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Allemannische Einwanderung
09.09.2019, 23:27
Beitrag: #1
Allemannische Einwanderung
"Ursprünglich" lebten in der Schweiz Kelten und Räter. Mit der römischen Eroberung wanderten verschiedene Bürger des Imperiums ein, die sich romanisch verständigten. Mit den Römern siedelten sich auch germanische Legionäre an. Möglicherweise wanderten mit den keltischen Helvetiern auch Ilyrer und Germanen in die Schweiz ein. Die allemanische Eroberung wird offiziell später angesetzt. Sie breiteten sich dann aber über einen längeren Zeitraum in der Deutschschweiz aus. Diese Ausbreitung hält in Graubünden noch an, obwohl sie nicht mehr durch Walser Bauern getragen wird.

In der Westschweiz siedelten sich Burgunder an, die französisch assimiliert wurden.

Die Romanen im Tessin wurden italienisiert.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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11.09.2019, 14:59
Beitrag: #2
RE: Allemannische Einwanderung
(09.09.2019 23:27)Paul schrieb:  "Ursprünglich" lebten in der Schweiz Kelten und Räter. Mit der römischen Eroberung wanderten verschiedene Bürger des Imperiums ein, die sich romanisch verständigten. Mit den Römern siedelten sich auch germanische Legionäre an. Möglicherweise wanderten mit den keltischen Helvetiern auch Ilyrer und Germanen in die Schweiz ein. Die allemanische Eroberung wird offiziell später angesetzt. Sie breiteten sich dann aber über einen längeren Zeitraum in der Deutschschweiz aus. Diese Ausbreitung hält in Graubünden noch an, obwohl sie nicht mehr durch Walser Bauern getragen wird.

In der Westschweiz siedelten sich Burgunder an, die französisch assimiliert wurden.

Die Romanen im Tessin wurden italienisiert.

Ich muss das Ganze präzisieren, falls ein neuer Forumsleser Formulierungen wie "französisch assimiliert" oder "Romanen im Tessin italianisiert" oder Walser Bauern in Graubünden oder eine noch anhaltende "Ausbreitung von Alemannen in Graubünden" oder sonstigen völkischen Quatsch Ernst nehmen sollte.

Die Gebiete der heutigen Schweiz waren beinahe ausschliesslich von Kelten besiedelt. Im grössten Teil des Mittellandes siedelten die keltischen Helvetier, in der Region Basel die keltischen Rauracher/Rauriker, im Jura die keltischen Sequaner, in der Region Genf und der heutigen Westschweiz die keltischen Allobroger und im Tessin die keltischen Lepontier (die wurden nicht "italianisiert" sondern "romanisiert"). Im Wallis sind, neben den keltischen Lepontier verschiedene keltische Kleinstämme nachgewiesen wie Uberer, Seduner, Veragrer und Nantuaten. Auch Graubünden war, nach neueren Erkenntnissen, ebenfalls vorwiegend von Kelten besiedelt, Funde von den Rätern finden sich nur in einigen Tälern von Graubünden
(z.B. Unterengadin).

Die Romanisierung der Gebiete der heutigen Schweiz war spätestens nach den römischen Alpenfeldzüge von Drusus und Tiberius (16 - 15. v. Chr.) vollständig abgeschlossen. Die keltische Kultur überlebte die römische Herrschaft vorderhand, was sich auch in Personen- und Ortsnamen ableiten lässt. Auf dem Land dürfte noch jahrhundertelang Keltisch gesprochen worden sein, bis schliesslich das Latein oder die germanischen Sprachen die Oberhand gewannen. Römische Landgüter sind
nachgewiesen, Siedlungen von germanischen Legionären nicht eine einzige - es spricht also nichts dafür, dass sich germanische Legionäre in der CH angesiedelt hätten.

Die "möglicherweise mit den keltischen Helvetier in die Schweiz eingewanderten Germanen und Illyrer" sind reine Fiktion deinerseits, gerade so gut könntest Du mutmassen, dass von Marseille aus Griechen (Cäsar erwähnt immerhin, dass die Helvetier bei der Schlacht von Bibracte auf griechisch geschriebene Bestandeslisten mit sich führten) oder vom
Osten her Slawen in die Schweiz eingewandert seien.

