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Hitlers Charisma - Druckversion

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Hitlers Charisma - Pippen - 02.12.2017 07:23

Warum konnte sich dieser Mann erst in der Partei und dann im Staat gegen all die anderen im "Haifischbecken Politik" so durchsetzen? Was hatte er an sich? Gab's dazu detaillierte Untersuchungen bzw. was ist eure Meinung?

Meine Hypothese lautet derzeit: Seine hysterisch-eksaltierte Art - hart an der Grenze zur Psychpathie, aber eben nicht darüberhinaus - sicherte ihm unentwegt sofortige Aufmerksamkeit. Er hatte die Eigenschaft eines Sonderlings, wo man, wie bei einem Unfall, einfach hinschauen muss. Das war die Basis, der Rest waren seine Redegewandtheit (er konnte flüssig reden, ohne Pausen, die andere für ein Einsteigen hätten nutzen können), seine Redeform (religiös-pathetisch, damals originell), sein Aussehen (hart-zackig-don'tfuckwith me-artig), sein Name (Hitler hatte schon einen richtig tollen Klang, man denke nur, was gewesen wäre, wenn er Schicklgruber gehießen hätte), sein Machtdrang (er war wohl wirklich messianisch angehaucht und "wollte es" wie kein Anderer) und nicht zuletzt auch seine liebevolle und treue Seite.


RE: Hitlers Charisma - Triton - 02.12.2017 11:53

Einige Korrekturen: Hitler war kein "Teppichbeißer", Wutausbrüche eher selten. Die meisten Militärs wurden als unbeherrschter beschrieben.
Er galt als gutaussehend für einen Politiker. Volles Haar, keine Brille, keine Wampe. Er war ja auch noch recht jung in den 30er Jahren.
Hitler ist kein besonderer Name, abgeleitet vom "Hüttler", also Personen, die nicht in Häusern leben wie die Häusslers oder Hausers. Eher abwertend als Familienname.
Schicklgruber war auch nicht besser, das waren Personen, die Jauchegruben aushoben.

Diese "Hypothese" entspricht dem Zerrbild, das irgendwann erfunden und dann gerne wiedergekäut wurde.
Hitler wurde von so vielen Menschen gewählt, dass eine allgemeine Wahrnehmung als Außenseiter ausscheidet. Wir kennen ihn oft aus Filmausschnitten, die gerne etwas zu schnell ablaufen, was dann leicht ins Lächerliche abgleitet. Es gibt zum Beispiel nur eine Tonaufnahme von ihm im normalen Gespräch und da sind keinerlei Auffälligkeiten erkennbar. Im Gegenteil, eine angenehme, sonore Stimme. Klare Aussagen.

Ein Mensch wie Du und ich war er nicht, aber mit solchen Hypothesen macht man es sich sehr einfach.
Unsere Vorfahren müssen sehr dumm gewesen sein, ausgerechnet einen psychopathischen, durchgeknallten, hässlichen Schreihals zum Führer bestimmt zu haben.


RE: Hitlers Charisma - Flora_Sommerfeld - 02.12.2017 11:59

(02.12.2017 11:53)Triton schrieb:  Ein Mensch wie Du und ich war er nicht, aber mit solchen Hypothesen macht man es sich sehr einfach.
Unsere Vorfahren müssen sehr dumm gewesen sein, ausgerechnet einen psychopathischen, durchgeknallten, hässlichen Schreihals zum Führer bestimmt zu haben.

Du meinst, die Äußere Erscheinung spiegelt mehr Sympatie vor, wie "innere" Werte?
Aber soviele Leute haben den Hitler und seine Partei garnicht in der Weimarer Republik gewählt. Das sollte man nicht vergessen.
Bei allem "Charisma" hat sich Hitler nur durch Lügen und Gewalt durchsetzen können. Das ist kein Zeichen von Stärke, sondern von Angst.


RE: Hitlers Charisma - Suebe - 02.12.2017 12:28

Als so ende der 50er Jahre im TV die ersten Serien über das 3. Reich liefen, haben mich (kindergartenkind) die gezeigten Hitler-Reden sowas von angewiedert, fürchterliche Schreiereien. Geiferndes gewinsel
(Die Reden eines Theodor Heuss waren da überaus erholsam dagegen. Ist mir dort sehr positiv aufgefallen)

Lag es an der Aufnahmetechnik der beginnenden 30er Jahre, der Sendetechnik der 50er????
Keine Ahnung.
Wobei "Der große Diktator" zeigt ja eigentlich genau das.
Die Mimik der "kleinen Provinzhitler" war aber genauso, schaut euch mal Bilder an, "größte Härte" Kinn hochgerreckt, starrer Blick....

Irgendwie überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, dass die den und die gewählt haben.


RE: Hitlers Charisma - Triton - 02.12.2017 13:40

(02.12.2017 11:59)Flora_Sommerfeld schrieb:  Aber soviele Leute haben den Hitler und seine Partei garnicht in der Weimarer Republik gewählt. Das sollte man nicht vergessen.
Nein, viele haben den oft nicht gewählt. Die NSDAP war die Partei der Kleinbürger, das darf man nicht vergessen. Also vor allem der Angestellten und Beamten. Das waren damals keine wohlhabenden Leute, selbst Lehrer waren oft bettelarm. Aber eben auch nicht von Existenznot bedroht.
In der Weimarer Republik wurde aber auch noch streng nach "Kaste" gewählt. Katholiken das Zentrum, Arbeiter die SPD/KPD, Freiberufler die Liberalen usw. Da konnten andere Parteien beinahe machen was sie wollen. So gesehen waren die NSDAP-Ergebnisse schon etwas Besonderes.

