Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 1 Bewertungen - 5 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Stadtgeschichte
22.06.2012, 22:56
Beitrag: #3
RE: Stadtgeschichte
DAnn stell ich mal meinen alten Artikel aus dem G-Forum hier noch mal ein:

Ingolstadt taucht zum ersten Mal 806 in den Urkunden auf, aber gleichals Knaller: Im (politischen) Testament Karls des Großen. Dort verfügt er extra, dass zwar Bayern an einen seiner Söhne gehen soll, dass aber der Nachfolger als Kaiser die Königshöfe Lauterhofen (in Franken) und Ingolstadt bekommen soll. Ingolstadt ist aber bestimmt älter als 1202 Jahre: Schon Karl schreibt, dass Ingolstadt "so, wie wir es von Tassilo übernommen haben" an den Königssohn Karl gehen sollte. Gründer war also mindestens Tassilo III., wenn der Herzogshof (und spätere Königshof) nicht noch älter ist.

Zeitweise hatte Ingolstadt eine sehr große Bedeutung. Nachdem der Enkel Karls des Großen Ingolstadt an das Kloster Niederaltaich gegeben hatte (zumindest einen Großteil des ehemaligen Königshofs), gibt es zwar bis kurz vor der Stadtwerdung Ingolstadts um 1250 keinerlei Nachrichten mehr, ab 1250 ist Ingolstadt aber für einige Jahrhunderte Haupt- und Nebenresidenz der bayerischen Herzöge, zeitweise sogar Hauptstadt eines eigenen Herzogstums Bayern-Ingolstadt. Aus dieser Zeit stammen auch die größten Bauwerke der Altstadt, der Herzogskasten (= das Alte Schloss), das Neue Schloss (architektonisch wertvoll, weil der am Hof seiner Schwester in Paris grossgewordene Herzog Ludwig der Gebartete neueste französische Architektur ins Bayernland brachte) und das Münster (als herzogliche Grabstätte geplant, die Kirche mit dem höchsten Dachstuhl Süddeutschlands).
Nachdem die Vettern aus Bayern-Landshut das Ingolstädter Herzotum übernommen hatten, wurde in der Stadt (quasi als Trost für die verlorene Hauptstadtwürde) eine Universität gegründet, die dann bis 1800 bayerische Landesuniversität war.
Johannes Eck wetterte von der Uni Ingolstadt aus gegen Luther und war sein wichtigster Gegenspieler. Überhaupt war Ingolstadt eines der Zentren der Gegenreformation.
Christoph Scheiner entdeckte von hier aus die Sonnenflecken.
Daneben spielte Ingolstadt eine herausragende Rolle als Festung - sie war z.B. die einzige Festung, an der sich die protestantischen Heere im Schmalkaldischen Krieg und dann auch Gustav Adolf im 30jährigen Krieg die Zähne ausbissen...allerdings auch nur, weil Gustav Adolf es eilig hatte und katholische Truppen die Gegend unsicher machten...
Es gibt aber auch noch eine andere - für Ingolstadt ehrenhaftere VErsion dieser Geschichte:
Danach zog Gustav Adolf nach wenigen Tagen Belagerung wieder ab, weil ihm sein Schimmel von einer Kanonenkugel unter dem Hintern weggeschossen wurde...Glück muss der Mensch haben...der Schimmel steht heute noch als (allerdings traurig aussehendes) Präparat im Stadtmuseum.

Nach der Schlacht von Rain am Lech (und während der Belagerung Ingolstadts durch die Schweden) starb Graf Tilly in Ingolstadt.

Das 19.Jh. war dann die dunkle Zeit Ingolstadts - die Uni kam erst nach Landshut, dann nach München, nur das Militär blieb in Ingolstadt, weswegen die Stadt bis nach 1945 eine eher traurige Existenz als Militärstadt fristete. Ausnahme: Um 1850 wurde hier der Bayerische Defiliermarsch geschrieben (!)
Erst nach 1945, als die aus Sachsen vertriebene Auto Union hier aus einem Ersatzteillager das westdeutsche Hauptquartier machte, ging´s wieder bergauf - und wie!
Heute ist Audi als Nachfolger der Auto Union nicht nur wichtigster Arbeitgeber für die ganze Region, sondern auch der Finanzier, der es ermöglichte, dass Ingolstadt innerhalb Bayerns eine Art Leuchtturm darstellt.
Audi dominiert via Sponsoring den hiesigen Sport (Eishockey, Fußball, Leichtathletik, Halbmarathon) und die Kultur (Sommerkonzerte zwischen Donau und Altmühl, Jazztage...). Mit dem Geld, das Ingolstadt mit Audi verdient, wurde in den 60ern ein damals sensationelles Stadttheater gebaut (ein eher hässlicher Betonklotz mit kläglicher Akustik, aber was soll´s).Sollte es Audi allerdings mal schlecht gehen, sieht´s um die ganze Region düster aus ("Wenn Audi hustet, hat Ingolstadt eine Erkältung").

Ebenfalls auf Veranlassung von Audi wurde Ingolstadt auch wieder Universitätsstadt: Neben der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Uni Eichstätt (neuerdings "Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt") gibt es seit ein paar Jahren eine FH, deren Absolventen hauptsächlich zu Audi gehen...

Auch in Zukunft will sich Audi um Ingolstadt kümmern: Generell kümmert sich Audi jetzt auch um die Regionalentwicklung, weil man gemerkt hat, dass man fähige Ingenieure und Manager nur dann in die - immer noch - Provinzstadt Ingolstadt bringt, wenn die sog. "weichen Standortfaktoren" auch stimmen.
Der Bahnhof soll neu gestaltet werden, was aber schwierig ist, weil die Stadt nun doch nicht so viel Geld hat und die Bahn darauf hinweist, man habe doch schon in den ICE-Halt Ingolstadt soooo viel Geld gesteckt... (aber es wird immerhin seit Jahren dran rumgebaut)
Tourismus soll´s in Ingolstadt künftig auch mehr geben - solchen, der über "ich kauf mir einen Audi und schau mir dabei mal kurz die Stadt an" hinaus geht.
Der FC 04 hat ein bundesligataugliches Stadion, und auch für Tagungen will man in Zukunft besser gerüstet sein als bisher (es steht eigentlich nur das Stadttheater für grössere Events zur Verfügung, und auch die Hotels sind nicht wirklich auf sowas eingerichtet...). Wie Ingolstadt allerdings zum Tagungszentrum werden soll, das hat uns unser lieber Rekord-OB (gemessen in Prozentzahlen bei der letzten Kommunalwahl) bisher verschwiegen...

An interessanten Bauten hat Ingolstadt v.a. aufgrund seiner Geschichte schon auch was zu bieten:
Wie schon erwähnt die herzoglichen Prachtbauten Münster und Altes bzw. Neues Schloss. Aus dem Mittelalter noch die "Alte Pfarr" von St.Moritz - wahrscheinlich (!) die Nachfolgekirche der karolingischen Kirche, die zum Königshof gehörte.
Dazu die Stadtmauer aus dem 14.Jh., Reste der Rennaissancebefestigung und der klassizistische Festungsgürtel.
Die Altstadt ist gründerzeitlich geprägt mit Resten mittelalterlicher Bebauung. Wirkt irgendwie italienisch (behauptete zumindest ein Studienfreund aus Hamm mit einschlägiger Südtirolerfahrung...)
Die Alte Anatomie, in der heute das Deutsche Medizinhistorische Museum ist, ist ein Uni-Bau aus dem 18.Jh. Daran sollten sich moderne Uni-Architekten mal ein Vorbild nehmen...
Das Stadttheater ist nach wie für Zielpunkt architektonischer Exkursionen, und das Audi Forum wurde es in den letzten Jahren, vor allem nach dem Bau des Audi-Werksmuseums.

Weitere Informationen über Ingolstadt gibt´s auf wikipedia (ich weiß...aber an dem Artikel hab ich selber mitgeschrieben), dazu noch auf den Seiten von Kurt Scheuerer und des Historischen Vereins Ingolstadt.
Diverse Bücher wurden auch schon geschrieben (v.a. Siegfried Hofmann ist zu empfehlen).

Wichtige Persönlichkeiten der Stadtgeschichte:
- Philipp Apian (einer der Väter der modernen Kartographie)
- Adam Weishaupt (Gründer des Illuminatenordens)
- Ludwig Fronhofer (einer der Väter der Realschule)
- Marieluise Fleißer (bedeutende Schriftstellerin des 20.Jhs., Freundin von Bertold Brecht)
und nicht zu vergessen:
- Horst Seehofer (...)
- Günther Grünwald (Kabarettist und Ex-OB-Kandidat der Ingolstädter Grünen)

VG
Christian
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
Stadtgeschichte - Maxdorfer - 22.06.2012, 18:55
RE: Stadtgeschichte - Maxdorfer - 22.06.2012, 18:57
RE: Stadtgeschichte - 913Chris - 22.06.2012 22:56
RE: Stadtgeschichte - Sansavoir - 24.06.2012, 01:46
RE: Stadtgeschichte - Maxdorfer - 10.03.2013, 13:39
RE: Stadtgeschichte - WernerS - 20.03.2013, 12:57
RE: Stadtgeschichte - Maxdorfer - 20.03.2013, 18:06

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds