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9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Druckversion

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9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Suebe - 14.01.2017 13:14

Der Hitler-Putsch, eine sehr skurrile Geschichte, aus heutigem mehr oder weniger eine Tragigkomödie.
Wenn der Hitler nicht dabeigewesen wäre....

Nun habe ich mich mit dem Umfeld, den Hintergründen und den Begleiterscheinungen mal etwas auseinandergesetzt, und werde gelegentlich darüber schreiben.
Interesse im Forum vorausgesetzt.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Triton - 14.01.2017 23:10

Interesse da.
Immer wieder erstaunlich, wie jung die Putschisten damals waren.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Sansavoir - 15.01.2017 02:23

Für mich wäre es interessant, etwas über Max Erwin von Scheubner-Richter zu erfahren. Er gehörte zu den Putschisten, die den 9. November 1923 nicht überlebten. 1915 erlebte er als kaiserlicher Beamter die Vertreibung und Vernichtung der Armenier durch die Jungtürken. Er setzte sich damals für die Armenier ein, allerdings ohne Erfolg. Scheubner-Richter wird aber als wichtiger Augenzeuge des Völkermords betrachtet. Seit Anfang 1923 war er mit Hitler bekannt, er war der Mann, der während des Putsches direkt neben Hitler marschierte. Es wird z.T. angenommen, dass Hitler von Scheubner-Richter die Idee der Völkervernichtung übernommen hatte. Vielleicht weiß jemand mehr über die recht dubiose Figur Scheubner-Richter?


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Paul - 15.01.2017 12:49

(15.01.2017 02:23)Sansavoir schrieb:  Für mich wäre es interessant, etwas über Max Erwin von Scheubner-Richter zu erfahren. Er gehörte zu den Putschisten, die den 9. November 1923 nicht überlebten. 1915 erlebte er als kaiserlicher Beamter die Vertreibung und Vernichtung der Armenier durch die Jungtürken. Er setzte sich damals für die Armenier ein, allerdings ohne Erfolg. Scheubner-Richter wird aber als wichtiger Augenzeuge des Völkermords betrachtet. Seit Anfang 1923 war er mit Hitler bekannt, er war der Mann, der während des Putsches direkt neben Hitler marschierte. Es wird z.T. angenommen, dass Hitler von Scheubner-Richter die Idee der Völkervernichtung übernommen hatte. Vielleicht weiß jemand mehr über die recht dubiose Figur Scheubner-Richter?

Es wäre natürlich widersprüchlich, wenn er sich erst für die Armenier eingesetzt haben sollte und dann einen Massenmord mit inspiriert hätte.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Suebe - 15.01.2017 13:33

(15.01.2017 02:23)Sansavoir schrieb:  ./.. Es wird z.T. angenommen, dass Hitler von Scheubner-Richter die Idee der Völkervernichtung übernommen hatte. Vielleicht weiß jemand mehr über die recht dubiose Figur Scheubner-Richter?

Zu dem kann ich dir vermutlich nichts neues sagen. Außer, dass diese in der Literatur mehrfach geäußerte Vermutung zur Rolle Scheubner-Richters als Ideengeber zum Holocaust so auf keinen Fall zutrifft.
Die "Idee" zum Holocaust ist 1919 schon in einem Sitzungs-Protokoll der DNVP enthalten, mit der Bemerkung, "dass das natürlich nicht ginge."
Ähnliches wird 1921 aus der Schweiz berichtet "die Lösung der Judenfrage mit dem Maschinengewehr ist keine Option"
Ich besitze ein Buch von einem 1918 in der Türkei hängengebliebenen des Asienkorps, der dann in den Kämpfen gegen die griechischen Invasionstruppen auf türkischer Seite mitmachte. "die Fremdvölkischen im Kampfgebiet mussten alle über die Klinge springen"
erschienen 1920 in München.
Soll heißen, Ideengeber gab es da, wenn der Adolf tatsächlich einen brauchte, viele.

