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Böhmen unter Karl IV.
13.02.2016, 16:26
Beitrag: #11
RE: Böhmen unter Karl IV.
(13.02.2016 01:08)Teresa C. schrieb:  Nur eine Überlegung:
War die Gefahr für die ausgehende Westgrenze durch das Herzogtum Burgund, mit der sich seine Nachfolger als Könige / Kaiser (HRR) befassen mussten, zu seinen Lebzeiten wirklich schon vorhersehbar?
Das Reich, über das später Herzöge wie Philipp der Gute oder Karl der Kühne regierten, dürfte zu seiner Zeit erst in Entstehung gewesen sein, und Gebiete wie z. B. das damalige Herzogtum Luxemburg (das Stammland von der Familie Karl IV.) oder Teile der späteren Niederlande kamen erst im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts unter burgundische Herrschaft, also zu einer Zeit, als Karl IV. bereits längst nicht mehr am Leben war.

Es ist natürlich richtig, dass Karl IV. die Entwicklungen im 15. Jahrhundert nicht voraus sehen konnte, insbesondere dass die Grafschaft Luxemburg an die Herzöge von Burgund fiel. Trotzdem sollte man sich westlichen Teil des HRR beschäftigen und Karls Politik entsprechend bewerten. Immerhin ließ er sich 1365 in Arles zum König von Burgund krönen. U.a. erhielt Karl dort die Gebeine des Burgunderkönigs Sigismund, den Karl wohl sehr verehrte und nach dem er seinen 1368 geborenen Sohn benannte, den späteren Kaiser Sigismund.

Eine Frage stellt sich nun, warum ließ sich Karl IV. im Jahr 1365 zum König von Burgund krönen? Die deutschen Könige waren zwar seit 1033 formal auch Könige von Burgund, aber um 1365 war der Einfluss der deutschen Könige im Königreich Burgund (Arelat) sehr gering und in einigen Gebieten fungierte der König von Frankreich als Vikar des Reiches. Eine Antwort darauf ist sicher, dass im Jahr 1361 der letzte kapetingische Herzog von Burgund starb und der französische König Johann II. der Gute – im Übrigen kein wirklich „guter“ Herrscher im doppelten Sinn – das Herzogtum Burgund als erledigtes Lehen einzog und somit sich das Kräfteverhältnis zugunsten Frankreichs änderte. Letztlich blieb aber der französische König erfolglos, die Stände des Herzogtums Burgund widersetzten sich der Einverleibung und 1363 wurde Johanns vierter Sohn Philipp (der Kühne) Herzog von Burgund.

Bereits 1356, nach der verlorenen Schlacht von Maupertuis, erschien der damalige Kronprinz - der spätere französische König Karl V. der Weise auf dem Reichstag zu Metz und huldigte Karl IV. für seine Gebiete, die Dauphiné. Philipp von Rouvres, der letzte kapetingische Herzog von Burgund, leistete ebenfalls auf den Reichstag zu Metz seinen Lehnseid für die Freigrafschaft Burgund (Franche Comté). Dieser Lehnseid galt aber nur für die Person des Herzogs, mit seinem Tod im Jahr 1361 endete der Eid. Sein Nachfolger Philipp der Kühne leistete Karl IV. den Eid nicht mehr.

Meine oben geäußerten Kritik gegenüber Karl IV. leite ich daraus ab, inwieweit er die Neugestaltung des Westraumes mitgestaltete, am Alten festhielt oder sich daran gar nicht oder nur halbherzig beteiligte. Denn es haben sich auf dem Boden des Königreichs neue Herrschaftskomplexe gebildet:

1. Die Schweizer Eidgenossenschaft – die 1291 aus einem Städtebund hervorging und in ihren Widerstand gegen die Habsburger erstarkte. Sie erwirkte 1361 bei Karl IV. eine Erneuerung der Verbriefung ihrer Bundesrechte und ihrer politisch-militärischen Selbständigkeit, die 1386 nach dem Sieg bei Sempach über die Habsburger weiter gefestigt werden konnte.

2. Die Freigrafschaft Burgund (Franche Comte) unterstand zwischen 1156 und 1208 direkt den Staufern und danach den Herzögen von Andechs-Meranien. Nach deren Aussterben im Jahr 1248 geriet die Freigrafschaft unter Kontrolle französischer Magnaten, wie die Grafen von Chalon oder die Herzöge von Burgund. 1295 wurde das Gebiet der französischen Krone unterstellt, es bestand eine Zwitterstellung zwischen Frankreich und dem HRR, die erst 1678 durch Ludwig XIV. beendet wurde. Wie bereits oben geschrieben, unterstellte 1356 Philipp von Rouvres das Gebiet dem römisch-deutschen König.

3. Die Provence begann sich bereits im 12. Jahrhundert aus dem Reichsverband zu lösen und wandte sich der Krone Aragons zu, dessen Herrscher entweder in Personalunion die Grafschaft Provence beherrschten oder von dessen Verwandten beherrscht wurde. 1246 wurde Karl von Anjou durch Heirat Herrscher in der Provence. Die Anjous konnten sich zwar nicht innenpolitisch durchsetzen, behaupteten sich jedoch bis 1481 gegenüber Restaurationspläne des Reichs oder französischen Eroberungsversuchen.

4. Die Dauphiné ging aus dem Südteil der Grafschaft Vienne hervor. 1378 übergab Karl IV. die Dauphiné an den französischen Thronfolger, den späteren Karl VI. den Wahnsinnigen. Welche Gründe ihn dazu bewogen hatten, ist schwer einzuschätzen. Vielleicht wollte er nur seinen Neffen Karl V. unterstützen, indem er die Apanage für dessen Sohn bereitstellte.

5. Savoyen erhielt zwischen 1361 und 1365 die unmittelbare Reichsfreiheit. Dies war eine kluge Maßnahme Karls IV., denn in Zukunft sollte sich Savoyen als ein wichtiger Verbündeter des HRR gegen Frankreich erweisen.

6. Im Herzogtum Burgund konnten 1361/63 die Stände die Übernahme durch Frankreich verhindern. 1363/64 wurde das Herzogtum auf Philipp den Kühnen übertragen. 1369 heiratete Philipp Margarethe von Flandern, die Erbtochter Ludwigs von Maele. Das bedeutete, dass ein neuer Herrschaftskomplex entstehen konnte (und tatsächlich 1384 auch entstand). D.h., dass bereits zu Lebzeiten des 1378 verstorbenen Kaisers ein Staatsgebilde konzipiert wurde, dass aus dem Herzogtum Burgund, den Grafschaften Flandern, Artois und Nevers als Erbe Margarethes und der Freigrafschaft Burgund bestehen würde. Ein Herrscher dieses Gebilde würde dann auf alle Fälle versuchen, seine verschiedenen Länder zu vereinigen. Diese Option war sicher für einen Zeitgenossen schwer zu erkennen gewesen, aber meiner Meinung nach wurde diese ganze Problematik von Karl IV. nicht ernsthaft genug verfolgt. Er ließ im Westen die Dinge laufen, wie sie kamen.

"Geschichte erleuchtet den Verstand, veredelt das Herz, spornt den Willen und lenkt ihn auf höhere Ziele." Cicero
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