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Außergewöhnliche Ausstellungen und Eventausstellungen:
07.12.2018, 15:55
Beitrag: #20
RE: Außergewöhnliche Ausstellungen und Eventausstellungen:
Die beiden Ausstellungen, die ich mir im Kunsthistorischen Museum in Wien angesehen habe, und die mit einem Jubiläum begründet sind, sind beide für Interessentinnen und Interessenten sehenswert. Leider haben beide Ausstellungen aber auch einen Haken, den ich hier nicht verschweigen möchte.
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2019 wird sich der 450. Todestag von Pieter Breughel jähren, weswegen bis 13. Jänner 2019 (warum nur bis 13. Jänner?) eine Ausstellung zu Ehren des Künstlers stattfindet, in welcher das Kunsthistorische Museum, das angeblich im Besitz der umfangreichsten Bruegel-Sammlung der Welt sein soll, nach sechsjähriger Vorbereitungszeit mit 99 Objekten die größte Werkschau des Künstlers je an einem Ort zu vereinen.

Zeichnungen von, Bilder von, Drucke nach Pieter Breughel en masse zu besichtigen, - einfach nur überwältigend. Eine gute Rezension dazu findet sich auf Merker online.

Ein Nachteil ist allerdings, dass die Ausstellung nur mit Zeitfenster-Zugang besichtigt werden kann. (Anstellen an zwei Sonderständen vor dem Eingang (also im Freien) - der nette Blick auf den Christkindlmarkt am Maria Theresienplatz hat mich nicht dabei entschädigt, es ist halt auch nur einer der vielen, vielen Christkindlmärkte, die Wien inzwischen bietet.

Eine Bestellung per Internet, wenn möglich, ist zu empfehlen, da die Zeitfensterkarten für den selben Taen oft bereits gegen 11:00 (Das Museum öffnet um 10:00) ausverkauft sind. Besser ist es leider, den Ausflug für einen kommenden Tag planen und die Zeitfensterkarte im Voraus zu besorgen.
Hinzu kommt noch, dass für diese Ausstellung stattliche Aufpreise verrechnet werden.

Mit dem Zeitfenster endlich in den Ausstellungsräumen - dennoch habe ich den Besuch dort keineswegs als "eitle Wonne" empfunden. Bei der Besichtigung hat es von Menschen nur gewimmelt, für jedes Bild, jede Zeichnung etc. musste ich Schlange-Stehen und Wartezeiten überbrücken, um dann kurz wenigstens einen Blick auf dieses und die erklärende Informationen zu haben. (Ich habe mir keinen Audioguide geleistet.)

Dass der Detailreichtum vieler Bilder von Breughel beeindruckt und seine Werke eine längere Betrachtungszeit erfordern, war mir aus eigener Erfahrung bekannt. Dafür allerdings war letztlich doch keine Zeit, dabei habe ich die Sonderausstellung an einem Wochentag am Vormittag besucht und nicht etwa am Wochenende, wo mehr los ist. Da stellt sich die Frage, ob der Kauf des Ausstellungskatalogs nicht in diesem Fall mehr Sinn macht, zumindest, wenn man die Werke genauer und länger betrachten will.
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Das Problem der Breughel-Sonderausstellung stellt sich bei der anderen Ausstellung nicht. Die Ausstellng "Falsche Tatsachen" umfasst zwei kleine Räume im Münzkabinett und ist in die übliche Museumseintrittskarte inkludiert. Hier geht es um das Privilegium maius, das vermutlich zurzeit seinen 650. Geburtstag feiert, vermutlich, denn der genaue Zeitpunkt der Entstehung, die Schaffensbedingungen etc. sind nicht belegt und beruhen bisher nur auf Annahmen und Mutmaßungen. Einzig das, was die Urkunden nach einer wissenschaftlichen Untersuchung mit neuen Techniken selbst preisgegeben. (Die Informationen zum Privilegium Maius sind bei Tante Wiki interessanterweise wesentlich zuverlässiger als in so manchem wissenschaftlichem Fachbuch (oder Bücher, die das von sich behaupten).)
Dass sämtliche Teile der Urkunden hier zu besichtigen sind, ist sicher etwas, wozu es, sobald keine Gelegenheit mehr geben wird.
Auch die "Tafel"-Dokumentation mit den Forschungsergebnissen über Bestandteile, aus denen die Urkunden bestehen, die zur Herstellung verwendeten Materialien, die entdeckten Schäden, Beschädigungen, Schnittstellen etc., auch nähere Erläuterungen zu den verwendeten neuen Techniken, mit denen die Urkunden untersucht wurden, ist sehr interessant. Alles wirkt übersichtlich, die Beschreibungen der Informationstafeln sind so gehalten, dass alle Infos auch Menschen ohne Fachwissen verständlich sind.

