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Stadtbrände - Diskussion zum G/Geschichteheft 6/2014:
30.10.2012, 21:02
Beitrag: #1
Stadtbrände
Gruß in die Runde!

Hier würden die verschiedensten Beiträge zu Stadtbränden reinpassen.

Der Maxdorfer

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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30.10.2012, 21:05
Beitrag: #2
RE: Stadtbrände
Unter den verschiedenen Stadtbränden habe ich mir einmal den Rostocker Stadtbrand von 1677 herausgesucht. Es war nicht der erste der Stadt, schon seit der Gründung der drei unabhängig voneinander sich entwickelnden Teilstädte Alt-, Mittel- und Neustadt im dreizehnten Jahrhundert hatte es schon so manchen Klein- und auch mehrere Großbrände gegeben. Die Häuser der Stadt bestanden aus Holz, das Dach wurde mit Reet gedeckt. Dadurch erhöhte sich die Brandgefahr natürlich enorm. In den Folgejahren bis -jahrzehnten wurden abgebrannte Holzhäuser aus Stein wieder errichtet. Dabei spielte auch eine Rolle, da Rostock langsam eine aufstrebende Handelsmacht wurde. Auf diese Weise konnte man das Risiko eines größeren Brandes stark senken.
Trotz diesen Maßnahmen gab es in der Blütezeit der Stadt immer eine große Brandgefahr. Die Stadtmauer reichte nicht mehr dafür aus, auf breitem Raum zusammen zu leben. Deshalb wurden die Häuser immer gedrängter aneinander gebaut und die Gassen immer enger. Da konnte auch eine kleine Unachtsamkeit einen Stadtbrand mittelschwerer Ausmaße herbeirufen. Außerdem waren in vielen Speichern und Lagerhäusern Waren wie Holz, Getreide oder Stroh gelagert, die sich schnell entzünden können. Und natürlich sind Bäckereien und Schmieden immer ein Risiko, da sie naturgemäß nun einmal mit Feuer arbeite(te)n. 1576 wurde in der Rostocker Polizeiordnung festgelegt, dass jeder – aber Angehörige einer mit Feuer vermehrt hantierenden Berufsgruppe noch einmal besonders – jeden Morgen und jeden Abend auf das Feuer genauestens zu achten.
Trotzdem war es gerade ein Bäcker, bei dem der Große Brand 1677 ausbrach. Es war Joachim Schulze, dessen Bäckerei sich an der Ecke Große Goldstraße – Altschmiedestraße in der Neustadt befand. Am 11. August 1677 geriet dort ein Feuer außer Kontrolle – wie das genau ablief ist unbekannt. Doch es ergriff sehr schnell das ganze Haus und schließlich auch die Nachbarhäuser. Erst sah es so aus, als sei es nur einer der üblichen kleineren Stadtbrände, doch dann kam ein sehr trockener und heißer Wind aus Südost auf, der das Feuer auf das ganze Viertel verteilte und in Nordwestrichtung vor sich hertrieb. Alle Straßenzüge zwischen Nikolaikirche und Petrikirche wurden zerstört, diese beiden Gotteshäuser selber nicht. Dagegen ging das Katharinenkloster mit der dazugehörigen Klosterkirche so gut wie komplett in Flammen auf.
Die Altstadt wiederum, das Gebiet zwischen dem Flüsschen Grube, der Stadtmauer und der Straße, die heute Grubenstraße heißt, war von Wasser umgeben. Das Feuer konnte sie nicht erreichen. Die Mittelstadt war gleichfalls durch Gewässer abgeschottet, doch diesmal konnte das die Flammen nicht daran hindern, über die Brücken hinüberzukommen. Die nördliche Mittelstadt wurde sozusagen komplett verwüstet. In der Nacht breitete sich das Feuer weiter aus, bis kurz vor das Rathaus und die Marienkirche. Erst am Folgetag, dem 12. August, konnte man das Feuer einigermaßen unter Kontrolle bringen und diese Gebäude retten. Während an einigen Stellen die Flammen immer weiter zurückgetrieben werden konnten, breiteten sich die Flammen andernorts weiter bis zum Wokrentertor aus. Der Ausgang des Brandes war noch ungewiss. Erst gegen Abend gelang es mit Hilfe mittelschweren Regens, den Brand komplett zu beseitigen.
Dieser Stadtbrand hatte ungefähr ein drittel der Rostocker Häuser zerstört. Von 2000 bezeugten Häusern standen nur noch um die 1300. Während die südliche Mittel- und die Neustadt vollkommen intakt waren, waren die nördliche Mittel- und die Altstadt so gut wie komplett zerstört. Dazu kamen viele Wohnkeller, die zerstört worden waren. In diesen hatten vorher die Armen der Stadt gewohnt – auch sie waren nun obdachlos. Viel historische Bausubstanz – zum Beispiel wertvolle gotische Giebelhäuser – wurde zerstört.
Auch die wirtschaftlichen Folgen gingen weit darüber hinaus, dass fast alle Brauhäuser zerstört waren. Man kann den Stadtbrand als Zeichen des Niedergangs Rostocks sehen. Die Hanse, in der die Stadt eine bedeutende Rolle gespielt hatte, löste sich auf, der letzte Hansetag hatte schon acht Jahre vorher stattgefunden. Dadurch sank auch die Bedeutung als Hansestadt auf ein sehr niedriges Niveau hinab. Wegen dem Dreißigjährigen Krieg und dem Abstieg Rostocks sank die Bevölkerung im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts auf ein Drittel des Wertes von 1600 und umfasste nur noch 5000 Menschen. Aus diesem Grund wurde so manches Haus erst Jahrzehnte bis Jahrhunderte nach der Zerstörung durch den Stadtbrand wieder aufgebaut – in völlig neuem Stil. Während anderen Stadtbränden ein umso prunkvollerer Wiederaufbau folgte, markierte dieser das Ende der Blütezeit Rostocks.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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30.10.2012, 21:27
Beitrag: #3
RE: Stadtbrände
(30.10.2012 21:02)Maxdorfer schrieb:  Gruß in die Runde!

Hier würden die verschiedensten Beiträge zu Stadtbränden reinpassen.

