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Die Kronenwächter (von Achim von Arnim)
21.05.2016, 14:47
Beitrag: #1
Die Kronenwächter (von Achim von Arnim)
Die Kronenwächter
(Der erste Teil wurde 1817 publiziert.)

Zum Inhalt:
In Südwestdeutschland (vor allem in der Stadt Waiblingen), um 1500: Die titelgebenden Kronenwächter, ein von Legenden umwobener Geheimbund, residiert auf einer verzauberten Burg inmitten des Bodensees und bewacht dort die Kaiserkrone. Diese soll dort so lange bewahrt werden, bis ein von Gott begnadeter Herrscher alle Deutschen zu einem gemeinsamen Leben vereinigt hat. Doch Berthold, ein fiktiver Abkömmling der Hohenstaufer, ist dieser (eher fragwürdigen) Aufgabe keineswegs gewachsen ...

Die bei Wikipedia angeführte Kurzinhaltsangabe: Berthold und Anton erweisen sich als unfähige und unwürdige Nachfahren der Staufer, ist nach der Buchhandlung keineswegs für mich nachvollziehbar. Zwar sind beide eindeutig als Antihelden konzipiert (die Figur des Bertold gilt sogar manchen als der erste "Antiheld" der deutschsprachigen Literatur), aber das ganze Staufer-Erbe und die Reichsidee wirkt im Roman selbst recht fragwürdig und auch die titelgebenden "Kronenwächter", die sich als Hüter dieses Erbes verstehen, geben (selbst bei Rücksicht auf die Entstehungszeit des Buches) einen recht zweifelhaften Geheimbund ab.

Zum Autor:
(Carl Joachim Friedrich Ludwig) Achim von Arnim (26. Jan. 1781, Berlin - 21. Jan. 1831, Wiepersdorf, Kreis Jüterbog) gehört zu jenen Autoren aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, die heute völlig vergessen sind. Uns, den heutigen Lesern/innen dürfte er höchstens durch den Roman "Das Erlkönig-Komplott" ein Begriff sein, wo ihm der Autor Robert Löhr als Verlobter seiner späteren Ehefrau Bettina Brentano immerhin eine Nebenrolle zu gesteht.

In der Literaturgeschichte gilt er neben seinem Schwager Clemens Brentano und Joseph von Eichendorff als wichtigster Vertreter der Heidelberger Romantik, außerdem als einer der bedeutendsten Vertretern der deutschen Romantik. Er hinterließ eine Fülle von Dramen, Novellen, Erzählungen, Romanen, Gedichten und journalistischen Arbeiten.


Weitere Informationen zum Buch:
Achim von Arnim schrieb mehrere Romane ("Isabella von Ägypten") und Erzählungen ("Das Gelübde", "Melück Maria Blainville"), die zum Genre des historischen Romans gezählt werden, obwohl auch andere Einstufungen möglich sind.

Einige seiner Werke wie z. B. seine "Päpstin Johanna" und auch "Die Kronenwächter" sind unvollendet geblieben. Teile seiner Fragmente, aber auch von publizierten Werken hat er auch in seinem "Zeitroman" "Armut, Reichtum und Schuld und Sühne der Gräfin Dolores" übernommen.

"Die Kronenwächter" waren ursprünglich als vierteiliger Romanzyklus geplant. Arnim selbst konnte aber nur mehr den ersten Teil beenden, auf den sich auch diese Rezension bezieht.

Dieser erste Teil wirkt trotz eines offenen Endes in sich abgeschlossen.
(Allerdings soll es eine Version von Teil 2 geben, die seine Witwe Bettina von Arnim publiziert (und bearbeitet) wurde.

Ein mögliches Problem beim Lesen des Buches:
Stilistisch ist der Roman (für uns heute) gewöhnungsbedürftig. (Was nicht mit den Fähigkeiten des Autors zusammenhängt, sondern mit der Entstehungszeit. Die Autoren/innen der Deutschen Romantik bevorzugten offene Formen und genreübergreifende Formen und waren zudem recht experimentiertfreudig.) So sind z. B. regelmäßig längere Gedichte eingebaut, die den Handlungsfluss unterbrechen und das Lesen durchaus erschweren.