Neben den Urkunden gibt es noch ein paar nette Extras, so die Abschrift der vidimierten Fassung (mit 4 eindrucksvollen Siegeln), ein Erzherzog-Hut-Modell und zwei weitere Bilder von weiteren Erzherzogshüten (die allerdings erst aus späterer Zeit sind). Dazu kommt noch eine Statue von Herzog Rudolf IV. von Österreich (Rudolf dem Stifter), die sich sonst am Wiener Stephansdom befindet und dort gewöhnlich nur aus der Ferne besichtigt werden kann.

Eine nette Idee ist es außerdem, im ersten Raum auf der einen Seite Kaiser Karl IV. und auf der anderen Seite Rudolf den Stifter jeweils mit einem Porträt und Information sozusagen gemeinsam die Besucherinnen und Besucher "begrüßen" zu lassen, wobei das Museum auf seine Eigenbestände zurückgegriffen hat. Dabei hat Rudolf mit seinem Bild mehr Glück als sein Schwiegervater Karl. Während er immerhin mit einer gelungenen Kopie seines kunsthistorisch bedeutenden zeitgenössischen Porträts gezeigt wird, dessen Original sich im Wiener Dom- und Diözesanmuseum befindet, ist das erst später geschaffene Porträt von Karl (mit rötlichblondem Haar) aus den Beständen des Museums nicht wirklich aufregend.

Eine gute Rezension zur Ausstellung findet sich ebenfalls auf Merker online

Jede der Urkunden ist in der Ausstellung durch eine Abdeckung geschützt, die Lichtverhältnisse sind gedämpft und in der Dokumentation wird ausdrücklich daraufhin gewiesen, mit welch schonenden technischen Verfahren die Untersuchungen der Urkunden erfolgt sind.

Mit der kurzen Arte-Dokumentation, die das Kunsthistorische Museum allerdings zeigt, macht es sich in dieser Hinsicht aber unglaubwürdig. Eine Pseudoforschung, bei der ein Karl Markovits (muss sich wohl auch ein wenig um seinen Geldbeutel kümmern) und der Chef vom ÖSTA einen Auftritt geben. Dominant die zwei "Forscher", die von den sehr laienhaft agierenden Schauspielern nicht zuletzt wegen ihrer Sätze, die aufzusagen hatten, als dümmlich rüberkamen. Die "Museumsmitarbeiterin" erinnerte mich ein seelenloses Model, das schauspielerisch talentfrei ist und der ich wirkliche Arbeit nicht abnehme. Sie glänzte mit abfälligen Kommentaren über des "dummen" Rudolfs "unsinnige" Fälschung. Besonders aussagestark der Beginn, wenn sie meint, sie würde die Handschuhe nur wegen des Siegels tragen, da dieses echt wäre und durchblicken ließ, dass Urkunden doch ohnehin nur Fälschungen wären und daher auch einfach mit der Hand begrapscht werden könnten.

Pädagogisch sicher eine sehr "wertvolle" und "gute" Doku (die Bezeichnung Dokumentation verdient dieser Müll wirklich nicht) - Kindern wird so einprägsam vorgeführt, dass Fälschungen nichts wert sind und daher ein behutsamer Umgang mit ihnen nicht erforderlich ist.

Für mich war das sehr schwer zu ertragen, da ich immerhin oft genug mit wenig interessanten Akten aus dem 19. Jahrhundert zu tun habe und stets darauf achte, diese entsprechend schonend zu behandeln. Das Privilegium maius ist allerdings kein beliebiges Aktenmaterial aus dem späten 19. Jahrhundert, sondern ein künstlerisches Meisterwerk, das zudem bereits etwa 650 Jahre alt ist.

Offensichtlich waren die im Kunsthistorischen Museum nicht bereit, ihrer traditionell gestalteten Ausstellung als solche zu vertrauen und mussten sie mit dieser eigentlich unnötigen Doku noch aufmotzen. Andererseits aber waren sie zu geizig, um sich wenigstens eine ordentliche und vor allem gescheite Filmdokumentation zu leisten. Das allerdings hat für mich den positiven Eindruck der eigentlich Ausstellung letztlich doch schwer beschädigt.Cry

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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