Der Maxdorfer


Schönes Thema. Danke.

In der Nacht zum 30. Juni 1809 brannte Balingen zu annähernd 90 % ab!
Ausgelöst durch Blitzschlag brannte die Stadt 24 Stunden lang, ohne, dass es gelang der Flammen Herr zu werden.
Von 455 Gebäuden überstanden lediglich 50 das verheerende Feuer.

die heutige Balinger Innenstadt ist nach wie vor geprägt vom Wiederaufbau nach diesem Brand.
Klassizistische Gebäude Schachbrettartig angeordnet. Mindestens die Seitenstraßen sind nach wie vor von der damaligen Bausubstanz geprägt.
Nicht uninteressant.
Man hat damals schon recht "modern" gebaut, recht hohe Räume, hohe und sehr viele Fenster, kein Vergleich zu den Bauten aus der beginnenden Neuzeit, die mindestens vereinzelt in vielen Landstädten bis heute überlebt haben.

Ebenfalls interessant, und Erinnerungen an die Nachkriegszeit weckend, es wurden währen die Stadt wiederaufgebaut wurde, etliche Behelfsbauten erstellt, die nach wenigen Jahren wiederabgerissen wurden.
Jedoch haben mW 3 dieser Behelfsbauten alle Zeitläufe über 200 Jahre überstanden, und sind heute noch bewohnt.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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30.10.2012, 21:51
Beitrag: #4
RE: Stadtbrände
(30.10.2012 21:27)Suebe schrieb:  Schönes Thema. Danke.

In der Nacht zum 30. Juni 1809 brannte Balingen zu annähernd 90 % ab!
Ausgelöst durch Blitzschlag brannte die Stadt 24 Stunden lang, ohne, dass es gelang der Flammen Herr zu werden.
Von 455 Gebäuden überstanden lediglich 50 das verheerende Feuer.

die heutige Balinger Innenstadt ist nach wie vor geprägt vom Wiederaufbau nach diesem Brand.
Klassizistische Gebäude Schachbrettartig angeordnet. Mindestens die Seitenstraßen sind nach wie vor von der damaligen Bausubstanz geprägt.
Nicht uninteressant.
Man hat damals schon recht "modern" gebaut, recht hohe Räume, hohe und sehr viele Fenster, kein Vergleich zu den Bauten aus der beginnenden Neuzeit, die mindestens vereinzelt in vielen Landstädten bis heute überlebt haben.

Ebenfalls interessant, und Erinnerungen an die Nachkriegszeit weckend, es wurden währen die Stadt wiederaufgebaut wurde, etliche Behelfsbauten erstellt, die nach wenigen Jahren wiederabgerissen wurden.
Jedoch haben mW 3 dieser Behelfsbauten alle Zeitläufe über 200 Jahre überstanden, und sind heute noch bewohnt.

Stadtbrände haben wohl meistens etwas reinigendes, sie vernichten die alten Dinge und machen Platz für besseres, neueres.
Trotzdem darf man natürlich nicht die Menschenleben vergessen, die sie kosten.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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30.10.2012, 22:30
Beitrag: #5
RE: Stadtbrände
"Füer in de Dieckstroot, "Füer in de Dieckstroot... so gellte es am 5. Mai 1842 durch die Stadt Hamburg. Feuer in der Deichstraße...
Irgendwo war in einer der engen Straßen im südlichen Teil der Stadt in einem der Lagerhäuser ein Feuer ausgebrochen , morgens um 1.oo Uhr

Die Speicher der Stadt waren gleichzeitig in der untere Etage die Wohnhäuser der Kaufleute, denn es gab damals noch dir Torsperre, die erst 1866 abgeschafft wurde..
Bis dahin musste jeder Hamburger außerhalb der Stadt bleiben, falls er nicht bis Dunkelwerden die Stadttore passiert hatte,
In der Stadt gab es Nachtwächterm die mit Laterne und Hellebarde die Straßen abschritten. Eine Stadtbeleuchtung gab es noch nicht, stockfinster war es,

Feuer in der Deichstraße, nach Minuten war das Feuer über die Dächer gelaufen und auf die andere Straßenseite gesprungen. Es fand in den Speichern viel Nahrung in den riesigen Warenbeständen.'
Das Holz der Fachwerkhäuser, die holzernen Etagen und Treppenhäuser brannten wie Zunder., und die Häuser, ihrer Statik beraubt, stürzten.

Handspritzen wurden gebracht,Schläuche gelegt, das Feuer hatte am Morgen die Neue Burg erreicht, angefacht durch einen Wind, der genau in Richtung des alten Rathauses stand, Bürger löschten mit Brandwein !!! , am 6. stürtzte die alte Nikolaikirche ein, Stunden später das alte Rathaus.
Schwarzpulver wurde gebracht, der Senat entschloss sich, ganze Häuserzeilen zu sprengen, vergebens, immer weiter fraß sich die bleckende Glut, angefacht durch den Südost-Wind, am 7. Mai war die angestaute Binnenalster erreicht.
Plünderer durchzogen die Stadt

Das Feuer wandte sich nach westen entlang des Jungfernstieges, St.Petri, die älteste Kirche der Stadt aus dem 11. Jahrhundert brach am 7. Mai morgens zusammen
Bald wäre die Stadtbefestigung im Nordosten erreicht sein, es war der 8. Mai 1842.
das Feuer fand keine Nahrung mehr,

22.000 Hamburger waren obdachlos,

Eine riesige Welle der Hilfe brach an, aus der ganzen Welt kamen Spenden . Im Museum für Hamburgische Geschichte sind die DAGUERROSKOPIEN zu sehen.
Über 6 Mio Mark wurden gespendet.

Hamburg wurde wieder aufgebaut, nach einem europaweit ausgeschriebenem Architekturwettbewerb.
Noch heute künden Straßen vom Hamburger Brand. die Brandstwiete, die straße Brandsende oder in der Deichstraße das Lokal "Zum Brandanfang" auf den Fundamenten des Hauses, in dem alles begann.

