

Mal davon abgesehen, dass es der Wehrmacht ganz genauso ging, aber eben keinerlei weitere Reserven mehr da waren - soll das heißen, die Wehrmacht hätte die Russen tatsächlich an der Oder noch mal (zumindest kurz) aufhalten können?!?

VG
Christian


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Suebe - 24.05.2014 11:21

(24.05.2014 09:51)913Chris schrieb:  
(24.05.2014 09:28)Suebe schrieb:  Bei Tessier ist zB über die Schlacht an der Oder April 45 zu lesen, dass den Russen richtig gehend die Infanterie "ausgegangen" wäre, zusammengekratzt werden musste.
Die Ressource Mensch spielte in Stalin Reich nicht die Rolle.

Mal davon abgesehen, dass es der Wehrmacht ganz genauso ging, aber eben keinerlei weitere Reserven mehr da waren - soll das heißen, die Wehrmacht hätte die Russen tatsächlich an der Oder noch mal (zumindest kurz) aufhalten können?!?

VG
Christian


Nein, das nicht.

Lediglich auf den, zumindest für mich, überraschenden Sachverhalt hinweisen, dass auch für die Sowjetunion der Infanterist knapp wurde. Polen wurden rekrutiert, befreite Kriegsgefangene ohne weitere Umstände (die kamen später) sofort wieder eingereiht.
Sogar "Seydlitz-Truppen" deutsche Gefangene in deutschen Uniformen mit "schwarzweißroter" Armbinde sollen laut Tessier als Infanteristen eingesetzt worden sein.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Triton - 24.05.2014 13:10

Ehrlich gesagt habe ich auch Probleme damit, nachzuvollziehen, wie die Rote Armee die horrenden Verluste in den ersten 2 Kriegsjahren egalisieren konnte. Weil: Die Bevölkerung war nicht größer als die des Gegners, wenn man dessen Verbündete miteinbezieht. Und auch die Rote Armee hatte noch andere Grenzen abzusichern.

Irgendwo habe ich hier einmal die Verlustquote verlinkt, ich glaube, so 1:15 war es während des gesamten Krieges. Und auch wenn es besser wurde, änderte sich daran auch gegen Ende nicht viel.

Wie gesagt, verstehen kann ich es nicht, warum sich das nicht auwirkte.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Marek1964 - 24.05.2014 15:43

(24.05.2014 13:10)Triton schrieb:  Ehrlich gesagt habe ich auch Probleme damit, nachzuvollziehen, wie die Rote Armee die horrenden Verluste in den ersten 2 Kriegsjahren egalisieren konnte. Weil: Die Bevölkerung war nicht größer als die des Gegners, wenn man dessen Verbündete miteinbezieht. Und auch die Rote Armee hatte noch andere Grenzen abzusichern.

Irgendwo habe ich hier einmal die Verlustquote verlinkt, ich glaube, so 1:15 war es während des gesamten Krieges. Und auch wenn es besser wurde, änderte sich daran auch gegen Ende nicht viel.

Wie gesagt, verstehen kann ich es nicht, warum sich das nicht auwirkte.

Bei der Bevölkerungsberechnung der Sowjetunion gibt es viele Unsicherheiten, sie schwanken zwischen 160 und knapp 200 Mio.

Entscheidend sehe ich allerdings, was man modern als "mangelndes Teamwork" des DR mit seinen Verbündeten bezeichnen würde. Die Sowjetunion konnte auf das Industriepotential der USA, GB und Kanada zurückgreifen. Dies stellte Kräfte für den Wehrdienst frei, sorgte dafür, dass vor allem in der Logistik, Kommunikationswesen, Bekleidung und Ernährung sich je länger je mehr auch eine qualitative Überlegenheit der Truppen einstellte, vor allem gegenüber den verbündeten Truppen.

