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1967 – Der legendäre „Summer of Love“ - Johannes - 30.04.2016 10:06 In meinem Bericht über den Hippie Trail berichtete ich über die Reiseroute vieler Aussteiger in den sechziger Jahren, die damals von Europa nach Indien fuhren. Dies war allerdings eine abgespeckte Version, daneben gab es auch noch einen Trail, der um die ganze Welt führte. Diese „Vollversion“ unternahm ich 1967/68. Die Fahrt ging von Indien nach Bangkok, dann runter nach Singapur, von dort durch die indonesische Inselwelt und von Bali mit einem sehr teuren Flieger nach Darwin im Norden Australiens. Auf dem fünften Kontinent arbeitete ich mehrere Monate, um die Reisekasse aufzufüllen. Es war schon Dezember 1967, als ich von Sydney nach San Franzisco flog, leider zu spät, denn der „Summer of Love“ hatte inzwischen einem ziemlich kalten Winter Platz gemacht, und das betraf nicht nur die Temperaturen, die in diesem Teil Kaliforniens dann auch alles andere als sommerlich warm sind. Auf der Haight-Ashbury trieben sich viele ausgeflippte Typen herum, die schlechte Drogen nahmen und nicht mehr so gut drauf waren. (Die Haight-Ashbury ist ein Distrikt in San Franzisco, benannt nach der Kreuzung von Haight Street und Ashbury Street.) In dem „Summer of Love“ hatten viele Hippies ihre Ersparnisse aufgebraucht und bettelten jetzt in der Stadt auf ziemlich aggressive Weise die Passanten an. Nicht wenige von ihnen nahmen inzwischen harte Drogen und schreckten auch vor Diebstahl und Gewalt nicht länger zurück. Viele Blumenkinder waren nicht mehr Anhänger von „Love and Peace“. Die harte Realität zwang sie zurück in den nüchternen Alltag. Die Stadt gefiel mir nicht und nach einigen Wochen fuhr ich weiter nach Mexiko. In den sechziger Jahren durchlebten die USA eine tiefgreifende mentale Krise. Während der Ära von Präsident Eisenhower, liebevoll „Ike“ genannt, war das Land, von dem die Taxifahrer mir ständig versicherten, es sei das Beste auf der Welt, geradezu in Selbstgefälligkeit erstickt. Die Schattenseiten des Wohlstandes, wie die fortdauernde Diskriminierung der Minderheiten, vor allem die der Schwarzen, der Latinos und der Indianer, die sich ausbreitende grassierende Armut, all dies wurde nicht zur Kenntnis genommen. Doch das Land hatte Probleme, die konnten keinem entgehen, der durch die ausgedehnten Slums der Großstädte fuhr und die zahlreichen Bettler in den Downtowns sah. Ein junger Senator aus Massachusetts, J.F. Kennedy, trat 1961 an, um das Land aus seinen erstarrten Strukturen zu befreien, doch seine Ermordung durchkreuzte zunächst diese Pläne. Sein Nachfolger, L.B. Johnson, war guten Willens, besaß aber nicht das Charisma seines getöteten Vorgängers. Seine Vision von der „Great Society“ und der proklamierte „Krieg gegen die Armut“ überzeugten nicht. Die Gettos der Farbigen explodierten, die Bürgerrechtsbewegung rief zum Widerstand auf, an den Universitäten rebelliertem die Studenten. Vor allem aber verstrickte sich der Präsident in den sinnlosen Krieg in Vietnam, in dem zeitweilig 500.000 Soldaten kämpften. Damals gab es in den USA eine allgemeine Wehrpflicht, jeder junge Mann musste ständig mit seiner Einberufung rechnen. Diese düstere Aussicht verschreckte auch den im Allgemeinen patriotischen Mittelstand. Zwar konnten sich deren Kinder vor dem Kriegsdienst oft auf die Universitäten flüchten und es kämpften vor allem die Armen und Unterprivilegierten in den Reisfeldern von Indochina, doch die Sinnlosigkeit dieses militärischen Abenteuers rief eine breite Antikriegsbewegung ins Leben. Vor diesem Hintergrund ist auch die Bewegung der Hippies zu verstehen. Ein großer Teil der amerikanischen Mittelstandsjugend brach aus dem „vollklimatisierten Alptraum“, wie es Henry Miller einmal genannt hatte, aus, um neue Wege zu suchen, eine Welt zu schaffen ohne Krieg und nur erfüllt von Liebe. Der traditionelle „American way of life“, immer größer, immer weiter, immer noch mehr Konsum, das überzeugte nicht mehr. Sie stiegen einfach aus und kündigten der Gesellschaft ihre Gefolgschaft auf. Sie vertraten eine verworrene Ideologie, eine Mischung aus Zen-Buddhismus, Siegmund Freud und Thoreau. Sie lasen die Werke ihrer Vorgänger-Generation, den Beatniks aus den fünfziger Jahren, Jack Kerouac und Ginsberg. Eine echte, tragfähige Ideologie besaßen sie nicht. Außerdem, sie blieben weiterhin durch tausend Fäden mit der bürgerlichen Gesellschaft verbunden, denn auch sie benötigten Geld in einer Welt, in der alles auf Warenproduktion beruht. Da sie den größten Teil ihrer Zeit mit Nichtstun verbrachten, brauchten sie eine ständig sprudelnde Geldquelle im Hintergrund. So kehrten die meisten nach einiger Zeit in das normale Leben zurück. Einige mauserten sich zu Geschäftsleuten, in dem sie Kleidung und andere Accessoires der Hippies herstellten, oder, düsterer, sie dealten mit Rauschgift. Die Hippie Bewegung wurde vom Big Business entdeckt, die ihre Kultur vollständig kommerzialisierten. Vor allem die Musikbranche profitierte davon, denn die Songs mit ihrem neuen Lebensgefühl begeisterten die ganze Welt. Aus dieser Zeit stammen auch einige der 27er, Musiker, die schon mit 27 Jahren starben, oft an Drogen wie Jim Morrison, Janis Joplin oder Jimi Hendrix. Von Kalifornien aus schwappte diese neue Welle noch einmal auch auf die Ostküste über und feierte im Sommer 1969 in dem legendären Festival in Woodstock einen grandiosen Höhepunkt. Aber dann kam das jähe Ende. Die Rolling Stones gaben Ende 1969 ein kostenloses Oper Air Fest in Altamont in der Nähe von San Francisco. Es endete in einem Inferno. Viele hatten schlechte Drogen genommen, die Hells Angels, als Ordnungstruppe engagiert, terrorisieren die Besucher. Noch während die Stones spielten, ermordeten sie vor den Augen von Mick Jagger einen Zuschauer. Dies wurde in dem Dokumentarfilm „Gimme Shelter“ (Beschütze mich) festgehalten. Einige Hippies gründeten Wohngemeinschaften. Aus einer von ihnen ging die berüchtigte Manson-Family hervor, die 1969 auf der Farm von dem Regisseur Roman Polanski ein Blutbad anrichtete. Der Traum der Hippies von einer besseren Welt war endgültig ausgeträumt. |