Der Kreis der "Mitmarschierer" zur Feldherrnhalle ist allerdings sehr "inhomogen" und wirft für den Jetztmenschen sehr viele Fragen auf.
Darunter Hans Zitt, ein Held meiner Jugend, er hat, beleckt von keinerlei Wissen, ein Segelboot gebaut und ist damit über Donau, Schwarzes Meer, Mittelmeer, Suezkanal, Rotes Meer bis nach Indien.. "Ein Mann ein Boot ein fernes Land"
was wollte der mit Hitler an der Feldherrhalle???
Wobei von ihm, darüber hinaus anscheinend überhaupt nichts bekannt ist.

Zöberlein, der "Landser"-Hefte-Schreiber des 1. Wk und Mörder der letzten Kriegstage passt da eher rein.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Sansavoir - 15.01.2017 14:34

Erstmal vielen Dank für deine Infos. Hans Zitt ist aber erst nach dem Hitler-Putsch der Segler geworden und er soll seit 1923 ein überzeugter Nazi gewesen sein.

Den Hitler-Putsch sollte man auch im Zusammenhang mit der Inflation sehen. Dass viele Menschen in den Dunstkreis Hitlers gerieten, lag sicher an der recht perspektivlosen Situation im Herbst 1923. Man sollte da auch an den Küstriner Putsch der Schwarzen Reichswehr, aber auch an den von der KPD geführten Hamburger Aufstand. Beides Ereignisse, die im Oktober 1923 stattfanden. Ebenso sollte man die Ruhrkämpfe und das im Oktober 1923 von Stresemann erlassene Ermächtigungsgesetz oder die Einsetzung von Reichskommissaren denken. Ich denke, dass trotz der unterschiedlichen politischen Ziele, alle Aufstände hauptsächlich Reaktionen auf die politische und wirtschaftliche Lage waren. Nicht vergessen sollte man, dass während dieser schwierigen Wochen Stresemann Maßnahmen zur Währungsstabilisierung umsetzte. Die Einführung der Rentenmark am 20. November 1923 war sicher die wichtigste Maßnahme zur wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung Deutschlands.

Die Aktionen Hitlers am 8./9. November 1923 waren m.E. sowieso zum Scheitern verurteilt. Sie als misslungene Generalprobe für die Machtergreifung am 30. Januar 1933 zu sehen, ist falsch. 1923 war die NSDAP noch keine Massenpartei, es bestanden keine NS-Organisationen oder paramilitärische Verbände wie die SA und SS und "Mein Kampf" war auch noch nicht geschrieben. Falls die Putschisten die Macht erlangt hätten, dann wäre sie nur für einige Tage/Wochen auf München und Umgebung begrenzt geblieben. Reichswehr und konservatives Bürgertum hätten sich gegen Hitler entschieden. In diesem Sinn handelte auch der Reichkommissar Gustav von Kahr.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Suebe - 15.01.2017 22:38

(15.01.2017 14:34)Sansavoir schrieb:  Erstmal vielen Dank für deine Infos. Hans Zitt ist aber erst nach dem Hitler-Putsch der Segler geworden und er soll seit 1923 ein überzeugter Nazi gewesen sein.

Den Hitler-Putsch sollte man auch im Zusammenhang mit der Inflation sehen. Dass viele Menschen in den Dunstkreis Hitlers gerieten, lag sicher an der recht perspektivlosen Situation im Herbst 1923. Man sollte da auch an den Küstriner Putsch der Schwarzen Reichswehr, aber auch an den von der KPD geführten Hamburger Aufstand. Beides Ereignisse, die im Oktober 1923 stattfanden. Ebenso sollte man die Ruhrkämpfe und das im Oktober 1923 von Stresemann erlassene Ermächtigungsgesetz oder die Einsetzung von Reichskommissaren denken. Ich denke, dass trotz der unterschiedlichen politischen Ziele, alle Aufstände hauptsächlich Reaktionen auf die politische und wirtschaftliche Lage waren. Nicht vergessen sollte man, dass während dieser schwierigen Wochen Stresemann Maßnahmen zur Währungsstabilisierung umsetzte. Die Einführung der Rentenmark am 20. November 1923 war sicher die wichtigste Maßnahme zur wirtschaftlichen und politischen Stabilisierung Deutschlands.


