Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 0 Bewertungen - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
das "Aussterben" von Hochadelsfamilien
12.06.2020, 20:21
Beitrag: #3
RE: das "Aussterben" von Hochadelsfamilien
Die Welfen haben sich bis heute sogar auf einem Thron gehalten, allerdings nur über die weibliche Linie. Irgendwie passend, wenn bedacht wird, dass sie bereits im frühen Mittelalter "ausgestorben" wären, wenn nicht eine gewisse Dame eine Lösung für den "Weiterbestand" angeboten hätte und durchsetzen konnte.

Der letzte spanische Habsburger hatte keine Kinder, nicht einmal Töchter. Somit konnte die Variante Erbtochter nicht zum Tragen kommen. Beim Aussterben der österreichischen Habsburger in männlicher Linie gab es immerhin drei Damen, die als Erbtöchter hätten gelten können. Naheliegend wäre gewesen, dass der Länderkomplex unter ihnen beziehungsweise unter ihren Ehemännern aufgeteilt wird. Die Pragmatische Sanktion dürfte in erster Linie den Zweck gehabt haben, einer dieser Damen als einzige Erbtochter und (alleinige) Erbin die rechtliche Position zu sichern. In dem die Dame außerdem im Unterschied zu ihren beiden Cousinen einen Ehemann bekam, der rangmäßig unter ihr stand, blieben die Habsburger weiterhin die "namensführende" Dynastie. Hätte eine der beiden Cousinen beziehungsweise deren Ehemann sich als (alleiniger) Erbe behauptet, wären die Habsburger ebenfalls heute ausgestorben und von den Wittelsbachern oder den Wettinern beerbt worden.

Auch der letzte Herzog von Zähringen hatte offensichtlich keine Töchter, die ihn überlebten, da seine Herrschaften nach seinem Tod aufgeteilt wurden. Da dadurch das "Herzogtum Zähringen" mit seinem Tod "verschwand", gilt die Familie als ausgestorben. Ähnlich liegt die Lage bei den Staufern, die strikt betrachtet, auch nur in männlicher Linie ausstarben, Kaiser Friedrich II. hatte mindestens eine Tochter, die in eine Familie einheiratete, die bis heute besteht.

Ein anderer Fall sind die Grafen von Görz-Tirol. Hier heiratete ein Graf von Görz eine Erbgräfin von Tirol. Da offensichtlich beide Familien in etwa denselben Rang hatten, ergab sich letztlich eine Benennung nach beiden "Ländern". Eine Rolle mag dabei gespielt haben, dass sich die tatsächlichen Grafschaften Görz und eine tatsächliche Grafschaft Tirol zu dieser Zeit noch im "Entstehungsprozess" befanden. Der älteste Sohn des Grafenpaares schaltete sämtliche "Mitherrscher" aus und wurde so Alleinherrscher einer Grafschaft Tirol, die als Herrschaftsgebilde sämtliche weitere Herrschaften umfasste.

Anders die Ehe eines Herzog von Österreich (Habsburgers) mit der Erbgräfin von Pfirt. Hier wurde die Grafschaft Pfirt Teil seines Reiches und ein weiterer Namensteil der "großen" Familientitulatur des Hauses Österreich (Habsburg). Der Habsburger war zu diesem Zeitpunkt eindeutig höher gestellt als die Erbgräfin.

Kaiser Karl IV., auch König Karl I. von Böhmen (Luxemburger), heiratete in dritter Ehe eine Erbherzogin von Schweidnitz-Jauer. Ihre Herzogtümer wurden Teil seines böhmischen Königreichs. Der Luxemburger war eindeutig höher gestellt als die Erbherzogin.

In einigen Ländern findet sich der Fall, dass sich die Erbtochter auch als Herrscherin, wenngleich meistens gemeinsam mit dem Ehemann, behaupten konnte, was offensichtlich als Präsenzfall für weibliche Erbfolge in der Folge nicht mehr so einfach ignoriert werden konnte.
Ein Beispiel betrifft das Herzogtum Mömpelgard, dessen Erbtochter einen Herzog von Württemberg heiratete. Die Söhne erbten beide Herzogtümer, Mömpelgard aber erst nach dem Tod ihrer Mutter.

