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Karl May in seiner Zeit und heute - Druckversion

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Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 06.09.2014 19:40

Wohl kaum ein deutscher Schriftsteller wurde (und wird) so verbreitet gelesen. Habe mir kürzlich für wenig Geld die Gesamtausgabe aufs Kindle gezogen und damit lange dienstfreie Zeiten ohne Internet auf See überbrückt. Ich bin erstaunt: Karl May war ja bekanntlich im echten Leben alles andere als ein "Old Shatterhand" oder "Kara Ben Nemsi", Amerika und den Orient besuchte er als Pauschaltourist im Alter.
Das endlose religiöse Geschwafel geht mir auf den Keks, ebenso immer das immer gleiche Strickmuster ( -zigmal gefangengenommen und selbst befreit, die bösen Buben später meist unblutig eingesackt, nachdem er sie vorher schon ein paarmal laufen ließ).

Der Islam ist für ihn eine üble Irrlehre, gegen gewisse Völker (Juden und mehr noch Armenier) hegt er deutliche Antipathien. Manches dazu ist heutzutage nicht mehr zitierfähig und in modernen Editionen längst bereinigt.

Andererseits hat er sich offenbar erstaunliche Kenntnisse angelesen, was er über die Jesiden im heutigen Nordirak schrieb, erlebt tagespolitisch gerade eine Neuauflage, bis hin zu den geographischen Details.

Ich möchte hier einfach nur mal versuchen, eine Diskussion anzustoßen. Wie soll man Karl May heute werten? Ein idealistischer Spinner? Oder der Lieblingsautor der Generation Auschwitz in deren Jugend (Hitler mochte ihn angeblich sehr)? Oder vielleicht doch nur ein überschätzter Trivialschreiberling, der trotzdem das deutsche Bild vom Orient und von Amerika lange prägte?


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Marek1964 - 06.09.2014 19:53

Sehr interessantes Thema, mal was anderes.

Ich bin das sicher kein Experte, aber wie schon Suebe mal geschrieben hat: Manchmal weiss man nicht, warum etwas funktioniert und warum was anderes nicht.

Dass er erfolgreich war - naja, seine Bücher wurden gekauft. Erst mal banal, aber sie erreichten Berühmtheit und da ist die Frage warum. Da kann ich natürlich nur spekulieren.

Ich denke Du sprichst das Strickmuster der Handlung an: das ist halt das, was Menschen gerne lesen. Der Gute, der durch tausend Unbill schliesslich doch noch gewinnt. Und dann halt die Exotik fremder Länder und Kulturen, das war wohl das Erfolgsrezept. Es gab in Deutschland ja einen Autor Konsalik, dessen Werke von Intellektuellen verhöhnt wurden, aber halt doch Bestseller waren.

So würde ich einfach sagen, ja Trivialliteratur, aber das Bedürfnis der Leute ansprechend und deshalb erfolgreich, entstand irgendwann ein Markenname, der sich bis heute hält.

Was ich mich allerdings noch frage, ob es nicht einzelne Werke waren -Winnetou, Old Surehand - die bekannt wurden. Aber da kann meine Wahrnehmung etwas verzerrt sein.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Titus Feuerfuchs - 07.09.2014 01:45

Als bekennender aber keineswegs unkritischer Karl May-Fan eine kurze Replik.


(06.09.2014 19:40)Arkona schrieb:  [...]
Das endlose religiöse Geschwafel geht mir auf den Keks, ebenso immer das immer gleiche Strickmuster ( -zigmal gefangengenommen und selbst befreit, die bösen Buben später meist unblutig eingesackt, nachdem er sie vorher schon ein paarmal laufen ließ).

Kommt auf den Band an, ist oft, aber keineswegs immer so. Sein bestes Werk ist m.E. gemeinsam mit dem legendären Winnetou I die wenig bekannte Romanreihe "Schloss Rodriganda".

Was das christliche "Geschwafel" betrifft, bin ich etwas anderer Meinung, da er als bekennender Christ seine Romanfiguren das Christentum leben lässt und so sehr greifbar macht. Ich kenne kein anderes Beispiel in der Literatur (ist aber zugegebenermaßen nicht meine stärkste Seite) in der das so anschaulich dargestellt wird.

(06.09.2014 19:40)Arkona schrieb:  Der Islam ist für ihn eine üble Irrlehre,

Seine Skepsis gegenüber dem Islam ist ja nicht gänzlich unbegründet, da er ein sehr fruchtbarer Boden für Gewalt und Unterdrückung zu sein scheint. Man schaue nur, was sich zz so alles abspielt...

(06.09.2014 19:40)Arkona schrieb:  gegen gewisse Völker (Juden und mehr noch Armenier) hegt er deutliche Antipathien.

Ja, ein latenter Antisemitismus zieht sich wie ein roter Faden durch seine Werke. Dieser entsprach im Deutschland des späten 19. Jh. wohl dem Mainstream.

Andererseits schreibt er massiv gegen den Rassismus gegenüber Afroamerikanern an, was man z.B. in den beiden Bänden Old Surehand und im Band "Unter Geiern" nachlesen kann.

Desgleichen gilt für die Ausrottungspolitk, welche die USA gegenüber den Indianern betrieben hatten.

(06.09.2014 19:40)Arkona schrieb:  Manches dazu ist heutzutage nicht mehr zitierfähig und in modernen Editionen längst bereinigt.

Ja, die übliche PC-Geißel, das kennen wir ja. Für seine Zeit hatte er bzgl. Rassismus sehr moderne Ansichten.


(06.09.2014 19:40)Arkona schrieb:  Andererseits hat er sich offenbar erstaunliche Kenntnisse angelesen, was er über die Jesiden im heutigen Nordirak schrieb, erlebt tagespolitisch gerade eine Neuauflage, bis hin zu den geographischen Details.

Auch betreffend anderer Bereiche gilt das, auch wenn er bei manchem danebenlag.


(06.09.2014 19:40)Arkona schrieb:  Ich möchte hier einfach nur mal versuchen, eine Diskussion anzustoßen. Wie soll man Karl May heute werten? Ein idealistischer Spinner?

Ich glaub', eine fuktionierende Gesellschaft braucht ein paar solche "idealistischen Spinner"....

(06.09.2014 19:40)Arkona schrieb:  Oder der Lieblingsautor der Generation Auschwitz in deren Jugend (Hitler mochte ihn angeblich sehr)?


Hitler mochte auch Schäferhunde. Sagt das etwas über die heutigen Halter dieser Hunderasse aus?

(06.09.2014 19:40)Arkona schrieb:  Oder vielleicht doch nur ein überschätzter Trivialschreiberling, der trotzdem das deutsche Bild vom Orient und von Amerika lange prägte?

Es gibt gute und schlechte Trivialliteratur; Mays zählt für mich definitiv zur zweiteren Kategorie.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Titus Feuerfuchs - 07.09.2014 01:56

(06.09.2014 19:53)Marek1964 schrieb:  Sehr interessantes Thema, mal was anderes.

Ich bin das sicher kein Experte, aber wie schon Suebe mal geschrieben hat: Manchmal weiss man nicht, warum etwas funktioniert und warum was anderes nicht.

Dass er erfolgreich war - naja, seine Bücher wurden gekauft. Erst mal banal, aber sie erreichten Berühmtheit und da ist die Frage warum. Da kann ich natürlich nur spekulieren.[...]


Eine Kurzanalyse:

- Er verwendet in seinen Werken sehr gut gestylte und beschriebene Charaktäre (z.B. Sam Hawkens oder Hadschi Halef Omar), mit denen sich der Leser indentifizieren kann. Gute, böse, lustige und auch solche, die weder eindeutig gut oder böse sind.

- Er bindet den Leser sehr gut ein, in dem er ihn teilweise persönlich anpricht, in durch sehr anschauliche und genaue Beschreibungen die Handlungen miterleben lässt.

- Er verwendet einen gut verständlichen Sprachstil

- Seine Werke gehen oft gut aus aber nicht immer und nicht vollständig. (z.B. der Tod Winnetous)

- ...


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 07.09.2014 09:10

Rassistisch war Karl May bestimmt nicht. Er lässt in seinen Büchern sogar die Ehe zwischen einem südafrikanischem Buren und einer Schwarzen zu, ebenso die eines Mulatten mit einer deutschstämmigen Siedlerstochter im Wilden Westen. Andererseits pflegt er altbekannte Stereotype.

Richtig erschrocken habe ich mich über folgendes Zitat, dass er widerspruchslos einem in istanbul ansässigen Deutschen in den Mund legt: "ich bin Christ und halte die Nächstenliebe für das erste Gebot, und ich sage, die Türken haben recht gethan, als sie die Armenier totschlugen. Anders kann sich der Türke nicht vor dem Armenier schützen, von dem seine Noblesse, Trägheit und Oberflächlichkeit auf das unverantwortlichste ausgenutzt wird. Der Armenier ist der schlechteste Kerl der Welt. Er verkauft seine Frau, seine noch unreife Tochter, er bestiehlt seinen Bruder. Ganz Konstantinopel wird von den Armeniern moralisch verpestet...." (Karl May: Im Reich des silbernen Löwen; Band 2).
Das stammt aus dem Jahr 1898, May starb 1912. Er bezieht sich also auf frühere, heute vergessene Pogrome, nicht auf den großen Völkermord 1915.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 07.09.2014 13:33

(07.09.2014 09:10)Arkona schrieb:  Rassistisch war Karl May bestimmt nicht. Er lässt in seinen Büchern sogar die Ehe zwischen einem südafrikanischem Buren und einer Schwarzen zu, ebenso die eines Mulatten mit einer deutschstämmigen Siedlerstochter im Wilden Westen. Andererseits pflegt er altbekannte Stereotype.

Naja, mich hat schon etwas geärgert, wie einfach er sich der Problematik der Mischehe in Winnetou I entzogen hat- läßt Old Shatterhand die große Liebe mit N-Tscho-Tschi erleben, deutet auch den Konflikt an, den das mit sich bringt- und entzieht sich diesem Konflikt, in dem er das Mädel sterben läßt.

Ein mutiger Schriftsteller, der unbequeme Lösungen anzubieten hat, war er also nicht. Und genau das ist es auch, weswegen ich die Bücher zur Seite gelegt habe, als ich dem Jugendalter entwachsen war...

Es ist halt auffällig, wie sehr er diesem Gedanken an den "edlen Wilden" anhängt. Von daher ist er kein Rassist. Er hält Menschen anderer Rassen für durchaus fähig, edel und anständig im herzen zu sein.
Für seine Zeit ist er erstaunlich tolerant- er läßt Old Shatterhand auch von Winnetou lernen. Natürlich ist er insoweit ein Kind seiner zeit, daß Old Shatterhand Winnetou letztendlich mehr beibringen kann- Winnetou hat "nur" das edlere Herz, in allem anderen ist ihm Old Shatterhand überlegen.

Eingetlich, so betrachtet, läßt sich über den guten Karl May doch noch heute viel diskutieren. Schade, daß er so schlecht zu lesen ist. (Ich hasse es, seitenlang Landschaftsbeschreibungen zu lesen...)