Die Verbündeten des DR hatten einen geringeren Kampfwert, waren schlechter ausgerüstet, waren weniger motiviert als die Sowjets. Auch Hitler schätzte seine Verbündeten nicht sehr. Interessant wäre zu wissen, welchen Anteil an der Bevölkerung die Verbündeten an Soldaten zur Verfügung stellten. Der dürfte nicht sehr hoch gewesen sein.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - liberace - 10.08.2014 10:53

War es nicht eher so, dass Stalingrad eine noch größere Katastrophe verhinderte? Eventuell hätte es den Russen mehr gebracht, wenn sie Stalingrad nur eingekesselt hätten, und dann weiter nach Süden vorgestoßen wären. Die 6. Armee war eh am Ende. Dann wäre der gesamte Südflügel der Wehrmacht in der Fall gesessen, das wäre die ganz große Katstrophe gewesen. Fraglich, ob dafür die Ressourcen der Russen nicht ausgereicht hätten oder ob Stalin der propagandistischen Effekt der Niederlage der 6. Armee wichtiger war.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Triton - 10.08.2014 22:51

Wahrscheinlich waren sie selbst überrascht vom eigenen Erfolg und hatten keinen Plan für diesen Fall. Und als sie es dann doch versuchten, waren die Deutschen schon nicht mehr so einfach abzuschneiden.

Wohl so ähnlich wie bei Dünkirchen, als man auch erste einmal das schon Erreichte feierte und dachte: Egal, wenn sie überm Kanal sind, sind sie auch ausgeschaltet.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - liberace - 21.12.2014 14:57

(24.05.2014 13:10)Triton schrieb:  Ehrlich gesagt habe ich auch Probleme damit, nachzuvollziehen, wie die Rote Armee die horrenden Verluste in den ersten 2 Kriegsjahren egalisieren konnte. Weil: Die Bevölkerung war nicht größer als die des Gegners, wenn man dessen Verbündete miteinbezieht. Und auch die Rote Armee hatte noch andere Grenzen abzusichern.

Irgendwo habe ich hier einmal die Verlustquote verlinkt, ich glaube, so 1:15 war es während des gesamten Krieges. Und auch wenn es besser wurde, änderte sich daran auch gegen Ende nicht viel.

Wie gesagt, verstehen kann ich es nicht, warum sich das nicht auwirkte.

Das war Stalins Menschenverachtung. Im Gegensatz zu den Deutschen, die wegen ihres Mehrfrontenkriegs ihre Verluste nicht ersetzen konnten, setzte Stalin alle wehrfähigen Männer im asiatischen Teil der SU ein. Er hatte unendlich Menschen zur Verfügung, die er rücksichtslos einsetzte. Abgesehen davon hatte er auch keine andere Möglichkeit. Die meisten deutschen Soldaten wussten bereits im Winter 1941, dass dieser Krieg nie und nimmer zu gewinnen war.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - hpd1311 - 22.12.2014 14:55

(21.12.2014 14:57)liberace schrieb:  
(24.05.2014 13:10)Triton schrieb:  Ehrlich gesagt habe ich auch Probleme damit, nachzuvollziehen, wie die Rote Armee die horrenden Verluste in den ersten 2 Kriegsjahren egalisieren konnte. Weil: Die Bevölkerung war nicht größer als die des Gegners, wenn man dessen Verbündete miteinbezieht. Und auch die Rote Armee hatte noch andere Grenzen abzusichern.

Irgendwo habe ich hier einmal die Verlustquote verlinkt, ich glaube, so 1:15 war es während des gesamten Krieges. Und auch wenn es besser wurde, änderte sich daran auch gegen Ende nicht viel.

Wie gesagt, verstehen kann ich es nicht, warum sich das nicht auwirkte.

Das war Stalins Menschenverachtung. Im Gegensatz zu den Deutschen, die wegen ihres Mehrfrontenkriegs ihre Verluste nicht ersetzen konnten, setzte Stalin alle wehrfähigen Männer im asiatischen Teil der SU ein. Er hatte unendlich Menschen zur Verfügung, die er rücksichtslos einsetzte. Abgesehen davon hatte er auch keine andere Möglichkeit. Die meisten deutschen Soldaten wussten bereits im Winter 1941, dass dieser Krieg nie und nimmer zu gewinnen war.

Für die Deutschen waren die Nachschubwege immer länger geworden. Die Luftwaffe hat sich vom Aderlass bei der Luftschlacht um England nie erholt. Das Land selbst gab auch nicht mehr so viel her wie zu Anfang des Krieges. Die Situation hatte sich zum Vorteil für die SU verändert. Abgesehen davon war der ganze Feldzug Wahnsinn...


