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Wachstum schafft Wohlstand= ? - Bunbury - 04.03.2019 16:03

Ich habe heute wenig Zeit, um einen längeren Beitrag zu schreiben. (Muss ein Abi-Plakat fertig malen)

Aber gerade eben bin ich im Spektrum der Wissenschaft auf folgenden Beitrag zum Thema Landwirtschaft, Bodenpreise, Hedgefonds und dergleichen mehr gestoßen...

Sollte vielleicht in die eine oder andere politische Diskussion miteinfließen:
Verschwinden der Kleinbauern


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Paul - 04.03.2019 18:49

Vor allem in einigen afrikanischen Ländern wird in Agrar Monokulturen investiert. In diesem Zusammenhang kommt es oft zu kriminellem Landraub und damit zur Verarmung dieser Bauern, die in die Städte fliehen müssen o. ermordet werden. Es wird auch das Aussterben von Tierarten und das Abholzen des Regenwaldes gefördert.
Es ist besser die Kleinbauern zu fördern und dabei auch die Bevölkerungsexplosion auf freiwilliger Basis abzubauen.
Mit Landraub ist oft auch Vertreibung unter ethnischen Gesichtspunkten verbunden. Mehrheitsbevölkerungen wollen einen einheitlichen Staat erzwingen. So versucht die Türkei Kurden zu vertreiben z.B. auch im besetzten Afrin und mit ihrem Staudammprojekt. Wahrscheinlich geht auch China gegen Türkischsprachige Minderheiten vor.


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Bunbury - 12.03.2019 18:33

Ein Beispiel dafür, dass das Ziel so viel Wachstum wie möglich nur kurzfristig zu Gewinnen und langfristig zu Wohlstandsverlusten führen kann, ist die Forstwirtschaft.

Die Forstwirtschaft gilt hierzulande als Aushängeschild für Nachhaltigkeit. Denn- in deutschen Wäldern darf nicht mehr entnommen werden als nachwächst.
Klingt erst einmal gut und schön nachhaltig.
Ist es aber nur auf den ersten Blick.

Denn die Forstwirtschaft orientiert(e?) sich nicht daran, welche Bäume unter den gegebenen Bedingungen natürlicherweise vorkommen. Sie pflanzte den Baum, der im Jahr den meisten Holzzuwachs hatte, um entsprechend viel ernten zu können- und das war die Fichte. Die Fichte gilt als der "Brotbaum" des Försters. Kein Baum bildet so schnell Holz.

Problem dabei: Die Fichte ist ein Baum des kühl-feuchten Gebirgsklimas. Nur dort ist sie optimal angepaßt. In der Ebene bildet sie nur flache Wurzeln aus- was seit Mitter der 90 er Jahre zu erheblichen Sturmschäden in Fichtenbeständen geführt hat. Durch die flachen Wurzeln hat die Fichte den Stürmen nicht viel entgegen zu setzen. Die Fichte hat darüber hinaus einen enormen Wasserverbrauch und gerät bei Hitze in Stress.
Dadurch wird sie anfälliger für Schädlinge, und nach dem trockenen Sommer des letzten Jahres setzen ihnen die Borkenkäfer massiv zu. Mit dem ergebnis, dass jetzt außerordentlich viele Fichten gefällt werden müsse- um zu verhindern, dass die Borkenkäfer mit steigenden Temperaturen neue Bäume verfallen.
Jetzt ist derartig viel Fichtenholz auf dem Markt, dass es sich kaum noch verkaufen läßt, geschweige denn verarbeiten läßt. (wäre also derzeit zum Bauen echt ideal, der Fichtenholzpreis ist im Keller.) Hieisiges Fichtenholz wird also zu Dumpingpreisen nach China verkauft.

Dadurch wurde aber in den Wäldern ein gewisses Defizit aufgebaut. Es darf ja nicht mehr entnommen werden, als nachwächst. Das muss in den nächsten Jahren durch sehr viel geringere Entnahmen ausgeglichen werden. In zwei oder drei Jahren dürften die preise dann wieder durch das Dach schießen, weil zu wenig Holz auf dem Markt ist.

Und natürlich haben die Waldbesitzer jetzt wieder Schäden in Milliardenhöhe eingefahren. Nicht nur durch den Befall der Fichten, sondern auch für die Anpflanzung neuer Bäume, die zum großenteil vertrocknet sind. Für die der Steuerzahler zum Teil schon irgendwie gerade stehen muss... Hm.

Mir wäre es lieber, wenn mein Steuergeld ins Bildungssystem fließen würde. Oder auch in die Justiz oder die Polizei... Oder in sozial gerechteres Abgebensystem...

Die Bäume, die an das hiesige Klima besser angepaßt sind, haben den Hitzesommer besser überstanden. Aber die bringen halt nicht so viel Zuwachs im Jahr... Aber zumindest stellenweise wird endlich umgedacht- es wird nichts angepflanzt, sondern man setzt auf natürliche Verjüngung...


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Triton - 12.03.2019 20:07

(12.03.2019 18:33)Bunbury schrieb:  In zwei oder drei Jahren dürften die preise dann wieder durch das Dach schießen, weil zu wenig Holz auf dem Markt ist.
Unter der Annahme einer geschlossenen Volkswirtschaft eine zutreffende Schlußfolgerung.
Haben wir aber nicht.

Der Markt für Fichten aus einheimischen Wäldern ist ganz interessant, aber ich bezweifle einmal die nötige Relevanz, um die Ausgangsthese zu bestätigen oder zu widerlegen.
Wenn wenig Wachstum Wohlstand schaffen würde, dann wäre zum Beispiel Griechenland auf einem guten Weg. Oder Russland, dessen BIP 2017 niedriger lag als das von 2008.


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Suebe - 12.03.2019 21:03

Verstehe ich nichts davon.

Vor Jahren habe ich mal einen Förster von der Seite angemacht, dass mir diese Fichtenpflanzungen richtiggehend auf den Keks gehen, für den Bürger und Spaziergänger Mischwälder oder gar reine Buchenwälder deutlich attraktiver wären.

Ja sagte der, schon, jedoch würden auf ehemaligen Schafweiden (was anderes gibt es auf der Alb eigentlich nicht) halt lediglich Fichten gedeihen.

Was ich so nehmen musste.
Vermutlich wird auch was dran sein.


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Triton - 12.03.2019 21:16

Die Alb ist ja auch "kühl-feuchtes Gebirgsklima".


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Suebe - 13.03.2019 10:13

(12.03.2019 21:16)Triton schrieb:  Die Alb ist ja auch "kühl-feuchtes Gebirgsklima".


Das sind alles so Worte, andernorts ist die Rede von "sonnig und trocken"
.....
im Jahrhundertschnitt gibt es zumindest kaum einen Ort in Mitteleuropa mit mehr Sonnenstunden als die Wetterwarte auf dem Klippeneck amtlich verzeichnen kann.


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Bunbury - 13.03.2019 16:16

(12.03.2019 20:07)Triton schrieb:  
(12.03.2019 18:33)Bunbury schrieb:  In zwei oder drei Jahren dürften die preise dann wieder durch das Dach schießen, weil zu wenig Holz auf dem Markt ist.
Unter der Annahme einer geschlossenen Volkswirtschaft eine zutreffende Schlußfolgerung.
Haben wir aber nicht.

Stimmt. haben wir nicht. Stattdessen wird dann importiert, was hier nicht mehr wächst. Die niocht monetären Kosten bleiben dabei unberücksichtgit.
Die fallen jetzt schon beim Export des hier nicht auf den Markt zu bringenden Holzes nach China an in Form von Transporten. Weder verstropfte Straßen noch der durch den Transport verusachte CO2 Ausstoß tauchen in irgendeiner montären Bilanz auf, beeinträchtigen aber sehr wohl die Allgemeinheit.
Das gleiche wieder, wenn das Holz nicht mehr hier vor Ort geerntet wird, sondern aus dem hohen Norden herbeigeschafft werden muss.
Solange wir noch nicht über die Technologie der Enterprise verfügen, ist die Überwindung von Diskrepanzen zwischen Herstellungs- und Verwendungsort immer mit Kosten verbunden, die von der Allgemeineheit zu tragen sind.