Die arabischen Bücher kenne ich aber nicht.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 07.09.2014 14:03

(07.09.2014 13:33)Bunbury schrieb:  Die arabischen Bücher kenne ich aber nicht.

Gerade die sind m.E. interessanter. Besonders im "Lande des Mahdi", wo es um Sklavenhandel geht.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 07.09.2014 18:58

Ich habe die karl May Bücher nie gehabt, nur Verwandte von uns in Duisburg. Und da habe ich in den Ferien halt immer gelesen... zu den arabischen bin ich leider nie gekommen- mir ist irgendwann Mark Brandis in die Hände gefallen, und der sagte mir mehr zu...

Aber der "edle Wilde" war ja nur die eine Hälfte des Indianerbildes. Die andere war zum Beispiel der Häuptling der Kiowas (dessen Namen ich immer vergesse), dem Old Shatterhand die beiden Kniescheiben zerstrümmerte. Der war natürlich genau das Gegenteil des edlen Winnetou. (Der darüber hinaus, wie mir jetzt wieder einfällt, ja auch von einem Weißen erzogen worden war...). Barbarisch, wild, grausam.

Das paßt aber durchaus in sein Zeitalter. Viele zeitgenossen sahen den Fortschritt als gefährlich und korrumpierend an und idealisierten lange vor den Grünen (Wink) naturvölker , während sie annahmen, daß viele Mitgleider der Industrienationen bereits korrumpiert waren. (Der Ölprinz, Santer und dergleichen. Im Gegensatz zu heutigen Schurken ging es ihnen immer nur um Reichtum, nie um Macht.)

Karl May schrieb "Winnetou", Karl Marx "Das Kapital" Hm. Wäre vielleicht mal interessant zu sehen, inwieweit die Menschenbilder übereinstimmten...


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 07.09.2014 20:14

(07.09.2014 18:58)Bunbury schrieb:  Die andere war zum Beispiel der Häuptling der Kiowas (dessen Namen ich immer vergesse), dem Old Shatterhand die beiden Kniescheiben zerstrümmerte. Der war natürlich genau das Gegenteil des edlen Winnetou. (Der darüber hinaus, wie mir jetzt wieder einfällt, ja auch von einem Weißen erzogen worden war...). Barbarisch, wild, grausam.

Das war Tangua. Old Shatterhand alias Kara Ben Nemsi macht es öfter so, dass er Pferde erlegt oder Hand bzw. Bein zerschiesst, weil er das Leben des bösen Buben schonen will.

Im Orient wird bei Karl May auch öfter mal geprügelt. Sein Gefährte Hadschi Halef Omar hat schnell die Nilpferdpeitsche bei der Hand, um sich Respekt zu verschaffen oder das Gedächtnis eines Verhörten etwas aufzufrischen. Es liest sich sogar richtig lustig. Seitdem weiß ich auch, was die Bastonade ist.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Suebe - 07.09.2014 21:31

Ich habe von ihm, bereits als Erwachsener "Am Jenseits" gelesen....
fürchterlich.

Im übrigen, ich habe ihn natürlich verschlungen.
In der Stadtbücherei bei uns bekam man immer pro Woche nur einen Band Karl May, fand ich gemein und ungerecht.... .

Es gab in den 70ern mal eine Sonderedition von Werken, die in den "Gesammelten" nur rudimentär enthalten sind "Deutsche Herzen, deutsche Helden" nannte sie May wohl, noch vor seinen großen Erfolgen.
da begegneten einem ein anderer May.
Ich zieh mir die Wälzer mal wieder "Quer" rein, vielleicht kann ich dann mehr dazu schreiben.

Der"Jagdhieb" hat mir immer besonders imponiert, mönsch wenn ich den draufgehabt hätte..... Rolleyes


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Titus Feuerfuchs - 07.09.2014 22:03

(07.09.2014 13:33)Bunbury schrieb:  
(07.09.2014 09:10)Arkona schrieb:  Rassistisch war Karl May bestimmt nicht. Er lässt in seinen Büchern sogar die Ehe zwischen einem südafrikanischem Buren und einer Schwarzen zu, ebenso die eines Mulatten mit einer deutschstämmigen Siedlerstochter im Wilden Westen. Andererseits pflegt er altbekannte Stereotype.

Naja, mich hat schon etwas geärgert, wie einfach er sich der Problematik der Mischehe in Winnetou I entzogen hat- läßt Old Shatterhand die große Liebe mit N-Tscho-Tschi erleben, deutet auch den Konflikt an, den das mit sich bringt- und entzieht sich diesem Konflikt, in dem er das Mädel sterben läßt.

Ein mutiger Schriftsteller, der unbequeme Lösungen anzubieten hat, war er also nicht. Und genau das ist es auch, weswegen ich die Bücher zur Seite gelegt habe, als ich dem Jugendalter entwachsen war...
[...]
Diese Analyse ist unvollständig bis unrichtig, denn in anderen Bänden kreiert er en masse binationale Liebesbeziehungen bzw. Beziehungen mit Menschen unterschiedlicher Ethnie.

Old Firehand hatte zb. eine Liebesbeziehung mit einer Indianerin namens Ribanna, die er Winnetou vor der Nase weggeschnappt hatte...


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Titus Feuerfuchs - 07.09.2014 22:49

(07.09.2014 18:58)Bunbury schrieb:  [...]

Karl May schrieb "Winnetou", Karl Marx "Das Kapital" Hm. Wäre vielleicht mal interessant zu sehen, inwieweit die Menschenbilder übereinstimmten...

Überhaupt nicht.
Diese Assoziation ist doch reichlich bizarr.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Sansavoir - 08.09.2014 00:16

Karl May ist sicher der "Hauptverantwortliche" dafür, dass seit über 100 Jahren im deutschsprachigen Raum sowohl Interesse als auch Anteilnahme an der Geschichte und Kultur der nordamerikanischen Indianer besteht. Es gibt sicher genügend andere Schriftsteller, die fachlich fundierter über das Leben der Indianer geschrieben haben (z.B. Liselotte Welskopf-Henrich), aber Karl May ist wohl der Auflagenstärkste und Meistgelesene von ihnen. Sicher wurde auch Hans Stosch-Sarasani von ihm oder seinem Werk angeregt, Indianerschauen zu zeigen. Auch viele Indianistik-Vereine wären ohne Karl May nicht denkbar.

Bin jetzt nicht unbedingt der Kenner des Karl-May-Werkes und ich weiß auch nicht, inwiefern er von Cooper, Gerstäcker und Sealsfield oder von den Wild-West-Groschenheften beeinflusst wurde, aber er hat sicher sehr viel für das positive Image der Indianer geleistet. Während in US-Filmen die Indianer lange Zeit negativ dargestellt wurden, ist mir momentan kein Beispiel bekannt, dass in deutschen Filmen Indianer als Gruppe negativ gezeigt wurden. Ich weiß auch nicht, ob außerhalb Deutschlands populäre Indianerdarsteller wie Pierre Brice und Gojko Mitic gegeben hat bzw. gibt.

(07.09.2014 18:58)Bunbury schrieb:  Karl May schrieb "Winnetou", Karl Marx "Das Kapital" Hm. Wäre vielleicht mal interessant zu sehen, inwieweit die Menschenbilder übereinstimmten...

Du wirst enttäuscht sein. Ich habe mal vor Jahren ein Werk von Friedrich Engels gelesen, in dem er sich mot der Entstehung von Völkern (über die Stufen Stämme, Clans, Familien) beschäftigte. Seine Wortwahl entsprach dem 19. Jahrhundert, die Eingeborenen waren entweder primitiv oder naiv, er schrieb von Hottentotten, Rothäuten, Kulis usw., also von einer recht hochmütigen Position aus. Karl Marx wird ähnlich gedacht haben und wahrscheinlich die meisten Gelehrten ihrer Zeit auch. Marx und Engels beschäftigten sich nur mit dem Schicksal der europäischen und nordamerikanischen (weißen) Arbeiter, sie geißelten die Sklaverei, aber sie setzten sich nicht für die amerikanischen Ureinwohner ein.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 08.09.2014 09:45

(08.09.2014 00:16)Sansavoir schrieb:  
(07.09.2014 18:58)Bunbury schrieb:  Karl May schrieb "Winnetou", Karl Marx "Das Kapital" Hm. Wäre vielleicht mal interessant zu sehen, inwieweit die Menschenbilder übereinstimmten...

Du wirst enttäuscht sein. Ich habe mal vor Jahren ein Werk von Friedrich Engels gelesen, in dem er sich mot der Entstehung von Völkern (über die Stufen Stämme, Clans, Familien) beschäftigte. Seine Wortwahl entsprach dem 19. Jahrhundert, die Eingeborenen waren entweder primitiv oder naiv, er schrieb von Hottentotten, Rothäuten, Kulis usw., also von einer recht hochmütigen Position aus. Karl Marx wird ähnlich gedacht haben und wahrscheinlich die meisten Gelehrten ihrer Zeit auch. Marx und Engels beschäftigten sich nur mit dem Schicksal der europäischen und nordamerikanischen (weißen) Arbeiter, sie geißelten die Sklaverei, aber sie setzten sich nicht für die amerikanischen Ureinwohner ein.

Ich habe auch nicht daran gedacht, was Marx über die Indianer im Speziellen gesagt hat.

Es geht um das Menschenbild dahinter. Diese Auffassung, daß der Mensch von Natur aus gut ist und durch materiellen Besitz korrumpiert wird.

Dies ist zentraler Gedanke des Kommunismus- und der findet sich auch ein Stück weit in der sehr unterschiedlichen Indianervorstellungen von Karl May- der edle Winnetou und der gierige Tangua (danke, Arkona.)
Auch in der Darstellung der Weißen finden sich Vorstellungen, die dem Menschenbild von Marx entsprechen- immer wieder gibt es die Gruppe hart arbeitender, armer Siedler, die sich ein neues, besseres Leben aufbauen will, während es den einen oder anderen gierigen Weißen gibt, der sie bestehlen will und dabei ihren Tod in Kauf nimmt oder ihn sogar einplant.

Das deutet schon darauf hin, daß das eine generelle geistige Grundhaltung in der entsprechenden Zeit war, die uns sowohl das eine als auch das andere beschert hat...


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 08.09.2014 12:56

(07.09.2014 22:03)Titus Feuerfuchs schrieb:  
(07.09.2014 13:33)Bunbury schrieb:  Naja, mich hat schon etwas geärgert, wie einfach er sich der Problematik der Mischehe in Winnetou I entzogen hat- läßt Old Shatterhand die große Liebe mit N-Tscho-Tschi erleben, deutet auch den Konflikt an, den das mit sich bringt- und entzieht sich diesem Konflikt, in dem er das Mädel sterben läßt.

Ein mutiger Schriftsteller, der unbequeme Lösungen anzubieten hat, war er also nicht. Und genau das ist es auch, weswegen ich die Bücher zur Seite gelegt habe, als ich dem Jugendalter entwachsen war...
[...]