(Was allerdings 101 Jahre später in Hamburg passierte, der Feuersturm, stellte den Hamburger Brand in den Schatten. Davon hat sich Hamburg bis heute nicht erholt.),
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30.10.2012, 22:31
Beitrag: #6
RE: Stadtbrände
"Füer in de Dieckstroot, "Füer in de Dieckstroot... so gellte es am 5. Mai 1842 durch die Stadt Hamburg. Feuer in der Deichstraße...
Irgendwo war in einer der engen Straßen im südlichen Teil der Stadt in einem der Lagerhäuser ein Feuer ausgebrochen , morgens um 1.oo Uhr

Die Speicher der Stadt waren gleichzeitig in der untere Etage die Wohnhäuser der Kaufleute, denn es gab damals noch dir Torsperre, die erst 1866 abgeschafft wurde..
Bis dahin musste jeder Hamburger außerhalb der Stadt bleiben, falls er nicht bis Dunkelwerden die Stadttore passiert hatte,
In der Stadt gab es Nachtwächterm die mit Laterne und Hellebarde die Straßen abschritten. Eine Stadtbeleuchtung gab es noch nicht, stockfinster war es,

Feuer in der Deichstraße, nach Minuten war das Feuer über die Dächer gelaufen und auf die andere Straßenseite gesprungen. Es fand in den Speichern viel Nahrung in den riesigen Warenbeständen.'
Das Holz der Fachwerkhäuser, die holzernen Etagen und Treppenhäuser brannten wie Zunder., und die Häuser, ihrer Statik beraubt, stürzten.

Handspritzen wurden gebracht,Schläuche gelegt, das Feuer hatte am Morgen die Neue Burg erreicht, angefacht durch einen Wind, der genau in Richtung des alten Rathauses stand, Bürger löschten mit Brandwein !!! , am 6. stürtzte die alte Nikolaikirche ein, Stunden später das alte Rathaus.
Schwarzpulver wurde gebracht, der Senat entschloss sich, ganze Häuserzeilen zu sprengen, vergebens, immer weiter fraß sich die bleckende Glut, angefacht durch den Südost-Wind, am 7. Mai war die angestaute Binnenalster erreicht.
Plünderer durchzogen die Stadt

Das Feuer wandte sich nach westen entlang des Jungfernstieges, St.Petri, die älteste Kirche der Stadt aus dem 11. Jahrhundert brach am 7. Mai morgens zusammen
Bald wäre die Stadtbefestigung im Nordosten erreicht sein, es war der 8. Mai 1842.
das Feuer fand keine Nahrung mehr,

22.000 Hamburger waren obdachlos,

Eine riesige Welle der Hilfe brach an, aus der ganzen Welt kamen Spenden . Im Museum für Hamburgische Geschichte sind die DAGUERROSKOPIEN zu sehen.
Über 6 Mio Mark wurden gespendet.

Hamburg wurde wieder aufgebaut, nach einem europaweit ausgeschriebenen Architekturwettbewerb.
Noch heute künden Straßen vom Hamburger Brand. die Brandstwiete, die straße Brandsende oder in der Deichstraße das Lokal "Zum Brandanfang" auf den Fundamenten des Hauses, in dem alles begann.

(Was allerdings 101 Jahre später in Hamburg passierte, der Feuersturm, stellte den Hamburger Brand in den Schatten. Davon hat sich Hamburg bis heute nicht erholt.),
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22.11.2012, 21:12
Beitrag: #7
RE: Stadtbrände
DER GROSSE BRAND VON ROM

