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Aufwachsen in den Kulturen der Antike
05.01.2013, 17:39
Beitrag: #2
RE: Aufwachsen in den Kulturen der Antike
Kindheit und Jugend im alten Ägypten

Im Gegensatz zu anderen Kulturen zählte im alten Ägypten nicht die Sippe, also die Großfamilie, sondern die enge Verwandtschaft, Eltern, Geschwister, Kinder, vielleicht noch Großeltern zum Umfeld des Menschen. Dies zeigt sich schon dadurch, dass es gar keine Namen für Neffen, Nichten, Großtanten etc. gab, sondern solcherlei Beziehungen durch umständliche Konstruierungen von Eltern-Kind und Bruder-Schwester – Beziehungen erklärt werden mussten. Doch diese enge Familie wurde sehr stark in das eigene Leben einbezogen, nicht nur der Pharao überließ seinen Söhnen wichtige Aufgaben. Schon im religiösen Bereich spielte der Sohn eine wichtige Rolle, da er dafür Sorge zu tragen hatte, dass sein Vater ordnungsgemäß bestattet würde, um vor dem Totengericht bestehen zu können.
Im Alter hatte der Sohn die Eltern zu versorgen, da diese bei zunehmender Arbeitsunfähigkeit keine Möglichkeit zum Broterwerb mehr hatte. Dies war auch für viele der Antrieb, Kinder zu bekommen. In vielen Gesetzestexten und Weisheitslehren hat deshalb der Befehl zur Fürsorge für die Eltern Einzug gehalten, so steht im Papyrus des Schreibers Ani:
„Erweise deiner Mutter alles das, was sie für dich getan hat.
Verdopple die Brote, die deine Mutter dir gegeben hat,
und trage sie, wie sie dich getragen hat.
Sie hat an dir eine schwere Last gehabt.“
(zit. nach: Emil Nack: Ägypten und der Vordere Orient im Altertum. Bibliothek der alten Kulturen. Verlag Carl Ueberreuter, Wien 1977.)
Grundlage für die intime Familienzusammengehörigkeit war die Ehe. In Ägypten heiratete man schon früh, und Monogamie war üblich, wenn auch nicht verpflichtend festgeschrieben. Wie andernorts auch entschieden die Eltern über die Heirat ihrer Kinder, doch gibt es auch Belege dafür, dass Liebesehen durchgesetzt werden konnten. Zärtlich sprechen viele Eheleute von ihrem Partner als „Bruder“ und „Schwester“. Das ist aber rein geistig zu sehen, Geschwister- oder sogar Tochterheirat kam lediglich im Königshaus des Pharaos vor. Die Ehe wurde geschlossen, indem Braut und Bräutigam in Begleitung der Verwandten und Bekannten in das Haus des Mannes einzogen. Bei einem Beamten wurden die Namen und der Besitz des Mannes und der Frau in Büchern eingetragen und schließlich im Tempel ein Opfer dargebracht. Vermutlich endete der Hochzeitstag bei einem reichhaltigen Mahl im Hause des Frischvermählten.
Die Frau war in Ägypten dem Manne gleichgestellt und wurde hoch geachtet. Das Eheleben musste im beiderseitigen Einvernehmen stattfinden und über den Besitz musste gemeinsam entschieden werden. Scheidungen wurden zwar nicht aus Lust und Laune, sondern nur in Ausnahmefällen durchgeführt, doch dabei erhielt die Frau eine beträchtliche Abfindung.
Wenn ein Sohn geboren wurde, war dies ein großer Augenblick: Der Neugeborene sollte später die Familie fortsetzen und den Totenkult für seine Eltern durchführen. Schon bald wurde ihm ein Name gegeben, denn dieser war nicht nur für die Identifizierung eines Menschen verantwortlich, sondern mit dem Ka, der Seele des Menschen auf eine ganz besondere Weise verbunden und somit essentiell für das religiöse Leben. Wie auch bei unseren Namen steckte hinter den ägyptischen eine Bedeutung: Echnaton bedeutet „Es gefällt Aton“, Ramses „Der Sonnengott hat ihn geboren“. Wie man bemerkt, tauchten oft Götternamen auf, so auch beispielsweise bei Ptah-hotep, dessen Name nichts anderes aussagte, als dass Ptah mit dem Kind zufrieden sei. Die Nennung eines Namens war auch die Anrufung des entsprechenden Gottes. Umso schlimmer war es auch, wenn der Name in einer Inschrift unkenntlich gemacht wurde – das ewige Leben des Betroffenen wurde vernichtet. Der Name wurde – wie schon die Hochzeit – bei Beamten in eine Liste eingetragen.
Kinder wurden hoch geschätzt im Alten Ägypten. Sie durften überall im Haus und im Garten spielen und sollten, wenn möglich, eine frohe Kindheit durchleben. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass viele Reliefdarstellungen von Ägyptern bis hin zu Grabwänden Kinderszenen zeigen. Die Jungen und Mädchen sind meistens zusammen mit ihren Eltern abgebildet und werden bei fröhlichen Ausflügen gezeigt, bei Vogeljagden oder beim Fischen. Ansonsten war ein häufiger Zeitvertreib der Sport und die Kräftigung des Körpers. Die Jugend besuchte die Hirten oder half bei verschiedenen landwirtschaftlichen Arbeiten aus. Gerne sprang man auch spielerisch auf den Ährenhaufen herum und erledigte wie nebenbei das Kornaustreten.
Jungen, die auf die Schreiberschule geschickt wurden, hatten eine Menge Arbeit vor sich, denn es war nicht einfach, die Unmenge an Zeichen, Symbolen und deren Verbindungen zu erlernen. Außer der offiziellen Hieroglyphenschrift gab es ja auch noch das Hieratische, und dieses wiederum konnte sowohl als Kalligraphieschrift als auch in einer kursiven Form geschrieben werden. Doch die meisten Kinder, deren Eltern Bauern, Handwerker oder Arbeiter waren blieben zuhause, lernten, ihren Eltern zu helfen und meist später ihren Beruf auszuführen, das Vieh zu hüten oder Werkzeuge zu benutzen.

Wäre ich Antiquar, ich würde mich nur für altes Zeug interessieren. Ich aber bin Historiker, und daher liebe ich das Leben. (Marc Bloch)
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RE: Aufwachsen in den Kulturen der Antike - Maxdorfer - 05.01.2013 17:39

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