Die "allemanische Eroberung wird offiziell später angesetzt" - konkret in der zweiten Hälfe des 5. Jahrhunderts - weil es eben zwar jede Menge allemannische Überfälle gab, aber vorher eben keine Landnahme stattfand. 298 kam es bei Vindonissa (Windisch im Aargau) zu einer blutigen Schlacht zwischen Alemannen und Römern unter dem Kommando des späteren Kaisers Constantius I, wobei die Alemannen sich wieder zurückzogen. Erst von diesem Zeitpunkt sind Alemannen in römischen Diensten - als Legionäre, als Geiseln und als Wehrbauern - in der Region nachgewiesen. Trotz eines Friedensvertrages im Jahr 354 und eines siegreichen Feldzugus der Römer gegen die Alemannen im Linzgau 355 gelang es erst Kaiser Julian in der Schlacht bei Strassburg 357 die Alemannen entscheidend zu schlagen und die Rheinlinie wieder zu sichern. Valentinian baute eine Kette von Wachttürmen den Rhein entlang, 378 wurden die Verträge mit den Alemannen erneuert, worauf diese einen Förderaten-Status Roms erhielten. Noch 430 wehrte Aetius einen Einfall des alemannischen Stamms der Juthungen in Rätien ab. Ein alemannischer Plünderungszug über die rätischen Päasse wurde noch 457 von Kaiser Maiorian bei Bellinzona
aufgehalten.

Die allemanische Besiedlung der heutigen Deutschschweiz erfolgte also tatsälich erst um 550 / 560, und zwar zu diesem Zeitpunkt ohne Widerstand. Die Burgunder in der Westschweiz siedelten sich nicht einfach an, sondern wurden kurz von der allemanischen Landnahme vom erwähnten Aetius selbst dort angesiedelt. Im Gegensatz zu den Alemannen "romanisierten" (und nicht "französisch assimiliert") sich die (germanischen) Burgunder - die Sprachgrenze zwischen Französisch und Deutsch in der heutigen Schweiz entspricht tatsächlich noch heute im Grossen und Ganzen der ehemaligen Siedlunggrenze zwischen Burgundern und Alemannen.

Die Besiedlung der Hochlagen einiger Bündner-Täler durch die Walser war keine "Germanisierung" oder "Allemannisierung". Die mittelalterlichen Walser waren deutschsprachige Walliser und längst keine Alemannen mehr. Die sogenannten "Walserwanderungen" erstreckten sich zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert. Walsersiedlungen gab/gibt es ab dem 13. Jahrhundert im deutschsprachigen Haslital im Berner Oberland, im französischsprachigen Chablais (Savoyen), in den italienischsprachigen Alpentälern Anzasca, Val Sesia, Val Formazza (der hintere Talabschnitt des Val Antigorio), im deutschsprachigen Urserental in Uri, in italienischsprachigen Bosco/Gurin im Tessin und im romanischsprachigen Tujetsch und in Obersaxen in Graubünden. Um 1280 wurde das Rheinwald und die Region von Davos in Graubünden von den Walsern besiedelt, es folgten weitere Siedlungen in Graubünden: im Prättigau (St. Antönien, Schuders, Furna Valzeina), im Averstal, im Safiental, im Valsertal (daher der Name) sowie die Siedlungen Klosters, Schlappin, Arosa und Langwies. In dieser Zeit entstanden auch die Sieldungen im Grossen Walsertal (daher der Name) im Voralberg. Ab dem beginnenden 14. Jahrhundert sind die Walser in Lech am Arlberg, im Tirol in Galtür sowie im Laternser- und Kleinwalsertal (daher der Name) nachgewiesen.

Es handelt sich hier um eine mittelalterliche Kolonistenaktion und nicht um eine "Allemanisierung" (Voralberg beispielsweise war schon "immer" deutschsprachig). Die Walser wurden durch verschiedene Territorialherren mit Grundbesitz beidseits des Alpenraums zur Sicherung ihrer Hoheitsrechte angesiedelt oder wurden durch andere mit ihnen verbundene Herren angeworben. Für ihre kolonisatorischen Tätigkeiten erhielten sie oft garantierte Erblehen zu unveränderlichem Zins, Freizügigkeit, die niedere Gerichtsbarkeit und die freie Ammannwahl - sie wurden gewissermassen "freie Bauern". Da sie oft Alpen und Waldgebiete zugewiesen bekamen, die von den bereits ansässigen Bauern als Sommerweiden oder Holzlieferanten genutzt wurden, kam es teilweise zu Konflikten.