Einer der berühmtesten Stadtbrände aller Zeiten war der Brand Roms vom 19. bis zum 26. Juli 64 n. Chr., die größte Feuersbrunst, die die „Ewige Stadt“ in der Antike je heimsuchte. Sie ist vor allem dadurch bis heute berühmt, dass sie angeblich durch Kaiser Nero hervorgerufen worden sein soll. Was ist dran an dem Gerücht? Viel wurde dazu geschrieben, wenig Unwidersprochenes herausgefunden. Doch fangen wir erst einmal mit den Fakten an:
Es geschah in den heißen Sommermonaten des zehnten Regierungsjahres des Kaisers Nero, dass in einer der hölzernen kleinen Verkaufsstände in der Nähe des Circus Maximus ein kleiner Funke dort auftauchte, wo er nicht sein sollte. Viel mehr bedurfte es gar nicht, um einen gewaltigen Stadtbrand zu erzeugen: Nicht nur die Buden, sondern auch ein Großteil der Gebäude in den ärmeren Bezirken Roms bestanden aus viel Holz und waren dazu noch recht baufällig. Außerdem lagerten dort, wo der Brand ausbrach, viele brennbare Objekte, die an dieser Stelle verkauft wurden. Also griff der kleine Funke schnell auf die ganze Bude, schließlich auf den ganzen Platz über. Zu allem Unglück wehte auch noch ein frischer Wind, der das Feuer mit enormer Geschwindigkeit in Richtung Nordwesten blies. Die Täler flammten zuerst auf, dann waren auch die Hügel Roms an der Reihe. Die Menschen schreckten langsam auf, eilten vermutlich zu Wassereimern, aber viel ausrichten konnte man damals noch nicht gegen derlei Katastrophen – wenn sie auch keine Naturkatastrophen waren, ist es nicht falsch zu sagen, dass sie wie solche wirkten: Völlig chancenlos standen die Leute den Flammen gegenüber und mussten auf Fortuna, ihre Glücksgöttin, auf Vulcanus, den Gott des Feuers und auf Aeolus, den Gott der Winde, beten.
Kaiser Nero hielt sich zu dieser Zeit gerade in Antium, 60 Kilometer von der Hauptstadt seines Reiches entfernt, auf. Noch in der Nacht, in der der Brand ausbrach, derjenigen vom 18. auf den 19. Juli, ritten deshalb der Konsul M. Licinius Crassus und der Prätorianertribun Subrius Flavus von Rom in die Hafenstadt. Als er die Unglücksnachricht erhielt, eilte der Herrscher sofort nach Rom und überwachte von nun an die Löscharbeiten. Diese gingen nur recht langsam voran, trotzdem man in Linien quer durch die Stadtviertel Roms Schneisen in die Häuser schlug und an bestimmten Stellen Feuer setzte, die in Schach gehalten werden konnten und so das unkontrollierte Feuer bremsten. Die 7000 Männer der Feuerwehrkohorte reichten nicht aus, trotz tatkräftiger Unterstützung durch die Bevölkerung. Erst nach sechs Tagen, also am 24. Juli, gelang es, am Esquilin eine Brandschneise zu errichten, die das Feuer zurückdrängte. Kurze Zeit später brach wieder ein Feuer aus, und zwar auf dem Besitz des reichen Tigellinus. Auch dieses richtete noch verheerende Schäden an, bevor es endgültig gestoppt werden konnte. Nero gab als erste Reaktion das Marsfeld, einen riesigen Freizeitpark in der Stadt, frei, um die obdachlos gewordenen Menschen vorerst unterzubringen, bis der Wiederaufbau beginnen konnten. Auch ein eigener kaiserlicher Park und einige öffentliche Bauten wurden zu Übergangslagern. Nero senkte den Getreidepreis auf 3 Sesterzen und ließ zusätzliche Lebensmittel in die Stadt schaffen.
Anschließend wurden die verfügbaren Arbeitskräfte organisiert und eingeteilt: Die einen brachten den Schutt, die verfallenen Reste, auf Schuttlager innerhalb und außerhalb der Stadt, die anderen begannen bereits wieder den Wiederaufbau der Gebäude. Immerhin hatte man aus den Geschehnissen nach der Zerstörung der Stadt durch die Gallier (390/387 v. Chr.) und den vielen kleineren Stadtbränden, die es seit damals gegeben hatte, gelernt und baute nicht mehr so planlos. Man schuf breite, gerade Straßen mit Arkaden, reduzierte die Höhe der Häuser und schrieb freie Höfe in den Wohnblöcken vor. Die Untergeschosse mussten aus Stein errichtet werden, um die Möglichkeiten für einen weiteren Brand zu reduzieren. Jedes Gebäude brauchte eigene Umfassungen. Auch die Wasserleitungen wurden unter besonderer Aufsicht wieder hergestellt: Die Hausbesitzer waren verpflichtet, Löschmittel jederzeit verfügbar zu haben. Allgemein ging die Arbeit schnell voran, denn es wurden Prämien für diejenigen ausgesetzt, die ihr Haus innerhalb einer bestimmten Zeit wieder aufgebaut hatten. Es folgten Gottesdienste zur Besänftigung der Götter und eine Befragung der sibyllinischen Bücher, der Prophezeiungen zur Geschichte Roms. Langsam kehrte wieder Normalität in Rom ein.
Der Schaden des Brandes war unermesslich: Die ältesten Bauwerke Roms wurden zerstört, genauso wie Schätze, Kunstwerke, ganze Bibliotheken und Heiligtümer. Ein Großteil der Bevölkerung hatte die Heimat, das gesamte Ersparte und den Arbeitsplatz verloren, oft sogar noch einige Verwandte. 4000 Miets- und 132 Stadthäuser waren zerstört. Von den vierzehn Stadtteilen waren drei dem Erdboden gleich, sieben von Trümmern übersäht und nur vier unversehrt. Um das zu ersetzen, wurden die Steuern enorm erhöht und Tempelschätze in den Provinzen geplündert.

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23.11.2012, 20:40
Beitrag: #8
RE: Stadtbrände
Doch was hat Nero mit dem Brand zu tun? War er tatsächlich der Brandstifter? Die antiken Schriftsteller sind ziemlich einhellig der Meinung, er wollte Rom niederbrennen, um Platz für seinen riesigen Platz, die Domus Aurea zu schaffen. Dagegen spricht natürlich zuerst einmal theoretisch, dass er sich beim Ausbrechen des Brandes nicht einmal in der Hauptstadt aufhielt. Doch es steht zu vermuten, dass er wenn nur den Auftrag dazu gegeben hatte, gezielt das Feuer zu legen. Auch dass er die Löscharbeiten überwachte, hat nicht viel zu bedeuten, denn das Feuer entstand unter den günstigsten möglichen Bedingungen und die noch eher junge Institution Feuerwehr hatte auch mit vielseitiger Unterstützung nur wenig Chancen, die Flammen rasch einzudämmen. Dazu kam auch, dass die Bevölkerung in Panik ausbrach und floh, was effektivere Maßnahmen unmöglich machte. Einige Menschen wurden sogar von der Masse zertrampelt – ein Sonderkommando wäre nicht viel besser davongekommen. Besonders genährt wurde das Gerücht von Neros Mittäterschaft aber durch die ebenfalls bereits erwähnten Brandbekämpfungsmaßnahmen, dem Anzünden von bestimmten Gegenden und dem Schlagen von Schneisen durch die Häuserblöcke. Dazu kamen von Privatleuten ausgehende Rettungsversuche, aber auch Plünderungen, die das Durcheinander perfekt machten.
Schon bald kamen Gerüchte auf, man munkelte, in der Brand sei auf kaiserlichen Befehl ausgebrochen. Und in den Gegenden, die das Feuer verschonte, habe man unter dem Vorwand der Löscharbeiten etwas nachgeholfen, indem Häuser mutwillig zerstört wurden. Dass kurz darauf Tigellinus, ein Mann mit großem Vermögen, dass bei seinem Tod beschlagnahmt werden konnte, noch einmal das Opfer eines Großbrandes wurde, bestärkte die Vermutungen der Masse. Selbst Seneca macht noch in diesem Sommer eine derartige Andeutung: „Viele lassen sich finden, die Städte in Brand stecken, die das, was jahrhunderte lang uneinnehmbar und durch etliche Generationen gesichert war, dem Erdboden gleichmachen [...]“. Hat seine kurz darauf folgende Verurteilung mit einer derartigen oder auch dieser Aussage zu tun?
Tacitus, der 64 ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein muss und von den späteren Geschichtsschreibern den geringsten zeitlichen Abstand zum Geschehen hat, erklärt als guter Historiker, er könne nicht feststellen, ob es Brandstiftung war oder nicht. Er nimmt also die für einen Geschichtsschreiber passende vorsichtige Meinung an. Er nennt zwar die offizielle Überzeugung seines Standes, der senatorischen Oberschicht, stellt aber Neros Verhalten viel zu positiv da, als dass er an dessen Mittäterschaft glauben könnte. Die jüngeren Schriften tönen da anders: Gaius Suetonius Tranquillus (‚Sueton’) meint, er habe die Katastrophe bereits früher angekündigt, Cassius Dio berichtet, der Brand sei an mehreren Stellen zugleich ausgebrochen. Die beiden halten also eindeutig Nero für den Auftraggeber. Von diesem befehligte Männer hätten sich betrunken gestellt und das oder mehrere Feuer gelegt. Aber das wird beides der Phantasie der Chronisten oder ihrer Quellen entsprungen sein, denn selbst Tacitus, der sonst ein erbitterter Verleumder Neros und seiner Dynastie war, hält einen Unfall wie erwähnt immerhin für möglich.
Man meinte, er habe ganz Rom niederbrennnen wollen, sich eine riesige Residenz errichten und die neu aufgebaute Stadt nach seinem Namen „Neropolis“ oder ähnlich nennen. Tatsächlich plante der Kaiser einen Palast mit gigantischen Ausmaßen, die Domus Aurea, die tatsächlich begonnen wurde. Ein weiteres berühmtes Gerücht war, dass Nero während dem Brand in seinem Haus auf der Bühne den Untergang Trojas im Trojanischen Krieg besungen und ihn mit der aktuellen Brandkatastrophe gleichgesetzt habe. Er habe die weltbekannte Szene nachstellen wollen, um seinen künstlerischen Ehrgeiz zu befriedigen. Was daran war ist, ist sehr umstritten: Einige Schriftsteller der Antike halten es für ein Gerücht, andere für einen Fakt, andere für eine Vermutung. Ich persönlich bin der Meinung, dass es schon sein kann, dass Nero Verse auf den Brand Trojas nach dessen Eroberung rezitiert hat. Erstens kannte er kaum Skrupel, besonders wenn es um seine Kunst ging, andererseits hielt er sich für einen außerordentlich begnadeten Künstler, um genau zu sein für den besten der Welt. Daraus zu schließen, dass er der Brandstifter ist, ist natürlich überspitzt, ebenso wie die Vermutung, Rom sei angezündet worden, damit sich Nero eine Vorstellung vom Brand Trojas machen könnte. Vom rein persönlichen Standpunkt aus kann man also nicht ausschließen, dass die Geschichte keine Erfindung ist oder zumindest auf wahren Tatsachen beruht. Letztlich spielt es aber bei der Beurteilung des Brandes keine Rolle und gibt bei der Beurteilung Neros keine neuen Erkenntnisse.