Das ist zweifellos richtig.


Zitat:Die Aktionen Hitlers am 8./9. November 1923 waren m.E. sowieso zum Scheitern verurteilt. Sie als misslungene Generalprobe für die Machtergreifung am 30. Januar 1933 zu sehen, ist falsch. 1923 war die NSDAP noch keine Massenpartei, es bestanden keine NS-Organisationen oder paramilitärische Verbände wie die SA und SS und "Mein Kampf" war auch noch nicht geschrieben. Falls die Putschisten die Macht erlangt hätten, dann wäre sie nur für einige Tage/Wochen auf München und Umgebung begrenzt geblieben. Reichswehr und konservatives Bürgertum hätten sich gegen Hitler entschieden. In diesem Sinn handelte auch der Reichkommissar Gustav von Kahr.

Und da sehe ich das mehr oder weniger unbegreifliche beim "Hitler-Putsch" wobei,
zum "Hitler-Putsch" wurde er ja eigentlich erst posthum. Bis zum Prozess, wo sich Hitler glänzend in den Vordergrund spielte, war ja eher vom "Ludendorff-Putsch" die Rede. Das Gericht, im Bemühen den "Weltkrieg-Helden" zu schonen, der dann ja auch freigesprochen wurde, hat da natürlich kräftig Vorschub für Hitler geleistet.

Die für Hitler vorgesehene Rolle war die des "Trommlers" des Propagandisten, mehr nicht. Womit er sich auch vor dem Putsch beschied.

Trotzdem, wie kommt ein preußischer Offizier wie Ludendorff dazu, zusammen mit Hitler zu putschen? Ihn fast auf Augenhöhe mitzunehmen?
Hitler, die verkrachte Existenz, den Staatenlosen.?
Und so ein Agitationsgenie war er nun auch wieder nicht, sein "wüstes Geschrei" hat durchaus nicht nur Zustimmung gefunden.
Zwischen den beiden waren doch Welten, ganze Michstraßenssteme.

Bei der Beschäftigung mit dem November-Putsch stösst man dann irgendwann darauf, dass der Hitler eine ganz andere Funktion dabei hatte, was ihn tatsächlich unentbehrlich machte.
Kein Putsch, kein Aufstand, keine Revolution kann ohne Geld losgetreten werden.
Und Hitler hatte welches!
Beste Devisen. Wofür man im Deutschland der Hyperinflation im Herbst 1923 alles bekam, auch einen Putsch!


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Arkona - 15.01.2017 23:12

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Ludendorff Hitler wirklich ernst genommen hat. Sicher war der 9.11.1923 eher eine Rebellion von dem alten Herrn, mit ein paar Schreiern als Staffage. Warum er sich das noch antun musste? Interessant die Frau, die dahintersteckte...


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Suebe - 16.01.2017 12:56

(15.01.2017 23:12)Arkona schrieb:  Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Ludendorff Hitler wirklich ernst genommen hat. Sicher war der 9.11.1923 eher eine Rebellion von dem alten Herrn, mit ein paar Schreiern als Staffage. Warum er sich das noch antun musste? Interessant die Frau, die dahintersteckte...

Es ging mir ebenso.
Des Rätsels Lösung ist das Geld.

Ganz kurz und knapp.
Hitler war Ende August 1923 in der Schweiz hielt ein oder zwei Vorträge, war in Zürich, Aarau und Schaffhausen. Und sammelte Geld ein. Fränkli, richtig harte Währung, Schweizer Franken. Etwas was es im Deutschen Reich im September, Oktober 1923 nun auch überhaupt nicht gab. Für Devisen bekam man alles, buchstäblich. Und wie man sieht auch einen Putsch!

Im Prozess kam dies zur Sprache, Hitler bestritt vehement jemals in der Schweiz gewesen zu sein, was jedoch keinen Glauben fand. Das Gericht ging von ca. 33.000 Franken aus, die Hitler als Barspenden eingesammelt hatte.
Heute gibt es verschiedene Schätzungen des Gesamtbetrags zwischen 10.000 und 125.000 Franken, wobei seriöse Historiker die Schätzung des Gerichts von ca. 33.000 Franken für zutreffend halten.

Die "Geldeinsammel-Reise" Hitlers wurde wohl von Rudolf Hess vorbereitet, der bekanntermaßen die entsprechenden Kontakte hatte, aus dem Umfeld stammte und im Wintersemester 22-23 in Zürich studierte.

Hier
http://doi.org/10.5169/seals-29558
ist ein Aufsatz eines Urenkels eines der Gesprächspartners Hitlers bei dieser Reise einzusehen.
Der zufällig auf ein Redeprotokoll das bei diesem Anlass erstellt wurde, gestossen ist. Mit nicht wenigen Hintergründen dazu.

Hitler hat sehr darauf abgehoben, dass binnen kurzem in Deutschland eine kommunistische Revolution ausbrechen wird (Sommer 1923) Reichswehr usw. nicht eingreifen wird, und nur von Bayern her und den dortigen "nationalen Kräften" die Lage gerettet werden könne. Denn dort (in Bayern) hätte man ja bereits zwei Räterepubliken erlebt, wüsste was da kommen würde, und deshalb....
aber, wens interessiert kann es selbst nachlesen, ich denke ich darf den Aufsatz hier nicht ohne weiteres reinkopieren.
Aber lesen lohnt sich, wirklich interessant.

Aus dem Link
Der Sohn des damaligen Schweizer Generalisimus Wille hatte 1922 an Rudolf Hess geschrieben
"ausrotten der Juden mit dem Maschinengewehr ist ein Irrtum"
mit der Folge, dass Hitler "sein größtes Anliegen" bei dem Besuch in der Schweiz überhaupt nicht ansprach.
Dumm war er ja nun keineswegs.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Aguyar - 16.01.2017 14:35

Ulrich Wille war der General der Schweiz während des 1. Weltkrieges - dazu muss man wissen, dass die Schweiz nur einen General hat und dies nur in Kriegszeiten.
Eine kurze Übersicht über Schriften und Bücher über den "Wille-Clan" und deren Entstehung
http://www.woz.ch/0501/journalismus-und-geschichtsschreibung/ein-clan-und-seine-chronisten

Der im Link angegebene Artikel stammt aus einer der am weitesten "Links" stehenden Zeitung der Schweiz - er ist dennoch weitgehend objektiv, soweit ich das beurteilen kann.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Arkona - 16.01.2017 14:52

(16.01.2017 14:35)Aguyar schrieb:  Ulrich Wille war der General der Schweiz während des 1. Weltkrieges - dazu muss man wissen, dass die Schweiz nur einen General hat und dies nur in Kriegszeiten.

Du meinst sicher "Generalissimus". Generäle gibt es in jeder Armee wie Sand am Meer.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Suebe - 16.01.2017 16:44

(16.01.2017 14:52)Arkona schrieb:  
(16.01.2017 14:35)Aguyar schrieb:  Ulrich Wille war der General der Schweiz während des 1. Weltkrieges - dazu muss man wissen, dass die Schweiz nur einen General hat und dies nur in Kriegszeiten.

Du meinst sicher "Generalissimus". Generäle gibt es in jeder Armee wie Sand am Meer.

Nee Arkona, schweizer Militäruhren gehen anders.

Fährst du am Sonntag Vormittag in der Schweiz auf einer Landstraße ist es sehr wahrscheinlich, dass dir irgendwelche Fahrrad(Velo heißt es in der Schweiz)fahrer begegnen, mit einem Sturmgewehr auf dem Rücken....
selbstverständlich in Zivil.
Miliz nennt sich dies

In bundesdeutschland fallen Kindergärtnerinnen derweil reihenweise in Ohnmacht, wenn ein Fünfjähriger mit dem Zeigefinger "peng-peng" macht.....
die spinnen die Deutschen Devil


womit ich meiner überbordenden OT-Freude mal wieder Nahrung gegeben habe
Sorry, werde mich bessern


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Aguyar - 16.01.2017 20:27

(16.01.2017 14:52)Arkona schrieb:  
(16.01.2017 14:35)Aguyar schrieb:  Ulrich Wille war der General der Schweiz während des 1. Weltkrieges - dazu muss man wissen, dass die Schweiz nur einen General hat und dies nur in Kriegszeiten.

Du meinst sicher "Generalissimus". Generäle gibt es in jeder Armee wie Sand am Meer.

Nein - in der Schweiz gibt es nur einen General für das ganze Land, und dieser wird nur in Kriegszeiten "ernannt". In der ganzen Geschichte der Schweiz gab es lediglich vier Generäle (Gut: wenn man denjenigen der unterlegenen Partei im Bürgerkrieg mitzählt, waren es fünf):
1) Bürgerkrieg (genannt "Sonderbundskrieg"): Henri Dufour (Gegner Johann Ulrich von Salis-Soglio)
2) Deutsch- franzhösischer Krieg: Hans Herzog
3) 1. Weltkrieg: Ulrich Wille (deutscher Herkunft)
4) 2. Weltkrieg: Henri Guisan


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Suebe - 16.01.2017 21:04

Interessant für mich, vermutlich auch für die Diskussion überhaupt wäre jetzt, inwiefern meine These

dass dieser Devisenbetrag in der damaligen Hyperinflation tatsächlich ausgereicht hat, dass Hitler in den Kreisen der Münchner Rechts-Putschisten
ernstgenommen und als einer der höheren "Dienstgrade" akzeptiert wurde.


von den Mitstreiterinnen und Mitstreitern hier als zumindest diskutabel empfunden wird.

Ich bitte um Rückmeldungen, Blush


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Triton - 16.01.2017 21:24

(15.01.2017 22:38)Suebe schrieb:  Trotzdem, wie kommt ein preußischer Offizier wie Ludendorff dazu, zusammen mit Hitler zu putschen? Ihn fast auf Augenhöhe mitzunehmen?
Hitler, die verkrachte Existenz, den Staatenlosen.?
Und so ein Agitationsgenie war er nun auch wieder nicht, sein "wüstes Geschrei" hat durchaus nicht nur Zustimmung gefunden.
Zwischen den beiden waren doch Welten, ganze Michstraßenssteme.
Der "Marsch auf Berlin" war von vorne bis hinten ein ausgemachter Blödsinn. Konnte nicht funktionieren, die Deutschen mochten keine Revolution, noch nie. Nicht mal nach dem verlorenen Krieg gab es die wirklich. Und da soll ein Haufen Männlein in München (weit weg von Berlin) durch so eine Aktion einen Staat zum Einsturz bringen?

Dass die jungen Nazis wie Hitler, Göring, Hess etc. da blauäugig losmarschierten, meinetwegen. Aber der Ludendorff? Und führt den Haufen auch noch an! Also ich kann da keinen Klassen-/Intelligenzunterschied erkennen, ganz im Gegenteil. Der Hitler zog wenigstens die richtigen Konsequenzen, für Ludendorff wurde es zu einem dunklen Kapitel.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Suebe - 17.01.2017 13:06

(16.01.2017 21:24)Triton schrieb:  
(15.01.2017 22:38)Suebe schrieb:  Trotzdem, wie kommt ein preußischer Offizier wie Ludendorff dazu, zusammen mit Hitler zu putschen? Ihn fast auf Augenhöhe mitzunehmen?
Hitler, die verkrachte Existenz, den Staatenlosen.?
Und so ein Agitationsgenie war er nun auch wieder nicht, sein "wüstes Geschrei" hat durchaus nicht nur Zustimmung gefunden.
Zwischen den beiden waren doch Welten, ganze Michstraßenssteme.
Der "Marsch auf Berlin" war von vorne bis hinten ein ausgemachter Blödsinn. Konnte nicht funktionieren, die Deutschen mochten keine Revolution, noch nie. Nicht mal nach dem verlorenen Krieg gab es die wirklich. Und da soll ein Haufen Männlein in München (weit weg von Berlin) durch so eine Aktion einen Staat zum Einsturz bringen?