Diese Analyse ist unvollständig bis unrichtig, denn in anderen Bänden kreiert er en masse binationale Liebesbeziehungen bzw. Beziehungen mit Menschen unterschiedlicher Ethnie.

Old Firehand hatte zb. eine Liebesbeziehung mit einer Indianerin namens Ribanna, die er Winnetou vor der Nase weggeschnappt hatte...

Unvollständig lass ich gelten, ich habe nicht jeden Karl May Band gelesen.

Da ich mich aber ausdrücklich auf die Romanze zwischen Old Shatterhand und N_Tscho-Tschi bezog ist "unrichtig" sachlich völlig daneben.
"Old Shatterhand" also Karl may als ich erzähler deutet die Schwieirgkeiten an, die ein Deutscher durch die Hochzeit mit einer Indianderin auf sich nehmen könnte. Und er läßt N-Tscho-Tschi sterben, was es ihm erspart, sich entweder als Feigling, der die öffentliche Meinung fürchtet, darzustellen oder eben die ANfeindungen und Probleme auf sich zu nehmen. Ein mutiger Schriftsteller hätte sich für eine der beiden Lösungen entschieden.

Daß es multinationale Beziehungen gegeben hat, ist kein Beleg Mut "Anderen" passieren schließlich ständig Dinge, mit dnene man sich nicht beschäftigen muss. Eine Hauptfigur, die nicht in der Ich-perspektive erzählt, kann man mit allem möglichen ausstatten, ohne sich wrklich mit der dazugehörogen Problematik zu stellen.
Ich bin allenfalls bereit, mein Urteil in dieser Hinsicht über Karl May zu revidieren, wenn er sich dieser Frage in einem Buch als Ich- Erzähler angenommen hat und die Konsequenzen seiner Handlung auch trägt.

Gibt es da ein Buch?


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 08.09.2014 13:57

Eine Grundvoraussetzung für die Ehe war bei Karl May die Annahme des christlichen Glaubens und der europäischen Lebensart. Das erwähnt er mehrfach und das schränkt in seinen Geschichten die Wahlmöglichkeiten schonmal gewaltig ein.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Suebe - 08.09.2014 16:21

Wenn man Karl May mit Zeitgenossen aus dem selben Genre vergleicht, schneidet er eigentlich relativ gut ab.
London, Gerstäcker, Verne haben da mindestens wenn nicht noch mehr verbrochen.
Eine "Deutsche Sultana" ist mir ansonsten nicht begegnet.

Das überaus positive Indianerbild in Deutschland ist zu einem ganz erheblichem Teil ihm geschuldet.
Wobei es wohl ewig ein Geheimnis bleiben wird, warum er ausgerechnet die Apatschen so überaus positiv schildert. Seine Schilderungen treffen eigentlich viel eher auf die von ihm "negativ" belegten Komantschen zu.

Es gibt wohl nirgends auf der Welt soviele Indianer-Reenacter Clubs wie in Deutschland, und hier speziell in den Neuen Ländern.
Meiner Meinnung nach zu 80% Karl May geschuldet.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 08.09.2014 17:18

Möglicherweise wäre Winnetou heute weitgehend vergessen, gäbe es nicht die Filme mit dem damaligen Frauenschwarm Pierre Brice. Der Osten konterte mit Gojko Mitic und einer Reihe meist ganz guter Indianerfilme. http://de.wikipedia.org/wiki/DEFA-Indianerfilm


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - 913Chris - 08.09.2014 19:05

Karl May wollte vor allem eins: Seine Bücher verkaufen. Das sollte man nie vergessen, wenn man die Handlung analysiert.
Insofern völlig logisch, wenn er Stereotype seiner Zeit scheinbar widerspruchslos rezipiert (und, wie wir heute wissen, auch voller Überzeugung). In Mays Weltbild waren es die Europäer, die Zivilisation und Christentum - in seinen Augen zwei Seiten der gleichen Medaille - in alle Welt brachten, sei es nun in den Orient ("Der blaurote Methusalem", "Friede auf Erden", die Kara Ben Nemsi-Bücher), nach Afrika ("Mahdi I-III") oder zu den Indianern in Nord- und Südamerika ("Am Rio de la Plata", "In den Cordilleren", "Das Vermächtnis des Inka").
Dass es da auch immer Gute und Böse auf beiden Seiten gibt (Winnetou vs. Tangua, Ben Nil vs. Ibn Asl aus der "Mahdi-Trilogie", Old Shatterhand und Konsorten vs. Typen wie Santer, Parranoh...), gehört zu einem Roman, wie trivial auch immer, einfach dazu.
Dass es in Nordamerika von Deutschen nur so wimmelt (Tante Droll, Hobble Frank, Old Firehand, Old Shatterhand, Prinz Max von Schönberg-Wildauen/Max Parker/Kapitän Kaiman...), die alle durch die Bank ausnehmend gute Menschen sind, ist ebenfalls einerseits dem deutschen Publikum geschuldet, andererseits aber auch Ausdruck von Mays patriotischen Überzeugungen. So wird Kara Ben Nemsi einmal darüber aufgeklärt, warum die Araber auf seiner Seite und nicht auf Seite der Franzosen sind: Kaiser Wilhelm habe die Franzosen besiegt...

Insofern war Karl May ganz einfach auch ein Kind seiner Zeit (gilt auch für die Naturbeschreibungen: Das war damals normal nicht nur bei einem "Reiseroman", als die die May-Bücher ja auch verkauft wurden).

VG
Christian


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Uta - 08.09.2014 20:04

Melde mich mal artigst und vermutlich nur für begrenzte Zeit zurück.

Interessantes Thema @Arkona Thumbs_up

Karl May kenne ich, wenn ich ehrlich bin nur aus den gängigen Verfilmungen, die in meiner Kindheit im TV jeden Sonntagmittag (abwechselnd zu Pippi Langstrumpf und dem Michel von Lönneberga) auf halt nur 2 (ja, liebe Kinder, es waren tatsächlich nur zwei und man konnte es überleben...) Kanälen liefen....

Lesen mochte ich den May ehrlich gesagt nicht, kann aber nicht wirklich begründen, warum. Durch Arkonas Thread angeregt, hab ich mir doch mal ein wenig zu seiner Biographie angeschaut. Tante Wiki weiß z.B., dass sein Lebenslauf wohl nicht immer ganz so geradlinig verlaufen war, mehrere Zuchthausstrafen, Ausschluss aus der Liste der Lehramtskandidaten, Plagiatsvorwürfe, Nervenzusammenbrüche und dergleichen mehr.

May sah sich selbst wohl als eine Art gesellschaftlicher Underdog, einen verkannten Rebellen und schlug sich deshalb in seinen Büchern immer wieder auf die Seite des vermeintlich Schwächeren. (Der vermeintlich Schwächere - weil minderprivilegiert - , der aber im Herzen gut und edel ist und es daher verdient hat, geschützt und unterstützt zu werden, natürlich von dem, der stark und nicht minder edelmütig, eigentlich am längeren Hebel sitzen würde, das aber dank seines Heldengens nicht ausnutzt.)

Es ist das immer gleiche Strickmuster. Anscheinend war es wohl genau diese Mixtur aus edelmütigem Heldentum, verbunden mit einer tragisch endenden Liebesgeschichte, gewürzt mit etwas Abenteuerromantik und ein paar exotischen Schauplätzen und Reisebeschreibungen, die in den damaligen Mainstream der Leserschaft gepasst hat... und offensichtlich häufig auch heute noch passt.

Bei Tante Wiki gibt es gerade in Bezug zu seinen wohl erfolgreichsten Geschichten um Old Shatterhand Interessantes zu lesen:

Zitat:Selten hat ein Autor die von der Literaturtheorie postulierte Grenze zwischen Ich-Erzähler und realem Autoren-Ich ausdrücklicher zu verwischen versucht. Karl May wurde in diesem Zusammenhang Hochstapelei und Pseudologie (zwanghaftes Lügen) vorgeworfen. Der Biograf Helmut Schmiedt spricht in diesem Zusammenhang von einer der „aberwitzigsten Episoden in der Geschichte der deutschen Literatur: Es stellt sich die Frage, warum ihr Urheber sie erfunden und mit solch existenziellem Elan ausgelebt hat.“
und

Zitat:Allerdings wusste er bald nicht mehr zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden und verstieg sich mehr und mehr in die „Old-Shatterhand-Legende“. Er behauptete nicht nur, selbst Old Shatterhand zu sein und die Inhalte der Erzählungen tatsächlich erlebt zu haben, sondern ließ von einem Kötzschenbrodaer Büchsenmacher sogar die legendären Gewehre seiner Romanhelden für sich anfertigen: zunächst den „Bärentöter“ und die „Silberbüchse“, später auch den „Henrystutzen“.

Seine Nervenzusammenbrüche erlitt er angeblich, weil er eben zeitweilig völlig den Bezug zur Realität verloren hatte und dann wieder recht unsanft darin gelandet war....

Naja, ich werde wohl nie zum inner circle seines Fanclubs gehören.


Was das angeht:
(06.09.2014 19:40)Arkona schrieb:  Ich möchte hier einfach nur mal versuchen, eine Diskussion anzustoßen. Wie soll man Karl May heute werten? Ein idealistischer Spinner? Oder der Lieblingsautor der Generation Auschwitz in deren Jugend (Hitler mochte ihn angeblich sehr)? Oder vielleicht doch nur ein überschätzter Trivialschreiberling, der trotzdem das deutsche Bild vom Orient und von Amerika lange prägte?


argumentiert Tante Wiki folgendermaßen:
Zitat: Obwohl sich May sehr bewusst von den ethnologischen Vorurteilen seiner Zeit absetzen wollte und gegen die öffentliche Meinung anschrieb (Winnetou, Durchs wilde Kurdistan, Und Friede auf Erden!), treten in seinen Werken doch heute als „rassistisch“ angesehene Formulierungen auf, die den Paradigmen seiner Zeit unterlagen. Beispielsweise gibt es einige pauschal abwertende Aussagen über Iren, Juden, Armenier, Chinesen, Schwarze, Mestizen und Beduinen. Andererseits werden Chinesen oder Mestizen in seinen Romanen teilweise als positive Figuren dargestellt, die als Ausnahmecharaktere den gängigen Klischees widersprechen. Vom Nationalismus und auch Rassismus, die das wilhelminische Deutschland seiner Zeit prägten, blieb jedoch auch May nicht unbeeinflusst.
(Hervorhebung durch mich)

Liest sich geradewegs so, als wäre May ein "Opfer" seiner Zeit gewesen. War er das? Inwieweit hätten er und seine Geschichten noch Akzeptanz gefunden, wäre er konsistenter bei seiner Haltung gegen ethnologische Vorurteile geblieben?
Eigentlich, das was Bunbury treffend ansprach: Dem Konflikt, der sich aus einer gesellschaftlich nicht statthaften, also unmöglichen Liebe ergibt, geht er literarisch elegant aus dem Wege, indem er die tragische Heldin sterben lässt. (Machten die alten Meister auch schon so, ist also aus dramaturgischer Sicht nicht verwerflich.)
Aber interessant wäre es schon gewesen, wie sich Old Shatterhand alias Karl May wohl entschieden hätte... für Akzeptanz und gegen das Mädel? oder doch andersrum?

