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Militärische Blindgänger - Druckversion

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Militärische Blindgänger - Arkona - 21.09.2014 19:54

Es gibt ein gleichnamiges Buch. Die dortigen Beispiele sind zum Teil skurril, zum Teil aber auch ungerecht gegenüber den Geschmähten. Im Gegensatz zu Ärzten, Kapitänen und anderen Berufen, denen Menschenleben anvertraut sind, ist der Schaden den inkompetente Generäle angerichtet haben, ungleich höher und hatte oft sogar welthistorische Bedeutung.
Nun war es (zumindest früher) so, dass hohe Militärs oft keine Geistesleuchten waren. Oft nur aufgrund der Familie in den Rang gelangt. Aber auch zu meiner Abiturzeit (1980 in der DDR) waren die Offiziersbewerber die Jahrgangsdümmsten, nur aufgrund ihres Berufswunsches überhaupt zugelassen.

Wir wollen hier mal Beispiele aus der Geschichte sammeln, da gibt es bestimmt noch mehr als in dem oben erwähnten Buch.


RE: Militärische Blindgänger - Suebe - 21.09.2014 20:51

(21.09.2014 19:54)Arkona schrieb:  Es gibt ein gleichnamiges Buch. Die dortigen Beispiele sind zum Teil skurril, zum Teil aber auch ungerecht gegenüber den Geschmähten. Im Gegensatz zu Ärzten, Kapitänen und anderen Berufen, denen Menschenleben anvertraut sind, ist der Schaden den inkompetente Generäle angerichtet haben, ungleich höher und hatte oft sogar welthistorische Bedeutung.
Nun war es (zumindest früher) so, dass hohe Militärs oft keine Geistesleuchten waren. Oft nur aufgrund der Familie in den Rang gelangt. Aber auch zu meiner Abiturzeit (1980 in der DDR) waren die Offiziersbewerber die Jahrgangsdümmsten, nur aufgrund ihres Berufswunsches überhaupt zugelassen.

Wir wollen hier mal Beispiele aus der Geschichte sammeln, da gibt es bestimmt noch mehr als in dem oben erwähnten Buch.

Hentsch -
auf sein "Gutachten" hin wurde die Marneschlacht abgebrochen

Moltke
auf seinen Befehl wurde die Marneschlacht abgebrochen


RE: Militärische Blindgänger - Arkona - 21.09.2014 23:08

@Suebe, könntest du das mal für uns Unwissende ein wenig erläutern?


RE: Militärische Blindgänger - Sansavoir - 22.09.2014 00:08

General Custer (Schlacht am Little Bighorn, 1876) würde ich dazu zählen.

Es ist schwierig, die Entscheidungen eines Feldherren zu bewerten. Ist er nun ein "Blindgänger", wenn er günstige Möglichkeiten nicht erkennt und so versäumt, den Krieg zu gewinnen bzw. zu verkürzen oder zumindest die Schlacht zu gewinnen? Oder ist er ein "Blindgänger", wenn er einen hohen Blutzoll unter seinen Soldaten zu verantworten hat? Im amerikanischen Bürgerkrieg wurde oft der Nordstaatengeneral McClellan für seine zögerliche Kriegsführung kritisiert, General Meadow wurde dafür gerügt, dass er nach dem Sieg bei Gettysburg die unterlegenen Südstaatentruppen entkommen ließ und ihnen nicht nachsetzte. Beide Generäle zogen es vor, statt eine letzte Entscheidung zu erzwingen, ihre geschwächten Truppen zu schonen. Kritiker meinen, dass beide Generäle durch ihr Zögern die Kriegsdauer verlängert hätten. Sind sie deshalb schlechterer Generäle, als Grant oder Sherman, die weder eigene Truppen noch den Gegner schonten und total zerstörte Städte hinterließen?

Provakativ schreibe ich mal: Friedrich II. von Preußen im Siebenjährigen Krieg


RE: Militärische Blindgänger - Suebe - 22.09.2014 08:23

(21.09.2014 23:08)Arkona schrieb:  @Suebe, könntest du das mal für uns Unwissende ein wenig erläutern?


Am Montag morgen ... oh je

Ganz kurz:
Moltke hatte den Überblick über die Schlacht an der Marne verloren.
Er schickte den Oberstleutnant Hentsch, der sich einen eindruck vor Ort verschaffen sollte.
Hentsch meinte, man müsse die Schlacht abbrechen.


RE: Militärische Blindgänger - Arkona - 22.09.2014 09:30

Sehr oft war es Arroganz, die zu Niederlagen führte. Die berühmte http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Cr%C3%A9cy, die den bis heute legendenumwobenen Ruf des Langbogens begründete und angeblich das Ende des Rittertums einleitete, wäre sicher anders verlaufen wenn die französischen Ritter nicht kleckerweise angegriffen hätten.


RE: Militärische Blindgänger - Suebe - 22.09.2014 14:40

Nochmals zu Hentsch und Moltke.
Man musste "ums verrecken" die belgische, selbst garantierte! Neutralität verletzen, man musste "ums verrecken" im Westen angreifen.
Der Aufmarsch im Osten, wie ihn SM sogar anregte, wäre "unmöglich".

Als nach dem Krieg der für den Aufmarsch verantwortliche Generalstäbler davon erfuhr, hat er ohne Umstände nachgewiesen, dass selbst zdZeitpunkt noch der Ostaufmarsch kein Problem gewesen wäre.

Ok, man "musste" im Westen angreifen, und als die erste etwas undurchsichtige Situation auftritt -
- das ganze Halt!
War man jetzt in einer Zwangssituation oder etwa doch nicht??????

Nö, so ein Nervenbündel hat sein monatliches Salär nicht verdient.


RE: Militärische Blindgänger - Sansavoir - 22.09.2014 22:23

(22.09.2014 09:30)Arkona schrieb:  Sehr oft war es Arroganz, die zu Niederlagen führte. Die berühmte http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Cr%C3%A9cy, die den bis heute legendenumwobenen Ruf des Langbogens begründete und angeblich das Ende des Rittertums einleitete, wäre sicher anders verlaufen wenn die französischen Ritter nicht kleckerweise angegriffen hätten.

Das stimmt. Und nach Crecy folgten noch 1356 Maupertuis und 1415 Azincourt, praktisch nach dem gleichen Muster.


RE: Militärische Blindgänger - Arkona - 22.09.2014 22:49

Auch Napoleon hatte seine Schwachstunden. 1812 bei Borodino in Russland fiel ihm nix weiter ein, als frontal auf die verschanzten Gegner drauflos zu gehen. Nachdem er unter fürchterlichen Verlusten fast durchgebrochen war, ignorierte er alle Hilfeersuchen seiner Generäle um den Einsatz der Alten Garde, um den Sack zuzumachen. Er wollte seine handverlesene Elite aus altgedienten Veteranen nicht demolieren und liess sie an diesem Tag Gewehr bei Fuß nutzlos herumstehen. Wie es ausging ist bekannt: Die Russen zogen sich schwer angeschlagen halbwegs geordnet zurück und gaben Moskau preis. Seine Garde erlag dann dem russische Winter auf dem Rückzug und der kümmerliche Rest wurde völlig unnötig 1815 bei Waterloo verheizt.


RE: Militärische Blindgänger - Suebe - 24.09.2014 20:15

Graf Spee.

Dampft nach Port Stanley, erkennt die vor Anker liegenden britischen Schlachtkreuzer, die zdZ ziemlich wehrlos waren sie übernahemn Kohlen,
und versucht zu entkommen.....

Die britischen Schlachtkreuzer waren erheblich schneller als seine, und die britische Artillerie hatte eine deutlich größere Reichweite.
So war das Ergebnis unausweichlich.

In so einer Situation gibt es nur eines, rein in die Bucht mit allem was man hat, und "siegen oder sterben".

Spee hat halt die Nerven verloren.


RE: Militärische Blindgänger - Arkona - 24.09.2014 22:33

Spee stand m.E. auf verlorenem Posten und wäre niemals heimgekommen.


RE: Militärische Blindgänger - Suebe - 25.09.2014 10:36

(24.09.2014 22:33)Arkona schrieb:  Spee stand m.E. auf verlorenem Posten und wäre niemals heimgekommen.

Durchbruch durch die Grönlandstraße? Warum nicht?
Ist ein Vierteljahrhundert später ja auch öfter gelungen.

Aber seis drum, der Angriff auf Port Stanley, der unter seinen Offizieren sehr umstritten war, war natürlich der Auslöser des Untergangs. Den Ort dieses Angriffs konnten sich die Briten ja an einer Hand ausrechnen, welche britische Position sonst war in Spees Reichweite?

