Antwort schreiben 
 
Themabewertung:
  • 1 Bewertungen - 5 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Die frühere Sicht auf Byzanz
24.06.2012, 13:32
Beitrag: #5
RE: Die frühere Sicht auf Byzanz
(24.06.2012 09:14)Maxdorfer schrieb:  Warum wurde Byzanz in der früheren Geschichtswissenschaft so negativ als Despotie und als dekadent dargestellt?

Auch bei positiver Betrachtung ist eine gewisse Erstarrung der byzantinischen Institutionen sowie der byzantinischen Kunst und Gesellschaft nicht zu übersehen. Sie wurzelt in einem ideologischen Beharrungsvermögen, das um so stärker wurde, je mehr sich gegnerische Fronten um das Byzantinische Reich schlossen. Staatsräson war somit der Rückgriff auf das antike Rom und die Beharrung auf den überkommenen politischen, künstlerischen, geistigen und gesellschaftlichen Strukturen.

Ein guter Kenner der byzantinischen Geschichte, der Byzantinist Ralph-Johannes Lilie, sagt dazu:

Zitat:ASo wirkt Byzanz, trotz aller Änderungen im einzelnen, insgesamt statisch; es blieb zeit seiner Existenz auf die Vergangenheit fixiert. Die wenigen Versuche, Erstarrung und Verkrustung zu durchbrechen - etwa der Bilderstreit (Ikonoklasmus) im 8. Jh, die angestrebte Westöffnung des Reiches unter Manuel Komnenos im 12. oder die Bemühungen während des 14. Jahrhunderts, das westliche Denkgebäude der Scholastik für Byzanz zu erschließen - brachten nicht den gewünschten Erfolg und führten im Gegenteil eher zu einem härteren Widerstand gegen solche Neuerungen: Byzanz versuchte um so verzweifelter, die Vergangenheit wiederzubeleben, um sich seiner Identität zu versichern, je trostloser die zeitgenössische Realität wurde. [...]

Dieses ideologische Beharrungsvermögen wird durch die Kontinuität der staatlichen Institutionen erleichtert: Byzanz hat nie eine echte Revolution erlebt, sondern seine Entwicklung vollzog sich in winzigen, unmerklichen Schritten. Die Trägheit dieser Prozesse förderte das Weiterbestehen und die Erstarrung in Tradition bis hin zum Selbstbetrug ... Unbestreitbar ist, dass die Begrenztheit und Langsamkeit der Entwicklung den Eindruck von Statik vermittelt. Die Fassade von Byzanz blieb gleich, und zwar deshalb, weil die Byzantiner wollten, dass sie gleich blieb.

(Ralph-Johannes Lilie, Byzanz. Geschichte des Oströmischen Reiches, München 1999, S. 10 f.)

Der letzte Satz dieser Einschätzung fasst den Tatbestand gut zusammen: Angesichts der bedrohlichen äußeren Entwicklung war Byzanz nur noch ein kleiner römischer Vorposten inmitten eines Meers von Arabern, Türken und Slawen. Deshalb koppelte es seine Identität fest an das antike Rom und die byzantinische Gesellschaft folgte diesem Staatskonzept bis zur Erstarrung - und zwar bewuss!
Alle Beiträge dieses Benutzers finden
Diese Nachricht in einer Antwort zitieren
Antwort schreiben 


Nachrichten in diesem Thema
RE: Die frühere Sicht auf Byzanz - Dietrich - 24.06.2012 13:32
RE: Die frühere Sicht auf Byzanz - WDPG - 31.07.2012, 13:11
RE: Die frühere Sicht auf Byzanz - WDPG - 31.07.2012, 13:07
RE: Die frühere Sicht auf Byzanz - WDPG - 24.09.2012, 11:24
RE: Die frühere Sicht auf Byzanz - WDPG - 24.09.2012, 11:28
RE: Die frühere Sicht auf Byzanz - WDPG - 24.09.2012, 21:27
RE: Die frühere Sicht auf Byzanz - WDPG - 05.10.2012, 01:19

Möglicherweise verwandte Themen...
Thema: Verfasser Antworten: Ansichten: Letzter Beitrag
  Sind die Osmanen "Erben" von Byzanz? Dietrich 14 28.634 14.01.2017 15:31
Letzter Beitrag: Sansavoir
  Kaisertum in Byzanz Maxdorfer 4 9.236 18.12.2014 13:56
Letzter Beitrag: WDPG

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Kontakt    |     Startseite    |     Nach oben    |     Zum Inhalt    |     SiteMap    |     RSS-Feeds