Im Vergleich zu den meisten anderen Romanen des Autors ist die Handlung für seine Verhältnisse aber noch relativ stringent, und "Die Kronenwächter" gehören zu seinen "leichteren" Büchern, was das Lesen betrifft.

Überlegungen zur Historizität des Romans:
Gewöhnlich werden "Die Kronenwächter" als historischer Roman gesehen. Das macht insofern Sinn, als die Handlung um und nach 1500 spielt, sozusagen am Ende des Spätmittelslalters, und somit in einer Zeit, die Anfang des 19. Jahrhunderts bereits Vergangenheit war. Das Mittelalter (vor allem das Hochmittelalter unter den Herrschern aus der Dynastie der Staufer, vorallem unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa) wurde im 19. Jahrhundert zur deutschen "Heldenzeit", eine Entwicklung, die durch die Errichtung des Deuschen Reiches der Könige von Preußen eine besondere Steigerung erfuhr. Dagegen wurde das Spätmittelalter und die (frühe) Neuzeit als Zeit des Niedergangs gesehen.

Dies ist in den "Kronenwächtern" insofern der Fall, als die "glorreiche" Staufer-Vergangenheit längst Geschichte ist und der Versuch, einer Widererstehung dieser Vergangenheit bei Arnim als etwas dargestellt ist, dessen Verwirklichung eher unwahrscheinlich ist. Allerdings handelt es sich weniger um eine Geschichte von Nachfahren einer "glorreichen" Dynastie, die an dieser ererbten Bürde tragisch scheitern, sondern es geht um Menschen, die vermutlich ohne dieses fragwürdige Erbe es besser gehabt hätten. Immer wieder wird die Handlung durch übernatürliche Elemente gebrochen, bei vielen Szenen ist ein ironischer Unterton nicht zu übersehen. (Allerdings habe ich den Eindruck, dass die Literaturwissenschaft gerade mit der ironischen Facette des Romans nichts anfangen kann und von dieser ziemlich verstört ist.)

Mit dem historischen Fakten nimmt es Arnim nicht so genau, wobei ich den Eindruck habe, dass dies keineswegs nur dem damaligen historischen Wissensstand anzulasten ist, sondern vom Autor beabsichtigt war.

Manches kommt mir allerdings recht gegenwärtig vor, da gibt es eben z. B. den Geheimbund, der eine geheime Mission verfolgt und die, welche ihm dabei in die Quere kommen, gleich umbringt. Allerdings erscheinen diese "gegenwärtigen" Elemente zum Teil gebrochen oder werden auf die Schippe genommen.

Persönliche Meinung, sozusagen Fazit:
Trotz der von mir zuvor beschriebenen Einschränkungen, aus heutiger Sicht wohl auch "Mängel", hat mir dieser den "historische" Roman aus der "Frühzeit" dieses Genre wesentlich besser gefallen als das Meiste, was heute am Buchmarkt unter dem Etikett "historischer / Historischer Roman" zu finden ist.

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Die urheberrechtsfreie Kindle-Ausgabe von Teil 1, die es zurzeit bei Amazon gibt, ist jedenfalls (trotz einiger Tippfehler) eine gute Gelegenheit, um das Buch kennenzulernen.

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Interessante Buchbesprechungen:

Hartmut Ernst unter: http://www.lyrikwelt.de/rezensionen/diek...hter-r.htm, sehr gute Einführung

Christa Karpenstein-Eßbach unter: http://edoc.hu-berlin.de/hostings/athena...ssbach.pdf ACHTUNG: SPOILER, dieser wissenschaftliche Essay setzt voraus, dass das Buch bereits gelesen wurde.

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Josephine Tey, Alibi für einen König
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