Nachdem ich nun fast zwei Stunden und insgesamt 5 Anläufe für dieses bissal Beitrag gebraucht habe (wurde ständig unterbrochen...Dodgy) rechnet also nicht mit zuviel Text von meiner Seite.

Liebe Grüße aus dem Schwarzen Wald, es gibt ihn noch... Wink


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Titus Feuerfuchs - 08.09.2014 21:08

(08.09.2014 12:56)Bunbury schrieb:  Unvollständig lass ich gelten, ich habe nicht jeden Karl May Band gelesen.

Da ich mich aber ausdrücklich auf die Romanze zwischen Old Shatterhand und N_Tscho-Tschi bezog ist "unrichtig" sachlich völlig daneben.
"Old Shatterhand" also Karl may als ich erzähler deutet die Schwieirgkeiten an, die ein Deutscher durch die Hochzeit mit einer Indianderin auf sich nehmen könnte. Und er läßt N-Tscho-Tschi sterben, was es ihm erspart, sich entweder als Feigling, der die öffentliche Meinung fürchtet, darzustellen oder eben die ANfeindungen und Probleme auf sich zu nehmen. Ein mutiger Schriftsteller hätte sich für eine der beiden Lösungen entschieden.

Daß es multinationale Beziehungen gegeben hat, ist kein Beleg Mut "Anderen" passieren schließlich ständig Dinge, mit dnene man sich nicht beschäftigen muss. Eine Hauptfigur, die nicht in der Ich-perspektive erzählt, kann man mit allem möglichen ausstatten, ohne sich wrklich mit der dazugehörogen Problematik zu stellen.
Ich bin allenfalls bereit, mein Urteil in dieser Hinsicht über Karl May zu revidieren, wenn er sich dieser Frage in einem Buch als Ich- Erzähler angenommen hat und die Konsequenzen seiner Handlung auch trägt.

Kann ich nicht ganz nachvollziehen, zumal es in den Bänden, die er als auktorialer Erzähler verfasst hatte, fast immer die Titelhelden waren, die Binationale Liebesbeziehungen eingingen und Binationale Liebschaften eher die Regel als die Ausnahme waren.

May als Ich-Erzähler hatte hingegen nie irgendwelche Liebschaften auch nicht mit Deutschen.

In einigen seiner Spätwerke ist er bereits verheiratet.



(08.09.2014 12:56)Bunbury schrieb:  Gibt es da ein Buch?

Nicht das ich wüsste, aber ich hab' schätzungsweise auch "nur" 70-80% seiner Werke gelesen.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 08.09.2014 22:04

(08.09.2014 21:08)Titus Feuerfuchs schrieb:  
(08.09.2014 12:56)Bunbury schrieb:  Unvollständig lass ich gelten, ich habe nicht jeden Karl May Band gelesen.

Da ich mich aber ausdrücklich auf die Romanze zwischen Old Shatterhand und N_Tscho-Tschi bezog ist "unrichtig" sachlich völlig daneben.
"Old Shatterhand" also Karl may als ich erzähler deutet die Schwieirgkeiten an, die ein Deutscher durch die Hochzeit mit einer Indianderin auf sich nehmen könnte. Und er läßt N-Tscho-Tschi sterben, was es ihm erspart, sich entweder als Feigling, der die öffentliche Meinung fürchtet, darzustellen oder eben die ANfeindungen und Probleme auf sich zu nehmen. Ein mutiger Schriftsteller hätte sich für eine der beiden Lösungen entschieden.

Daß es multinationale Beziehungen gegeben hat, ist kein Beleg Mut "Anderen" passieren schließlich ständig Dinge, mit dnene man sich nicht beschäftigen muss. Eine Hauptfigur, die nicht in der Ich-perspektive erzählt, kann man mit allem möglichen ausstatten, ohne sich wrklich mit der dazugehörogen Problematik zu stellen.
Ich bin allenfalls bereit, mein Urteil in dieser Hinsicht über Karl May zu revidieren, wenn er sich dieser Frage in einem Buch als Ich- Erzähler angenommen hat und die Konsequenzen seiner Handlung auch trägt.

Kann ich nicht ganz nachvollziehen, zumal es in den Bänden, die er als auktorialer Erzähler verfasst hatte, fast immer die Titelhelden waren, die Binationale Liebesbeziehungen eingingen und Binationale Liebschaften eher die Regel als die Ausnahme waren.

Die in der Ehe mündeten? Als sein Alter Ego Old Shatterhand lebte er ja nicht dauerhaft im Wilden Westen und reiste immer wieder nach Deutschland zurück- Old Shatterhand dachte kurz darüber nach, wie es wäre, seine Apatschenliebe mit nach Deutschland zu nehmen, kam zum Schluss, daß es unmöglich wäre- aber bevor er eine Entscheidung treffen mußte, starb sie (praktischerweise.)

Eine binationale Beziehung in der Wahlheimat ist dann doch etwas anderes, als die fremdrassige Frau mit nach Deutschland in die Heimatstadt zu nehmen.

(08.09.2014 21:08)Titus Feuerfuchs schrieb:  May als Ich-Erzähler hatte hingegen nie irgendwelche Liebschaften auch nicht mit Deutschen.

Natürlich hatte er. Eben mit jener Schwester Winnetous, die so praktischerweise starb...Wink
Er spielte mit dem Gedanken, aber er hatte eben dann doch nicht den Mut, das ganze in der einen oder anderen Weise durchzuziehen. Hätte mit Sicherheit auch einen ziemlich Sturm der Entrüstung entfacht...


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 08.09.2014 22:16

@Bunbury, da war keine ernsthafte Liebschaft - jedenfalls keine beidseitige. Nicht mit der Verfilmung verwechseln! Die Apachin kam um, als sie auf dem Weg nach St. Louis war, um dort europäische Kultur und Erziehung zu erfahren. Dann, und nur dann, hätte Old Shatterhand eventuell nochmal nachgedacht.
Im Orient erwähnt Kara Ben Nemsi mal, dass er in der Heimat geheiratet hat.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Titus Feuerfuchs - 09.09.2014 00:01

(08.09.2014 22:04)Bunbury schrieb:  
(08.09.2014 21:08)Titus Feuerfuchs schrieb:  Kann ich nicht ganz nachvollziehen, zumal es in den Bänden, die er als auktorialer Erzähler verfasst hatte, fast immer die Titelhelden waren, die Binationale Liebesbeziehungen eingingen und Binationale Liebschaften eher die Regel als die Ausnahme waren.

Die in der Ehe mündeten?

Ja natürlich.


(08.09.2014 22:04)Bunbury schrieb:  Eine binationale Beziehung in der Wahlheimat ist dann doch etwas anderes, als die fremdrassige Frau mit nach Deutschland in die Heimatstadt zu nehmen.

(08.09.2014 21:08)Titus Feuerfuchs schrieb:  May als Ich-Erzähler hatte hingegen nie irgendwelche Liebschaften auch nicht mit Deutschen.

Natürlich hatte er. Eben mit jener Schwester Winnetous, die so praktischerweise starb...Wink

Zwischen den beiden ist nie was Ernsthaftes gelaufen. Wink


(08.09.2014 22:04)Bunbury schrieb:  Er spielte mit dem Gedanken, aber er hatte eben dann doch nicht den Mut, das ganze in der einen oder anderen Weise durchzuziehen. Hätte mit Sicherheit auch einen ziemlich Sturm der Entrüstung entfacht...

Beim Leser? Glaub' ich gar nicht.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 09.09.2014 09:02

Mal ein Beispiel aus dem wahren Leben, wie sich vornehme Globetrotter damals "ihr exotisches Spielzeug" mit nach Hause nahmen: http://de.wikipedia.org/wiki/Machbuba


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 09.09.2014 18:26

(08.09.2014 22:16)Arkona schrieb:  @Bunbury, da war keine ernsthafte Liebschaft - jedenfalls keine beidseitige. Nicht mit der Verfilmung verwechseln! Die Apachin kam um, als sie auf dem Weg nach St. Louis war, um dort europäische Kultur und Erziehung zu erfahren. Dann, und nur dann, hätte Old Shatterhand eventuell nochmal nachgedacht.

Was ist schon ernsthaft? Karl May schrieb schließlich keine Liebesromane, also war es nicht wirklich ernsthaft.
Daß das Mädel (der Name ist mir dann doch zu anstrenged) noch auf eine Schule mußte, um überhuapt vielleicht auch nur iN Frage zu kommen, ist eben jene Andeutung, jene Spielerei mit dem Gedanken, die mit dem praktischen Tod beendet wird, bevor May sich ernsthaft damit beschäftigen muss.

Mutig als Schriftsteller wäre es gewesen, das ganze wirklich konsequent durchzuziehen in die eine oder andere Richtung. Das hätte man dann auch als Gesellschaftskritik auffassen können.
Für mich als damals junger Mensch auf der Suche nach Antworten war es jedenfalls eine dieser blöden Ausreden, die sich Erwachsene immer ausdenken, um keine richtigen Antworten geben zu können.

Mark Brandis war da viel, viel besser und hat deswegen auch folgerichtig Karl May bei mir abgelöst...


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 09.09.2014 19:36

Mark Brandis repräsentiert eine ganz andere Epoche. Wem Karl May nicht passt und wer partout happy ends erwartet, sollte besser Barbara Wood oder Rosamunde Pilcher lesen, das ist jetzt bewusst etwas bösartig formuliert. Allen Schriftstellern um 1900 wäre es nicht im Traum eingefallen, den Protagonisten "fremdrassig" zu verkuppeln - man nehme nur Burroughs "Tarzan-Romane". May ging da schon, gemessen am damaligen Zeitgeist, sehr weit.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 09.09.2014 22:20

Sicherlich ging er für seine Zeit schon recht weit.
Aber geht es nicht bei den Schriftstellern, die gewissermaßen die Zeit überdauern, nicht auch darum. daß sie sich mit den ewigen Fragen des Lebens beschäftigen, die immer und immer wieder auftauchen? Happy Ends gibt es bei denen übrigens nie. Denn das ist eben das Problem daran- an solchen Konstellationen gibt es kein Happy End. Die wirklich großen Schriftsteller sind diesen Weg aber gegangen.
Vielleicht war also Mays mangelnder Mut auch ein Produkt seiner Zeit.

Von daher verschwindt Karl May heutzutage wohl zu recht aus den Büchereien. Seine Ideen von Gut und Böse sind zu einfach und haben sich längst überlebt. Sein Indianerbild entsprach nicht der Wirklichkeit. Unterm Strich gesagt- Karl May hat heute nichts mehr zu bieten.