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24.11.2012, 18:26
Beitrag: #9
RE: Stadtbrände
Nero, dem das Gerede nach einigen Monaten zu gefährlich wurde, beschloss, einen Sündenbock zu suchen. Er fand ihn in den Christen, deren kleine Gemeinde in Rom schwer geschädigt wurde. Es war die erste Christenverfolgung der Welt. Oft wurden die Menge der Todesopfer bei Anschuldigungen Neros übertrieben – es werden nicht allzu viele gewesen sein – aber bei der noch nicht sonderlich großen christlichen Gemeinde der Hauptstadt wird es sicher ein großer Teil gewesen sein. Sie wurden in den Amphitheatern gefoltert und wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen, gekreuzigt, verspottet und angezündet.
Viele, die die Brandstiftungs-Hypothese für wahrscheinlich hielten, starben schon bald eines unnatürlichen Todes: Seneca, der die bereits genannte und zitierte Anspielung machte, wurde der Selbstmord befohlen. Sein Neffen Lucan, der ein ganzes Prosawerk über die Brandstiftung schrieb, wurde als (angeblicher?) Teilnehmer der Pisonischen Verschwörung ermordet. Der Tribun Subrius Flavus glaubte nach einigen Angaben ebenfalls an das Gerücht, auch er wurde als Mitglied der Pisonischen Verschwörung hingerichtet. Bei seiner Vernehmung schleuderte er den Vorwurf Nero sogar offen ins Gesicht. Aber der unnatürliche Tod vieler Anschuldiger Neros ist auch ohne Brandstiftung Neros denkbar: Auch wenn er nichts mit der Katastrophe zu tun hatte, waren es Verleumder und seine persönlichen Feinde. Gegen die Brandstiftung Neros würde schließlich auch noch sprechen, dass es eine vollmonderleuchtete Nacht war, in der Brandstifter leicht erkannt hätten werden können, und die außerdem in dem Fall, dass Nero den Brand Trojas nachstellen wollte, bei weitem nicht so „stimmig“ gewesen wäre wie totale Finsternis. Auch dass einige Gebäude zerstört wurden, die Nero sehr am Herzen lagen, wie ein frisch renovierter Palast mit griechischer Kunst (Griechenland wurde von Nero über alles verehrt und geliebt), wäre zumindest ein Contra-Argument. Andererseits hätte er das vielleicht auch in Kauf genommen und die Sammlung geopfert, um keinen Verdacht zu erwecken.
Ein weiterer Punkt, der für oder auch gegen eine Beteiligung Neros sprechen würde, ist kleines Indiz in den Primärquellen: Man berichtet übereinstimmend vom 19. Juli als dem Tag, an dem der Brand ausbrach. Vermutlich ist diese Information auf Tacitus zurückzuführen. Doch dies ist – zufälliger Weise? – genau der Tag, an dem viele Jahre zuvor die Gallier Rom stürmten und in Brand steckten. Gut möglich, dass sich Tacitus in Wirklichkeit an sehr viel weniger erinnerte, als er uns glaubhaft machen möchte, schließlich war er damals erst zehn Jahre alt. Sind also auch viele andere Informationen über den Neronischen Brand falsch? Hat er einfach eine Menge dazugedichtet, da er als Zeitzeuge vieles als wahr verkaufen konnte? Und wenn Tacitus schon so gearbeitet hat, wie war es dann erst mit Sueton oder Cassius Dio? Wie viel entsprang ihrer Fantasie, was stammt aus glaubhaften Quellen? Aber das hätte er sich nicht leisten können, schließlich war er zwar der einzige Zeitzeuge, von dem bis heute ein Geschichtswerk überliefert ist, aber nicht der einzige, der zu dessen Abfassungszeit noch lebte. Man könnte die Auffälligkeit mit dem Namen auch als Hinweis sehen, dass Brandstiftung eine Rolle spielte – ob von Seite des umstrittenen Kaisers oder nicht, spielt dabei erst einmal keine Rolle.
Die heutige Forschung spaltet sich in drei Ansichten: Die einen stimmen den antiken Geschichtsschreiber zu und halten Nero für einen Brandstifter, die anderen halten das Feuer für einen Unfall – und dann gibt es noch diejenigen, die der Meinung sind, es seien tatsächlich die Christen gewesen, die Rom anzündeten. Welche Version nun stimmt, das wird wohl noch lange im Dunkeln bleiben.


