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Germanische Mythologie
13.07.2018, 08:37
Beitrag: #9
RE: Germanische Mythologie
(14.11.2014 16:59)Dietrich schrieb:  Spannend ist die Frage, ob und wie ein religiöser Ausgleich zwischen der alteingesessenen europäischen Bevölkerung und den halbnomadischen Indoeuropäern erfolgte, die diese bäuerliche Bevölkerung überschichteten. Man will im "Wanenkrieg" der Edda einiges dazu gefunden haben,

Der in der Edda beschriebene Wanenkrieg wird von einigen Forschern als symbolisches Abbild der Auseinandersetzung von indogermanischen Völkerschaften mit den alteingesessenen Bauern der Megalithkultur gedeutet. Diese Sichtweise ist natürlich hochspekulativ und nicht beweisbar, doch halte ich ein solch hypothetisches Gedankenmodell für überaus interessant.

http://de.wikipedia.org/wiki/Wanenkrieg

Nimmt man einmal an, die Auseinandersetzung von Indogermanen (oder Indoeuropäern) und Megalithbauern hätte sich zugetragen, so findet man in den bäuerlichen und friedlichen Fruchtbarkeitsgöttern der Wanen und denen der kriegerischen Asen ihre jeweiligen Vertreter. Die eingesessene Bevölkerung muss trotz ihrer Unterwerfung noch so stark gewesen sein, dass einige ihrer Götter in den Götterhimmel der Asen aufgenommen wurden. Man muss sich das freilich als einen langsamen Prozess vorstellen, der vermutlich hunderte von Jahren währte.

Ebenso werden auch die Indogermanen die ansässige Bevölkerung nicht auf einen Schlag unterworfen haben, sondern es ist wohl von einem längeren Prozess auszugehen, der schließlich zu einer Verschmelzung beider Bevölkerungsgruppen führte. Was sich also im Mythos des Wanenkriegs blitzschnell abspielte, war vermutlich in Wirklichkeit von längerer Dauer.

Andere Fruchtbarkeitsgötter der Wanen, die sich nicht behaupten konnten, sind vermutlich zu Hexen oder Dämonen abgesunken, wie vielleicht die Korn- und Roggenmuhme, Frau Holle usw.

In der Ynglingssage der Edda kaommt das ganze Geschehen gut zum Ausdruck. Der Wanenkrieg bleibt nämlich unentschieden und man tauscht Geiseln aus: Die Asen stellen Hönir und Mimir, die Wanen Njörd und Freyr. Dass Odin als Oberhaupt der Asen schließlich die Wanengöttin Freyja heiratet, zeigt symbolisch die Verschmelzung beider Bevölkerungsschichten, aber auch die Tatsache, dass der unterlegene Bevölkerungsteil weiterhin eine wichtige kulturelle Rolle spielte und sich seine Götter nicht ohne weiteres komlett unterdrücken ließen.

Man muss jedoch immer wieder betonen, dass das alles spekulativ und nicht beweisbar ist. Es ist ein hübsches Gedankengebäude und es bleibt jedem überlassen, diese Hypothese als wahrscheinlich oder aber höchst abseitig einzuschätzen.

Diese Interpretation ist tatsächlich höchst spekulativ wobei wieder einmal davon ausgegangen wird, dass die Edda, welche im Mittelalter entstanden ist, "indogermanische" Verhältnisse wiederspiegeln soll.

Das ganze Konstrukt kommt mir im Übrigen wie ein Äquivalent der Überlegungen von Robert Ranke-Graves vor: Der hatte eine ähnliche These für Griechenland aufgestellt, wo die Mykener (d.h. die Indogermanen) nach dem Sieg über die Minoier und Pelasger (d.h. die megalithische Urbevölkerung) ihre Götter (die Olympier und damit die Himmelsgötter) mit den "ansässigen" (Söhne und Töchter von Gaia, der Erde und damit den Erdgöttern) vermischt hätten. Ranke-Grave interpretiert dies aus denjenigen Sagen der griechischen Mythologie, die sich mit den Kämpfen zwischen Zeus und den Olympiern einerseits und den Kindern der Erde, Titanen und Giganten, beschäftigen.

Die Interpretation des Wanenkriegs Asen (Olympier) gegen Wanen (Kinder von Gaia) auf Auseinandersetzungen zwischen Indogermanen und Megatlither zu beziehen kommt mir verdächtig abgekupfert vor. Zudem fussen solche Thesen ausschliesslich auf Deutungen der jeweiligen Mythologie (ob es nun die griechische oder germanische ist) und sind sonst durch gar nichts belegt. Man hat letztendlich dasselbe Problem wie beim Artus/Gral-Mythos. Man geht von einer ungebrochenen mythologisch-religiösen Tradition aus und will in aufgrund von frühmittelalterlichen/sptäantiken Sagen (Germanen) oder von antiken Sagen (Griechen) auf "indogermanisch-megaltihische" religiöse Vorstellungen schliessen.

Ich persönlich bin jedenfalls überzeugt davon, dass die religiösen Vorstellungen der Istaväonen, Ingväonen und Herminonen rein gar nichts mit Asen und Wanen zu tun haben.

Wenn man diese "indogermanische vs. megalithische" Konkurrenz weiterverfolgt, wird schliesslich bei der Esoterik von Göttner-Abendroth und deren Urmutter landen, welche von Europa bis China und Südamerika (pacha-mamma) verehrt worden sein soll.
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