Als was will man ihn also bewundern? Ein mutiger Schriftsteller war er nicht. Ein Visionär auch nicht.
Unterm Streich bleibt vor allem eines: Er hat sich eine Phantasiewelt erdacht und ist darin abgetaucht. Sein Vorteil war, daß er einen einigermaßen lesbaren Schreibstil hatte, und so konnte er an seinen Phantasien andere teilhaben lassen.
Aber diese Phantasien ... nun je, sie sind von gestern. Nein, von vorgestern.
Ja, ich kann auch nostalgisch sein und mich daran erinnern, wie es vor fast 40 Jahren war, als ich das Zeug gelesen habe, und als ich mit meinem Bruder und Freunden im Garten Winnetou nach gespielt habe. (Mein Bruder war immer Santer und mußte eines grauenvollen Todes sterben.) Ich habe mit 10 im Keller gesessen und stundenlang die Schallplatten gehört, und mich nur am Anfang gewundert, warum sie so anders waren als die Filme.

Aber irgendwann war man darüber hinausgewachsen, der eine früher, der andere später. Bedauern, daß die Kinder heute in der Schulbücherei den Karl May nicht mehr lesen und er nach Jahren der Nicht-Ausleihe auch endlich aus den Regalen verbannt wurde, kann ich es nicht.

@Arkona: Wer zum Teufel sind Barbara Wood oder Rosamunde Pilcher?


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 09.09.2014 22:35

Nein, er schrieb billige Fortsetzungsromane in Zeitschriften. Später erst gab es sie in Buchform. Er kam also zu seiner Popularität wie die Jungfer zum Kinde.
Ob man es heute noch in der Ausleihe oder Schulbücherei haben sollte, darüber kann man diskutieren genauso ob dass Prinz-Eugen-Lied noch in die Zeit passt. Es ging in der Ausgangsfrage um den historischen Kontext, den wir nun mal zur Kenntnis nehmen müssen. Und es schadet unseren Blagen bestimmt nicht, wenn sie dass vernünftig eingenordet auch kennenlernen.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 10.09.2014 10:12

Der Thread- Titel lautet aber "Karl May in seiner Zeit und heute"...Wink.

Ob das "historische Einordnen" von Karl May Romanen wirklich zu den Dingen gehört, die man den "Blagen" heute vermitteln sollte,wage ich dann aber zu bezweifeln. Dazu ist Karl May viel zu unbedeutend als Schriftsteller.
Allenfalls kann man den "Blagen" mal aufzeigen, daß man auch auf andere Arten und Weisen in Phantasiewelten abtauchen kann als sich in irgendwelche Computerspiele zu flüchten.

Ich frage mich gerade, ob wir heute über Karl May überhaupt noch diskutieren würden, wenn es nicht die Karl- May Renaissance in den 60 ern gegeben hätte, angeregt durch die Filme, oder ob er nicht längst vergessen wäre.

Und das bringt mich wieder zu meiner Aussage zurück, daß Karl May das gleiche Weltbild bewegt hat, das auch den Herrn Marx umtrieb.
Der hart arbeitende Siedler (Arbeiter), der vom gierigen Schurken (Kapitalist) um alles gebracht wird. Oder aber direkt die gewinnorientierten Unternehmen, die imer irgendwelches Begehren auf Indianerland hatten... Aber zum Glück gab es dann bei Karl May die Rettung in Form von Winnetou, Old Shatterhand und diversen anderen guten. (Und Marx dachte sich den Kommunismus aus...)

Von daher waren gerade die Karl May Filme in den 60ern ja hervorragend geeignet, die politischen Botschaften der jeweiligen Systeme zu transportieren. (Die Ost-Verfilmungen kenne ich allerdings nicht- die liefen nicht im (West)- Fernsehen, als ich noch in dem Alter war, in dem mir Karl May etwas zu bieten hatte. )
Aber die West-Verfilmungen waren ein wunderschönes Spiegelbild der damaligen Weltsicht. Es gab entweder "gut" oder "böse". Gute konnten reich sein, wenn sie sich um andere kümmerten und Schwächere beschützten. Es gab die Beschützer, die über den Frieden wachten, und es gab immer wieder Bösewichter, die alle Seiten gegeneinander aufzuhetzen versuchten, um sich zu bereichern. Wir finden "Blutsbrüder" und auf politischer Ebene waren die Amerikander "der große Bruder".
Nach den Kriegen herrschte Aufbruchstimmung und der Wunsch, aus den Trümmern etwas aufzubauen, die sich trefflich in der Eroberung einer neuen Landschaft (Wilder Westen) widerspiegeln ließ.

Von daher behaupte ich mal, daß die Bedeutung von karl may nicht der zeit geschuldet ist, in der die Bücher geschrieben wurden, sondern vielmehr jener Zeit, in der er wiederentdeckt wurde...


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 10.09.2014 11:01

(09.09.2014 22:35)Arkona schrieb:  Es ging in der Ausgangsfrage um den historischen Kontext, den wir nun mal zur Kenntnis nehmen müssen.

Kein Autor ist völlig losgelöst von seiner Zeit zu betrachten. Das geht nicht. Andererseits- und deswegen ist Karl May für mich durchaus ein schriftstellerisches Leichtgewicht- gerade die Schaffung von Phantasiewelten erlaubt die Diskussion von Fragen, die man innerhalb des historischen Kontextes nicht diskutieren kann, weil sie mit zu vielen Tabus behaftet sind.
Nicht umsonst habe ich Mark Brandis als vergleichenden Jugendbuchautor genommen. Ich hätte auch mit z.B. Marion Zimmer Bradley nehmen können, die ihre Phantasiewelt Dakover regelmäßig dazu nutzte, sehr strittige Fragen zu diskutieren.
May hat das eine oder andere angedeutet, angerissen. Er hat eine Phantasiewelt geschaffen, aber er war nicht mutig genug, um seine Phantasiewelt wirklich zu verändern. Sie war dann zueltzt doch zu sehr in ihrer Zeit verhaftet.

Von daher, um auf das Zitat am Anfang zurückzukommen:

(06.09.2014 19:40)Arkona schrieb:  Ich möchte hier einfach nur mal versuchen, eine Diskussion anzustoßen. Wie soll man Karl May heute werten? Ein idealistischer Spinner? Oder der Lieblingsautor der Generation Auschwitz in deren Jugend (Hitler mochte ihn angeblich sehr)? Oder vielleicht doch nur ein überschätzter Trivialschreiberling, der trotzdem das deutsche Bild vom Orient und von Amerika lange prägte?

Definitv der überschätzte Trivialschreiberling, der einfach deswegen lange das deutsche Bild vom Orient und Amerika prägte, weil es zu wenig andere Informationen gab oder man sich auch nicht anders informieren wollte.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Suebe - 10.09.2014 12:34

(10.09.2014 11:01)Bunbury schrieb:  ./.

Definitv der überschätzte Trivialschreiberling, der einfach deswegen lange das deutsche Bild vom Orient und Amerika prägte, weil es zu wenig andere Informationen gab oder man sich auch nicht anders informieren wollte.

Täuscht euch nicht.
Die Deutschen des Jahres 1910 hatten überaus detaillierte Kenntnisse über die USA, zumindest detailliertere als heute!
Und ich wage die These, dass dies für 1880 ebenso zutrifft.
Dass ein Roman ein Roman ist, auch in der Ich-form war 1910 auch schon bekannt.

Karl May konnte schreiben. Hier liegt das Geheimnis seines Erfolgs.
Die Dinger sind echt spannend.
Ohne im Blut zu waten!

Hat schon mal einer den Bericht von Carl Peters gelesen, den er über seine Suche nach Emin Pascha schrieb? Der Gegensatz wird auffallen, und Peters Horrorstory ist vermutlich noch untertrieben.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 10.09.2014 13:30

(10.09.2014 12:34)Suebe schrieb:  Täuscht euch nicht.
Die Deutschen des Jahres 1910 hatten überaus detaillierte Kenntnisse über die USA, zumindest detailliertere als heute!
Und ich wage die These, dass dies für 1880 ebenso zutrifft.

Kann ich mir nicht vorstellen- in der breiten Masse zumindest nicht. Das Bürgertum vielleicht- aber Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten und 12 bis 14 Stunden für den täglichen Unterhalt arbeiten mussten, hatten nicht unbedingt die Muße sich mit Amerika zu beschäftigen ist....

(10.09.2014 12:34)Suebe schrieb:  Dass ein Roman ein Roman ist, auch in der Ich-form war 1910 auch schon bekannt..

Roman ist aber nicht gleich Roman, auch nicht zur gleichen Zeit. Oder ist ´ne Nele Neuhaus das gleiche wie Henning Mankell?


(10.09.2014 12:34)Suebe schrieb:  Karl May konnte schreiben. Hier liegt das Geheimnis seines Erfolgs.
Die Dinger sind echt spannend.

Und hier kommen wir in den Bereich des unterschiedlichen Geschmacks. Wink Ich habe vor zwei Jahren mal wieder versucht, das zeug zu lesen, als ich darüber mitentschieden habe, ob der Karl may in der Schulbücherei bleiben soll. Ich fands stinklangweilig, nur ein paar wenige Figuren originell (die Exzentriker Tante Droll und Hobbel- Frank) und ziemlich stereotyp. Und erst die unertäglichen Landschaftsbeschreibungen. Beim Ölprinz sind es 28 Seiten bevor auch nur irgendwas passiert....


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 10.09.2014 14:35

(10.09.2014 13:30)Bunbury schrieb:  ...als ich darüber mitentschieden habe, ob der Karl may in der Schulbücherei bleiben soll. Ich fands stinklangweilig...

Lass mich raten - ihr habt ihn gnadenlos "wegzensiert" und durch Pippi Langstrumpf (in bereinigter Fassung) ersetzt. Wink

(10.09.2014 13:30)Bunbury schrieb:  Das Bürgertum vielleicht- aber Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten und 12 bis 14 Stunden für den täglichen Unterhalt arbeiten mussten, hatten nicht unbedingt die Muße sich mit Amerika zu beschäftigen ist....

Das überrascht mich bei deinem Beruf. Willst du allen Ernstes behaupten, am Ende des 19. Jahrhunderts waren die meisten Deutschen noch Analphabeten? Es gab auch damals schon die allgemeine Schulpflicht, je nach Staat (Preußen,Sachsen,Bayern etc.) 6-8 Jahre. 12-14 Stunden wurde vielleicht auf dem Lande während der Ernte gearbeitet, aber nicht (mehr) in der Industrie, da waren um 1890 eher 10 Stunden üblich.
Zudem wanderten gerade zu dieser Zeit Hunderttausende nach Amerika aus. Diese Leute haben sich vorher garantiert informiert. Und Millionen haben sich zumindest mit dem Gedanken an Auswanderung und mit ihrer möglichen neuen Heimat befasst und somit alles über Amerika gelesen,was sie in die Finger bekamen. Oft war das Karl May.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Suebe - 10.09.2014 14:44

(10.09.2014 13:30)Bunbury schrieb:  
(10.09.2014 12:34)Suebe schrieb:  Täuscht euch nicht.
Die Deutschen des Jahres 1910 hatten überaus detaillierte Kenntnisse über die USA, zumindest detailliertere als heute!
Und ich wage die These, dass dies für 1880 ebenso zutrifft.

