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War es vielleicht doch ein Mord?
02.02.2022, 23:57
Beitrag: #1
War es vielleicht doch ein Mord?
Lieben wir nicht alle Krimis und haben daher durchaus Interesse, wenn es gilt, sich mit einem historischen Krimi zu befassen?

Am 23. November 1457 starb in Prag Herzog Ladislaus von Österreich, böhmischer und ungarischer König, besser bekannt als Ladislaus Postumus, etwa zwei gute Monate vor seinem 18. Geburtstag. Ladislaus war der einzige Sohn von Herzog Albrecht (V. ) von Österreich (als römischer König Albrecht II.) aus dessen Ehe mit der "ungarischen Königin" Elisabeth. Er war der einzige Enkel von Kaiser Karl IV. und sowohl über die mütterlichen als auch über die väterliche Linie ein Nachfahre von König Rudolf I. Mit ihm endete der Albrechtinische Familienzweig der Habsburger in männlicher Linie, aber auch der Versuch zur "Bildung" einer neuen "habsburgisch-luxemburgischen" beziehungsweise "böhmisch-österreichischen" Linie. Ladislaus war zum Zeitpunkt sienes Todes mit Madeleine von Frankreich, einer Tochter von König Karl VII. verlobt und stand im Begriff diese zu heiraten. Es gab genug Zeitgenossen, die von seinem Tod profitieren sollten.

Eigentlich überrascht es nicht, dass sich schon relativ bald die Vorstellung durchzusetzten, dass Ladislaus vermutlich ermordet worden war. Dabei entwickelten sich auch durchwegs einige abenteuerliche Mordgeschichten, so zum Beispiel, dass Ladislaus von einer Geliebten, die von seiner Absicht Madeleine zu heiraten, nicht begeistert war, getötet wurde, in dem sie ihm eine Haarnadel in die Schläfe stieß, während sie seinen Kopf streichelte. In einer anderen Version wurde dieser Haarnadelmord der Ehefrau von Georg Podiebrad unterstellt. Zeitgenössische Gedichte schildern, wie der unschuldige Jüngling Ladislaus von Georg Podiebrad unbarmherzig erdolcht oder anderswie getötet wird. Etc.

Die Behauptung, dass Ladislaus an der Pest starb, schien dagegen wenig wahrscheinlich, vermutlich, weil nichts von weiteren Pesttoten bekannt ist. (Die rumänisch-deutsche Romanschriftstellerin Liliana LeHingrat hat dieses Motiv in ihrem historischen Roman "Die Blutchronik" (um Vlad Tepes) verwendet. Hier ist es Georg Podiebrad, der dem Arzt persönlich befiehlt, als Todesursache die Pest anzugeben. Dem Hinweis des Arztes, dass das nicht stimmt und nicht glaubwürdig ist, begegnet er damit, dass er so hofft, etwas gegen das Entstehen weiterer Gerüchte, die er für unsinnig hält, tun zu können. (Und vor allem will er seine unschuldige Ehefrau schützen, die bereits - im Roman nebenbei - grundlos verdächtigt wird.)

Inzwischen hat sich nach einer Obduktion, wobei interdisziplinäre Methoden angewandt wurden, zweifelsfrei herausgestellt, dass Ladislaus an einer Form der Leukämie starb, also eines natürlichen Todes und somit eindeutig nicht ermordet wurde. Damit hat sich die "Mordgeschichte" um Ladislaus zumindest für die seriöse Forschung erledigt.

Vor einiger Zeit habe ich das wissenschaftliche Buch "Die Tode der römisch-deutschen Könige und Kaiser (1150-1349)" von Manuel Kamenzin gelesen habe (eine durchaus lohnenden Lektüre). Dort findet sich nicht nur auch eine kritische Hinterfragung der zeitgenössischen Berichte zu den beiden tatsächlichen Morden an den Königen Philipp und Albrecht I. sowie den gewaltsamen Tötungen der Könige Wilhelm und Adolf.

Aber er setzt sich auch kritisch mit Chronistenberichten auseinander, die bei einigen weiteren Königen einen (Gift-)Mord vermuten oder dies sogar so berichten, als wäre es tatsächlich geschehen. (Nach Kamenzin dürfte kein einziger dieser angeblichen Giftmorde tatsächlich ein Mord gewesen sein.) Aber er beschäftigt sich auch ein wenig mit der Frage, warum solche Mordgeschichten überhaupt erfunden beziehungsweise überliefert wurden.

Habt ihr Euch einmal mit einem angeblichen historischen Mordfall aus dem Mittelalter beschäftigt oder ist euch diese Idee in einem Roman oder anderswie untergekommen und wie habt ihr das wahrgenommen?

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Nur die Geschichtenschreiber erzählen uns, was die Leute dachten.
Wissenschaftliche Forscher halten sich streng an das, was sie taten.

Josephine Tey, Alibi für einen König
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