Ich habe versucht, zuerst eine objektive Darstellung zu geben und dann die einzelnen Argumente abzuwägen. Doch ohne weitere bisher unbekannte Quellen wird man nicht so einfach zu einem Ergebnis kommen.

Für einen Überblick über die Darstellung in Quellen und Literatur verweise ich auf: http://www.info-antike.de/fach-nero-brand.htm

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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27.11.2012, 20:22
Beitrag: #10
RE: Stadtbrände
Zitat:Tacitus, der 64 ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein muss und von den späteren Geschichtsschreibern den geringsten zeitlichen Abstand zum Geschehen hat, erklärt als guter Historiker, er könne nicht feststellen, ob es Brandstiftung war oder nicht. Er nimmt also die für einen Geschichtsschreiber passende vorsichtige Meinung an.

Problem: Tacitus. Vorsicht mit dem. Tacitus schreibt mit spitzer Feder und einseitigem Blick. Da ich diese Stelle nicht kenne aber momentan Tacitus studiere glaube ich, dass du hier über einen seiner Tricks gestolbert bist. Tacitus hat gibt immer vor, er würde sine ire et studio schreiben (ohne Zorn und Eifer), aber doch genau das macht er. Und zwar manipuliert er den Leser mit einer recht ungewöhnlicher Methodik: Er sagt er wisse nicht, was passiert sei und nimmt scheinbar eine neutrale Meinung ein, in dem er das Gerede der damaligen Leute, sowie Zeitzeugen in seine Beurteilungen streut. Er lässt also gezielt alles in der Schwebe, aber durch das einstreuen der Gerüchte bringt er unterbewusst jemanden dazu ihm das auch so abzunehmen. Tacitus ist in der Gesammtheit also kein Geschichtsschreiber und schon gar nicht vorsichtig und gar nicht neutral, auch wenn er den Anschein macht. Sich auf Tacitus als Quelle zu stützen macht dann Sinn, wenn man die Kaiserzeit als Rezptionsgeschichte untersucht. Da wird klar, wie die republikanische Gesinntheit gedacht hat und vor allem wie sie manipulierte. Tacitus ist macht das echt in einzigartiger Perfektion. Von dem her würde ich ihm auch nicht alles abkaufen und man kann davon ausgehen, alles was er neutral darstellt, ist letzlich doch ganz stark gefärbt. Aber es geht hier um Stadtbrände und nicht um Tacitanische Geschichtsschreibung wollte das nur sagen. Wäre ein eigener Thread wert.

Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

"Im übrigen, mein Sohn, lass dich warnen! Es nimmt kein Ende mit dem vielem Bücherschreiben und viel studieren ermüdet den Leib!" Kohelet 12,12
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28.11.2012, 18:20
Beitrag: #11
RE: Stadtbrände
(27.11.2012 20:22)WernerS schrieb:  
Zitat:Tacitus, der 64 ungefähr zehn Jahre alt gewesen sein muss und von den späteren Geschichtsschreibern den geringsten zeitlichen Abstand zum Geschehen hat, erklärt als guter Historiker, er könne nicht feststellen, ob es Brandstiftung war oder nicht. Er nimmt also die für einen Geschichtsschreiber passende vorsichtige Meinung an.

Problem: Tacitus. Vorsicht mit dem. Tacitus schreibt mit spitzer Feder und einseitigem Blick. Da ich diese Stelle nicht kenne aber momentan Tacitus studiere glaube ich, dass du hier über einen seiner Tricks gestolbert bist. Tacitus hat gibt immer vor, er würde sine ire et studio schreiben (ohne Zorn und Eifer), aber doch genau das macht er. Und zwar manipuliert er den Leser mit einer recht ungewöhnlicher Methodik: Er sagt er wisse nicht, was passiert sei und nimmt scheinbar eine neutrale Meinung ein, in dem er das Gerede der damaligen Leute, sowie Zeitzeugen in seine Beurteilungen streut. Er lässt also gezielt alles in der Schwebe, aber durch das einstreuen der Gerüchte bringt er unterbewusst jemanden dazu ihm das auch so abzunehmen. Tacitus ist in der Gesammtheit also kein Geschichtsschreiber und schon gar nicht vorsichtig und gar nicht neutral, auch wenn er den Anschein macht. Sich auf Tacitus als Quelle zu stützen macht dann Sinn, wenn man die Kaiserzeit als Rezptionsgeschichte untersucht. Da wird klar, wie die republikanische Gesinntheit gedacht hat und vor allem wie sie manipulierte. Tacitus ist macht das echt in einzigartiger Perfektion. Von dem her würde ich ihm auch nicht alles abkaufen und man kann davon ausgehen, alles was er neutral darstellt, ist letzlich doch ganz stark gefärbt. Aber es geht hier um Stadtbrände und nicht um Tacitanische Geschichtsschreibung wollte das nur sagen. Wäre ein eigener Thread wert.