Kann ich mir nicht vorstellen- in der breiten Masse zumindest nicht. Das Bürgertum vielleicht- aber Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten und 12 bis 14 Stunden für den täglichen Unterhalt arbeiten mussten, hatten nicht unbedingt die Muße sich mit Amerika zu beschäftigen ist....

./.


Wie Analphabeten jetzt den Winnetou gelesen haben, müsste man auch gelegentlich mal untersuchen.... Wink

Spass beiseite,
hier unterschätzt du die deutsche Volksschule des 19. Jahrhunderts.
Lesen und schreiben konnten die Deutschen des Jahres 1880 gut und flächendeckend.

Aber seis drum.
Vermutlich, wie du schreibst, eine Sache des Geschmacks.
Ich habe ihn immer geliebt, den Karl May. Und mein Urteil ist deshalb natürlich gefärbt.
Speziell die Landschaftsschilderungen sind doch hochinteressant, und soweit ich weiß stimmen sie auch.

"Durchs wilde Kurdistan" war der erste Band, den ich mein eigen nannte. Heute von packender Aktualität.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 10.09.2014 17:21

(10.09.2014 14:44)Suebe schrieb:  
(10.09.2014 13:30)Bunbury schrieb:  Kann ich mir nicht vorstellen- in der breiten Masse zumindest nicht. Das Bürgertum vielleicht- aber Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten und 12 bis 14 Stunden für den täglichen Unterhalt arbeiten mussten, hatten nicht unbedingt die Muße sich mit Amerika zu beschäftigen ist....

./.


Wie Analphabeten jetzt den Winnetou gelesen haben, müsste man auch gelegentlich mal untersuchen.... Wink

Naja, ungefähr so wie die BILD Zeitung- es reicht doch, wenn einer lesen kann und den anderen erzählt, was er gelesen hat...Wink

(10.09.2014 14:44)Suebe schrieb:  Spass beiseite,
hier unterschätzt du die deutsche Volksschule des 19. Jahrhunderts.
Lesen und schreiben konnten die Deutschen des Jahres 1880 gut und flächendeckend.

Dumme Frage- auch die Frauen?

(10.09.2014 14:44)Suebe schrieb:  Vermutlich, wie du schreibst, eine Sache des Geschmacks.
Ich habe ihn immer geliebt, den Karl May. Und mein Urteil ist deshalb natürlich gefärbt.

Einfach mal interessehalber- wann hast du den karl may das letzte Mal zur Hand genommen? Ich frage deshalb, weil ich ihn eigentlich so schlecht auch nicht fand, bis wir in der Bücherei festgestellt haben, daß ihn keiner mehr ausleiht und ich ihn dann probegelesen habe, um zu sehen, woran es liegt... hat nicht lange gedauert, bis ich es wußteWink


(10.09.2014 14:44)Suebe schrieb:  Speziell die Landschaftsschilderungen sind doch hochinteressant, und soweit ich weiß stimmen sie auch.

Jetzt weiß ich, wo der Unterschied herkommt. Ich hasse Landschaftsbeschreibungen....
[/quote]


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 10.09.2014 17:37

(10.09.2014 14:35)Arkona schrieb:  Lass mich raten - ihr habt ihn gnadenlos "wegzensiert" und durch Pippi Langstrumpf (in bereinigter Fassung) ersetzt. Wink

Nein. Er wurde jahrelang nicht mehr ausgeliehen. Und so schade es auch ist- Pippi liest heute auch keiner mehr, auch nicht in bereinigter Form. Ich habe versucht, den Kindern Erich Kästner nahezubringen, aber auch das ist danebengegangen.

(10.09.2014 14:35)Arkona schrieb:  
(10.09.2014 13:30)Bunbury schrieb:  Das Bürgertum vielleicht- aber Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten und 12 bis 14 Stunden für den täglichen Unterhalt arbeiten mussten, hatten nicht unbedingt die Muße sich mit Amerika zu beschäftigen ist....

Das überrascht mich bei deinem Beruf..

Hä?


(10.09.2014 14:35)Arkona schrieb:  Willst du allen Ernstes behaupten, am Ende des 19. Jahrhunderts waren die meisten Deutschen noch Analphabeten? Es gab auch damals schon die allgemeine Schulpflicht, je nach Staat (Preußen,Sachsen,Bayern etc.) 6-8 Jahre. 12-14 Stunden wurde vielleicht auf dem Lande während der Ernte gearbeitet, aber nicht (mehr) in der Industrie, da waren um 1890 eher 10 Stunden üblich.

Okay, vielleicht ein voreiliger Schluss. Meine ältesten Verwandten wurden um die Jahrhundertwende geboren. Zur Schule sind sie zwar gegangen, aber sie waren deswegen nicht im Stande, ein Buch zu lesen. Ein bißchen in der Bibel, mehr aber auch nicht. Und ich habe von dieser uralten Generation die Männer nicht gekannt, nur die Frauen. Und die waren nicht wirklich Analphabeten, aber ein längerer Text hat sie schon überfordert...

(10.09.2014 14:35)Arkona schrieb:  Zudem wanderten gerade zu dieser Zeit Hunderttausende nach Amerika aus. Diese Leute haben sich vorher garantiert informiert. Und Millionen haben sich zumindest mit dem Gedanken an Auswanderung und mit ihrer möglichen neuen Heimat befasst und somit alles über Amerika gelesen,was sie in die Finger bekamen. Oft war das Karl May.

Glaubst du das im Ernst? Daß die leute sich damals vor allem Bücher genommen haben, um sich ihrer geplanten Ausreise wegen über Amerika zu informieren? Ich habe ja keine Ahnung, aus welcher gesellschaftlichen Klasse deine Vorfahren stammen, aber für Arbeiter war ein Buch um die Jahrhundertwende etwas sehr exotisches. Da ist viel über Mund zu Mund Propaganda gelaufen, jeder hat erzählt, was er von irgendeinem Cousin 27 grades gehört hat, der vor drei Jahren ausgewandert ist. Und natürlich auch, was der Lehrer und der Pfarrer, die beiden Intellektuellen eines jeden Dorfes, aus dem Winnetou erzählt oder vorgelesen haben...

Es gab eine breite bürgerliche Bildungsschicht, das ist richtig. Aber sie stellte nicht die Mehrheit der Bevölkerung...


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Suebe - 10.09.2014 18:54

(10.09.2014 17:21)Bunbury schrieb:  
(10.09.2014 14:44)Suebe schrieb:  Wie Analphabeten jetzt den Winnetou gelesen haben, müsste man auch gelegentlich mal untersuchen.... Wink

Naja, ungefähr so wie die BILD Zeitung- es reicht doch, wenn einer lesen kann und den anderen erzählt, was er gelesen hat...Wink

(10.09.2014 14:44)Suebe schrieb:  Spass beiseite,
hier unterschätzt du die deutsche Volksschule des 19. Jahrhunderts.
Lesen und schreiben konnten die Deutschen des Jahres 1880 gut und flächendeckend.

Dumme Frage- auch die Frauen?

(10.09.2014 14:44)Suebe schrieb:  Vermutlich, wie du schreibst, eine Sache des Geschmacks.
Ich habe ihn immer geliebt, den Karl May. Und mein Urteil ist deshalb natürlich gefärbt.

Einfach mal interessehalber- wann hast du den karl may das letzte Mal zur Hand genommen? Ich frage deshalb, weil ich ihn eigentlich so schlecht auch nicht fand, bis wir in der Bücherei festgestellt haben, daß ihn keiner mehr ausleiht und ich ihn dann probegelesen habe, um zu sehen, woran es liegt... hat nicht lange gedauert, bis ich es wußteWink


(10.09.2014 14:44)Suebe schrieb:  Speziell die Landschaftsschilderungen sind doch hochinteressant, und soweit ich weiß stimmen sie auch.

Jetzt weiß ich, wo der Unterschied herkommt. Ich hasse Landschaftsbeschreibungen....
[/quote]


Aber natürlich konnten Frauen auch lesen.
Kochrezepte .... Devil

Mal weiter ausholen.
Ich bin doch ein blitzgescheites Kerlchen, das weiß man ja ,und das willst du hoffentlich nicht bestreiten. Undecided
Und, beweisbar bin ich zu 50% weiblicher Abstammung.
Ergo: die Weibchen in meiner Ahnenreihe können auch nicht blöd gewesen sein.

Auch hier Spass beiseite: Es gab den Quellen nach im 19. Jahrhundert Vorbehalte gegen studierte Damen. OK.
Aber glaub bloß nicht, dass Frauen damals nicht auch eine solide Grundlage an theoretischen Kenntnissen vermittelt bekommen hätten.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 10.09.2014 19:37

Bei der Schulpflicht wurde kein Unterschied zwischen Mädchen und Jungen gemacht, lesen konnten sie also alle. Nur war Karl May sicher nicht die Jugendlektüre unserer Urgroßmütter. Für die gab es Hedwig Courths-Mahler.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Suebe - 10.09.2014 20:35

(10.09.2014 17:37)Bunbury schrieb:  Glaubst du das im Ernst? Daß die leute sich damals vor allem Bücher genommen haben, um sich ihrer geplanten Ausreise wegen über Amerika zu informieren? Ich habe ja keine Ahnung, aus welcher gesellschaftlichen Klasse deine Vorfahren stammen, aber für Arbeiter war ein Buch um die Jahrhundertwende etwas sehr exotisches. Da ist viel über Mund zu Mund Propaganda gelaufen, jeder hat erzählt, was er von irgendeinem Cousin 27 grades gehört hat, der vor drei Jahren ausgewandert ist. Und natürlich auch, was der Lehrer und der Pfarrer, die beiden Intellektuellen eines jeden Dorfes, aus dem Winnetou erzählt oder vorgelesen haben...

Es gab eine breite bürgerliche Bildungsschicht, das ist richtig. Aber sie stellte nicht die Mehrheit der Bevölkerung...


Es ist Fakt, und auch belegbar, dass speziell über die Zustände und Umstände in den USA ein reger Briefwechsel über den Ozean hin- und hergegangen ist.

Mein Großvater, Jahrgang 1874, besass etliches an Büchern. Aus seinem Besitz habe ich einen "Briefsteller" und ein Fremdwörterlexikon von 1899 in meinem Bücherschrank stehen.
Meine Großmutter, Jahrgang 1873, war Reformanhängerin, ihre umfangreiche Literatur zum Thema hat eine meiner Schwestern in ihrem Besitz.
Meine Mutter, Jahrgang 1903, hat das ganze Leben gelesen und gelesen. Allerdings, als sie über 90 war, konnte sie sich auf längere Geschichten nicht mehr konzentrieren, beließ sie es bei zwei regionalen Tageszeitungen und speziellen Sammlungen von Kurzgeschichten, mit denen sie sich eifrig versorgen ließ.

Ich habe erst neulich auf dem Erbgang die Feldpostkartensammlung von 14-18 meiner Großmutter bekommen,
die, die da schrieben, waren es gewöhnt,
gestochen scharfe Handschriften, trotz in der Regel Bleistift heute noch jederzeit lesbar.

