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Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
05.08.2012, 12:32
Beitrag: #22
RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche
"Ein Haus voll Glorie schauet" - Die Soceítas Perfecta - Utopie oder reelles Ghetto? + Die Modernistenkrise

So nun endlich die schon lange versprochene Folge. Wir haben bisher den Ultramontaneismus als Phänomen der Institution Kirche betrachtet, doch umso mehr man sich in der Geschichte von dem ersten Vatikanischen Konzil weg bewegt, wird deutlich, dass nicht die Kirche nur einen Gehorsam befiehlt, sondern dass der Wunsch danach eigentlich aus der katholischen Bevölkerung her rührte.

Die Situation im neuen deutschen Kaiserreich ab 1871 war deutlich schwierig. Der neue Reichskanzler Otto von Bismarck versuchte in einem gährenden Reich eine Beruhigung zu erreichen. Dies erreichte er über die sogenannte negative Integration. Ein Ausschluss von Aufrühren und Minderheiten. Eine dieser Minderheit war die katholische Bevölkerung, die hauptsächlich außerhalb Preußens und in ländlichen Regionen (also Baden und Bayern etwa) anzutreffen war. Zum anderen brauchte er die Nationalliberalen als Bündnispartner im Parlament, die sich ohnehin gegen die katholische Kirche richteten, schon aus dem Übereifer Papst Pius IX, der in einem Anhang zur Enzyklika64), dem sogannten „Ssogenasogenanntenum“ 80 Irrtümer der modernen Zeit auflistete. Die Kritik an sich richtete sich gegen Pius Ansicht, dass die Kirche eine vollkommen und wehrbare Gesellschaft sei , dazu dass er die Ehe als Sakrament ansieht und nicht als bürgerliches „Anhängsel“ und dass der Staat kein unbegrenztes Recht schaffen kann und nicht die höchste Instanz der Rechtschaffenheit ist. Dazu muss man sagen, dass Papst Pius damit keineswegs in einer Linie stand mit seinen Vorgängern und noch weniger mit der katholischen Bevölkerung. Jedoch nahm die Reichsregierung das als Anlass die katholische Kirche aus dem Staat zu drängen: erst wird die katholische Abteilung im Kultusministerium geschlossen (1871), dann der Jesuitenorden verboten (1872) und dann jeglicher Kontakt zur Kirchenführung abgebrochen. Dies zog zwingen nach sich, dass der Staat sich auch über die geistliche Bildung kümmerte, sowie dass einsetzen neuer Geistliche nicht mehr der Kirche sondern nur noch dem Staat über blieb. Diese Art des Kulturkampfes war nicht neu; hatte Frankreich nach der Revolution 1771 das auch schon durchgemacht.

Die Sehnsucht der Katholiken war groß, wenn man schon nicht dem Staat trauen kann, wem dann? Außer Gott blieb nicht viel, außer dem Papst! Das Papsttum ohnehin gestärkt durch das Unfehlbarkeitsdogma (siehe Folge 3) wird nun zum absoluten Star des katholischen Politizismus. Der Blick der Katholiken ging nach Rom. Rom als eine Burg. In ihr die Gesellschaft, der das Heil zu Teil wird. Die „Socaítas Perfekta“. Diese Ansicht beschriebt nichts anderes als eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber dem Rest, der nicht zur katholischen Welt gehört. Man kann sagen, wichtig war es wohl, dass man sich irgendwie durch die Zeit schippert. Die Ausgrenzung im Staat hatte eine gewisse Eingrenzung in sich nach sich gezogen. Die Katholiken schlossen sich weg und schauten nach Rom, auf das, was man nun noch als verlässliche Macht ansah.

Sehen wir uns doch mal den Inhaltdes Liedes von Johann Mohr „Ein Haus voll Glorie schauet“ an. Vorausgeschickt sei, dass Lied ist 1778 entstanden, in der Phase, als sich der Kulturkampf wieder entspannte.

„Ein Haus voll Glorie schauet/ weit über alle Land/ aus ewigem Stein erbauet aus Gottes Meisterhand!“

Gemeint ist der Vatikan. Der Vatikan wacht über das Geschehen weltweit (über alle Land). Aus ewigem Stein impliziert, die Kirche kann nicht untergehen, sie ist vor allem sicher, denn sie kommt ja von Gott selbst.

„Wohl tobet um die Mauern der Sturm in wilder Wut;/ das Haus wird’s überdauern/, auf festem Grund es ruht!“

Die dritte Strophe ist eine gezielte Anspielung auf den Kulturkampf. Beim Betrachten der ersten Strophe erschließt sich auch die Aussage dieser dritten Strophe.

„Ob auch dem Feind ihm dräue/ Ansturm der Hölle Macht/ Des Heilands Lieb und Treue/ auf seinen Zinnen wacht“
Unschlagbar – das ist hier die Aussage. Auch die Hölle kann das Haus voll Glorie nicht erobern.

Jetzt machen wir einen Sprung ans Ende des 19. Jahrhundert. Langsam schimmert durch, dass die Ultramontanen keineswegs eine homogene Masse sind, sondern der Zeitgeist holt die Kirche in einer großen Gruppe wieder ein: die Kirche wird sie als Modernisten verurteilen und fürchtet ihren Einfluss, zu einem als weltliche Gegenkraft die die Kirche von innen dem ungeliebten Bürgerstaat ausliefert, zum anderen dass die sakrale Tradition der Kirche völlig gebrochen wird. Doch bevor man den großen Kampf ansagt, verzichtet die Kirche auf eine Konfrontation und negiert die modernen Ansichten. In dem Dokument „Lamentabili“ (1907) werden alle „Irrtümer“ der Modernisten aufgezählt. Die wenigsten sind politischer Natur. Es reichte aber zur Exkommunikation, falls der Verdacht aufkam, dass man sich diesen Irrtümern anschloss.Schließlich wurde der sogenannte Antimodernisteneid eingeführt, ein Schwur, den jeder ablegen musste, der für die Kirche arbeiten wollte. Dies führte zu einer polemischen Diskussion und die Ansicht der Kirche sank weiter bei nicht-kirchlichen Menschen. Die Kirche setzt also weiter auf Einkreisung und Traditionalismus. In diesem Zustand ist die Kirche schon so eingekreist, dass sie jegliche geschichtliche Entwicklungen ignorierte, dann kam der Nationalsozialismus...


Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte 1866 – 1918. Arbeitswelt und Bürgergeist, München 1990 (Bd. 1).

Metzger, Franz: Ein Kanzler vor Canossa. Der Kampf um die Kultur. In G-Geschichte 10/10 (2010).

DH 3401 – 3466.

Folge 5: Der Schock: Nationalsozialismus und die Öffnung im 20. Jahrhundert

Wer die Vergangheit nicht achtet, dem kann es die Zukunft kosten

"Im übrigen, mein Sohn, lass dich warnen! Es nimmt kein Ende mit dem vielem Bücherschreiben und viel studieren ermüdet den Leib!" Kohelet 12,12
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RE: Ein Haus voll Glorie schauet – der Ultramontanismus der katholischen Kirche - WernerS - 05.08.2012 12:32

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