Im Vergleich zu den anderen antiken Historikern war Tacitus doch einer der wissenschaftlicheren. Ich vermute nämlich nicht, dass er diese Beteuerung des Nicht-Wissens nur eingestreut hat, um die aufgeführten Gerüchte glaubwürdiger zu machen. Ich sehe es eher als Kompromiss, den er zwischen der Wahrheit (dem Nichtwissen) und dem Mainstream seiner sozialen Schicht (die senatorische Ablehnung Nero gegenüber) machte. Möglich, dass er wie auch Sueton, Cassius Dio etc. und quasi alle anderen Senatoren an die Brandstiftungstheorie glaubte. Aber ich würde doch sagen, dass er es dann eher wie die eben erwähnten Kollegen gemacht hätte. Er hat also historisch korrekt sein Nichtwissen eingestanden, aber vielleicht flossen doch seine persönliche Meinung mehr oder minder mit ein. Ich bin ziemlich sicher, dass die Zahl der Geschichtsschreiber, die in der Antike ohne einseitigen Blick schrieb, gegen Null ging.
Zumal gerade der von dir beschriebene "Trick" auf mich recht seltsam wirkt: Da er trotz der vielen einseitigen Hinweise, die es laut ihm gibt, eine neutrale Position einnimmt, würde ich ihn (wüsste ich nichts über den sozialen Hintergrund seiner Person etc.) eher als Fürsprecher Neros ansehen. Ich habe irgendwie das Gefühl, diese These ist doch etwas zu sehr von dem neuen Trend mancher Historiker, der pro-neronischen Geschichtsschreibung, beeinflusst. Woher wollen sie denn wissen, dass Tacitus ein schlechter Historiker war? Und gibt es dann überhaupt noch eine schriftliche Quelle der römischen Antike, die für einigermaßen zuverlässig gehalten wird?

Wie standen die Kaiser der Adoptivkaiserzeit eigentlich zu Nero? Folgten sie der Meinung der Senatoren?

VG

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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28.11.2012, 20:55
Beitrag: #12
RE: Stadtbrände
Wie gesagt, ich mache dazu ein Extra-Thread auf, weil dass das nicht das Thema ist. Aber ihn wissenschaftlich zu nennen ist problematisch, er hatte durchaus kin Interesse an Neutralität sondern er verfolgte schon eine strigente Postition. Er zeigt zwar zur Warheit hin, aber ist nicht für voll zu nehmen.Deswegen als Quelle nicht unbedingt geeignet.

Zitat:Zumal gerade der von dir beschriebene "Trick" auf mich recht seltsam wirkt: Da er trotz der vielen einseitigen Hinweise, die es laut ihm gibt, eine neutrale Position einnimmt, würde ich ihn (wüsste ich nichts über den sozialen Hintergrund seiner Person etc.) eher als Fürsprecher Neros ansehen.

Trick gelungen, würde ich sagen. Das zieht sich durch sein gesammtes Werk der Annales. In dem Fall habe ich die Stelle gelesen, sie ist wirklich typisch für Tacitus. Und es wieder das gleiche Schema. Mehr dazu kommt noch - bei Zeiten eröffne ich einen Thread dazu.

Aber naja, du hast mich damit auf mein nächstes Hausarbeitsthema gebracht. Nero und der Brand von Rom bei Tacitus. Faszinierend! Danke! Smile

Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

"Im übrigen, mein Sohn, lass dich warnen! Es nimmt kein Ende mit dem vielem Bücherschreiben und viel studieren ermüdet den Leib!" Kohelet 12,12
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29.11.2012, 15:42
Beitrag: #13
RE: Stadtbrände
(28.11.2012 20:55)WernerS schrieb:  Wie gesagt, ich mache dazu ein Extra-Thread auf, weil dass das nicht das Thema ist. Aber ihn wissenschaftlich zu nennen ist problematisch, er hatte durchaus kin Interesse an Neutralität sondern er verfolgte schon eine strigente Postition. Er zeigt zwar zur Warheit hin, aber ist nicht für voll zu nehmen.Deswegen als Quelle nicht unbedingt geeignet.

Wie gesagt, kaum eine Quelle der Antike ist geeignet, wenn man das als Maßstab nimmt. Man muss Tacitus natürlich als Quelle sehen, selbst wenn (falls) er versuchte, als guter Historiker zu arbeiten, und nicht als wissenschaftliche Literatur.

(28.11.2012 20:55)WernerS schrieb:  Aber naja, du hast mich damit auf mein nächstes Hausarbeitsthema gebracht. Nero und der Brand von Rom bei Tacitus. Faszinierend! Danke! Smile

Schön! Gerne.
Ist wirklich ein interessantes Thema.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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21.06.2014, 08:56
Beitrag: #14
RE: Stadtbrände - Diskussion zum G/Geschichteheft 6/2014:
London, so wie es heute ist, ist ohne des Stadtbrand von 1666 nicht denkbar. Was Haussmanns "Umbau" Mitte des 19.Jhs. für Paris war, war der Stadtbrand von London für die Themsemetropole. Damals wurden die mittelalterlichen Strukturen aufgebrochen, sowohl baulich - das sprichwörtliche enge Straßengewirr wurde so nicht wieder aufgebaut, entstand erst in der Industrialisierung quasi neu, wenn auch auf anderer Basis - als auch strukturell, denn durch das offenkundige Versagen der Stadtoberen erhielt der König die Macht, in die Geschicke der Stadt einzugreifen - zuvor war der König im Prinzip nur ein Bewohner der Stadt, danach war der Bürgermeister ein Untergebener des Königs.

VG
Christian
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21.06.2014, 09:12
Beitrag: #15
RE: Stadtbrände - Diskussion zum G/Geschichteheft 6/2014:
1388 brannte Pfaffenhofen an der Ilm fast vollständig ab. Die damals etwa 2000 Einwohner zählende Stadt war zuvor schon Sitz eines Amtes - heute würde man sagen Landkreises - gewesen und stellte einen wichtigen Stützpunkt an der Nord-Süd-Handelsstraße von München nach Nürnberg dar.
Wie verheerend das Feuer gewesen war (und wie wichtig Pfaffenhofen für die bayerischen Herzöge war), zeigt sich daran, wie die Herzöge den Wiederaufbau der Stadt förderten. Die Zahl der Wochenmärkte wurde verdoppelt, die am Haupt-/Marktplatz gelegene Burg etwa 70 Jahre nach dem Brand (! die Anlage war noch immer eine Brandruine...) den Bürgern überlassen, der Bau einer Stadtmauer begonnen, die Stadtkirche wieder aufgebaut (in neuem, gotischen Stil und vergrößert; der Bau war erst nach 20 Jahren abgeschlossen).
Trotzdem hätte man fast die Stadt verlegt. Respektive: Zurück verlegt. Schon in den Anfängen der Stadt hatte man nämlich ihren Standort - damals wegen der Ungarngefahr - komplett neu gewählt (ähnlich wie in Schongau, das ursprünglich an dem Ort errichtet wurde, an dem Altstadt (sic!) liegt. Nur mit dem Unterschied, dass am alten Standort von Pfaffenhofen lediglich ein kleines Kirchlein zurückblieb, das noch heute steht). Es gab 1388 Überlegungen, an den alten Standort zurück zu kehren.
Nur der herzoglichen Förderung ist es zu verdanken, dass die Stadt überhaupt wiederaufgebaut wurde.