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - liberace - 25.12.2014 15:51

(15.05.2014 20:41)Triton schrieb:  Nachtrag: Ein Endpunkt des Russlandfeldzugs war bekanntlich Astrachan. Und das liegt wo? Richtig, an der Wolga. Wenn man sich den Verlauf des Flusses ansieht, kann man daraus schließen, dass die Wolga zumindest vorerst Endziel der Offensive war.
Hätten sich die Sowjets ans Ostufer zurückgezogen, wäre zumindest dort nichts mehr passiert, d.h. die Wehrmacht hätte ihre Kampftruppen zu großen Teilen aus der Stadt rausziehen und zum Beispiel einer sowjetischen Gegenoffensive entgegenwerfen können.

Als die Russen im November 1942 durchbrachen und bei Kalatsch die Fall zumachten, fegten sie vorher ungarische, italienische und rumänische Einheiten einfach hinweg. Meinst Du, es wäre anders gekommen, wenn dort deutsche Einheiten gestanden hätten?


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - liberace - 25.12.2014 15:56

(22.12.2014 14:55)hpd1311 schrieb:  
(21.12.2014 14:57)liberace schrieb:  Das war Stalins Menschenverachtung. Im Gegensatz zu den Deutschen, die wegen ihres Mehrfrontenkriegs ihre Verluste nicht ersetzen konnten, setzte Stalin alle wehrfähigen Männer im asiatischen Teil der SU ein. Er hatte unendlich Menschen zur Verfügung, die er rücksichtslos einsetzte. Abgesehen davon hatte er auch keine andere Möglichkeit. Die meisten deutschen Soldaten wussten bereits im Winter 1941, dass dieser Krieg nie und nimmer zu gewinnen war.

Für die Deutschen waren die Nachschubwege immer länger geworden. Die Luftwaffe hat sich vom Aderlass bei der Luftschlacht um England nie erholt. Das Land selbst gab auch nicht mehr so viel her wie zu Anfang des Krieges. Die Situation hatte sich zum Vorteil für die SU verändert. Abgesehen davon war der ganze Feldzug Wahnsinn...

Das war eine der seltenen Fälle, in der eine FW Condor 200, die nichts anderes als ein umgebautes Verkehrsflugzeug war und eine Heinkel 177 "Greif", die toll aussah aber ihre Kinderkrankheiten nie los wurde, für die Luftversorgung eingesetzt wurden. FW 200 Condor waren auch in Bordeaux an der Atlantikküste stationiert und flogen hin und wieder Aufklärung für die Marine.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - Allwissend - 27.12.2014 13:58

(10.08.2014 10:53)liberace schrieb:  War es nicht eher so, dass Stalingrad eine noch größere Katastrophe verhinderte? Eventuell hätte es den Russen mehr gebracht, wenn sie Stalingrad nur eingekesselt hätten, und dann weiter nach Süden vorgestoßen wären. Die 6. Armee war eh am Ende. Dann wäre der gesamte Südflügel der Wehrmacht in der Fall gesessen, das wäre die ganz große Katstrophe gewesen. Fraglich, ob dafür die Ressourcen der Russen nicht ausgereicht hätten oder ob Stalin der propagandistischen Effekt der Niederlage der 6. Armee wichtiger war.

Ich sehe es mittlerweile ähnlich. Ob ein Ausbruch jetzt von Erfolg gekrönnt gewesen wäre und wieviel man man überhaupt rausholen hätte können steht in den Sternen. Die Sowjets überschätzen die Stärke des Kessels massiv und nutzten dadurch unverhältnissmäßig viele Truppen den Kessel dicht zu halten. Am Tschir gabs heftige Abwehrkämpfe um die Einschließung des ganzen Süflügels zu verhindern, die Verbände dort waren gegen Ende der Kämpfe total ausgeblutet und ich glaube das die Bindung großer sowjetischer Verbände viel dazu beitrug, daß eine wesentlich größere Katastrophe verhindert wurde.


RE: Stalingrad: Kein Schritt zurück - sinnvoll oder Verheizen - liberace - 28.12.2014 05:12

Vergessen wir nicht die Politoffiziere der RA, die mit dem MG hinter der russischen Front lagen und jeden erschossen, der zurück wollte. Stalin hatte die Parole ausgegeben "Bis hierher und nicht weiter!" Nach Stalingrad stand es noch eine Weile remis, ehe dann nach Kursk die RA endgültig das Kommando übernahm und es nur noch eine Richtung gab: die nach Westen. Das ganze endete dann 1945 mit der Einnahme von Berlin durch die RA.