Dass die jungen Nazis wie Hitler, Göring, Hess etc. da blauäugig losmarschierten, meinetwegen. Aber der Ludendorff? Und führt den Haufen auch noch an! Also ich kann da keinen Klassen-/Intelligenzunterschied erkennen, ganz im Gegenteil. Der Hitler zog wenigstens die richtigen Konsequenzen, für Ludendorff wurde es zu einem dunklen Kapitel.


No ja,
der Lossow wenige Wochen zuvor "ich will ja marschieren, ich will ja marschieren, wenn ich wenigstens 51% Erfolgsgarantie habe" Lossow war zdZ Kommandeur der "bayerischen" Reichswehr.
In Bayern war die Erbitterung über den recht weit entwickelten "einheitsstaat" von Weimar recht hoch, der weitgehenden Verlust aller "Freistaatlichen" Rechte erbitterte sehr. Die Bayernpartei war zeitweilig zu allem möglichen bereit. Hat in den Monaten zuvor alle möglichen Anordnungen aus Berlin nicht umgesetzt.
Im Oktober schließlich hatte die Reichsregierung den "Völkischen Beobachter" verboten, was Bayern wieder negierte.

Im Bürgerbräukeller schieden sich aber die Geister.
Kahr, Lossow und Seisser wurden von Hitler ins Nebenzimmer gebeten, "dafür bauchen wir keine 10 Minuten" meinte Hitler, aber die Herren wollten ganz und gar nicht. (fehlende 51%???) erst als Ludendorff kam, haben sie zugesagt, um außerhalb des Bürgerbräukellers alles sofort zurückzunehmen.

Also eine gewisse, ganz kleine Hoffnung konnten die sich schon machen.
Und dann natürlich Mussolini und der Marsch auf Rom, kurz zuvor.

Auch, als die Sache schiefging, der Umgang mit den Putschisten....
Eine wehrhafte Demokratie sieht nun doch ganz anders aus.
Da waren aber die Mauscheleien mit den "Wehrverbänden" die im Gericht nun so auch überhaupt nicht hochkommen durften. War ein glatter Bruch des Versailler Vertrags und weitere Sanktionen konnte das Reich nun absolut nicht mehr wegstecken. Nach dem Abbruch des Ruhrkampfes.

Man muss immer die ganzen Umstände sehen.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Suebe - 19.01.2017 12:29

Eine von Freiburg per LKW kommende Truppe von Putschisten ist am 8. November 1923 bei mir ums Eck gestrandet.
Kein Geld mehr für Benzin.

Man wollte weiter, in Münsingen (Truppenübungsplatz) wollte man sich in Reichswehrdepots bewaffnen.
Inwiefern dies mit dortigen Verantwortlichen abgesprochen war, entzieht sich meiner Kenntnis.
Jedenfalls ging das Geld aus, Unterstützer vor Ort mit entsprechend liquiden Mitteln gab es nicht. Von Sympathisanten wurden sie in der Truchtelfinger Schule untergebracht. Ehemalige Baltikum-Kämpfer wurden vielfach als Hausmeister etc. untergebracht und versorgt. Ob dies in dem Fall auch zutrifft weiß ich jedoch nicht, "der" Lehrer dort war jedenfalls Sympathisant.

Als die Herren, dann "angstschlottern" in der Schule hockten, nicht wussten wie weiter, betrat der zuständige Oberlandjäger den Raum, die Herren erstarrten "alles verraten". Der Oberlandjäger grüßte "Heil Hitler"....

Am andern Tag dann, inzwischen waren auch Nachrichten vom Mißlingen eingetroffen, konnte dann das Geld für die Rückfahrt nach Freiburg "gesammelt" werden.

Ich kenne diese Eppisode aus einem Bericht des Jahres 1935, da ist natürlich von "SA" die Rede, persönlich nehme ich jedoch an, dass es sich wohl eher um Freikorps-Leute gehandelt hat.
(Der "Oberlandjäger" war dem Bericht nach inzwischen Polizeirat geworden.
Noch vor dem Krieg wurde er nach Aalen versetzt, und ich weiß deshalb leider nicht, wie die Karriere nach 45 weiter gelaufen ist, wäre ja interessant)

Ich weiß nicht, wie oft ähnliches im Deutschen Reich in diesem Zusammenhang passiert ist, es wird aber bestimmt nicht einmalig sein.