VG
Christian
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21.06.2014, 09:36
Beitrag: #16
RE: Stadtbrände - Diskussion zum G/Geschichteheft 6/2014:
Auch München verdankt die heutige Gestalt seiner Innenstadt einem verheerenden Brand:
1327 - die Isarstadt war grade seit 13 Jahren Kaiserresidenz - brannte München fast komplett ab. Die Kaiserresidenz - der "Alte Hof", est 1319 erstmals erwähnt, damals also wohl anstelle eine älteren Burg neu gebaut - die Stadtpfarrkirche (Alt-)St.Peter (nicht aber das relativ neue Liebfrauenmünster, die zweite Stadtpfarrkirche Münchens) und die damals schon mächtigen und reichen Klöster Am Anger (heute Augistinerkirche) und des Heiliggeist-Spital (auf dem Platz des heutigen Viktualienmarktes, aber außerhalb der ersten Stadtmauer gelegen) wurden zerstört - natürlich auch alle Wohngebäude, die zwischen diesen markanten Orten liegen. Es scheint also nur das Eck um die Liebfrauenkirche "davongekommen" zu sein, 3/4 der Stadt aber abgebrannt zu sein. Nachdem auch das Spital abbrannte, muss auch das außerhalb der Stadtmauer gelegene Viertel am heutigen Viktualienmarkt und die Straße "Im Tal" runter bis zur Isar betroffen gewesen sein, das nach dem Brand zum Stadtgebiet dazugeschlagen wurde.

Der Kaiser nutzte die Gelegenheit, erweiterte das Stadtgebiet auf 91 Hektar (= das Gebiet zwischen heutigem Alten Rathaus und Isartor kam zu den im Straßengrundriss noch heute sichtbaren Gebieten zwischen St.Peter und Münster mit den Begrenzungen Unteres Tor [heute im Alten Rathaus eingebaut], Schrannenstraße [die Straße nördlich des heutigen Marienhofs hinter dem Neuen Rathaus], Schäfflerstraße/Löwengrube/Augustinerstraße, Oberes Tor [heute Karlstor], Färbergraben, Löwenturm, nördliche Begrenzung des heutigen Viktualienmarktes dazu) und ein zweiter Mauerring wurde errichtet, der nun auch den Alten Hof (der repräsentativ neu gebaut wurde) und eben die Isarvorstadt mit einschloss. 1337 wurde das erste Isartor fertig gestellt.

Vgl. http://www.google.de/imgres?imgurl=http:...AA&dur=411

VG
Christian
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30.06.2014, 12:17
Beitrag: #17
RE: Stadtbrände - Diskussion zum G/Geschichteheft 6/2014:
Am 1. November 1803 ist Tuttlingen innerhalb der Statdmauern völlig abgebrannt.

Die Stadt wurde ab 1804 "geplant" wieder aufgebaut.
http://www.steinbeisschule.de/schueler/f...tbrand.htm
Tuttlingen ist im Kern eine klassizistische Stadt geblieben.

Am 30. Juni 1809, also heute vor 205 Jahren, brannte Balingen innerhalb der Stadtmauern völlig ab.
http://tigeraufreisen.blogspot.de/2009/0...ingen.html
auch hier ist die Planung bis heute, insbesondere in ruhigeren Seitenstraßen unübersehbar.
Als Besonderheit blieben hier, jenseits der späteren Eisenbahn mehrere "Behelfsbauten" die die größte Not für ein paar Jahre lindern sollten, bis heute stehen und bewohnt.

Rosenfeld brannte 1868, 47 Häuser waren weg. es gab bereits eine "moderne" Feuerwehr, die weiteres verhüten konnte.
http://www.zak.de/artikel/details/126946...rungsprobe

Am 17. September 1904 dann die "Zwerg"-Stadt Binsdorf.
http://www.feuerwehr-geislingen.de/100.html

und hier auf der Seite der Geislinger Feuerwehr, Binsdorf gehört seit der Gemeindereform zu Geislingen, ist dann auch die Institution genannt, die diese Katastrophen in ihren Wirkungen entscheidend abgemildert hat.
Die Württembergische Gebäudebrandversicherung
jedes Gebäude in Württemberg musste Feuerversichert sein.
Die Feuerversicherung wurde im Lauf der Jahrhunderte auf die ganzen Elementarschäden ausgeweitet, zuletzt auch auf Erdbebenschäden

was meiner Heimatstadt 1978 den völligen GAU ersparte.
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/in...3d239.html

Die Gebäudebrandversicherungen sind in Baden. Württemberg und Hessen als Schöpfungen der jeweiligen Duodez-Fürsten entstanden.
Was zwei Dinge deutlich macht,
erstens kann der Mensch sehr wohl aus der Geschichte lernen. Zweitens sind die Leistungen dieser Absolutisten, in Württ. war es der berücjtigte Karl-Eugen. nicht "nur" negativ einzuordnen.

Weiter ist die historische Folge, dass heute in BW ca. 95% der Gebäude Elementarschadenversichert sind, in anderen Gegenden unserer Republik ist das Verhältnis genau umgekehrt, die hoffen halt immer, dass gerade Wahljahr ist, wenns Häuschen absäuft oder abfackelt
Was dann wieder den verdacht aufkommen lässt, dass aus der Geschichte doch nicht gelernt wird.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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