(02.12.2017 11:59)Flora_Sommerfeld schrieb:  Bei allem "Charisma" hat sich Hitler nur durch Lügen und Gewalt durchsetzen können. Das ist kein Zeichen von Stärke, sondern von Angst.
Lügen sind nichts Besonderes in der Politik. Wie gesagt, ich halte alle einfachen Erklärmuster für den Erfolg für irreführend.


RE: Hitlers Charisma - Triton - 02.12.2017 14:14

(02.12.2017 12:28)Suebe schrieb:  Irgendwie überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, dass die den und die gewählt haben.
Selbst Intellektuelle waren nach Hitlerreden kurzzeitig "besoffen". Irgendeinen Nerv muss er getroffen haben. Er zog bei Wahlkampfreden Menschenmassen an, ich denke, das waren damals regelrechte Kirmesveranstaltungen und das Volk goutierte es, unterhalten zu werden.

Ich behaupte einmal, im Medium Rundfunk wäre Angela Merkel oder Helmut Kohl nie etwas geworden. Beides keine begnadeten Redner, Angela Merkel sogar so, dass man sich nachher kaum an den Inhalt erinnert. Ob es ein gutes Zeichen ist, dass dies ihrer Popularität nichts wegnimmt?

Der erste "Star" des Mediums soll Wilhelm II gewesen sein. Gute Redner können Idioten oder Genies sein (Churchill), leider kann der Wähler daraus kaum Erkenntnisse ableiten.


RE: Hitlers Charisma - Titus Feuerfuchs - 02.12.2017 16:30

(02.12.2017 14:14)Triton schrieb:  Ich behaupte einmal, im Medium Rundfunk wäre Angela Merkel oder Helmut Kohl nie etwas geworden. Beides keine begnadeten Redner, Angela Merkel sogar so, dass man sich nachher kaum an den Inhalt erinnert.


Das liegt auch daran, dass Merkels Reden meist Null Inhalt haben.


RE: Hitlers Charisma - Suebe - 02.12.2017 17:13

Widerspruch

Ich habe die Merkel beim BW Wahlkampf im März 2016 in Haigerloch life erlebt.
Die kann reden.
2 Stunden frei und auf den Punkt gekommen.
Sie hat mich in der Beziehung sehr überrascht.


RE: Hitlers Charisma - Triton - 02.12.2017 21:58

(02.12.2017 17:13)Suebe schrieb:  Widerspruch

Ich habe die Merkel beim BW Wahlkampf im März 2016 in Haigerloch life erlebt.
Die kann reden.
2 Stunden frei und auf den Punkt gekommen.
Sie hat mich in der Beziehung sehr überrascht.
Sie ist viel besser geworden, das stimmt.
Natürlich kann sie stundenlang frei reden, das ist nicht der Punkt. Nur mit dem Begeistern und Überzeugen hapert es noch.
Aber wirklich gute Redner sind in Zeiten der kurzen Statements selten geworden, man braucht sie nicht mehr zwingend.


RE: Hitlers Charisma - Pippen - 03.12.2017 22:03

(02.12.2017 11:53)Triton schrieb:  Er galt als gutaussehend für einen Politiker. Volles Haar, keine Brille, keine Wampe. Er war ja auch noch recht jung in den 30er Jahren.

Ja, das ist ein weiterer guter Punkt.

Zitat:Hitler ist kein besonderer Name

Sehe ich anders. "Hitler" klingt klar, kurz und hart und paßte sehr gut zum Adolf, seinem Auftreten und seiner Ideologie.

Er muss auf jeden Fall ein gewisses Etwas gehabt haben, sonst hätte er nicht den kometenhaften Aufstieg gehabt, der ihm vergönnt war, inklusive zig gestandener Männer, die sich ihm treu ergaben und ihn anhimmelten (Heß, Goebels, Dietrich,...). Es war ein Paket, aber mE entscheidend war, dass er "anders" als die normalen Männer der damaligen Zeit war und dadurch auffiel und das ist die notwendige Voraussetzung, um anschließend mit Redegewandtheit und guten Ideen die Leute in seinen Bann zu ziehen. Und dieses "anders-sein" ist für mich seine hysterisch-exaltierte Art, die schon Kubizek schildert.

Ein anderer - bisher in der Forschung kaum gewürdigter - Aspekt ist seine Kunstsprache, in der er christliches Vokabular auf weltliche Vorgänge anwendet und daher einen quasireligiösen Effekt erreicht. Das ist ganz großes Kino. Das hat vorher und nachher niemand gemacht.

Und nochmal betont: Sein totaler Machtdrang, dem er alles unterordnete. Er hatte ja niemanden, war ein Einzelgänger, keine Frauen, keine Familie, war ein - man würde heute sagen - Utrafan der "Mannschaft Deutschland" und vielleicht hat er da schlicht am meisten von allen investiert und das zahlte sich dann aus.