Und die Quintessenz: Zum Putschen braucht man Geld! Liquide Mittel!
Siehe die von Hitler gesammelten Franken, ob es jetzt 33.000 oder 125.000 gewesen sind.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Suebe - 21.01.2017 16:27

(15.01.2017 02:23)Sansavoir schrieb:  Für mich wäre es interessant, etwas über Max Erwin von Scheubner-Richter zu erfahren. Er gehörte zu den Putschisten, die den 9. November 1923 nicht überlebten. 1915 erlebte er als kaiserlicher Beamter die Vertreibung und Vernichtung der Armenier durch die Jungtürken. Er setzte sich damals für die Armenier ein, allerdings ohne Erfolg. Scheubner-Richter wird aber als wichtiger Augenzeuge des Völkermords betrachtet. Seit Anfang 1923 war er mit Hitler bekannt, er war der Mann, der während des Putsches direkt neben Hitler marschierte. Es wird z.T. angenommen, dass Hitler von Scheubner-Richter die Idee der Völkervernichtung übernommen hatte. Vielleicht weiß jemand mehr über die recht dubiose Figur Scheubner-Richter?


Als ich zu Scheubner-Richter auf dein obiges Post hin recherchierte, bin ich auf diesen Spiegel-Artikel gestossen.

http://www.spiegel.de/panorama/frueher-brief-erstes-antisemitisches-dokument-hitlers-veroeffentlicht-a-767306.html

nun kam mir dieser Brief irgendwie sehr bekannt vor. Nur, woher ich ihn kannte wollte mir nicht gleich wieder einfallen.
Nun, inzwischen haben meine grauen Zellen das Geheimnis gelüftet Thumbs_up

Dieser Brief Hitlers an Gemlich ist schon in Zentners "Illustrierte Geschichte des Dritten Reichs" von 1965 in Faksimile abgedruckt.

Schon lustig, dass seit Jahrzehnten bekannte Sachen immer mal wieder zu sensationen aufgebauscht werden.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Sansavoir - 28.01.2017 22:55

(28.01.2017 19:19)Adolina schrieb:  
(15.01.2017 02:23)Sansavoir schrieb:  Für mich wäre es interessant, etwas über Max Erwin von Scheubner-Richter zu erfahren. Er gehörte zu den Putschisten, die den 9. November 1923 nicht überlebten. 1915 erlebte er als kaiserlicher Beamter die Vertreibung und Vernichtung der Armenier durch die Jungtürken. Er setzte sich damals für die Armenier ein, allerdings ohne Erfolg. Scheubner-Richter wird aber als wichtiger Augenzeuge des Völkermords betrachtet. Seit Anfang 1923 war er mit Hitler bekannt, er war der Mann, der während des Putsches direkt neben Hitler marschierte. Es wird z.T. angenommen, dass Hitler von Scheubner-Richter die Idee der Völkervernichtung übernommen hatte. Vielleicht weiß jemand mehr über die recht dubiose Figur Scheubner-Richter?

Am ausführlichsten zu Erwin von Scheubner - Richter äußert sich wohl der Historiker Thomas Weber in seinem Werk mit dem etwas unhistorischen Titel: Wie Adolf Hitler zum Nazi wurde -Vom unpolitischen Soldaten zum Autor von "Mein Kampf"-, Propyläen 2016, insbesondere S. 324 ff.

Ich habe das Buch vorliegen. Bei Interesse und gezielten Fragen will ich gerne zitieren und diskutieren.

Daß Scheubner - Richter Initiator von Völkervernichtungsideen war, ist wenig wahrscheinlich, weil er die Behandlung der Armenier und die Wirren der "russischen Revolution" miterlebt hat.

Das ist auch meine Meinung. Vielen Dank für deine Information.


RE: 9. November 1923 "Hitler-Putsch" - Sansavoir - 28.01.2017 23:39

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