Nö nö,
die haben vielleicht noch das Licht mit dem Hammer ausgemacht,
aber in der Schulbildung der großen Masse liegen wir heute eher hinter denen wie vor ihnen.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 10.09.2014 21:57

(10.09.2014 20:35)Suebe schrieb:  Es ist Fakt, und auch belegbar, dass speziell über die Zustände und Umstände in den USA ein reger Briefwechsel über den Ozean hin- und hergegangen ist.

Natürlich gab es Briefwechsel. Und ich denke auch, daß diese Briefe, die dann im ganzen Dort hin und hergingen, die Hauptinfoquelle gewesen sein dürften. Wobei man "regen" Briefwechsel nicht wirklich nach heutigen Maßstäben messen sollte- ein Brief war damals durchaus länger unterwegs als eine Woche...Wink

(10.09.2014 20:35)Suebe schrieb:  Mein Großvater, Jahrgang 1874, besass etliches an Büchern. Aus seinem Besitz habe ich einen "Briefsteller" und ein Fremdwörterlexikon von 1899 in meinem Bücherschrank stehen.

Welchen Beruf übte er aus?

(10.09.2014 20:35)Suebe schrieb:  Meine Großmutter, Jahrgang 1873, war Reformanhängerin, ihre umfangreiche Literatur zum Thema hat eine meiner Schwestern in ihrem Besitz.
Meine Mutter, Jahrgang 1903, hat das ganze Leben gelesen und gelesen. Allerdings, als sie über 90 war, konnte sie sich auf längere Geschichten nicht mehr konzentrieren, beließ sie es bei zwei regionalen Tageszeitungen und speziellen Sammlungen von Kurzgeschichten, mit denen sie sich eifrig versorgen ließ.

Siehst du, so sind die Dinge halt verschieden. Meine Urgroßmutter (Jahrgang weiß ich nicht, muss um 1880 gewesen sein) konnte regelmäßig nicht zur Schule gehen, weil sie ihre Mutter pflegen und sich um ihre jüngeren Geschwister kümmern mußte. Außer der Bibel hat sie nichts gelesen, sie konnte es wohl auch nicht besonders gut. Meine Großmutter (1898) hielt gar nichts davon, daß Mädchen ihre Zeit mit lesen vergeuden, das durften bei ihr im Haus nur die Jungen. Aus denen sollte ja mal was werden. Aber ein Mädchen, das die Nase in ein Buch steckte, bekam doch keinen Mann mehr ab. Wer wollte schon ´nen Blaustrumpf haben? Meine Mutter (1941) hat erzählt, daß meine Großmutter nur mit Mühe lesen konnte und für einen Brief zum Lesen (aber nicht aus Amerika) Stunden brauchte.
Arbeiterfamilie halt.
Bücher gab es da nicht zu erben.


(10.09.2014 20:35)Suebe schrieb:  Nö nö,
die haben vielleicht noch das Licht mit dem Hammer ausgemacht,
aber in der Schulbildung der großen Masse liegen wir heute eher hinter denen wie vor ihnen.

ja, vielleicht, was Kopfrechnen, Rechtschreibung und Handschrift anbetrifft. Ansonsten ist das wohl eher Sozialromantik.Wink


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Arkona - 10.09.2014 23:10

@Bunbury, ich tendiere doch eher zum Standpunkt des Sueben. Du hast übrigens noch Religion in der Aufzählung oben vergessen., hihi. Nein im Ernst - die Leute damals waren bestimmt nicht schlechter gebildet als ein fauler Gymnasiast von heute, dem das Abi hinterhergeworfen wird. Was die eigene Familie betrifft, da haben damals auch nur die Grundschule besucht und trotzdem eine üppige Hausbibliothek besessen, die mehr als die Lutherbibel und ein Kochbuch umfasste. Einiges davon besitze ich heute noch.

Die Zustände, die du beschreibst, passen eher in die Zeit vor 1800.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 11.09.2014 08:56

Nun, ich kann dir versichern, daß meine Urgroßmutter und meine Großmutter nicht soooo alt geworden sind.Big Grin

In der Familie meines Vaters war es im übrigen ein bißchen anders, die waren gebildeter und besaßen Bücher- aber die waren auch keine (Land)arbeiter, meine Großmutter väterlicherseits hatte einen Kramladen. Allerdings hatte ich aus den Erzählungen der alten Menschen durchaus den Eindruck gewonnen, daß das typisch für das Arbeitermilieu um das Ende des 18. und 19, Jahrhunderts war. (Aus familiären Gründen hatte ich mit der Familie meiner Mutter mehr zu tun als mit der des Vaters.)

Aber möglicherwiese handelt es sich dabei auch um die Relikte der Zeit, die danach kam. Meine tante hat meiner Mutter immer die Hölle heigemacht, wenn de gelesen hat- und ich bekam von ihr in einer Tour zu hören, daß es nicht so wichtig für mich wäre, Hausaufgaben zu machen, ich sollte besser daheim beim Kochen helfen. Aber auch meine Großtante, 1897 er jahrgang war der Meinung, daß ich lieber meinem Bruder das Zimmer aufräumen sollte als selbst etwas zu lernen.... (Und die Familie meines Vaters hat aus genau dem Grund immer auf die meiner Mutter heruntergeschaut.)

Das mit den "faulen Gymnasiasten" ist aber verdammt unfair. Die Kinder können nichts dafür, daß in den Kultusministerien lauter Vollidioten sitzen, die Grundschulpädagogische Lehrpläne erstellen, die den Kindern "Kompetenzen" statt "Wissen" vermitteln sollen.
Mein älterer Sohn wurde mit einem mathematischen Lehrwerk in der Grundschule bedacht, das es für völlig überflüssig hielt, den Kindern das 1 mal 1 beizubringen. Sie sollten nur die 1er, 5er und 10 er Reihe lernen, den Rest sollten sie sich herleiten. Ich habe nach ein paar Tagen Zögern und Verunsicherung dann doch mir die zeit genommen, mit Sohnemann das 1 mal 1 zu lernen. (Damals hat er mich dafür gehaßt, heute ist er sehr dankbar...) Die Zeit hat aber nicht jeder- ist leider so- und die Schüler müssen es ausbaden.
Sie lernen Schreiben, wie man es spricht. Irgendwann in der dritten fängt man dann ganz sachte mit Rechtschreiberegeln an, und so verlassen viele Grundschüler die Schule mit schlechter Rechtschreibung. Die Grundschullehrer sehen es im übrigen überhaupt nicht gerne, wenn du die Kinder dann verbesserst- sie sollen ja schließlich eigenständig und völlig selbstständig lernen...


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Titus Feuerfuchs - 11.09.2014 20:11

(11.09.2014 08:56)Bunbury schrieb:  Nun, ich kann dir versichern, daß meine Urgroßmutter und meine Großmutter nicht soooo alt geworden sind.Big Grin

In der Familie meines Vaters war es im übrigen ein bißchen anders, die waren gebildeter und besaßen Bücher- aber die waren auch keine (Land)arbeiter, meine Großmutter väterlicherseits hatte einen Kramladen. Allerdings hatte ich aus den Erzählungen der alten Menschen durchaus den Eindruck gewonnen, daß das typisch für das Arbeitermilieu um das Ende des 18. und 19, Jahrhunderts war. (Aus familiären Gründen hatte ich mit der Familie meiner Mutter mehr zu tun als mit der des Vaters.)

Aber möglicherwiese handelt es sich dabei auch um die Relikte der Zeit, die danach kam. Meine tante hat meiner Mutter immer die Hölle heigemacht, wenn de gelesen hat- und ich bekam von ihr in einer Tour zu hören, daß es nicht so wichtig für mich wäre, Hausaufgaben zu machen, ich sollte besser daheim beim Kochen helfen. Aber auch meine Großtante, 1897 er jahrgang war der Meinung, daß ich lieber meinem Bruder das Zimmer aufräumen sollte als selbst etwas zu lernen.... (Und die Familie meines Vaters hat aus genau dem Grund immer auf die meiner Mutter heruntergeschaut.)

Ist diese Prägung einer der Gründe, warum du Frauen laufend in der Opferrolle siehst, bzw sie dorthin drängst?

(11.09.2014 08:56)Bunbury schrieb:  Das mit den "faulen Gymnasiasten" ist aber verdammt unfair. Die Kinder können nichts dafür, daß in den Kultusministerien lauter Vollidioten sitzen, die Grundschulpädagogische Lehrpläne erstellen, die den Kindern "Kompetenzen" statt "Wissen" vermitteln sollen.
Mein älterer Sohn wurde mit einem mathematischen Lehrwerk in der Grundschule bedacht, das es für völlig überflüssig hielt, den Kindern das 1 mal 1 beizubringen. Sie sollten nur die 1er, 5er und 10 er Reihe lernen, den Rest sollten sie sich herleiten. Ich habe nach ein paar Tagen Zögern und Verunsicherung dann doch mir die zeit genommen, mit Sohnemann das 1 mal 1 zu lernen. (Damals hat er mich dafür gehaßt, heute ist er sehr dankbar...) Die Zeit hat aber nicht jeder- ist leider so- und die Schüler müssen es ausbaden.
Sie lernen Schreiben, wie man es spricht. Irgendwann in der dritten fängt man dann ganz sachte mit Rechtschreiberegeln an, und so verlassen viele Grundschüler die Schule mit schlechter Rechtschreibung. Die Grundschullehrer sehen es im übrigen überhaupt nicht gerne, wenn du die Kinder dann verbesserst- sie sollen ja schließlich eigenständig und völlig selbstständig lernen...

Bei euch ist die Kacke ja echt am dampfen. Die einzige Ressource, die Deutschland hat, ist die Bildung, die hohe Qualifikation weiter Bevölkerungsteile. Dieses Plus wird durch eine bestimmte Ideologie g'rad' gründlich im Klo 'runtergespült, ist in Ö aber nicht viel besser.

Die Suppe, die ihr euch da einbrockt, werden eure Kinder und Enkel auslöffeln müssen.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Suebe - 11.09.2014 20:34

(10.09.2014 21:57)Bunbury schrieb:  
(10.09.2014 20:35)Suebe schrieb:  Es ist Fakt, und auch belegbar, dass speziell über die Zustände und Umstände in den USA ein reger Briefwechsel über den Ozean hin- und hergegangen ist.

Natürlich gab es Briefwechsel. Und ich denke auch, daß diese Briefe, die dann im ganzen Dort hin und hergingen, die Hauptinfoquelle gewesen sein dürften. Wobei man "regen" Briefwechsel nicht wirklich nach heutigen Maßstäben messen sollte- ein Brief war damals durchaus länger unterwegs als eine Woche...Wink

(10.09.2014 20:35)Suebe schrieb:  Mein Großvater, Jahrgang 1874, besass etliches an Büchern. Aus seinem Besitz habe ich einen "Briefsteller" und ein Fremdwörterlexikon von 1899 in meinem Bücherschrank stehen.

Welchen Beruf übte er aus?