(12.03.2019 20:07)Triton schrieb:  Der Markt für Fichten aus einheimischen Wäldern ist ganz interessant, aber ich bezweifle einmal die nötige Relevanz, um die Ausgangsthese zu bestätigen oder zu widerlegen.

Leider gehst du überhaupt nicht auf den steuerlichen Aspekt ein, wenn Waldbesitzer mit Steuermitteln für ihren Verlust entschädigt werden.
Das ist typisch betriebswirtschaftliches Denken, das einen isolierten Aspekt beurteilt und die Auswirkungen im gesamten System nicht berücksichtigt. Eine der Hauptursachen dafür, dass es an allen Ecken und Enden anfängt zu krachen.

(12.03.2019 20:07)Triton schrieb:  Wenn wenig Wachstum Wohlstand schaffen würde, dann wäre zum Beispiel Griechenland auf einem guten Weg. Oder Russland, dessen BIP 2017 niedriger lag als das von 2008.

Das ist ein bißchen platt, oder? Ich habe gar nicht behauptet, dass wenig Wachstum automatisch Wohlstand schafft. Aber interessant, dass du es so auffasst. "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich."

Bezogen auf das Holzbeispiel würde dauerhaft ein stabiles Wohlstandniveau (wenn auch vermutlich etwas unterhalb des bei uns derzeitigen üblichen) entstehen, wenn man der üblichen Vegetation ihren Lauf läßt. Dann wrüde sich über kurz oder lang auf den meisten Flächen die Buche durchsetzen. Das wäre zwar weniger Holzzuwachs im Jahr, aber gleichzeitig würden die Buchenwälder Humus produzieren (was die Fichten nicht tun) und die Humusböden würden sowohl Wasser als CO2 in stärkerem Maße aufnehmen als es die sauren Fichtennadelböden tun...


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Bunbury - 13.03.2019 16:37

(12.03.2019 21:03)Suebe schrieb:  Verstehe ich nichts davon.

Vor Jahren habe ich mal einen Förster von der Seite angemacht, dass mir diese Fichtenpflanzungen richtiggehend auf den Keks gehen, für den Bürger und Spaziergänger Mischwälder oder gar reine Buchenwälder deutlich attraktiver wären.

Ja sagte der, schon, jedoch würden auf ehemaligen Schafweiden (was anderes gibt es auf der Alb eigentlich nicht) halt lediglich Fichten gedeihen.

Was ich so nehmen musste.
Vermutlich wird auch was dran sein.

Auch Förster sind sich keineswegs einig, was die richtige Bepflanzung angeht. Es gibt welche, die bekommen Schaum vor dem Mund, wenn jemand den Namen Peter Wohlleben in den Mund nimmt (Autor des Buches "Das geheime Leben der Bäume" und selbst Förster), andere sind bereit einzuräumen, dass er vielleicht recht hat.
Monokulturen haben allgemein einen schlechten Ruf, vondaher neigt man mittlerweile dazu, auch ein paar andere Arten in solche Pflanzungen einzubringen...


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Suebe - 13.03.2019 19:48

Zitat Bunbury:
Zitat:Stimmt. haben wir nicht. Stattdessen wird dann importiert, was hier nicht mehr wächst. Die niocht monetären Kosten bleiben dabei unberücksichtgit.
Die fallen jetzt schon beim Export des hier nicht auf den Markt zu bringenden Holzes nach China an in Form von Transporten. Weder verstropfte Straßen noch der durch den Transport verusachte CO2 Ausstoß tauchen in irgendeiner montären Bilanz auf, beeinträchtigen aber sehr wohl die Allgemeinheit.
Wir, meine spätere Frau und ich, haben unserer Haus von einem Bauträger "bauen" lassen.
Angeboten waren Innen-Türen in Mahagoni,
Klasse meinte der blauäugige Suebe, auch mal was wo Geld zu sparen ist, kein Aufpreis für Sonderwünsche kommt. Denn wir wollten Innentüren in Eiche-natur.
Der Schreiner hat sich kaputt gelacht, nix drin, Mahagoni ist das preisgünstigste an Holz was zu kriegen ist ...... CryOmgSceptical
wie jetzt das??????..... das wären noch Weisheiten unserer Großeltern, Edelholz und so....
Der nächste Aufpreis.

Des Rätsels Lösung hat bunbury oben genannt, Importholz ist viel billiger als unser vor Ort gewachsenes. Zumindest wenn es sich um Furniere handelt.
Vielleicht hat sich da, es war 1980, seither das eine oder andere geändert, aber die Grundaussage wird so auch noch heute stehen.

Übrigens, eine nachhaltige Waldwirtschaft gibt es seit ca. 1830 in Deutschland


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Feldwebel57 - 15.03.2019 20:55

Man kann es aber auch ganz nüchtern betrachten : Je voller der Topf , umso größer dein Anteil .


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Aguyar - 17.03.2019 21:08

(15.03.2019 20:55)Feldwebel57 schrieb:  Man kann es aber auch ganz nüchtern betrachten : Je voller der Topf , umso größer dein Anteil .

Noch nüchterner betrachtet: Ein vollerer Topf garantiert keine grössere Verteilung - noch lange nicht.


RE: Wachstum schafft Wohlstand= ? - Bunbury - 17.03.2019 22:13

(13.03.2019 19:48)Suebe schrieb:  Wir, meine spätere Frau und ich, haben unserer Haus von einem Bauträger "bauen" lassen.
Angeboten waren Innen-Türen in Mahagoni,
Klasse meinte der blauäugige Suebe, auch mal was wo Geld zu sparen ist, kein Aufpreis für Sonderwünsche kommt. Denn wir wollten Innentüren in Eiche-natur.
Der Schreiner hat sich kaputt gelacht, nix drin, Mahagoni ist das preisgünstigste an Holz was zu kriegen ist ...... CryOmgSceptical
wie jetzt das??????..... das wären noch Weisheiten unserer Großeltern, Edelholz und so....

Leider, mein Freund, ist es so. Das aber ist kein Grund zum Jubeln.
Eiche ist teuer, weil es nicht so schnell nachwächst, hierzulande der Buche im Wachstum völlig unterlegen ist und darüber hinaus aufgrund seiner Eigenschaften sehr viel vielfältiger einzusetzen ist als die meisten anderen Hölzer. Das dürfte dich als Historiker doch sicherlich interessieren- so hat man z.B. vor kurzem in der Nähe einen mehrere tausend jahre alten Eichenbrunnen ausgegraben. Ganz spontan fällt mir nur ein haltbareres Holz ein und das ist das, was wegen der Gier im Mittelalter in europäischen Wäldern natürlicherweise kaum noch anzutreffen ist- und das ist die Eibe.

Mahagoni wird auf unzertifizierten Plantangen unter katastrophalen Bedingungen angebaut, und zu Dumpinglöhnen bearbeitet.



(13.03.2019 19:48)Suebe schrieb:  Des Rätsels Lösung hat bunbury oben genannt, Importholz ist viel billiger als unser vor Ort gewachsenes. Zumindest wenn es sich um Furniere handelt.

Und leider ist genau das Problem. Stimmt, es ist für den einzelnen billiger. Betriebswirtschaftliche Sicht, auch für Privatpersonen.
Für die Menschheit als ganzes ist nachteilig, weil dadurch das, was allen zur Verfügung steht, sehr viel schneller abnimmt, als Nachwachsen kann. Die Grenzkosten des Wachstums übersteigen den Grenznutzen deutlich. Volkswirtschaftliche Sicht.

Ach,so, für die zahlenverliebten nur ein paar Zahlen: Der Festmeter für Fichtenholz lag vor einem Jahr bei ungefähr 95 €. Derzeit bei 40 €