Dass heute die romanische Sprache resp. die fünf romanischen Dialekte in Graubünden am Verschwinden sind, hat moderne Gründe und nichts mit einer anhaltenden "Allemanisierung" zu tun. Romanisch ist - wie etwa das Sorbische in Deutschland - eine isolierte Sprache, welche ausser in Graubünden nur noch vereinzelt im Friaul gesprochen wird (das vereinzelt im Südtirol gesprochene Ladin zählt nicht zum Rätoromansichem). Hinzu kommt, dass auch die romanissprachigen Muttersprachler zweisprachig sind (entweder Deutsch oder Italienisch), und zwar ausnahmslos alle.
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11.09.2019, 18:41
Beitrag: #3
RE: Allemannische Einwanderung
Zitat Aguyar:
"das vereinzelt im Südtirol gesprochene Ladin zählt nicht zum Rätoromansichem"

nun glaube ich mich an eine Äußerung des aus dem Grödnertal stammenden Luis Trenker zu erinnern, dass er die Rätoromanen der Schweiz problemlos in ihrer Muttersprache verstanden hätte.

NS: die Rätoromanen die ich bisher kennenlernte sind die reinsten Sprachgenies, aus dem linken Mundwinkel Italienisch aus dem rechten Deutsch, beide Simultanübersetzt in die jeweilige Sprache der Gesprächspartner.......... schlicht toll!

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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13.09.2019, 16:17
Beitrag: #4
RE: Allemannische Einwanderung
Es ist bis heute mow unklar, was aus der keltoromanischen Bevölkerung bei der Suebisch/Alemannischen Einwanderung wurde.
Jedenfalls sind Flüchtlinge aus diesen Gebieten nirgends! im Römischen Reich nachzuweisen.

Während man inzwischen die Vorgänge bei der "alemannischen Landnahme" sehr differenziert sieht, die sich aaF über einen recht langen Zeitraum hinzog, liegt hier noch immer viel, eigentlich alles, im Dunkeln.

mM: das "überlegene" Kulturmodell hat sich, wie bei den Ostgermanen die von den Slawen assimiliert wurden, durchgesetzt.

"Die Inflation muss als das hingestellt werden, was sie wirklich ist, nämlich als Betrug am Staatsbürger, der um einen Teil seines Einkommens, aber noch mehr um seine Ersparnisse gebracht wird.!" (Ludwig Erhard, Bundeskalnzler 1963 bis 1966)
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01.01.2020, 13:31
Beitrag: #5
RE: Allemannische Einwanderung
(13.09.2019 16:17)Suebe schrieb:  Es ist bis heute mow unklar, was aus der keltoromanischen Bevölkerung bei der Suebisch/Alemannischen Einwanderung wurde.
Jedenfalls sind Flüchtlinge aus diesen Gebieten nirgends! im Römischen Reich nachzuweisen.

Während man inzwischen die Vorgänge bei der "alemannischen Landnahme" sehr differenziert sieht, die sich aaF über einen recht langen Zeitraum hinzog, liegt hier noch immer viel, eigentlich alles, im Dunkeln.

mM: das "überlegene" Kulturmodell hat sich, wie bei den Ostgermanen die von den Slawen assimiliert wurden, durchgesetzt.

Bei dem Überlegenen Kulturmodell handelt es sich aber oft um demografische Prozesse. Wenn bei den Orginal Sueben viele junge Männer auf Kriegszug waren und viele aus verschiedenen Gründen nicht mehr wiederkamen, konnten sie daheim keine Kinder zeugen. Wenn die zurückgebliebenen Männer auch mit vielen slawischen Frauen Kinder zeugten, dann wurden die Rugier, Warnen und Semnonen bald Slawen, da die Höfe auch von den Zweisprachigen Hoferben geerbt wurden. Die Hermunduren hatten dagegen mehr Kinder und gingen weniger auf Kriegszug, allenfalls wanderte der Bevölkerungsüberschuß nach Böhmen und Bayern aus. Es gab weniger Kriegsgefangene. So blieben diese Gebiete germanisch.
Die Germanen im linksrheinischen Gebiet hatten einen höheren Geburtenüberschuß wie die Romanen und ständigen Zuzug. Die Zweisprachigen Städter behielten Kontakt zu ihren einsprachigen Verwandten auf dem Land und blieben Germanen.
Die Allemannische Landnahme erfolgte eigentlich schon sehr früh, zu Ariovists Zeiten und nicht erst bei der Überwindung des Limes. Über den Limes kamen überwiegend fränkische Hessen und siedelten sich zusätzlich in Franken an, neben den verbliebenen Hermundurenund den fränkischen Matthiakern in Südhessen. Die Allemannen hatten einfach mehr Kinder als die Romanen und auch einen gewissen Zuzug.

viele Grüße

Paul

aus dem hessischen Tal der Loganaha (Lahn)
in der Nähe von Wetflaria (Wetzlar) und der ehemaligen Dünsbergstadt
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