(10.09.2014 20:35)Suebe schrieb:  Meine Großmutter, Jahrgang 1873, war Reformanhängerin, ihre umfangreiche Literatur zum Thema hat eine meiner Schwestern in ihrem Besitz.
Meine Mutter, Jahrgang 1903, hat das ganze Leben gelesen und gelesen. Allerdings, als sie über 90 war, konnte sie sich auf längere Geschichten nicht mehr konzentrieren, beließ sie es bei zwei regionalen Tageszeitungen und speziellen Sammlungen von Kurzgeschichten, mit denen sie sich eifrig versorgen ließ.

Siehst du, so sind die Dinge halt verschieden. Meine Urgroßmutter (Jahrgang weiß ich nicht, muss um 1880 gewesen sein) konnte regelmäßig nicht zur Schule gehen, weil sie ihre Mutter pflegen und sich um ihre jüngeren Geschwister kümmern mußte. Außer der Bibel hat sie nichts gelesen, sie konnte es wohl auch nicht besonders gut. Meine Großmutter (1898) hielt gar nichts davon, daß Mädchen ihre Zeit mit lesen vergeuden, das durften bei ihr im Haus nur die Jungen. Aus denen sollte ja mal was werden. Aber ein Mädchen, das die Nase in ein Buch steckte, bekam doch keinen Mann mehr ab. Wer wollte schon ´nen Blaustrumpf haben? Meine Mutter (1941) hat erzählt, daß meine Großmutter nur mit Mühe lesen konnte und für einen Brief zum Lesen (aber nicht aus Amerika) Stunden brauchte.
Arbeiterfamilie halt.
Bücher gab es da nicht zu erben.


(10.09.2014 20:35)Suebe schrieb:  Nö nö,
die haben vielleicht noch das Licht mit dem Hammer ausgemacht,
aber in der Schulbildung der großen Masse liegen wir heute eher hinter denen wie vor ihnen.

ja, vielleicht, was Kopfrechnen, Rechtschreibung und Handschrift anbetrifft. Ansonsten ist das wohl eher Sozialromantik.Wink


Die Briefe, Situationsberichte sind in ziemlicher Zahl erhalten.

Mein Großvater war Schreiner. Tischler nennt man den Beruf in anderen Gauen unseres deutschen Sprachgebietes. Gestern Abend habe ich noch schnell in das Fremdwörterlexikon geschaut, ich hatte mich an irgendwas erinnert, und richtig der Herausgeber war Wilhelm Liebknecht!
Mein Großvater war ein Bauernjunge vom Südrand der Schwäbischen Alb, den Traumberuf "Orgelbauer" hat ihm die Mutter aus Kostengründen (Lehrgeld) verweigert, der Vater war jung verstorben und der Hof plus 8 Kinder mussten durchgebracht werden.

Seis drum,
ich habe mittlerweile Fotografien der meisten meiner Vorfahren aus dem 19. Jahrhundert in meinem Besitz, die Frauen schauen da sehr selbstbewusst in die Linse.
Ich wage die These, dass die sehr wohl gelesen haben.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 11.09.2014 22:26

Würde mich echt mal itneressieren, wo diese Unterschiede herkommen.
War das regional verschieden?
Oder haben die späteren Zeiten die früheren so gnadelos überlagert, daß von ihren Errungenschaften auch in der Erinnerung nichts mehr übriggebleiben ist?
Geschichtsfälschung wird ja überall betrieben. Ich habe gestern einem Artikel einer Tageszeitung entnehmen dürfen, daß das schottische Referendum auch damit zusammenhängt, daß die bösen Engländer die von den Schotten hochverherte Maria Stuart hingerichtet hätten...


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Suebe - 12.09.2014 13:10

Ich habe jetzt mal überregional Tenfelde/Ritter konsultiert.
"Der Arbeiter im Deutschen Kaiserreich"
Zur Schulbildung wird da angemerkt, dass im Jahre 1880 nur 0,024% der Rekruten nicht lesen und schreiben konnten.
Mit großen Einsatz wurde in diesen Jahren angestrebt über öffentliche Leihbüchereien die Bildung der weniger vermögenderen Schichten anzuheben.
In den "Volksbüchereien" wurde in dieser Zeit mit Bedauern vermerkt, dass der Arbeiter weniger Interesse an den theoretischen Schriften sozialistiter Autoren hatten, sondern sich mehr für Trivialliteratur interessierten.
Ich erlaube mir die These, zu einem erheblichen Teil für Karl May.

Vor 20 Jahren hat Frau Ingrid Helber in den Heimatkundlichen Blättern des Zollernalbkreises

http://www.heimatkundliche-vereinigung.de/index.php?KontentID=231&KontentURL=/datenbank/db_Dl_uebersicht.php

eine Untersuchung über den Bücherbesitz in Ebingen (jetzt Albstadt-Ebingen) am Anfang des 18. Jahrhunderts veröffentlicht.
90% der neu Verheirateten hatten zumindest 1 Buch in ihrem Besitz.
Weiter schreibt sie über die "Verschulungsquote am Beginn des 18. Jahrhunderts in Ebingen:
Zitat: (Quelle wie oben)
Zitat:Ein Blick in das Kirchenvistitationsprotokoll
vom 22./23. März 1706 soll darüber Aufschluß
geben. Darin wird man u. a. auch über die
Zahl der Schüler" informiert:
Lateinische Schüler 7,
deutsche Schüler 131,
Mägdlein 129,
somit gab es insgesamt 267 Schulkinder. Das
Verhältnis der Geschlechter ist erstaunlicherweise
1:1. Vermutlich befanden sich unter den
"Lateinschülern", die auf das Landexamen und
eine spätere höhere Ausbildung eventuell an dere
Universität vorbereitet wurden, wohl keine
Mädchen.

Festzuhalten bleibt, dass bereits damals, 190 Jahre vor Karl May, in einer kleinen württ. Landstadt die Mädchen wie die Knaben eine Schulbildung genossen. Man wird dies mit mehr oder weniger Ab- und Aufstrichen im HRR als flächendeckend vermuten dürfen.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Bunbury - 12.09.2014 13:44

(12.09.2014 13:10)Suebe schrieb:  Ich habe jetzt mal überregional Tenfelde/Ritter konsultiert.
"Der Arbeiter im Deutschen Kaiserreich"
Zur Schulbildung wird da angemerkt, dass im Jahre 1880 nur 0,024% der Rekruten nicht lesen und schreiben konnten.
Mit großen Einsatz wurde in diesen Jahren angestrebt über öffentliche Leihbüchereien die Bildung der weniger vermögenderen Schichten anzuheben.
In den "Volksbüchereien" wurde in dieser Zeit mit Bedauern vermerkt, dass der Arbeiter weniger Interesse an den theoretischen Schriften sozialistiter Autoren hatten, sondern sich mehr für Trivialliteratur interessierten.
Ich erlaube mir die These, zu einem erheblichen Teil für Karl May.

Da würde ich dir ohne jeden Zweifel zustimmen. Zumindest bei den Jungs.

(12.09.2014 13:10)Suebe schrieb:  Vor 20 Jahren hat Frau Ingrid Helber in den Heimatkundlichen Blättern des Zollernalbkreises

http://www.heimatkundliche-vereinigung.de/index.php?KontentID=231&KontentURL=/datenbank/db_Dl_uebersicht.php

eine Untersuchung über den Bücherbesitz in Ebingen (jetzt Albstadt-Ebingen) am Anfang des 18. Jahrhunderts veröffentlicht.
90% der neu Verheirateten hatten zumindest 1 Buch in ihrem Besitz.

Da bin ich jetzt mal so zynisch und sage, dieses eine Buch dürfte die Bibel gewesen sein.

(12.09.2014 13:10)Suebe schrieb:  Weiter schreibt sie über die "Verschulungsquote am Beginn des 18. Jahrhunderts in Ebingen:
Zitat: (Quelle wie oben)
Zitat:Ein Blick in das Kirchenvistitationsprotokoll
vom 22./23. März 1706 soll darüber Aufschluß
geben. Darin wird man u. a. auch über die
Zahl der Schüler" informiert:
Lateinische Schüler 7,
deutsche Schüler 131,
Mägdlein 129,
somit gab es insgesamt 267 Schulkinder. Das
Verhältnis der Geschlechter ist erstaunlicherweise
1:1. Vermutlich befanden sich unter den
"Lateinschülern", die auf das Landexamen und
eine spätere höhere Ausbildung eventuell an dere
Universität vorbereitet wurden, wohl keine
Mädchen.

Festzuhalten bleibt, dass bereits damals, 190 Jahre vor Karl May, in einer kleinen württ. Landstadt die Mädchen wie die Knaben eine Schulbildung genossen. Man wird dies mit mehr oder weniger Ab- und Aufstrichen im HRR als flächendeckend vermuten dürfen.

Das klingt sehr interessant. Ich glaube, wenn mein Umbau abgeschlossen ist, werde ich mich wohl mal damit beschäftigen, was da so unterrichtet wurde. Schulbildung kann vieles sein...


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - Heiko82 - 02.01.2015 22:59

Schönes Thema, ich schreibe hier mal meine Meinung dazu.

Ich habe früher und auch heute immer wieder Karl May gelesen. Ich bin durch Zufall auch gerade dabei eine komplette Ausgabe seiner Werke zu erhalten - der Vater eines Freunden räumt den Keller und verschenkt sie Smile

Sowohl die religiösen Aspekte als auch die Detailbeschreibungen haben viele meiner Altersgenossen davon abgehalten die Bücher auch nur in die Hand zu nehmen ich habe mir stattdessen fast 50 Bände vom Taschengeld abgespart.

Wenn ich die Bücher bewerten soll, fielen mir als meine Lieblingsbücher als erstes die "Liebe des Ulanen"-Reihe ein, ich glaube die habe ich schon zehnmal durch. Ansonsten lese ich gerne die Klassiker wie den "Silbersee" oder die ersten Bände aus Arabien.

Als Jugendlicher fand ich die Bücher toll um mich in die Gegenden reinzuversetzen. Wer weiß evtl. kommt auch daher ein Teil des Interesses für ferne Gegenden und alte Zeiten - auch wenn ich längst weiß, dass es reine Phantasieromane sind.


RE: Karl May in seiner Zeit und heute - zaphodB. - 03.01.2015 23:20

Ich hab es so auf ca. 10 KarlMay-Bücher gebracht und mein Lieblingsbuch is nach wie vor "Der blaurote Methusalem"
Karl Mays Stärken liegen eindeutig im Komischen, nervig wirde er wenn er ins Pathos abgleitet und unerträglich wenn er ins Religiöse schwadroniert und das selbst wenn man das Geschriebene vor dem Hintergrund seiner Zeit bewertet
Gemessen an der Literatur seiner Zeit,die von Schriftstellernn wie Storm, Gustav Freytag, Fontane, Anzengruber, Rosseger,Arno Holz,Gerhardt Hauptmann,Wedekind, den Gebrüdern Heinrich und Thomas Mann,Stefan George,v.Hofmannsthal,Rilke, u.a. geprägt wurde kann an ihn getrost als Trivialschriftsteller bezeichnen- so ne Art Courths-Mahler für Jungs, der auch gerne mal plagiatierte (z.B. "Der Waldläufer" nach dem Roman Coureur du Bois von Ferry)