In einem Fall könnte das Aussterben einer Dynastie in "männlicher" Linie eine Rolle gespielt haben
Ein französischer König heiratete eine Königin von Navarra. Sein ältester Sohn wurde nach dem Tod seiner Mutter König von Navarra und nach dem Tod seines Vaters König von Frankreich. Als er starb und wenig später auch sein postum-geborener Sohn aus der zweiten Ehe, hinterließ er nur eine Tochter aus erster Ehe. Um ihm als König von Frankreich nachfolgen zu können, entdeckte sein Bruder plötzlich, dass das "Salische Recht" Frauen von der Nachfolge "ausschloss" und folgte ihm als König von Frankreich nach. Das Königreich Navarra allerdings verblieb letztlich als Erbe der Tochter seines älteren Bruders.

Der neue König von Frankreich war mit der Erbgräfin von Artois verheiratet. Nachdem er einige Jahre später ebenfalls starb und nur Töchter hinterließ, folgte ihm ein weiterer Bruder als König von Frankreich, die Grafschaft Artois verblieb seiner Witwe (beziehungsweise ihrer Mutter) und nach ihrem Tod folgte ihr die älteste Tochter nach.

Auch der dritte Bruder hinterließ nur Töchter. Obwohl es noch eine Schwester gegeben hätte, die für sich beziehungsweise ihren Sohn Anspruch auf die französische Krone erhob, setzte sich letztlich eine Nebenlinie und damit wieder das "Salische Recht" durch. Der Neffe der letzte drei französischen Könige war englischer König und versuchte in mehreren Kriegen zumindest Teile des französischen Königreiches an sich zu bringen. Da einige seiner Nachfolger das ebenfalls versuchten, gingen diese Auseinandersetzungen als der "Hundertjährige Krieg" in die Geschichte ein.

Zuletzt schien es allerdings sicher, dass sich dieses "Salische Recht" nicht durchsetzen würde, als ein gewisser Henry V. (Monmouth) Katharina von Frankreich, eine Tochter von König Karl VI. (dem Wahnsinnigen), heiratete. Ein Bruder dieser Katharina wurde für unehelich erklärt und damit von der Thronfolge "de iure" ausgeschlossen. Es wurde festgelegt, dass Henry V. nach dem Tod seines Schwiegervaters diesem als französischer König nachfolgen sollte. Sämtliche Reichsfürsten und der damalige Herrscher des Heiligen Römischen Reiches hatten diese Regelung "de facto" anerkannt und sich mit dem englischen König verbündet.
Es kam anders, der für unehelich erklärte Sohn konnte sich letztlich doch durchsetzen, und damit behauptete sich auch das "Salische Recht" für das französische Königreich.

Zwei Generationen später heiratete sein Enkel die Erbherzogin von der Bretagne. Als dieser überraschend starb, hatte er keine männlichen Nachkommen und der neue König von Frankreich wurde ein Verwandter (in männlicher Linie). Um die Allianz Frankreich-Bretagne zu halten, heiratete dieser die Witwe seines Vorgängers. Da er ebenfalls letztlich keinen Sohn hinterließ, erbte das Herzogtum Bretagne seine älteste Tochter und als König von Frankreich folgte ihm sein Neffe nach. Dieser heiratete die neue Herzogin von Bretagne und hatte aus dieser Ehe Söhne. Erst ab dieser Generation wurde die Bretagne eindeutig und endgültig Teil des französischen Königreiches.

Offensichtlich ist für das "Aussterben" eine Dynastie auch mitentscheidend, dass sich das Land oder die Herrschaft, über welche sie geherrscht und nach der sie sich benannt hatte, auflöste oder Teil eines anderen Herrschaftsgebildes wurde.

Pech hatten auch die Luxemburger, denn der Plan des letzten Luxemburgers seine Dynastie durch eine "luxemburgisch-habsburgische" Linie weiterbestehen zu lassen, scheiterte. (Oder war es vielleicht eher der Plan seines Schwiegersohns den Schwiegervater auf diesem Weg zu beerben.) Zumindest die Königskrone des Heiligen Römischen Reiches und die Kaiserkrone erbte letztlich die "reine" habsburgische Linie. Diese brachte in den nächsten hundert Jahren auch noch das restliche Erbe der "luxemburgisch-habsburgischen" Linie stückchenweise an sich. "Zwinkern"

---------------------------
Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
RE: das "Aussterben" von Hochadelsfamilien - Teresa C. - 12.06.2020 20:21

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds