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Erbhof was verbirgt sich da konkret dahinter - Druckversion

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Erbhof was verbirgt sich da konkret dahinter - Suebe - 07.01.2015 21:29

Der "Erbhof" war ja eines der Kernstücke der Nazi-Landwirtschaftspolitik

Ich habe davon allerdings nur sehr schmenhafte Ahnung.
Was verbirgt sich konkreter hinter dem Begriff?

Zumindest kann ich mich erinnern, dass in der Rückschau der 50-60er Jahre dieser Erbhof von den Betroffenen keineswegs besonders positiv gesehen wurde.
Man sich im Gegenteil mit allen möglichen Tricks gegen diese Einstufung wehrte.

Könnte hier ein Sachkundiger mir weiterhelfen?


RE: Erbhof was verbirgt sich da konkret dahinter - Suebe - 08.01.2015 12:29

(07.01.2015 21:29)Suebe schrieb:  Der "Erbhof" war ja eines der Kernstücke der Nazi-Landwirtschaftspolitik

Ich habe davon allerdings nur sehr schmenhafte Ahnung.
Was verbirgt sich konkreter hinter dem Begriff?

Zumindest kann ich mich erinnern, dass in der Rückschau der 50-60er Jahre dieser Erbhof von den Betroffenen keineswegs besonders positiv gesehen wurde.
Man sich im Gegenteil mit allen möglichen Tricks gegen diese Einstufung wehrte.

Könnte hier ein Sachkundiger mir weiterhelfen?

Aus ersten eigenen "Ermittlingen":
Ein Erbhof konnte nicht zwangsversteigert werden, zB, aber, er konnte auch nicht als Sicherheit für Kredite eingesetzt werden.

Das Erbhofgesetz fusste wohl auf einer "kurhannoverschen Hofregelung" aus dem 18. Jhrhundert die ähnliches aussagte.
Wer hat da Kenntnisse?


RE: Erbhof was verbirgt sich da konkret dahinter - liberace - 08.01.2015 13:38

Noch vor ca. 20 Jahren, als jedes Kuhkaff noch eine genossenschaftliche Bank hatte ("Volksbänkle, Raiffeisenbänkle, Spar-und Darlehnskässle"), waren das meist Erbhöfe, die der Vater als Vorstandsvorsitzender an einen seiner Söhne weitergab. Oft war noch der größte Landwirt am Ort im Aufsichtsrat und konnte sich seine Kredite selber auszahlen, lol. Inzwischen gab es viele Fusionen, viele Großbanken, neue Vorschriften nach Basel.


RE: Erbhof was verbirgt sich da konkret dahinter - Suebe - 08.01.2015 13:45

(08.01.2015 13:38)liberace schrieb:  Noch vor ca. 20 Jahren, als jedes Kuhkaff noch eine genossenschaftliche Bank hatte ("Volksbänkle, Raiffeisenbänkle, Spar-und Darlehnskässle"), waren das meist Erbhöfe, die der Vater als Vorstandsvorsitzender an einen seiner Söhne weitergab. Oft war noch der größte Landwirt am Ort im Aufsichtsrat und konnte sich seine Kredite selber auszahlen, lol. Inzwischen gab es viele Fusionen, viele Großbanken, neue Vorschriften nach Basel.

Schön,
dass ich hier aber weder Schultze-Delitzsch noch Raiffeisen meine, ist dir schon klar?


RE: Erbhof was verbirgt sich da konkret dahinter - liberace - 08.01.2015 14:21

Lieber Suebe, das ist mir natürlich klar.


RE: Erbhof was verbirgt sich da konkret dahinter - Suebe - 08.01.2015 21:30

Erbhöfe gab es nicht nur in Kurhannover, sondern gibt es, wie ich heute staunend feststellte, bis heute in Nord- und Südtirol.
Kennt sich denn da keiner aus, wir sind doch im .at Forum.


RE: Erbhof was verbirgt sich da konkret dahinter - zaphodB. - 09.01.2015 21:54

ein Nachbarort meiner Heimatstadt war Riedrode.das erste hessische Erbhofdorf
Für den Erbhof galt zwangsweise das auf dem kurhannoverschen Meiereirechts fußende Anerbenrecht, unabhängig davon, ob er in einem Anerben- oder Realteilungsgebiet lag.
Das Reichserbhofgesetz legte Mindestgrößen der Höfe. die Unveräußerbarkeit des landwirtschaftlichen Bodens, sowie das Verbot von Belastung und Zwangsvollstreckung fest. . Hinzu kam,daß der Boden ungeteilt primär an den ältesten Sohn bzw, männliche Abkömmlinge izu vererben war, weibliche Erbinnen waren nur nachrangig zu berücksichtigen. So erbte die eigene Tochter des Bauers erst,wenn es weder Söhne noch Neffen des Bauern gab und auch dessen Vater nicht mehr am Leben war und auch nachgeborene Bauernkinder kamen zu kurz..
Das bewahrte zwar viele Höfe vor Zersplitterung und Zwangsversteigerung, schloss aber die Bauern vom Zugang zu Krediten aus, denn der Bauer war de facto nicht mehr Eigentümer sondern Verwalter des Bodens, was nicht jedem schmeckte .Aufgrund der Mindestgrößen der Höfe kam es bei den neu geschaffenen Erbhofdörfern auch zu Zwangsenteignungender umliegenden Gemeinden zumindest bei uns in der Gegend.
daher war die Erbhofidee bei uns in der Gegend eigentlich nur bei 100%igen Parteigenossen beliebt.


RE: Erbhof was verbirgt sich da konkret dahinter - Suebe - 10.01.2015 13:02

Was mich zuerstmal verwunderte, dass der "NS"-Erbhof keineswegs Pflicht war.
Die einstigen Schilderungen hatte ich anders verstanden.
Aber es kam da vermutlich auch auf den "kleinen Hitler" (Ortsbauernführer usw.) vor Ort an, inwieweit der an vielen Erbhöfen interessert war, und die
passenden Schikanen erfand.

Die Kriterien, knapp 5 Hektar Anbaufläche, lesen sich aus heutiger Sicht als sehr niedrig.


RE: Erbhof was verbirgt sich da konkret dahinter - zaphodB. - 11.01.2015 05:16

Also, in den sogenannten Erbhofdörfern - vor den Toren meiner Heimatstadt gab es übrigens sogar zwei ,nämlich neben Riedrode noch Rosengarten - war es wohl Pflicht
Aber da wurden die Höfe auch neu geschaffen und der Staat gab das Land ,bestimmte also auch die Form
Bei uns i Ort ,wo es alte Höfe gab war das anders- da hat wohl nur der Ortsbauernführer seinen Hof in einen Erbhof umgewandelt alle anderen Bauern habens wohl trotz entsprechender Versuche der Partei,sie dahingehend zu beeinflussen nicht getan
Die Spekulation bleibt ,ob es nach einem für die Nazis günstiger verlaufenden Krieg nicht zu Zwangsumwandlungen in Erbhöfe gekommen wäre.