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Was wäre, wenn Troja den trojanischen Krieg gewonnen hätte,,,
02.04.2013, 16:22
Beitrag: #29
RE: Was wäre, wenn Troja den trojanischen Krieg gewonnen hätte,,,
(02.04.2013 11:56)Bunbury schrieb:  Letztendlich kennen wir den griechischen Kulturkreis, weil er der siegreiche war. (...)
Über den Trojanischen weiß man nichts.

Oh, doch!
Wir wissen, dass Troja kulturell mit den Hethitern verbunden war, darüber hinaus eben noch mit den luwisch-anatolischen Kulturen, speziell den nordwestanatolischen Kulturen (kein Wunder, es lag ja in Nordwestanatolien... Wink )

Auch über die Götterwelt der Westanatolier kommen wir den Trojanern näher:

Apollon, der ja den Trojanern half, stammt aus Anatolien. Tante Wiki schreibt dazu im Artikel "Apollon":
"Bei Anbruch des Winters flog Apollon in einem von Schwänen gezogenen Wagen in das „Land der Hyperboreer“, d. h. das Land jenseits des Nordwinds." Apoll hatte also irgendeine, mit der Zeit wohl vergessene Verbindung mit dem Land, das laut griechischer Mythologie "nördlich der Skythen" lag, also wohl irgendwo in Südrussland verortet wurde.
Weiter Zitat Wiki:
"Der Ursprung des Apollon-Kults wird in Kleinasien vermutet. Die Etymologie des Namens Apollon ist ungeklärt. Möglicherweise bedeutete er auf griechisch „Verkünder“, „Zerstörer“ bzw. „Vernichter“ oder aber „Unheilabwehrer“. Homer nannte ihn in der Ilias auch Smintheus (d. h.: „Rattenverschlinger“) und „der fernhin Treffende“. Als Phoibos Apollon („der Leuchtende“, latinisiert: Phoebus) wurde er auch mit dem Sonnengott Helios gleichgesetzt. Weitere Namen waren Boëdromios, „der unter Schlachtruf helfend Herbeieilende“, und Loxias."

Loxias ist nicht nur der Name eines Zauberers bei Harry Potter Wink , sondern auch ein Beiname des Apollon, der seine Eigenschaft als Orakelgott beschreibt (http://www.mythindex.com/greek-mythology...ias.html), so etwas wie "der dunkel Sprechende".
Auf die asiatische Herkunft Apolls deutet auch hin, dass seine Zwillingsschwester Artemis war, die ja eindeutig asiatische Züge trägt. Auch die Beinamen Apolls, die er in der Ilias bekommt (s.o.), deuten darauf hin.
Er scheint so eine Art "helfender Kriegsgott" gewesen zu sein. Apoll hat aber noch mehr Aspekte:

Apolls Mutter Leto ist in (west-)kleinasiatischen Zeugnissen aus vorgriechischer Zeit als Verkörperung der Muttergottheit (Magna Mater, auch Kybele) erkennbar, Apoll (Lairbenos oder Apoll Lairbenos genannt) gilt hier noch nicht als Sohn der Leto, sondern als Gatte der Leto (er ist dargestellt, wie er zusammen mit Leto/Kybele opfert) - eine in Kleinasien durchaus übliche Kombination von Muttergottheit und Sonnengott. Erst die patriarchalischen Griechen betrachten Apollo als eigenständige Gottheit und lassen die Grosse Mutter ungnädig "hinten runter" fallen.
Mehr noch: Die "Grosse Mutter" wird bei den Griechen aufgespalten: In Artmeis (!), die "Herrin der (wilden) Tiere" und in Demeter, die Göttin der Fruchtbarkeit (die wieder mit dem Unterweltsgott verschwistert ist, aber auch das ist typisch orientalisch und weist in vorgriechische Zeit...)
(Hauptquelle: Vera-Elisabeth Hirschmann: Horrenda Secta. Untersuchungen zum frühchristlichen Montanismus und seinen Verbindungen zur paganen Religion Phrygiens. Franz Steiner Verlag, 2005.)

Das trojanische Pferd der Ilias wurde von den Trojanern ja als Weihegabe an Poseidon gesehen. Da die Troas für ihre Pferdezucht berühmt war, wohl ein nahe liegender Gedanke. Troja wurde auch oft von Erdbeben erschüttert. Denkbar ist daher, dass der "alte" Poseidon ("Rossebändiger", "Erderschütterer" laut Homer) irgendeine besondere Beziehung zu Troja bzw. Nordwestanatolien hatte.

Poseidon und Apoll sollen übrigens die Mauern von Troja errichtet haben...

Auch historisch gesehen wissen wir eine ganze Menge von Troja - naja, relativ viel zumindest...

Weithin ist man sich heute unter Forschern einig, dass das Königreich, dessen Hauptstadt Troja gewesen ist, mit dem in hethitischen Quellen überlieferten Land "Wilusa" identisch war (aus Wilusa entwickelte sich "Ilion").

