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Osmanen: Aufstieg und Abwehrstrategien:
11.01.2013, 17:44
Beitrag: #18
RE: Osmanen: Aufstieg und Abwehrstrategien:
(11.01.2013 14:12)WDPG schrieb:  Frage an die Mit-User:

Hätte es eurer Meinung nach auch noch andere Möglichkeiten von Gegenstrategien gegeben, die Byzanz hätte versuchen können?

Wenn ja, welche?

Ich denke, Deine Frage kann man mit "Nein" beantworten. Manuel II. hat ja Vieles unternommen. Dass er und seine Söhne Johannes VIII. und Konstantin XI. keine ausreichende Hilfe aus Westeuropa bekamen, war nicht deren Schuld. Außerdem zeigte der 1396 gescheiterte Kreuzzug, dass west- und mitteleuropäische Ritterheere nicht viel gegen Osmanen ausrichteten. Die Niederlage des Kreuzzugsheeres bei Varna im Jahr 1444 bedeutete nur eine Wiederholung des militärischen Versagens von 1396. Dagegen konnte Johannes XI. 1422 und 1442 Konstantinopel noch erfolgreich gegen Murad II. verteidigen. Und um 1450 besaßen die Osmanen wohl die beste Armee der Welt.

Es war schon richtig, dass Manuel II. 1413 einen Freundschaftsvertrag mit Mehmed I. schloss. Dieser sicherte zwar Mehmed I. den Sieg gegen seine rivalisierenden Brüder, verschaffte Byzanz aber auch eine Atempause, die Manuel zum Ausbau der Verteidigungsanlagen von Konstantinopel nutzte. Dass Mehmeds Sohn Murad II. nicht gewillt war, den Frieden weiter fortzusetzen, war nicht Schuld Manuels!

Ein Manko der letzten byzantinischen Herrscher waren fehlende Verbündete. Deshalb stellt sich die Frage: Wer käme außer Papst und Kaiser, Ungarn, Polen-Litauen oder der eine oder andere westeuropäische Herrscher noch als potentieller Verbündeter in Frage? Da wären nur noch Persien, die ägyptischen Mamelucken, die Goldenen Horde einschließlich ihrer Abspaltungen wie das Krim-Khanat und das Khanat Kasan und das aufstrebende Großfürstentum Moskau. Trotz meines „Nein“ zur Rettung von Byzanz, möchte ich aber trotzdem nachfolgendes Gedankenkonstrukte durchspielen, wobei ich mich auf die Situation von ca. 1420 bis 1450 konzentriere.

Persien wurde im 15. Jahrhundert von den Timuriden beherrscht. Der Sieg Timurs über Bajazid I. in der Schlacht bei Ankara im Jahr 1403 verschaffte Byzanz eine Atempause. Demnach hätte sich Persien als Verbündeter angeboten. Allerdings gliche es einer Revolution der griechischen bzw. byzantinischen Diplomatie, diesen traditionellen Gegner als Verbündeten zu gewinnen. Des Weiteren hätte sich Byzanz statt der Osmanen einen potentiell ebenso gefährlichen Gegner in die unmittelbare Nachbarschaft geholt. Frühere byzantinische Herrscher duldeten die Osmanen als Puffer zwischen ihrem Staat und Persien. Trotzdem sei der Gedanke erlaubt, ob persische Angriffe die Osmanen gezwungen hätten, ihre bisherige Expansionspolitik zu drosseln und eine ausgleichende Politik sowohl zu Byzanz als auch zu Persien zu betreiben. Ich denke, zumindest bis 1449 wären die Timuriden unter Schah Ruch oder Ulugh Beg eine Option gewesen, die Angriffe der Osmanen besser abzuwehren. Danach waren die Timuriden in Kämpfen untereinander verstrickt, möglicherweise hätte die eine oder andere Partei Byzanz auch unterstützt. Dass es zu keinem dauerhaften Bündnis kam, kann sicher mit den Erfahrungen und Traditionen aus der griechischen bzw. byzantinischen Geschichte begründet werden, in der Persien als Erbfeind galt. Die unterschiedlichen Religionen waren sicher auch ein Grund, dass ein dauerhaftes Bündnis mit den Timuriden nicht zustande kam.

Ein weiterer möglicher Verbündeter wären die ägyptischen Mamelucken gewesen. Ihnen gelang 1425/26 die Eroberung von Zypern. Ein Problem der ägyptischen Wirtschaft bestand in der Piraterie der Ritter von Rhodos. Es wäre für Byzanz durchaus sinnvoll gewesen, wirtschaftliche und politische Beziehungen mit den Mamelucken zu führen. Dieser Verbündete wäre zwar nicht so stark, wie die Timuriden, wäre aber auch nie eine Gefahr für den eigenen Staat geworden. Sowohl Mamelucken als auch Byzanz hätte das gemeinsame Ziel, den weiteren Aufstieg der Osmanen zu verhindern, in einem politisch-militärischen Bündnis umsetzen müssen. Ob ihre gemeinsamen Kräfte über Jahrzehnte gereicht hätten, ist eine andere Sache. Aber Byzanz hätte um 1450 einen Verbündeten gehabt. Dass es dazu nicht kam, lag wohl an den unterschiedlichen Religionen und an den noch verbreiteten Kreuzzugsgedanke, mit dem Ziel, Jerusalem zurück zu erobern.

Die Goldene Horde oder die aus ihr hervorgegangenen Gebilde wie das Khanat von Kasan oder das Khanat der Krimtataren wären theoretisch auch eine Option. De facto kann man dies aber ausschließen, die Goldene Horde bemühte sich ihren Zerfall aufzuhalten, die abgespaltenen Gebiete setzten alles daran, sich als eigenständig zu behaupten. Ich denke, von den Mongolen bzw. den Tataren hätte Byzanz keine Hilfe erhalten. Ein weiterer Punkt ist, dass sich noch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Bündnisse zwischen den Osmanen und den Tatarenstaaten herausbildeten.

Interessanter dagegen, wäre abzuwägen, ob das seit dem 14. Jahrhundert aufstrebende Großfürstentum Moskau ein potentieller Verbündeter gewesen wäre. Denn nach der siegreichen Schlacht am Schnepfenberg im Jahr 1380 unter Dimitri Donskoi stieg Moskau zu einer regionalen, wenn nicht gar Großmacht auf. Was für dieses Bündnis spricht, beide Staaten praktizierten den orthodoxen Ritus des Christentums. Allerdings hatte sich Moskau mit Angriffen von Polen-Litauen und den Mongolen bzw. Tataren auseinander zu setzen. Ich halte jedenfalls das Großfürstentum Moskau als einen potentiellen Verbündeten, um den sich die byzantinische Diplomatie nicht ausreichend gekümmert hatte. Dass sie es nicht tat, lag sicher mit den ungenügenden Kenntnissen der byzantinischen Diplomatie über den Nordosten Europas und ihrer auf West- bzw. Mitteleuropa fixierten Politik zusammen. Nicht zu vergessen, der erhebliche logistische Aufwand, den man für die diplomatische Beziehungen mit Moskau zu betreiben hatte.

Trotzdem wäre wohl um 1450 eine Alternative für Byzanz ein Bündnis mit dem Großfürstentum Moskau und den ägyptischen Mamelucken gewesen. Ob dieses auf Dauer gegen die Osmanen Bestand hätte, ist eine andere Frage. Die Tataren und Mongolen wären osmanische Verbündete geworden, die den Nachschub der Moskowiter beträchtlich erschwert hätten. Und die Mamelucken, die den Gebrauch von Feuerwaffen ablehnten, wären auch nicht für ewig ein loyaler Verbündeter geblieben.

Aber um mein obiges "Nein" etwas zu entkräften. Byzanz hätte nur Möglichkeiten gehabt, weiter zu bestehen, wenn man sich Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt, auf alle möglichen, politischen Konstellationen eingestellt hätte und bereit gewesen wäre, ungewöhnliche neue Wege zu gehen. Dies war aber mit einer auf Traditionen verhafteten Diplomatie nicht zu machen.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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