Wobei ihm das Schicksal noch eine Chance gab, wäre er reingedonnert, aus allen Knopflöchern schießend, hätte er das britische Geschwader, insbesondere die beiden Schlachtkreuzer waren ja nicht seeklar, ganz schön demolieren können.
Die Flucht vor schnelleren, die weiter schießen konnten, war ja völlig sinnlos.


RE: Militärische Blindgänger - Triton - 25.09.2014 18:32

Spätestens nach Skagerrak wussten es alle besser: Die britischen Schlachtkreuzer wären wohl schnell in die Luft geflogen, die deutschen Kanoniere hatten ja bewegungslose Ziele vor sich, die hätten sie schon getroffen. Und wenn das Geschwader drauf gegangen wäre, was sowieso passieren würde, ein annehmbarer Tausch.

Spee wusste das aber nicht. Die deutschen Schlachtkreuzer waren sehr solide und er konnte nicht wissen, das die britischen Gegenstücke bessere Blechschachteln waren.

Ich nehme nicht an, dass das Geschwader wieder zurückkehren sollte. Damals konnte noch in neutralen Häfen gekohlt werden, man wäre halt so lange rumgezockelt, bis die Maschinen hinüber gewesen wären.

Im zweiten Weltkrieg fallen mir die japanischen Admirale Nishimura und Kurita ein, die sich beide im Golf von Leyte derart unverständlich verhielten, dass noch heute über die Gründe gerätselt wird. Bei Spee war wenigstens das Motiv der Flucht klar, aber was vor allem in Nishimura vorging, versteht bis heute wohl niemand.


RE: Militärische Blindgänger - Suebe - 25.09.2014 19:44

(25.09.2014 18:32)Triton schrieb:  ./.
Im zweiten Weltkrieg fallen mir die japanischen Admirale Nishimura und Kurita ein, die sich beide im Golf von Leyte derart unverständlich verhielten, dass noch heute über die Gründe gerätselt wird. Bei Spee war wenigstens das Motiv der Flucht klar, aber was vor allem in Nishimura vorging, versteht bis heute wohl niemand.


Bei Lütjens mit der Bismarck weiß man auch nicht so recht, was er wollte.
Er war den Berichten der wenigen Überlebenden (hätte ein deutscher Admiral so gehandelt, hätte sie ihn in Nürnberg an ein Seil gehängt) nach sehr erpicht darauf, dass das Kriegstagebuch mit dem letzten Flugzeug noch ausgeflogen wurde, was leider nicht mehr klappte.
So bleiben nur Spekulationen.


RE: Militärische Blindgänger - Triton - 25.09.2014 20:53

Lütjens lasse ich als Blindgänger nicht gelten, die Bismarck ging nach einem Glückstreffer in die Ruderlage unter, kann man ihm kaum anlasten. Wäre er nach Frankreich durchgekommen, was wohl zu 99 Prozent wahrscheinlich war, wäre er mit allem an Orden behangen worden, was das 3.Reich hergegeben hätte.

Lütjens wurde vor allem Opfer der Radar-Technik, es war kein Zufall, dass nach der Bismarck kein Schiff mehr in den Atlantik geschickt wurde.

Seine Entscheidungen waren alle logisch, teilweise sogar brillant.

Blindgänger war eher der heute hoch geschätzte Langsdorff, Kapitän der "Graf Spee" 1939, der völlig unnötig ein Gefecht mit leichteren Einheiten einging, anstatt einfach auf Gegenkurs zu gehen und nachts zu verschwinden.


RE: Militärische Blindgänger - Suebe - 26.09.2014 13:00

(25.09.2014 20:53)Triton schrieb:  Lütjens lasse ich als Blindgänger nicht gelten, die Bismarck ging nach einem Glückstreffer in die Ruderlage unter, kann man ihm kaum anlasten. Wäre er nach Frankreich durchgekommen, was wohl zu 99 Prozent wahrscheinlich war, wäre er mit allem an Orden behangen worden, was das 3.Reich hergegeben hätte.

Lütjens wurde vor allem Opfer der Radar-Technik, es war kein Zufall, dass nach der Bismarck kein Schiff mehr in den Atlantik geschickt wurde.

Seine Entscheidungen waren alle logisch, teilweise sogar brillant.

Blindgänger war eher der heute hoch geschätzte Langsdorff, Kapitän der "Graf Spee" 1939, der völlig unnötig ein Gefecht mit leichteren Einheiten einging, anstatt einfach auf Gegenkurs zu gehen und nachts zu verschwinden.



Die Manöver der Bismarck sind nach dem Treffer in die Ruderanlage relativ unerklärlich, das meinte ich.

Aber mit Langsdorff hast du recht, den hätte ich als nächstes gebracht.
Ein britischer Seeoffizier wäre aus Montevideo heraus und hätte sich auf die Hunnen gestürzt, wie ein Berserker.
Die deutschen Oberseeoffiziere hatten irgendwie nicht so den richtigen Touch drauf.


RE: Militärische Blindgänger - Triton - 27.09.2014 13:30

(26.09.2014 13:00)Suebe schrieb:  Die deutschen Oberseeoffiziere hatten irgendwie nicht so den richtigen Touch drauf.
Im 2.Weltkrieg? Da hatte jeder den Befehl, "Risiko" aus dem Weg zu gehen. Hitler hatte Angst vor "Prestigeverlust", die Italiener handelten genauso vorsichtig.

Langsdorff handelte falsch, zuerst als er das Gefecht annahm, dann nicht nach Buenos Aires (deutschfreundlich) fuhr und zuletzt als er gar nicht erst nachsah, was denn an feinlichen Einheiten vor Ort war. Da er seine Munition verbraucht und kein sauberes Dieselöl mehr hatte, bestand keine Chance mehr auf Rückkehr, aber den Kahn Argentinien zum Kauf anbieten?

Sonst sehe ich wenig große Dummheiten, wenn man die Prämisse "kein Risiko" berücksichtigt.
Achja, mit dem nagelneuen Blücher voran durch enge Fahrwasser vor Oslo zu fahren, war natürlich eine Dummheit.

Im ersten Weltkrieg sehe ich auf britischer Seite deutlich mehr Dummheiten, auch weil die Deutschen sehr inaktiv waren.


RE: Militärische Blindgänger - liberace - 18.12.2014 17:46

US-General Omar Bradley galt als militärischer Vollpfosten. Eisenhower entzog ihm bei der Ardennenoffensive das Kommando und übergab es Patton.


RE: Militärische Blindgänger - liberace - 18.12.2014 17:49

(27.09.2014 13:30)Triton schrieb:  
(26.09.2014 13:00)Suebe schrieb:  Die deutschen Oberseeoffiziere hatten irgendwie nicht so den richtigen Touch drauf.
Im 2.Weltkrieg? Da hatte jeder den Befehl, "Risiko" aus dem Weg zu gehen. Hitler hatte Angst vor "Prestigeverlust", die Italiener handelten genauso vorsichtig.

Langsdorff handelte falsch, zuerst als er das Gefecht annahm, dann nicht nach Buenos Aires (deutschfreundlich) fuhr und zuletzt als er gar nicht erst nachsah, was denn an feinlichen Einheiten vor Ort war. Da er seine Munition verbraucht und kein sauberes Dieselöl mehr hatte, bestand keine Chance mehr auf Rückkehr, aber den Kahn Argentinien zum Kauf anbieten?

Sonst sehe ich wenig große Dummheiten, wenn man die Prämisse "kein Risiko" berücksichtigt.
Achja, mit dem nagelneuen Blücher voran durch enge Fahrwasser vor Oslo zu fahren, war natürlich eine Dummheit.

Im ersten Weltkrieg sehe ich auf britischer Seite deutlich mehr Dummheiten, auch weil die Deutschen sehr inaktiv waren.

Die Krux war, dass die Briten mit Radar schossen, auch bei Nacht sehr genau, während die Kriegsmarine auf Sicht schoss. Und bei schlechtem Wetter? Keine Waffenwirkung möglich. Bei schlechtem Wetter und Sturm war in keinem Fall an wirkungsvollen Waffeneinsatz zu denken.


RE: Militärische Blindgänger - Triton - 19.12.2014 09:52

(18.12.2014 17:46)liberace schrieb:  US-General Omar Bradley galt als militärischer Vollpfosten. Eisenhower entzog ihm bei der Ardennenoffensive das Kommando und übergab es Patton.
War es nicht Bradley, der die US-Truppen befehligte, die in der Normandie landeten? Schon mal ein historischer Sieg, wenn auch, wie immer auf amerikanischer Seite, mit überlegenem Material.