Wilusa war bis etwa Mitte des 14.Jh.v.Chr. Vasallenstatt des Reiches Arzawa, das wiederum in der Mitte des westlichen Kleinasien lag und dessen Hauptstadt Ephesos ("Apasa") war. Dieses Reich war mal mehr, mal weniger abhängig von den Hethitern und von Luwiern bewohnt, deren Kultur der hethitischen sehr ähnlich war. Deutlicher Hinweis auf diese Beziehung zwischen Wilusa und Arzawa: Die bisher einzige in Troja gefundene Inschrift ist auf Luwisch geschrieben.
Ab Mitte des 14.Jhs. änderte sich das Verhältnis Arzawa-Hethiter, Arzawa wurde von den Hethitern erobert und zerschlagen. Demzufolge dürfte die Abhängigkeit von Wilusa zu den Hethitern um einiges enger geworden sein als zuvor. Wenn überhaupt, dann war Wilusa ab Mitte des 14.Jhs. Vasall von Hattuscha, nicht vorher.

Wilusa war also mehr hethitisch als thrakisch oder griechisch; darauf deuten nicht nur "ungriechische" Einzelheiten beim Festungs- und Tempelbau hin. Westlich von Troja wurden um 1900 v.Chr. einige Städte zerstört, und in der darauf folgenden Zeit (Troja II) zeigen sich deutliche hethitische Einflüsse, die zuvor noch nicht feststellbar waren; dies wird in Zusammenhang gebracht mit einer Bevölkerungsverschiebung im Gefolge der Einwanderung der Hethiter in Anatolien.
Schon allein die Namen der in der Ilias erwähnten Trojaner deuten darauf hin, dass kulturelle Beziehungen zu den Hethitern bestanden:. Nur ein paar Beispiele:

Paris hat einen zweiten Namen, Alexander (ein eigentlich ungriechischer Name). In hethitischen Archiven finden wir tatsächlich einen Fürsten "Alaksandu von Wilusa", der ein Verbündeter der Hethiter gewesen ist.

Priamos ist ein luwischer Name. Ein Piyama-Radu war als König von Troja/Wilusa ein Vorläufer des Königs Alaksandu.

Hekuba, Frau von Priamos, soll die Tochter eines phrygischen Königs gewesen sein, also aus Zentralanatolien gestammt haben.

Kassandra - außerhalb der Ilias auch als Alexandra bezeichnet - scheint ursprünglich eine göttliche (?) Figur aus Anatolien gewesen zu sein, da sie mit der Doppelaxt dargestellt wird, einem aus dem Nahen Osten stammenden göttlichen Symbol.

Ihr Zwillingsbruder heißt in der Ilias Helenus, aber auch Skamander - ein Flussname, der nicht nur in der Troas, sondern auch in Lykien und Phrygien geläufig gewesen zu sein scheint, jedenfalls gibt es mehrere Flüsse dieses Namens in Anatolien.

Helena wurde auf Rhodos als Baumgöttin verehrt.

Aphrodite, die die Trojaner im Krieg gegen die Achaier unterstützte und durch ihr Versprechen an Paris, ihm die schönste Frau auf Erden zu besorgen, die eigentlich Auslöserin des Trojanischen Kriegs war, stammt aus dem mesopotamischen Raum (= Ischtar).

Ganymed, ein Halbbruder von Priamos, ist eine Sagengestalt, die auch auf akkadischen (!) Siegeln schon dargestellt ist.

Dass in der Ilias die Beziehungen zwischen Trojanern und Hethitern nicht erwähnt werden, liegt daran, dass zu Zeiten Homers die Hethiter schlicht vergessen worden sind. Aber es blieben Spuren erhalten, die genau diese Beziehung nahe legen.

Noch mal kurz zusammengefasst:
Troja war vermutlich die Hauptstadt eines luwisch-anatolischen Staates namens "Wilusa", der mal mehr, mal weniger mit den Hethitern verbunden war, in dem die Pferdezucht - neben dem Handel - ein wichtiger Wirtschaftszweig gewesen sein dürfte und der auch nicht zu unkriegerisch war (Apollo!).
Darüber hinaus hatte Troja wohl auch kulturelle Verbindungen nach Mesopotamien, zumindest Teile der anatolischen - und wohl auch trojanischen - Götterwelt sind (vermutlich über alte Kontakte [altassyrisches Reich bzw. Händler?] oder auch "erst" über die Hethiter) aus Mesopotamien übernommen.

Da sich in Mesopotamien schon lange eine gewisse Mythen- oder Epenkultur etabliert hatte, die auch weithin (bis hin zu den Griechen) als Vorbild diente und die gewissen Regeln folgte, könnten wir uns - allerdings auf höchst spekulativem Niveau! - zusammenreimen, wie die Mythen zu Apollo, Poseidon, Ganymed, Helena usw. ausgesehen haben könnten.

VG
Christian
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RE: Was wäre, wenn Troja den trojanischen Krieg gewonnen hätte,,, - 913Chris - 02.04.2013 16:22

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